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Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876.

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sich die tiefere Furchung der innern oder äussern Seite des einzelnen
Zahnes, oder, mit andern Worten, der Zahn wird mehr oder minder
"zweikantig". Nicht selten sind die gegenüberstehenden Zähne in dieser
Beziehung asymetrisch, d. h. der linke würde ein Hasenzahn, der
rechte ein Kaninchenzahn sein, oder umgekehrt, wenn das angebliche
Kennzeichen konstant wäre. So verhält es sich bei allen in Betracht
gezogenen Hasen, bei allen wilden und zahmen Kaninchen verschiedener
Rassen. --

An diesem Beispiel zeigt sich recht deutlich, dass es unzulässig ist,
nach einigen wenigen Individuen solche Unterschiede aufzustellen.

Es ergiebt sich ferner, wie wenig Bedeutung darin liegt, wenn nach
Hrn. Zürn der letzte untere Backzahn sich bei den sogenannten Lepo-
riden wie beim Hasen verhalten soll, während die unter 2 und 3 genann-
ten Unterschiede sich im Gegentheil bei den Leporiden wie bei den
Kaninchen verhalten sollen.

Nach alle dem halte ich mich zu der Meinung berechtigt, dass bis
jetzt in der Gestalt der einzelnen Zähne der Hasen und Kaninchen solche
spezifische Unterschiede nicht gefunden sind, welche für die Leporiden-
frage zu verwerthen sind. --

5) Der auffallendste Unterschied zwischen Hasen- und Kaninchen-
schädel liegt am Gaumen. Die Diagnose von Blasius (l. c. Seite 411)
lautet: "Die grosse Gaumenlücke hinter der knöchernen Gaumenplatte
beim Hasen ungefähr doppelt so breit als die Breite der Backzähne und
nach hinten nicht merklich verengt; -- beim Kaninchen nicht breiter
als die Breite der Backzähne und nach hinten auffallend verengt."

Hr. Zürn hat diese Diagnose unter Hinzufügung einer Angabe von
Blasius aus der Beschreibung (Seite 413) in Bezug auf die Stellung
des innern Alveolenrandes zu dem Rande der Gaumenlücke im Wesent-
lichen wörtlich aufgenommen.

Blasius' Angaben genügten damals, als sie entstanden; jetzt, seit-
dem es sich um die Leporidenfrage handelt, ist eine genauere auf Be-
obachtung mehrerer Individuen gegründete Untersuchung und ein prä-
ziserer Ausdruck nothwendig geworden.

Man vergleiche die Abbildungen der Schädel in der Gaumenansicht
auf Tafel II.

Unter "Breite der Gaumenlücke" (A) ist aber zu verstehen: der
grösste transversale Durchmesser der Gaumenöffnung innerhalb der
Backzahnreihe. Der innere Rand dieser Oeffnung ist scharf genug, um
eine exakte Messung mit dem Kaliberzirkel zu gestatten. Dieser grösste
transversable Durchmesser fällt in seiner Verlängerung ungefähr durch
die Alveole des vierten oder fünften Backzahnes (mol. 1 und 2). Ver-
schiedenheiten in Bezug auf die Lage dieses grössten Durchmessers kom-
men oft vor, z. B. bei dem Tafel II Figur 3 b abgebildeten Kaninchen-

sich die tiefere Furchung der innern oder äussern Seite des einzelnen
Zahnes, oder, mit andern Worten, der Zahn wird mehr oder minder
„zweikantig“. Nicht selten sind die gegenüberstehenden Zähne in dieser
Beziehung asymetrisch, d. h. der linke würde ein Hasenzahn, der
rechte ein Kaninchenzahn sein, oder umgekehrt, wenn das angebliche
Kennzeichen konstant wäre. So verhält es sich bei allen in Betracht
gezogenen Hasen, bei allen wilden und zahmen Kaninchen verschiedener
Rassen. —

An diesem Beispiel zeigt sich recht deutlich, dass es unzulässig ist,
nach einigen wenigen Individuen solche Unterschiede aufzustellen.

Es ergiebt sich ferner, wie wenig Bedeutung darin liegt, wenn nach
Hrn. Zürn der letzte untere Backzahn sich bei den sogenannten Lepo-
riden wie beim Hasen verhalten soll, während die unter 2 und 3 genann-
ten Unterschiede sich im Gegentheil bei den Leporiden wie bei den
Kaninchen verhalten sollen.

Nach alle dem halte ich mich zu der Meinung berechtigt, dass bis
jetzt in der Gestalt der einzelnen Zähne der Hasen und Kaninchen solche
spezifische Unterschiede nicht gefunden sind, welche für die Leporiden-
frage zu verwerthen sind. —

5) Der auffallendste Unterschied zwischen Hasen- und Kaninchen-
schädel liegt am Gaumen. Die Diagnose von Blasius (l. c. Seite 411)
lautet: „Die grosse Gaumenlücke hinter der knöchernen Gaumenplatte
beim Hasen ungefähr doppelt so breit als die Breite der Backzähne und
nach hinten nicht merklich verengt; — beim Kaninchen nicht breiter
als die Breite der Backzähne und nach hinten auffallend verengt.“

Hr. Zürn hat diese Diagnose unter Hinzufügung einer Angabe von
Blasius aus der Beschreibung (Seite 413) in Bezug auf die Stellung
des innern Alveolenrandes zu dem Rande der Gaumenlücke im Wesent-
lichen wörtlich aufgenommen.

Blasius’ Angaben genügten damals, als sie entstanden; jetzt, seit-
dem es sich um die Leporidenfrage handelt, ist eine genauere auf Be-
obachtung mehrerer Individuen gegründete Untersuchung und ein prä-
ziserer Ausdruck nothwendig geworden.

Man vergleiche die Abbildungen der Schädel in der Gaumenansicht
auf Tafel II.

Unter „Breite der Gaumenlücke“ (A) ist aber zu verstehen: der
grösste transversale Durchmesser der Gaumenöffnung innerhalb der
Backzahnreihe. Der innere Rand dieser Oeffnung ist scharf genug, um
eine exakte Messung mit dem Kaliberzirkel zu gestatten. Dieser grösste
transversable Durchmesser fällt in seiner Verlängerung ungefähr durch
die Alveole des vierten oder fünften Backzahnes (mol. 1 und 2). Ver-
schiedenheiten in Bezug auf die Lage dieses grössten Durchmessers kom-
men oft vor, z. B. bei dem Tafel II Figur 3 b abgebildeten Kaninchen-

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[24/0032] sich die tiefere Furchung der innern oder äussern Seite des einzelnen Zahnes, oder, mit andern Worten, der Zahn wird mehr oder minder „zweikantig“. Nicht selten sind die gegenüberstehenden Zähne in dieser Beziehung asymetrisch, d. h. der linke würde ein Hasenzahn, der rechte ein Kaninchenzahn sein, oder umgekehrt, wenn das angebliche Kennzeichen konstant wäre. So verhält es sich bei allen in Betracht gezogenen Hasen, bei allen wilden und zahmen Kaninchen verschiedener Rassen. — An diesem Beispiel zeigt sich recht deutlich, dass es unzulässig ist, nach einigen wenigen Individuen solche Unterschiede aufzustellen. Es ergiebt sich ferner, wie wenig Bedeutung darin liegt, wenn nach Hrn. Zürn der letzte untere Backzahn sich bei den sogenannten Lepo- riden wie beim Hasen verhalten soll, während die unter 2 und 3 genann- ten Unterschiede sich im Gegentheil bei den Leporiden wie bei den Kaninchen verhalten sollen. Nach alle dem halte ich mich zu der Meinung berechtigt, dass bis jetzt in der Gestalt der einzelnen Zähne der Hasen und Kaninchen solche spezifische Unterschiede nicht gefunden sind, welche für die Leporiden- frage zu verwerthen sind. — 5) Der auffallendste Unterschied zwischen Hasen- und Kaninchen- schädel liegt am Gaumen. Die Diagnose von Blasius (l. c. Seite 411) lautet: „Die grosse Gaumenlücke hinter der knöchernen Gaumenplatte beim Hasen ungefähr doppelt so breit als die Breite der Backzähne und nach hinten nicht merklich verengt; — beim Kaninchen nicht breiter als die Breite der Backzähne und nach hinten auffallend verengt.“ Hr. Zürn hat diese Diagnose unter Hinzufügung einer Angabe von Blasius aus der Beschreibung (Seite 413) in Bezug auf die Stellung des innern Alveolenrandes zu dem Rande der Gaumenlücke im Wesent- lichen wörtlich aufgenommen. Blasius’ Angaben genügten damals, als sie entstanden; jetzt, seit- dem es sich um die Leporidenfrage handelt, ist eine genauere auf Be- obachtung mehrerer Individuen gegründete Untersuchung und ein prä- ziserer Ausdruck nothwendig geworden. Man vergleiche die Abbildungen der Schädel in der Gaumenansicht auf Tafel II. Unter „Breite der Gaumenlücke“ (A) ist aber zu verstehen: der grösste transversale Durchmesser der Gaumenöffnung innerhalb der Backzahnreihe. Der innere Rand dieser Oeffnung ist scharf genug, um eine exakte Messung mit dem Kaliberzirkel zu gestatten. Dieser grösste transversable Durchmesser fällt in seiner Verlängerung ungefähr durch die Alveole des vierten oder fünften Backzahnes (mol. 1 und 2). Ver- schiedenheiten in Bezug auf die Lage dieses grössten Durchmessers kom- men oft vor, z. B. bei dem Tafel II Figur 3 b abgebildeten Kaninchen-

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Zitationshilfe: Nathusius, Hermann Engelhard von: Über die sogenannten Leporiden. Berlin, 1876, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_leporiden_1876/32>, abgerufen am 25.04.2024.