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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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überreden zu lassen, sein Verstand sey so groß, daß er
alles, was je durch einen Menschen möglich sey, zu
Stande bringen könne. Er sey durch die Meynung des
Helvetius, den er fleißig gelesen habe, daß, da alle
Menschen einerley Organisation hätten, jeder zu allem
dem fähig seyn müsse, wozu jeder andre fähig wäre,
geneigt gemacht worden, das zu glauben. Von der
Güte seiner Absichten habe er sich auch überzeugt gehal-
ten, ob er gleich itzt gestehen müsse, daß er nach sehr ver-
werflichen Bewegungsgründen gehandelt habe, und sein
letzter Zweck nur seyn Vergnügen gewesen sey.

Sie haben also auch wohl ohne Zweifel andere,
und unter ihnen würdige und vortreffliche Leute, die Jh-
nen im Wege stunden, in Gedanken, auch wohl in
Gesprächen, unter sich herabgesetzt. -- Wie werden Sie
nicht gesucht haben, die Verdienste derselben zu verklei-
nern, und durch was für unmoralische Mittel, z. Ex.
Verläumdung, Vergrößerung ihrer Fehler, Beymes-
sung böser Absichten, Spöttereyen u. s. w. -- Auf
welchen unerlaubten Wegen haben Sie nicht sich selbst
zu erheben, und durch welche Sünden sich auf Jhrer
Höhe zu erhalten gesucht? -- Wie viele Menschen haben
Sie unglücklich gemacht, oder doch wenigstens beleidigt,
um Jhren Ehrgeiz zu befriedigen? -- Zu welcher Härte
und Ungerechtigkeit haben Sie sich dadurch, ungeachtet
das natürliche Gefühl Jhres Herzens Jhnen widersprach,
verleiten lassen! --

Mit welchem Eigensinn haben Sie oft Jhre
Meynungen durchgesetzt, und Personen, die die Ge-
schäffte und den Vortheil des Staats besser kannten, als
Sie, durch Jhre Gewalt gezwungen, Jhnen Recht zu
lassen, ob Sie gleich einsahen, oder einsehen konnten,
daß Sie Unrecht hätten?

Was
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uͤberreden zu laſſen, ſein Verſtand ſey ſo groß, daß er
alles, was je durch einen Menſchen moͤglich ſey, zu
Stande bringen koͤnne. Er ſey durch die Meynung des
Helvetius, den er fleißig geleſen habe, daß, da alle
Menſchen einerley Organiſation haͤtten, jeder zu allem
dem faͤhig ſeyn muͤſſe, wozu jeder andre faͤhig waͤre,
geneigt gemacht worden, das zu glauben. Von der
Guͤte ſeiner Abſichten habe er ſich auch uͤberzeugt gehal-
ten, ob er gleich itzt geſtehen muͤſſe, daß er nach ſehr ver-
werflichen Bewegungsgruͤnden gehandelt habe, und ſein
letzter Zweck nur ſeyn Vergnuͤgen geweſen ſey.

Sie haben alſo auch wohl ohne Zweifel andere,
und unter ihnen wuͤrdige und vortreffliche Leute, die Jh-
nen im Wege ſtunden, in Gedanken, auch wohl in
Geſpraͤchen, unter ſich herabgeſetzt. — Wie werden Sie
nicht geſucht haben, die Verdienſte derſelben zu verklei-
nern, und durch was fuͤr unmoraliſche Mittel, z. Ex.
Verlaͤumdung, Vergroͤßerung ihrer Fehler, Beymes-
ſung boͤſer Abſichten, Spoͤttereyen u. ſ. w. — Auf
welchen unerlaubten Wegen haben Sie nicht ſich ſelbſt
zu erheben, und durch welche Suͤnden ſich auf Jhrer
Hoͤhe zu erhalten geſucht? — Wie viele Menſchen haben
Sie ungluͤcklich gemacht, oder doch wenigſtens beleidigt,
um Jhren Ehrgeiz zu befriedigen? — Zu welcher Haͤrte
und Ungerechtigkeit haben Sie ſich dadurch, ungeachtet
das natuͤrliche Gefuͤhl Jhres Herzens Jhnen widerſprach,
verleiten laſſen! —

Mit welchem Eigenſinn haben Sie oft Jhre
Meynungen durchgeſetzt, und Perſonen, die die Ge-
ſchaͤffte und den Vortheil des Staats beſſer kannten, als
Sie, durch Jhre Gewalt gezwungen, Jhnen Recht zu
laſſen, ob Sie gleich einſahen, oder einſehen konnten,
daß Sie Unrecht haͤtten?

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[67/0079] uͤberreden zu laſſen, ſein Verſtand ſey ſo groß, daß er alles, was je durch einen Menſchen moͤglich ſey, zu Stande bringen koͤnne. Er ſey durch die Meynung des Helvetius, den er fleißig geleſen habe, daß, da alle Menſchen einerley Organiſation haͤtten, jeder zu allem dem faͤhig ſeyn muͤſſe, wozu jeder andre faͤhig waͤre, geneigt gemacht worden, das zu glauben. Von der Guͤte ſeiner Abſichten habe er ſich auch uͤberzeugt gehal- ten, ob er gleich itzt geſtehen muͤſſe, daß er nach ſehr ver- werflichen Bewegungsgruͤnden gehandelt habe, und ſein letzter Zweck nur ſeyn Vergnuͤgen geweſen ſey. Sie haben alſo auch wohl ohne Zweifel andere, und unter ihnen wuͤrdige und vortreffliche Leute, die Jh- nen im Wege ſtunden, in Gedanken, auch wohl in Geſpraͤchen, unter ſich herabgeſetzt. — Wie werden Sie nicht geſucht haben, die Verdienſte derſelben zu verklei- nern, und durch was fuͤr unmoraliſche Mittel, z. Ex. Verlaͤumdung, Vergroͤßerung ihrer Fehler, Beymes- ſung boͤſer Abſichten, Spoͤttereyen u. ſ. w. — Auf welchen unerlaubten Wegen haben Sie nicht ſich ſelbſt zu erheben, und durch welche Suͤnden ſich auf Jhrer Hoͤhe zu erhalten geſucht? — Wie viele Menſchen haben Sie ungluͤcklich gemacht, oder doch wenigſtens beleidigt, um Jhren Ehrgeiz zu befriedigen? — Zu welcher Haͤrte und Ungerechtigkeit haben Sie ſich dadurch, ungeachtet das natuͤrliche Gefuͤhl Jhres Herzens Jhnen widerſprach, verleiten laſſen! — Mit welchem Eigenſinn haben Sie oft Jhre Meynungen durchgeſetzt, und Perſonen, die die Ge- ſchaͤffte und den Vortheil des Staats beſſer kannten, als Sie, durch Jhre Gewalt gezwungen, Jhnen Recht zu laſſen, ob Sie gleich einſahen, oder einſehen konnten, daß Sie Unrecht haͤtten? Was E 2

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/79>, abgerufen am 24.04.2024.