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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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die aus meinen ihm von Zeit zu Zeit gegebenen Aufsätzen und
den beyden Briefen seiner Eltern bestunden, hatte er zu-
sammengelegt und stellte mir sie zu. Nun hatte er sein Haus
bestellt. --

Der Brief an den Herrn von Brandt ist dieser.

"Erlauben Sie, daß ich mit Jhnen und Jhrer Frau
"Mutter das Schicksal unsres lieben Enevolds beweine.
"Halten Sie mich nicht für unwürdig dazu, ob ich gleich
"unschuldiger weise die Ursache davon bin. Sie wissen,
"wie sehr ich ihn liebe. Er ist der einzige Mensch in der
"Welt gewesen, der meine ganze Freundschaft besessen
"hat. Sein Unglück verursacht mir die lebhaftesten
"Schmerzen, und von dieser Seite ist mir das meinige
"am empfindlichsten geworden. Er hat mein Glück mit
"mir getheilt, und wir werden mit einander der Glücksee-
"ligkeit genießen, die unser Erlöser uns versprochen hat.
"Jch weiß nichts zu Jhrem Troste hinzuzusetzen. Sie
"kennen die Religion. Jch habe in ihr meine Zuflucht ge-
"funden, um mich über den Rest meines Unglücks zu be-
"ruhigen. Jch bitte Gott, daß er Sie in diesem Augen-
"blick alle Kraft derselben empfinden lasse. Jch werde
"nicht aufhören, die lebhafteste Erkenntlichkeit gegen alle
"die Personen zu hegen, die mir zu Ranzau lieb sind.
"Ganz der Jhrige." den 27. April 1772.

"Jch habe gehofft und ich schmeichle mir noch, daß das
"Schicksal meines Freundes wird gemildert werden."

Wir redeten heute zuerst von der Versöhnung der
Welt durch Christum. Jch wiederhohlte das mehreste von
dem, was ich ihm damals vorgetragen hatte, als wir ei-
gentlich von dieser Sache handelten. Er sagte ungemein
viel schönes und erbauliches darüber, das ich aber theils,
wegen der Gemüthsbewegung, in der ich mich befand,
nicht fest genug ins Gedächtniß gefaßt hatte, um es anmer-
ken zu können. Was mir noch davon gegenwärtig geblieben

war,



die aus meinen ihm von Zeit zu Zeit gegebenen Aufſaͤtzen und
den beyden Briefen ſeiner Eltern beſtunden, hatte er zu-
ſammengelegt und ſtellte mir ſie zu. Nun hatte er ſein Haus
beſtellt. —

Der Brief an den Herrn von Brandt iſt dieſer.

Erlauben Sie, daß ich mit Jhnen und Jhrer Frau
“Mutter das Schickſal unſres lieben Enevolds beweine.
“Halten Sie mich nicht fuͤr unwuͤrdig dazu, ob ich gleich
“unſchuldiger weiſe die Urſache davon bin. Sie wiſſen,
“wie ſehr ich ihn liebe. Er iſt der einzige Menſch in der
“Welt geweſen, der meine ganze Freundſchaft beſeſſen
“hat. Sein Ungluͤck verurſacht mir die lebhafteſten
“Schmerzen, und von dieſer Seite iſt mir das meinige
“am empfindlichſten geworden. Er hat mein Gluͤck mit
“mir getheilt, und wir werden mit einander der Gluͤckſee-
“ligkeit genießen, die unſer Erloͤſer uns verſprochen hat.
“Jch weiß nichts zu Jhrem Troſte hinzuzuſetzen. Sie
“kennen die Religion. Jch habe in ihr meine Zuflucht ge-
“funden, um mich uͤber den Reſt meines Ungluͤcks zu be-
“ruhigen. Jch bitte Gott, daß er Sie in dieſem Augen-
“blick alle Kraft derſelben empfinden laſſe. Jch werde
“nicht aufhoͤren, die lebhafteſte Erkenntlichkeit gegen alle
“die Perſonen zu hegen, die mir zu Ranzau lieb ſind.
“Ganz der Jhrige.„ den 27. April 1772.

“Jch habe gehofft und ich ſchmeichle mir noch, daß das
“Schickſal meines Freundes wird gemildert werden.„

Wir redeten heute zuerſt von der Verſoͤhnung der
Welt durch Chriſtum. Jch wiederhohlte das mehreſte von
dem, was ich ihm damals vorgetragen hatte, als wir ei-
gentlich von dieſer Sache handelten. Er ſagte ungemein
viel ſchoͤnes und erbauliches daruͤber, das ich aber theils,
wegen der Gemuͤthsbewegung, in der ich mich befand,
nicht feſt genug ins Gedaͤchtniß gefaßt hatte, um es anmer-
ken zu koͤnnen. Was mir noch davon gegenwaͤrtig geblieben

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[266/0278] die aus meinen ihm von Zeit zu Zeit gegebenen Aufſaͤtzen und den beyden Briefen ſeiner Eltern beſtunden, hatte er zu- ſammengelegt und ſtellte mir ſie zu. Nun hatte er ſein Haus beſtellt. — Der Brief an den Herrn von Brandt iſt dieſer. “Erlauben Sie, daß ich mit Jhnen und Jhrer Frau “Mutter das Schickſal unſres lieben Enevolds beweine. “Halten Sie mich nicht fuͤr unwuͤrdig dazu, ob ich gleich “unſchuldiger weiſe die Urſache davon bin. Sie wiſſen, “wie ſehr ich ihn liebe. Er iſt der einzige Menſch in der “Welt geweſen, der meine ganze Freundſchaft beſeſſen “hat. Sein Ungluͤck verurſacht mir die lebhafteſten “Schmerzen, und von dieſer Seite iſt mir das meinige “am empfindlichſten geworden. Er hat mein Gluͤck mit “mir getheilt, und wir werden mit einander der Gluͤckſee- “ligkeit genießen, die unſer Erloͤſer uns verſprochen hat. “Jch weiß nichts zu Jhrem Troſte hinzuzuſetzen. Sie “kennen die Religion. Jch habe in ihr meine Zuflucht ge- “funden, um mich uͤber den Reſt meines Ungluͤcks zu be- “ruhigen. Jch bitte Gott, daß er Sie in dieſem Augen- “blick alle Kraft derſelben empfinden laſſe. Jch werde “nicht aufhoͤren, die lebhafteſte Erkenntlichkeit gegen alle “die Perſonen zu hegen, die mir zu Ranzau lieb ſind. “Ganz der Jhrige.„ den 27. April 1772. “Jch habe gehofft und ich ſchmeichle mir noch, daß das “Schickſal meines Freundes wird gemildert werden.„ Wir redeten heute zuerſt von der Verſoͤhnung der Welt durch Chriſtum. Jch wiederhohlte das mehreſte von dem, was ich ihm damals vorgetragen hatte, als wir ei- gentlich von dieſer Sache handelten. Er ſagte ungemein viel ſchoͤnes und erbauliches daruͤber, das ich aber theils, wegen der Gemuͤthsbewegung, in der ich mich befand, nicht feſt genug ins Gedaͤchtniß gefaßt hatte, um es anmer- ken zu koͤnnen. Was mir noch davon gegenwaͤrtig geblieben war,

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/278>, abgerufen am 20.04.2024.