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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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daß meine Seele errettet ist, werden sich auch darüber
freuen, daß Sie die Methode gewählt haben, die wenig-
stens bey mir die einzige gute war.

Nach einigen Betrachtungen, die wir mit einan-
der über die Gründe seiner Beruhigung und Hoffnung
anstellten, deren Jnhalt schon in den vorigen Unterredun-
gen erzählt ist, und den ich deswegen nicht wiederhohlen
will, benachrichtigte ich ihn, daß diese Woche vermuht-
lich die letzte seines Lebens seyn würde. Jch wußte so viel
gewiß, daß am nächsten Sonnabend das Urtheil über ihn
gefällt werden, und daß zwischen dem Spruch und der
Vollziehung nur wenig Tage verstreichen würden. Er
blieb bey dieser Nachricht bey aller seiner Fassung und
Heiterkeit. Jch hoffe gewiß, sagte er, daß ich meinem
Tode ohne betäubende Furcht und Angst entgegen gehen
werde. Jch besorge nur, daß Sie bey diesem furchtba-
ren Auftritte viel leiden werden. Wenn es nicht auf die
Zuschauer einen widrigen Eindruck machen könnte, so woll-
te ich Sie bitten mich lieber nicht zu begleiten. "Nein,
Herr Graf, ich bin ihr einziger Freund, und darf Sie
nicht verlassen. Jch will mich mit der Hoffnung zu stär-
ken suchen, die ich so zuverlässig haben darf, daß es Jh-
nen in der Ewigkeit wohlgehen wird, und so will ich Jh-
nen, so viel mir möglich seyn wird, bey diesem schweren
Schritte beystehen, und meine Belohnung soll die seyn,
daß ich sehe, wie Sie als ein Christ sterben. --

Zwey und dreißigste Unterredung, den
23sten April.

Was kann doch die Ursache davon seyn, sagte der Graf,
daß viele Menschen, die von der Wahrheit des Chri-
stenthums überzeugt sind, sich gleichwohl wegern den Vor-
schriften desselben Folgen zu leisten? Wahrhaftig über-
zeugt, antwortete ich, sind diese wohl nicht; sie halten

allen-
Q 3



daß meine Seele errettet iſt, werden ſich auch daruͤber
freuen, daß Sie die Methode gewaͤhlt haben, die wenig-
ſtens bey mir die einzige gute war.

Nach einigen Betrachtungen, die wir mit einan-
der uͤber die Gruͤnde ſeiner Beruhigung und Hoffnung
anſtellten, deren Jnhalt ſchon in den vorigen Unterredun-
gen erzaͤhlt iſt, und den ich deswegen nicht wiederhohlen
will, benachrichtigte ich ihn, daß dieſe Woche vermuht-
lich die letzte ſeines Lebens ſeyn wuͤrde. Jch wußte ſo viel
gewiß, daß am naͤchſten Sonnabend das Urtheil uͤber ihn
gefaͤllt werden, und daß zwiſchen dem Spruch und der
Vollziehung nur wenig Tage verſtreichen wuͤrden. Er
blieb bey dieſer Nachricht bey aller ſeiner Faſſung und
Heiterkeit. Jch hoffe gewiß, ſagte er, daß ich meinem
Tode ohne betaͤubende Furcht und Angſt entgegen gehen
werde. Jch beſorge nur, daß Sie bey dieſem furchtba-
ren Auftritte viel leiden werden. Wenn es nicht auf die
Zuſchauer einen widrigen Eindruck machen koͤnnte, ſo woll-
te ich Sie bitten mich lieber nicht zu begleiten. “Nein,
Herr Graf, ich bin ihr einziger Freund, und darf Sie
nicht verlaſſen. Jch will mich mit der Hoffnung zu ſtaͤr-
ken ſuchen, die ich ſo zuverlaͤſſig haben darf, daß es Jh-
nen in der Ewigkeit wohlgehen wird, und ſo will ich Jh-
nen, ſo viel mir moͤglich ſeyn wird, bey dieſem ſchweren
Schritte beyſtehen, und meine Belohnung ſoll die ſeyn,
daß ich ſehe, wie Sie als ein Chriſt ſterben. —

Zwey und dreißigſte Unterredung, den
23ſten April.

Was kann doch die Urſache davon ſeyn, ſagte der Graf,
daß viele Menſchen, die von der Wahrheit des Chri-
ſtenthums uͤberzeugt ſind, ſich gleichwohl wegern den Vor-
ſchriften deſſelben Folgen zu leiſten? Wahrhaftig uͤber-
zeugt, antwortete ich, ſind dieſe wohl nicht; ſie halten

allen-
Q 3
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[245/0257] daß meine Seele errettet iſt, werden ſich auch daruͤber freuen, daß Sie die Methode gewaͤhlt haben, die wenig- ſtens bey mir die einzige gute war. Nach einigen Betrachtungen, die wir mit einan- der uͤber die Gruͤnde ſeiner Beruhigung und Hoffnung anſtellten, deren Jnhalt ſchon in den vorigen Unterredun- gen erzaͤhlt iſt, und den ich deswegen nicht wiederhohlen will, benachrichtigte ich ihn, daß dieſe Woche vermuht- lich die letzte ſeines Lebens ſeyn wuͤrde. Jch wußte ſo viel gewiß, daß am naͤchſten Sonnabend das Urtheil uͤber ihn gefaͤllt werden, und daß zwiſchen dem Spruch und der Vollziehung nur wenig Tage verſtreichen wuͤrden. Er blieb bey dieſer Nachricht bey aller ſeiner Faſſung und Heiterkeit. Jch hoffe gewiß, ſagte er, daß ich meinem Tode ohne betaͤubende Furcht und Angſt entgegen gehen werde. Jch beſorge nur, daß Sie bey dieſem furchtba- ren Auftritte viel leiden werden. Wenn es nicht auf die Zuſchauer einen widrigen Eindruck machen koͤnnte, ſo woll- te ich Sie bitten mich lieber nicht zu begleiten. “Nein, Herr Graf, ich bin ihr einziger Freund, und darf Sie nicht verlaſſen. Jch will mich mit der Hoffnung zu ſtaͤr- ken ſuchen, die ich ſo zuverlaͤſſig haben darf, daß es Jh- nen in der Ewigkeit wohlgehen wird, und ſo will ich Jh- nen, ſo viel mir moͤglich ſeyn wird, bey dieſem ſchweren Schritte beyſtehen, und meine Belohnung ſoll die ſeyn, daß ich ſehe, wie Sie als ein Chriſt ſterben. — Zwey und dreißigſte Unterredung, den 23ſten April. Was kann doch die Urſache davon ſeyn, ſagte der Graf, daß viele Menſchen, die von der Wahrheit des Chri- ſtenthums uͤberzeugt ſind, ſich gleichwohl wegern den Vor- ſchriften deſſelben Folgen zu leiſten? Wahrhaftig uͤber- zeugt, antwortete ich, ſind dieſe wohl nicht; ſie halten allen- Q 3

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/257>, abgerufen am 28.03.2024.