Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



genschaft von nichts als von meinen Eltern geträumt,
die ich doch lange nicht gesehen hatte. Jch glaubte im-
mer in ihrem Hause und in ihrer Gesellschaft zu seyn, und
viele Begebenheiten meiner Jugend, die ich in ihrer Ge-
genwart erlebt habe, stellten sich mir wieder vor Augen.

Neun und zwanzigste Unterredung, den
20sten April.

Die Anwendung der in der letztern Unterredung vorge-
tragener Erwartungen von dem Heil der Ewigkeit
auf den Grafen zu machen, war dieß mahl meine Haupt-
absicht. Jch erinnerte ihn also, daß er, als ein Erlöster
Jesu Christi, der auch an ihn glaube und sich ernstlich
bemühe, seine Gesinnungen und noch möglichen Hand-
lungen nach dem Wohlgefallen Gottes einzurichten, eine
gegründete Hoffnung zu aller dieser Seeligkeit habe.

Sie haben die sinnliche Freude, sagte ich hierauf,
in dieser Welt geliebt. Sie ist hier die Ursache Jhres
Verderbens geworden, weil Sie sich durch Jhre Begierde
nach ihr zum Jrrthum und zur Sünde haben verleiten
lassen. Diese Verführung werden Sie dort nicht zu be-
fürchten haben. Sie werden ihr Vergnügen nicht in Din-
gen suchen, deren Genuß Sie unglücklich machen kann.
Der unerschöpfliche Reichthum der Schönheit in den Wer-
ken Gottes würde allein schon Jhre Sinne auf die edelste
Art beschäfftigen, und Jhnen ewig eine Quelle der rein-
sten Freude seyn. Die Erkenntniß der Werke Gottes in
der Natur, antwortete er, hat mir hier schon, so oft ich
sie gesucht und gefunden habe, viel Vergnügen verursacht.
Sie ist die einzige Ursache gewesen, die mich vom Atheis-
mus, zu dem ich sonst gewiß auch verfallen seyn würde,
zurückgehalten hat.

Sie haben, fuhr ich fort, wenn es nicht eher ge-
schehen ist, doch gewiß hier in Jhrem Gefängnisse empfun-

den,



genſchaft von nichts als von meinen Eltern getraͤumt,
die ich doch lange nicht geſehen hatte. Jch glaubte im-
mer in ihrem Hauſe und in ihrer Geſellſchaft zu ſeyn, und
viele Begebenheiten meiner Jugend, die ich in ihrer Ge-
genwart erlebt habe, ſtellten ſich mir wieder vor Augen.

Neun und zwanzigſte Unterredung, den
20ſten April.

Die Anwendung der in der letztern Unterredung vorge-
tragener Erwartungen von dem Heil der Ewigkeit
auf den Grafen zu machen, war dieß mahl meine Haupt-
abſicht. Jch erinnerte ihn alſo, daß er, als ein Erloͤſter
Jeſu Chriſti, der auch an ihn glaube und ſich ernſtlich
bemuͤhe, ſeine Geſinnungen und noch moͤglichen Hand-
lungen nach dem Wohlgefallen Gottes einzurichten, eine
gegruͤndete Hoffnung zu aller dieſer Seeligkeit habe.

Sie haben die ſinnliche Freude, ſagte ich hierauf,
in dieſer Welt geliebt. Sie iſt hier die Urſache Jhres
Verderbens geworden, weil Sie ſich durch Jhre Begierde
nach ihr zum Jrrthum und zur Suͤnde haben verleiten
laſſen. Dieſe Verfuͤhrung werden Sie dort nicht zu be-
fuͤrchten haben. Sie werden ihr Vergnuͤgen nicht in Din-
gen ſuchen, deren Genuß Sie ungluͤcklich machen kann.
Der unerſchoͤpfliche Reichthum der Schoͤnheit in den Wer-
ken Gottes wuͤrde allein ſchon Jhre Sinne auf die edelſte
Art beſchaͤfftigen, und Jhnen ewig eine Quelle der rein-
ſten Freude ſeyn. Die Erkenntniß der Werke Gottes in
der Natur, antwortete er, hat mir hier ſchon, ſo oft ich
ſie geſucht und gefunden habe, viel Vergnuͤgen verurſacht.
Sie iſt die einzige Urſache geweſen, die mich vom Atheis-
mus, zu dem ich ſonſt gewiß auch verfallen ſeyn wuͤrde,
zuruͤckgehalten hat.

Sie haben, fuhr ich fort, wenn es nicht eher ge-
ſchehen iſt, doch gewiß hier in Jhrem Gefaͤngniſſe empfun-

den,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0244" n="232"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen&#x017F;chaft von nichts als von meinen Eltern getra&#x0364;umt,<lb/>
die ich doch lange nicht ge&#x017F;ehen hatte. Jch glaubte im-<lb/>
mer in ihrem Hau&#x017F;e und in ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu &#x017F;eyn, und<lb/>
viele Begebenheiten meiner Jugend, die ich in ihrer Ge-<lb/>
genwart erlebt habe, &#x017F;tellten &#x017F;ich mir wieder vor Augen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Neun und zwanzig&#x017F;te Unterredung, den<lb/>
20&#x017F;ten April.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Anwendung der in der letztern Unterredung vorge-<lb/>
tragener Erwartungen von dem Heil der Ewigkeit<lb/>
auf den Grafen zu machen, war dieß mahl meine Haupt-<lb/>
ab&#x017F;icht. Jch erinnerte ihn al&#x017F;o, daß er, als ein Erlo&#x0364;&#x017F;ter<lb/>
Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti, der auch an ihn glaube und &#x017F;ich ern&#x017F;tlich<lb/>
bemu&#x0364;he, &#x017F;eine Ge&#x017F;innungen und noch mo&#x0364;glichen Hand-<lb/>
lungen nach dem Wohlgefallen Gottes einzurichten, eine<lb/>
gegru&#x0364;ndete Hoffnung zu aller die&#x017F;er Seeligkeit habe.</p><lb/>
        <p>Sie haben die &#x017F;innliche Freude, &#x017F;agte ich hierauf,<lb/>
in die&#x017F;er Welt geliebt. Sie i&#x017F;t hier die Ur&#x017F;ache Jhres<lb/>
Verderbens geworden, weil Sie &#x017F;ich durch Jhre Begierde<lb/>
nach ihr zum Jrrthum und zur Su&#x0364;nde haben verleiten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e Verfu&#x0364;hrung werden Sie dort nicht zu be-<lb/>
fu&#x0364;rchten haben. Sie werden ihr Vergnu&#x0364;gen nicht in Din-<lb/>
gen &#x017F;uchen, deren Genuß Sie unglu&#x0364;cklich machen kann.<lb/>
Der uner&#x017F;cho&#x0364;pfliche Reichthum der Scho&#x0364;nheit in den Wer-<lb/>
ken Gottes wu&#x0364;rde allein &#x017F;chon Jhre Sinne auf die edel&#x017F;te<lb/>
Art be&#x017F;cha&#x0364;fftigen, und Jhnen ewig eine Quelle der rein-<lb/>
&#x017F;ten Freude &#x017F;eyn. Die Erkenntniß der Werke Gottes in<lb/>
der Natur, antwortete er, hat mir hier &#x017F;chon, &#x017F;o oft ich<lb/>
&#x017F;ie ge&#x017F;ucht und gefunden habe, viel Vergnu&#x0364;gen verur&#x017F;acht.<lb/>
Sie i&#x017F;t die einzige Ur&#x017F;ache gewe&#x017F;en, die mich vom Atheis-<lb/>
mus, zu dem ich &#x017F;on&#x017F;t gewiß auch verfallen &#x017F;eyn wu&#x0364;rde,<lb/>
zuru&#x0364;ckgehalten hat.</p><lb/>
        <p>Sie haben, fuhr ich fort, wenn es nicht eher ge-<lb/>
&#x017F;chehen i&#x017F;t, doch gewiß hier in Jhrem Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e empfun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0244] genſchaft von nichts als von meinen Eltern getraͤumt, die ich doch lange nicht geſehen hatte. Jch glaubte im- mer in ihrem Hauſe und in ihrer Geſellſchaft zu ſeyn, und viele Begebenheiten meiner Jugend, die ich in ihrer Ge- genwart erlebt habe, ſtellten ſich mir wieder vor Augen. Neun und zwanzigſte Unterredung, den 20ſten April. Die Anwendung der in der letztern Unterredung vorge- tragener Erwartungen von dem Heil der Ewigkeit auf den Grafen zu machen, war dieß mahl meine Haupt- abſicht. Jch erinnerte ihn alſo, daß er, als ein Erloͤſter Jeſu Chriſti, der auch an ihn glaube und ſich ernſtlich bemuͤhe, ſeine Geſinnungen und noch moͤglichen Hand- lungen nach dem Wohlgefallen Gottes einzurichten, eine gegruͤndete Hoffnung zu aller dieſer Seeligkeit habe. Sie haben die ſinnliche Freude, ſagte ich hierauf, in dieſer Welt geliebt. Sie iſt hier die Urſache Jhres Verderbens geworden, weil Sie ſich durch Jhre Begierde nach ihr zum Jrrthum und zur Suͤnde haben verleiten laſſen. Dieſe Verfuͤhrung werden Sie dort nicht zu be- fuͤrchten haben. Sie werden ihr Vergnuͤgen nicht in Din- gen ſuchen, deren Genuß Sie ungluͤcklich machen kann. Der unerſchoͤpfliche Reichthum der Schoͤnheit in den Wer- ken Gottes wuͤrde allein ſchon Jhre Sinne auf die edelſte Art beſchaͤfftigen, und Jhnen ewig eine Quelle der rein- ſten Freude ſeyn. Die Erkenntniß der Werke Gottes in der Natur, antwortete er, hat mir hier ſchon, ſo oft ich ſie geſucht und gefunden habe, viel Vergnuͤgen verurſacht. Sie iſt die einzige Urſache geweſen, die mich vom Atheis- mus, zu dem ich ſonſt gewiß auch verfallen ſeyn wuͤrde, zuruͤckgehalten hat. Sie haben, fuhr ich fort, wenn es nicht eher ge- ſchehen iſt, doch gewiß hier in Jhrem Gefaͤngniſſe empfun- den,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/244
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/244>, abgerufen am 29.03.2024.