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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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schon recht äußerlich gewordenen Katholizismus, hier
um die Aneignung eines tief innerlichen evangelischen
Glaubens. Dort waren es Völkerschaften, bei welchen
das Wort des Kirchenvaters von der "anima naturaliter
Christiana"
immerhin eine große Berechtigung hat; hier
aber ist es ein Volk, dessen Geist in vielen und grund-
legenden Punkten dem christlichen Geiste durchaus wider-
strebt und zudem den kräftigen Willen hat, sich gegen-
über dem Christengeist selbst zu behaupten. Der mon-
golische Geist ist der Lehre Jesu trotz ihrer universalen,
für alle Menschen bestimmten Anpassungsfähigkeit weniger
kongenial als der indogermanische, und die Geschichte
wird lehren, daß der innere Widerstand, welchen das
Christentum in der mongolischen Eigenart findet, ein
gewaltiger sein wird.

Aber sollte das wirklich so sein? Hat nicht auch
der Buddhismus, der doch auch ein indogermanisches
System ist, eine rasche und allgemeine Annahme ge-
funden? Allerdings! Aber was ist der Buddhismus in
Japan? Der Buddhismus hat die Formen und den
Namen hergegeben, den Inhalt aber hat der Japanis-
mus, das "Yamato-damashii" (Yamato = Japan,
tamashii = Seele), gestellt. So ist es zu einem
"japanischen Buddhismus" gekommen, und wenn in
ähnlicher Weise ein "japanisches Christentum" entstehen
sollte, so wäre das ein beklagenswertes Unglück.

Zwar solange sich der Anspruch auf ein japanisches
Christentum in bestimmten Grenzen hält, wird schwer-
lich etwas dagegen einzuwenden sein. Überall wo der
universale Lehrgehalt des Christentums von Individua-
litäten in Besitz genommen wurde, ist das Christentum
individuell geworden, und wo es das nicht geworden
ist, da ist es nicht persönliches Eigentum. Lebendiges

ſchon recht äußerlich gewordenen Katholizismus, hier
um die Aneignung eines tief innerlichen evangeliſchen
Glaubens. Dort waren es Völkerſchaften, bei welchen
das Wort des Kirchenvaters von der „anima naturaliter
Christiana“
immerhin eine große Berechtigung hat; hier
aber iſt es ein Volk, deſſen Geiſt in vielen und grund-
legenden Punkten dem chriſtlichen Geiſte durchaus wider-
ſtrebt und zudem den kräftigen Willen hat, ſich gegen-
über dem Chriſtengeiſt ſelbſt zu behaupten. Der mon-
goliſche Geiſt iſt der Lehre Jeſu trotz ihrer univerſalen,
für alle Menſchen beſtimmten Anpaſſungsfähigkeit weniger
kongenial als der indogermaniſche, und die Geſchichte
wird lehren, daß der innere Widerſtand, welchen das
Chriſtentum in der mongoliſchen Eigenart findet, ein
gewaltiger ſein wird.

Aber ſollte das wirklich ſo ſein? Hat nicht auch
der Buddhismus, der doch auch ein indogermaniſches
Syſtem iſt, eine raſche und allgemeine Annahme ge-
funden? Allerdings! Aber was iſt der Buddhismus in
Japan? Der Buddhismus hat die Formen und den
Namen hergegeben, den Inhalt aber hat der Japanis-
mus, das „Yamato-damashii“ (Yamato = Japan,
tamashii = Seele), geſtellt. So iſt es zu einem
„japaniſchen Buddhismus“ gekommen, und wenn in
ähnlicher Weiſe ein „japaniſches Chriſtentum“ entſtehen
ſollte, ſo wäre das ein beklagenswertes Unglück.

Zwar ſolange ſich der Anſpruch auf ein japaniſches
Chriſtentum in beſtimmten Grenzen hält, wird ſchwer-
lich etwas dagegen einzuwenden ſein. Überall wo der
univerſale Lehrgehalt des Chriſtentums von Individua-
litäten in Beſitz genommen wurde, iſt das Chriſtentum
individuell geworden, und wo es das nicht geworden
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[381/0395] ſchon recht äußerlich gewordenen Katholizismus, hier um die Aneignung eines tief innerlichen evangeliſchen Glaubens. Dort waren es Völkerſchaften, bei welchen das Wort des Kirchenvaters von der „anima naturaliter Christiana“ immerhin eine große Berechtigung hat; hier aber iſt es ein Volk, deſſen Geiſt in vielen und grund- legenden Punkten dem chriſtlichen Geiſte durchaus wider- ſtrebt und zudem den kräftigen Willen hat, ſich gegen- über dem Chriſtengeiſt ſelbſt zu behaupten. Der mon- goliſche Geiſt iſt der Lehre Jeſu trotz ihrer univerſalen, für alle Menſchen beſtimmten Anpaſſungsfähigkeit weniger kongenial als der indogermaniſche, und die Geſchichte wird lehren, daß der innere Widerſtand, welchen das Chriſtentum in der mongoliſchen Eigenart findet, ein gewaltiger ſein wird. Aber ſollte das wirklich ſo ſein? Hat nicht auch der Buddhismus, der doch auch ein indogermaniſches Syſtem iſt, eine raſche und allgemeine Annahme ge- funden? Allerdings! Aber was iſt der Buddhismus in Japan? Der Buddhismus hat die Formen und den Namen hergegeben, den Inhalt aber hat der Japanis- mus, das „Yamato-damashii“ (Yamato = Japan, tamashii = Seele), geſtellt. So iſt es zu einem „japaniſchen Buddhismus“ gekommen, und wenn in ähnlicher Weiſe ein „japaniſches Chriſtentum“ entſtehen ſollte, ſo wäre das ein beklagenswertes Unglück. Zwar ſolange ſich der Anſpruch auf ein japaniſches Chriſtentum in beſtimmten Grenzen hält, wird ſchwer- lich etwas dagegen einzuwenden ſein. Überall wo der univerſale Lehrgehalt des Chriſtentums von Individua- litäten in Beſitz genommen wurde, iſt das Chriſtentum individuell geworden, und wo es das nicht geworden iſt, da iſt es nicht perſönliches Eigentum. Lebendiges

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/395>, abgerufen am 28.03.2024.