Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

sich Fritzens trauriges Gesicht, und sie empfahl es Dem,
der da Freud und Leid auf die Herzen der Menschen legt.


Die Frau Generalin von Trautstein saß mit ei¬
ner jüngeren Dame in eifrigem Gespräch.

Ich versichere Sie, sagte die jüngere, das Mäd¬
chen passt ganz besonders für Sie, und ich kann sie
Ihnen mit vollem Herzen empfehlen. Seit zwei Jah¬
ren näht sie mir alle Kindersachen und sie ist wirklich
die Liebe des ganzen Hauses, immer freundlich, gefäl¬
lig, sehr gewandt und fleißig, und aus einer sehr
rechtlichen Familie. Ihre Tante ist die Frau Bendler,
die dem Wöchnerinnenverein an der Spitze steht, eine
außerordentlich geachtete Frau. Von der ist Klärchen
eigentlich erzogen, die hat sie auch das Schneidern
lehren lassen, denn Klärchens Mutter ist kränklich.

Warum will sie sich aber vermiethen? fragte die
Generalin.

Um einmal unter andern Leuten zu sein, war
die Antwort. Ich finde es recht vernünftig. Die
Mutter nämlich soll das Mädchen sehr beherrschen
und ihr jeden Groschen aus dem Beutel nehmen.
Sie deutete es mir neulich mit Thränen an, daß sie
sehr schlecht mit der Wäsche bestellt sei, weil sie dazu
kein Geld habe erübrigen können und nur immer froh
gewesen sei, der Kundschaft wegen für das Aeußere
zu sorgen.

Das sind eben meine Bedenken. Die Mutter
soll unordentlich sein und gern jeden Groschen durch
den Mund spediren; zweitens ist das Mädchen zu

ſich Fritzens trauriges Geſicht, und ſie empfahl es Dem,
der da Freud und Leid auf die Herzen der Menſchen legt.


Die Frau Generalin von Trautſtein ſaß mit ei¬
ner jüngeren Dame in eifrigem Geſpräch.

Ich verſichere Sie, ſagte die jüngere, das Mäd¬
chen paſſt ganz beſonders für Sie, und ich kann ſie
Ihnen mit vollem Herzen empfehlen. Seit zwei Jah¬
ren näht ſie mir alle Kinderſachen und ſie iſt wirklich
die Liebe des ganzen Hauſes, immer freundlich, gefäl¬
lig, ſehr gewandt und fleißig, und aus einer ſehr
rechtlichen Familie. Ihre Tante iſt die Frau Bendler,
die dem Wöchnerinnenverein an der Spitze ſteht, eine
außerordentlich geachtete Frau. Von der iſt Klärchen
eigentlich erzogen, die hat ſie auch das Schneidern
lehren laſſen, denn Klärchens Mutter iſt kränklich.

Warum will ſie ſich aber vermiethen? fragte die
Generalin.

Um einmal unter andern Leuten zu ſein, war
die Antwort. Ich finde es recht vernünftig. Die
Mutter nämlich ſoll das Mädchen ſehr beherrſchen
und ihr jeden Groſchen aus dem Beutel nehmen.
Sie deutete es mir neulich mit Thränen an, daß ſie
ſehr ſchlecht mit der Wäſche beſtellt ſei, weil ſie dazu
kein Geld habe erübrigen können und nur immer froh
geweſen ſei, der Kundſchaft wegen für das Aeußere
zu ſorgen.

Das ſind eben meine Bedenken. Die Mutter
ſoll unordentlich ſein und gern jeden Groſchen durch
den Mund ſpediren; zweitens iſt das Mädchen zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0035" n="29"/>
&#x017F;ich Fritzens trauriges Ge&#x017F;icht, und &#x017F;ie empfahl es Dem,<lb/>
der da Freud und Leid auf die Herzen der Men&#x017F;chen legt.</p><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <p>Die Frau Generalin von Traut&#x017F;tein &#x017F;aß mit ei¬<lb/>
ner jüngeren Dame in eifrigem Ge&#x017F;präch.</p><lb/>
      <p>Ich ver&#x017F;ichere Sie, &#x017F;agte die jüngere, das Mäd¬<lb/>
chen pa&#x017F;&#x017F;t ganz be&#x017F;onders für Sie, und ich kann &#x017F;ie<lb/>
Ihnen mit vollem Herzen empfehlen. Seit zwei Jah¬<lb/>
ren näht &#x017F;ie mir alle Kinder&#x017F;achen und &#x017F;ie i&#x017F;t wirklich<lb/>
die Liebe des ganzen Hau&#x017F;es, immer freundlich, gefäl¬<lb/>
lig, &#x017F;ehr gewandt und fleißig, und aus einer &#x017F;ehr<lb/>
rechtlichen Familie. Ihre Tante i&#x017F;t die Frau Bendler,<lb/>
die dem Wöchnerinnenverein an der Spitze &#x017F;teht, eine<lb/>
außerordentlich geachtete Frau. Von der i&#x017F;t Klärchen<lb/>
eigentlich erzogen, die hat &#x017F;ie auch das Schneidern<lb/>
lehren la&#x017F;&#x017F;en, denn Klärchens Mutter i&#x017F;t kränklich.</p><lb/>
      <p>Warum will &#x017F;ie &#x017F;ich aber vermiethen? fragte die<lb/>
Generalin.</p><lb/>
      <p>Um einmal unter andern Leuten zu &#x017F;ein, war<lb/>
die Antwort. Ich finde es recht vernünftig. Die<lb/>
Mutter nämlich &#x017F;oll das Mädchen &#x017F;ehr beherr&#x017F;chen<lb/>
und ihr jeden Gro&#x017F;chen aus dem Beutel nehmen.<lb/>
Sie deutete es mir neulich mit Thränen an, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chlecht mit der Wä&#x017F;che be&#x017F;tellt &#x017F;ei, weil &#x017F;ie dazu<lb/>
kein Geld habe erübrigen können und nur immer froh<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ei, der Kund&#x017F;chaft wegen für das Aeußere<lb/>
zu &#x017F;orgen.</p><lb/>
      <p>Das &#x017F;ind eben meine Bedenken. Die Mutter<lb/>
&#x017F;oll unordentlich &#x017F;ein und gern jeden Gro&#x017F;chen durch<lb/>
den Mund &#x017F;pediren; zweitens i&#x017F;t das Mädchen zu<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] ſich Fritzens trauriges Geſicht, und ſie empfahl es Dem, der da Freud und Leid auf die Herzen der Menſchen legt. Die Frau Generalin von Trautſtein ſaß mit ei¬ ner jüngeren Dame in eifrigem Geſpräch. Ich verſichere Sie, ſagte die jüngere, das Mäd¬ chen paſſt ganz beſonders für Sie, und ich kann ſie Ihnen mit vollem Herzen empfehlen. Seit zwei Jah¬ ren näht ſie mir alle Kinderſachen und ſie iſt wirklich die Liebe des ganzen Hauſes, immer freundlich, gefäl¬ lig, ſehr gewandt und fleißig, und aus einer ſehr rechtlichen Familie. Ihre Tante iſt die Frau Bendler, die dem Wöchnerinnenverein an der Spitze ſteht, eine außerordentlich geachtete Frau. Von der iſt Klärchen eigentlich erzogen, die hat ſie auch das Schneidern lehren laſſen, denn Klärchens Mutter iſt kränklich. Warum will ſie ſich aber vermiethen? fragte die Generalin. Um einmal unter andern Leuten zu ſein, war die Antwort. Ich finde es recht vernünftig. Die Mutter nämlich ſoll das Mädchen ſehr beherrſchen und ihr jeden Groſchen aus dem Beutel nehmen. Sie deutete es mir neulich mit Thränen an, daß ſie ſehr ſchlecht mit der Wäſche beſtellt ſei, weil ſie dazu kein Geld habe erübrigen können und nur immer froh geweſen ſei, der Kundſchaft wegen für das Aeußere zu ſorgen. Das ſind eben meine Bedenken. Die Mutter ſoll unordentlich ſein und gern jeden Groſchen durch den Mund ſpediren; zweitens iſt das Mädchen zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/35
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/35>, abgerufen am 24.04.2024.