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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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auch itzt so gewissenhaft, daß er alles, was er dächte und
thäte, sorgfältig prüfe, ob es auch dem Willen Gottes
gemäß sey. Und dabey befinde er sich so gut, und fühle
sich so ruhig und glücklich, daß er gewiß wisse, er werde
nicht wieder aufhören, so zu denken und zu handeln. Er
sagte bey dieser Gelegenheit noch vieles, das mich sehr
erfreute, und das würdig gewesen wäre aufbehalten zu
werden, wenn ich mich wieder daran hätte erinnern können.

Jch hielt es bey der Herannäherung seines Todes
für nützlich seine Seele mit Vorstellungen von der Ewig-
keit zu erfüllen, und gab ihm in dieser Absicht Lavaters
Aussichten in die Ewigkeit. Jch machte ihn vorher mit
dem Character des Verfassers bekannt, und beschrieb ihm
das Buch selbst als ein Product einer starken Einbil-
dungskraft, vieler gesunden Vernunft und überwiegen-
der Frömmigkeit.

Acht und zwanzigste Unterredung, den
17ten April.

Je näher der Graf Struensee seiner Ewigkeit kam,
desto nöthiger und nützlicher war es ihm, sich mit
Vorstellungen von derselben zu beschäfftigen. Um ihn
dazu zu veranlassen, hatte ich ihm Lavaters Aussichten
gegeben, und in eben dieser Absicht entschloß ich mich itzt
ihn in unsern Unterredungen mit Betrachtungen über die
Ewigkeit zu unterhalten.

Jch erinnerte ihn an die Wiedervereinigung des
Leibes und der Seele, die am Tage der Auferstehung
erfolgen soll, und von deren Möglichkeit und gewisser
Zukunft wir das letztemahl gehandelt hatten. Von die-
sem Zeitpunct an, fuhr ich fort, nimmt also auch erst die
völlige Glückseeligkeit des ganzen Menschen ihren Anfang,
der in Gott wohlgefälligen Gesinnungen gestorben ist.
Von der Beschaffenheit dieser Glückseeligkeit sagt uns die

Schrift



auch itzt ſo gewiſſenhaft, daß er alles, was er daͤchte und
thaͤte, ſorgfaͤltig pruͤfe, ob es auch dem Willen Gottes
gemaͤß ſey. Und dabey befinde er ſich ſo gut, und fuͤhle
ſich ſo ruhig und gluͤcklich, daß er gewiß wiſſe, er werde
nicht wieder aufhoͤren, ſo zu denken und zu handeln. Er
ſagte bey dieſer Gelegenheit noch vieles, das mich ſehr
erfreute, und das wuͤrdig geweſen waͤre aufbehalten zu
werden, wenn ich mich wieder daran haͤtte erinnern koͤnnen.

Jch hielt es bey der Herannaͤherung ſeines Todes
fuͤr nuͤtzlich ſeine Seele mit Vorſtellungen von der Ewig-
keit zu erfuͤllen, und gab ihm in dieſer Abſicht Lavaters
Ausſichten in die Ewigkeit. Jch machte ihn vorher mit
dem Character des Verfaſſers bekannt, und beſchrieb ihm
das Buch ſelbſt als ein Product einer ſtarken Einbil-
dungskraft, vieler geſunden Vernunft und uͤberwiegen-
der Froͤmmigkeit.

Acht und zwanzigſte Unterredung, den
17ten April.

Je naͤher der Graf Struenſee ſeiner Ewigkeit kam,
deſto noͤthiger und nuͤtzlicher war es ihm, ſich mit
Vorſtellungen von derſelben zu beſchaͤfftigen. Um ihn
dazu zu veranlaſſen, hatte ich ihm Lavaters Auſſichten
gegeben, und in eben dieſer Abſicht entſchloß ich mich itzt
ihn in unſern Unterredungen mit Betrachtungen uͤber die
Ewigkeit zu unterhalten.

Jch erinnerte ihn an die Wiedervereinigung des
Leibes und der Seele, die am Tage der Auferſtehung
erfolgen ſoll, und von deren Moͤglichkeit und gewiſſer
Zukunft wir das letztemahl gehandelt hatten. Von die-
ſem Zeitpunct an, fuhr ich fort, nimmt alſo auch erſt die
voͤllige Gluͤckſeeligkeit des ganzen Menſchen ihren Anfang,
der in Gott wohlgefaͤlligen Geſinnungen geſtorben iſt.
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[223/0235] auch itzt ſo gewiſſenhaft, daß er alles, was er daͤchte und thaͤte, ſorgfaͤltig pruͤfe, ob es auch dem Willen Gottes gemaͤß ſey. Und dabey befinde er ſich ſo gut, und fuͤhle ſich ſo ruhig und gluͤcklich, daß er gewiß wiſſe, er werde nicht wieder aufhoͤren, ſo zu denken und zu handeln. Er ſagte bey dieſer Gelegenheit noch vieles, das mich ſehr erfreute, und das wuͤrdig geweſen waͤre aufbehalten zu werden, wenn ich mich wieder daran haͤtte erinnern koͤnnen. Jch hielt es bey der Herannaͤherung ſeines Todes fuͤr nuͤtzlich ſeine Seele mit Vorſtellungen von der Ewig- keit zu erfuͤllen, und gab ihm in dieſer Abſicht Lavaters Ausſichten in die Ewigkeit. Jch machte ihn vorher mit dem Character des Verfaſſers bekannt, und beſchrieb ihm das Buch ſelbſt als ein Product einer ſtarken Einbil- dungskraft, vieler geſunden Vernunft und uͤberwiegen- der Froͤmmigkeit. Acht und zwanzigſte Unterredung, den 17ten April. Je naͤher der Graf Struenſee ſeiner Ewigkeit kam, deſto noͤthiger und nuͤtzlicher war es ihm, ſich mit Vorſtellungen von derſelben zu beſchaͤfftigen. Um ihn dazu zu veranlaſſen, hatte ich ihm Lavaters Auſſichten gegeben, und in eben dieſer Abſicht entſchloß ich mich itzt ihn in unſern Unterredungen mit Betrachtungen uͤber die Ewigkeit zu unterhalten. Jch erinnerte ihn an die Wiedervereinigung des Leibes und der Seele, die am Tage der Auferſtehung erfolgen ſoll, und von deren Moͤglichkeit und gewiſſer Zukunft wir das letztemahl gehandelt hatten. Von die- ſem Zeitpunct an, fuhr ich fort, nimmt alſo auch erſt die voͤllige Gluͤckſeeligkeit des ganzen Menſchen ihren Anfang, der in Gott wohlgefaͤlligen Geſinnungen geſtorben iſt. Von der Beſchaffenheit dieſer Gluͤckſeeligkeit ſagt uns die Schrift

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/235>, abgerufen am 29.03.2024.