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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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schmeichelnd hinzu), Du hast nur den Vortheil davon,
wenn die Tante gepreßt wird, denn ich werde auch
für Dich sorgen, da kommt's von zwei Seiten. Klage
nur hübsch, und rühre ihr Herz; aber gegen mich
höre auf damit (schloß sie lachend), ich kenne Deine
Kniffe und bei mir helfen sie nichts mehr. -- Bei
diesen Worten zog sie eine schwarze seidene Mantille
aus einer Schublade, und einige Geldstücke klapperten
daneben. Sie warf der Mutter ein Zweigroschenstück
in den Schooß und rief lachend: Hier, kaufe Dir
Kuchen und feiere Sonntag; aber schicke Kleist's Dort-
chen, dann denkt der Becker, es ist für die Herrn Stu-
denten. Du verstehst mich doch?

Kleiner Tausendsapperloter! sagte die schwache
Mutter. Ihr Töchterchen hatte sie völlig beruhigt.
Besonders war das Letzte ein wirksames Mittel; und
auch die Bemerkung über die Tante Ricke war ganz
richtig, diese mußte mehr geben, wenn Klärchen den
Haushalt nicht unterhielt. Sie konnte es auch, sie
war eine reiche Wittwe und hatte nur eine Pflegetoch-
ter; und wenn Klärchen dann im Stillen doch noch
mit sorgte, wie es sich für eine gute Tochter geziemt,
so stand die Mutter sich bei weitem besser.

Frau Krauter war die Wittwe eines Ginghan-
Webers. Sie war in ihrer Jugend schön und leicht-
sinnig gewesen, und hatte nach vielen Abenteuern den
Mann geheirathet, der schon damals innerlich und
äußerlich ziemlich verkommen war. Es ward aber von
Jahr zu Jahr schlechter mit ihm, und er starb, nach-
dem er beinahe zehn Jahr seine Frau in fortwähren-
dem Jammer und in Noth erhalten hatte. Zum Glück

ſchmeichelnd hinzu), Du haſt nur den Vortheil davon,
wenn die Tante gepreßt wird, denn ich werde auch
für Dich ſorgen, da kommt's von zwei Seiten. Klage
nur hübſch, und rühre ihr Herz; aber gegen mich
höre auf damit (ſchloß ſie lachend), ich kenne Deine
Kniffe und bei mir helfen ſie nichts mehr. — Bei
dieſen Worten zog ſie eine ſchwarze ſeidene Mantille
aus einer Schublade, und einige Geldſtücke klapperten
daneben. Sie warf der Mutter ein Zweigroſchenſtück
in den Schooß und rief lachend: Hier, kaufe Dir
Kuchen und feiere Sonntag; aber ſchicke Kleiſt's Dort-
chen, dann denkt der Becker, es iſt für die Herrn Stu-
denten. Du verſtehſt mich doch?

Kleiner Tauſendſapperloter! ſagte die ſchwache
Mutter. Ihr Töchterchen hatte ſie völlig beruhigt.
Beſonders war das Letzte ein wirkſames Mittel; und
auch die Bemerkung über die Tante Ricke war ganz
richtig, dieſe mußte mehr geben, wenn Klärchen den
Haushalt nicht unterhielt. Sie konnte es auch, ſie
war eine reiche Wittwe und hatte nur eine Pflegetoch-
ter; und wenn Klärchen dann im Stillen doch noch
mit ſorgte, wie es ſich für eine gute Tochter geziemt,
ſo ſtand die Mutter ſich bei weitem beſſer.

Frau Krauter war die Wittwe eines Ginghan-
Webers. Sie war in ihrer Jugend ſchön und leicht-
ſinnig geweſen, und hatte nach vielen Abenteuern den
Mann geheirathet, der ſchon damals innerlich und
äußerlich ziemlich verkommen war. Es ward aber von
Jahr zu Jahr ſchlechter mit ihm, und er ſtarb, nach-
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[5/0011] ſchmeichelnd hinzu), Du haſt nur den Vortheil davon, wenn die Tante gepreßt wird, denn ich werde auch für Dich ſorgen, da kommt's von zwei Seiten. Klage nur hübſch, und rühre ihr Herz; aber gegen mich höre auf damit (ſchloß ſie lachend), ich kenne Deine Kniffe und bei mir helfen ſie nichts mehr. — Bei dieſen Worten zog ſie eine ſchwarze ſeidene Mantille aus einer Schublade, und einige Geldſtücke klapperten daneben. Sie warf der Mutter ein Zweigroſchenſtück in den Schooß und rief lachend: Hier, kaufe Dir Kuchen und feiere Sonntag; aber ſchicke Kleiſt's Dort- chen, dann denkt der Becker, es iſt für die Herrn Stu- denten. Du verſtehſt mich doch? Kleiner Tauſendſapperloter! ſagte die ſchwache Mutter. Ihr Töchterchen hatte ſie völlig beruhigt. Beſonders war das Letzte ein wirkſames Mittel; und auch die Bemerkung über die Tante Ricke war ganz richtig, dieſe mußte mehr geben, wenn Klärchen den Haushalt nicht unterhielt. Sie konnte es auch, ſie war eine reiche Wittwe und hatte nur eine Pflegetoch- ter; und wenn Klärchen dann im Stillen doch noch mit ſorgte, wie es ſich für eine gute Tochter geziemt, ſo ſtand die Mutter ſich bei weitem beſſer. Frau Krauter war die Wittwe eines Ginghan- Webers. Sie war in ihrer Jugend ſchön und leicht- ſinnig geweſen, und hatte nach vielen Abenteuern den Mann geheirathet, der ſchon damals innerlich und äußerlich ziemlich verkommen war. Es ward aber von Jahr zu Jahr ſchlechter mit ihm, und er ſtarb, nach- dem er beinahe zehn Jahr ſeine Frau in fortwähren- dem Jammer und in Noth erhalten hatte. Zum Glück

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/11>, abgerufen am 29.03.2024.