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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Neunzehende Unterredung, den 1sten April.

Die Lehre von der Versöhnung der Welt durch Chri-
stum ist zwar unter den Geheimnissen das einzige,
dessen Glauben die heilige Schrift mit dem ausdrückli-
chen Zusatz anbefielt, daß derjenige nicht seelig werden
könne, der es nicht glaube. Weil sich aber die übrigen
Geheimnisse auf eben der Autorität gründen, auf welche
Sie die Lehre von der Versöhnung angenommen haben
und nun an Christum glauben, so werden Sie einsehen,
daß Sie verbunden sind, auch diese der Vernunft unbe-
kannte Lehren für Wahrheiten zu erkennen. Jch werde
darüber, antwortete der Graf, keine Schwürigkeiten
machen. Jst das eine wahr, so muß es das andere auch
seyn. Sie haben bisher meine Vernunft befriedigt, und
ich zweifle nicht, daß Sie es auch ferner werden thun
können.

Wenn Christus, fuhr ich nun fort, der einge-
bohrne Sohn Gottes ist, Joh.3, 16. und also von Gott
sein Wesen, das göttliche Wesen hat, so muß er wahrer
Gott seyn. Denn Gott ist Gott durch sein Wesen, oder
durch sich selbst. Diese Lehre des Christenthums wird
im neuen Testament vielfältig wiederhohlt. Jesus selbst,
in seiner Rede an die Juden, Joh. 5, trägt davon mehr
alseinen Grund vor. Der 18te Vers beweiset, daß
ihn die Juden verstunden. Sie trachteten ihn zu tödten,
weil er sagte: Gott sey sein Vater, und mache sich selbst
Gott gleich. Jesus bestätigt das, was er gesagt hatte,
durch seinen ganzen folgenden Vortrag, besonders v.
21-23. Achten Sie hier auf folgende drey Gründe.
Der Sohn macht lebendig, welchen er will. Der Sohn
hat alles Gericht, das ist, er ist der Richter der Welt.
Sie sollen alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.

Paulus


Neunzehende Unterredung, den 1ſten April.

Die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt durch Chri-
ſtum iſt zwar unter den Geheimniſſen das einzige,
deſſen Glauben die heilige Schrift mit dem ausdruͤckli-
chen Zuſatz anbefielt, daß derjenige nicht ſeelig werden
koͤnne, der es nicht glaube. Weil ſich aber die uͤbrigen
Geheimniſſe auf eben der Autoritaͤt gruͤnden, auf welche
Sie die Lehre von der Verſoͤhnung angenommen haben
und nun an Chriſtum glauben, ſo werden Sie einſehen,
daß Sie verbunden ſind, auch dieſe der Vernunft unbe-
kannte Lehren fuͤr Wahrheiten zu erkennen. Jch werde
daruͤber, antwortete der Graf, keine Schwuͤrigkeiten
machen. Jſt das eine wahr, ſo muß es das andere auch
ſeyn. Sie haben bisher meine Vernunft befriedigt, und
ich zweifle nicht, daß Sie es auch ferner werden thun
koͤnnen.

Wenn Chriſtus, fuhr ich nun fort, der einge-
bohrne Sohn Gottes iſt, Joh.3, 16. und alſo von Gott
ſein Weſen, das goͤttliche Weſen hat, ſo muß er wahrer
Gott ſeyn. Denn Gott iſt Gott durch ſein Weſen, oder
durch ſich ſelbſt. Dieſe Lehre des Chriſtenthums wird
im neuen Teſtament vielfaͤltig wiederhohlt. Jeſus ſelbſt,
in ſeiner Rede an die Juden, Joh. 5, traͤgt davon mehr
alseinen Grund vor. Der 18te Verſ beweiſet, daß
ihn die Juden verſtunden. Sie trachteten ihn zu toͤdten,
weil er ſagte: Gott ſey ſein Vater, und mache ſich ſelbſt
Gott gleich. Jeſus beſtaͤtigt das, was er geſagt hatte,
durch ſeinen ganzen folgenden Vortrag, beſonders v.
21-23. Achten Sie hier auf folgende drey Gruͤnde.
Der Sohn macht lebendig, welchen er will. Der Sohn
hat alles Gericht, das iſt, er iſt der Richter der Welt.
Sie ſollen alle den Sohn ehren, wie ſie den Vater ehren.

Paulus
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[160/0172] Neunzehende Unterredung, den 1ſten April. Die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt durch Chri- ſtum iſt zwar unter den Geheimniſſen das einzige, deſſen Glauben die heilige Schrift mit dem ausdruͤckli- chen Zuſatz anbefielt, daß derjenige nicht ſeelig werden koͤnne, der es nicht glaube. Weil ſich aber die uͤbrigen Geheimniſſe auf eben der Autoritaͤt gruͤnden, auf welche Sie die Lehre von der Verſoͤhnung angenommen haben und nun an Chriſtum glauben, ſo werden Sie einſehen, daß Sie verbunden ſind, auch dieſe der Vernunft unbe- kannte Lehren fuͤr Wahrheiten zu erkennen. Jch werde daruͤber, antwortete der Graf, keine Schwuͤrigkeiten machen. Jſt das eine wahr, ſo muß es das andere auch ſeyn. Sie haben bisher meine Vernunft befriedigt, und ich zweifle nicht, daß Sie es auch ferner werden thun koͤnnen. Wenn Chriſtus, fuhr ich nun fort, der einge- bohrne Sohn Gottes iſt, Joh.3, 16. und alſo von Gott ſein Weſen, das goͤttliche Weſen hat, ſo muß er wahrer Gott ſeyn. Denn Gott iſt Gott durch ſein Weſen, oder durch ſich ſelbſt. Dieſe Lehre des Chriſtenthums wird im neuen Teſtament vielfaͤltig wiederhohlt. Jeſus ſelbſt, in ſeiner Rede an die Juden, Joh. 5, traͤgt davon mehr alseinen Grund vor. Der 18te Verſ beweiſet, daß ihn die Juden verſtunden. Sie trachteten ihn zu toͤdten, weil er ſagte: Gott ſey ſein Vater, und mache ſich ſelbſt Gott gleich. Jeſus beſtaͤtigt das, was er geſagt hatte, durch ſeinen ganzen folgenden Vortrag, beſonders v. 21-23. Achten Sie hier auf folgende drey Gruͤnde. Der Sohn macht lebendig, welchen er will. Der Sohn hat alles Gericht, das iſt, er iſt der Richter der Welt. Sie ſollen alle den Sohn ehren, wie ſie den Vater ehren. Paulus

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/172>, abgerufen am 28.03.2024.