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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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Siebenjährige Welt-Beschauung.
einen langen zugespitzten Schwantz und grossen langen spitzi-
gen Kopff/ in seinem Riessel grosse lange Zähne/ den Hauer-
Schweinen nicht ungleich. Und wo derselbe einen Menschen zu-
berwältigen Gelegenheit bekommet/ so verschlingt er ihn als-
bald/ dergleichen denn ehermals geschehen seyn solle/ sonderlich
wenn die Leute Andacht halben kommen/ alda am Nilo nieder
fallen und ihr Gebet verrichten/ wie die Egyptier sehr im
Brauch haben und es halbicht etwann darbey versehen/ wie
einsmals einem Türckischen Tzschauß zu Cairo wiederfahren/
indem er allda am Ufer gedachtes Nili auf seinem aufgebreite-
ten Tapet gelegen und gebethet/ wie mir glaubwürdig allda er-
zehlet worden,

Ehe es aber geschicht/ daß dieser gifftige Wurm einen
Menschen verschlinget und frisset/ soll er zuvor auß den Augen
häuffig Wasser herauß fallen lassen/ gleich als weinte er und
wäre ihm selber leid/ daß er solches thun und einen Menschen
fressen solte. Dahero dann dieser Wurm gar eine augenschein-
liche Abbildung ist aller falschen und unrichtigen Hertzen und
Gemüther/ welche vorwarts sich freundlich gegen dem Nech-
sten stellen und auch wol darzu weinen/ im Hertzen aber auf
Schaden und Verderben dencken.

Daß ich aber deß Nili weiter gedencke/ so soll derselbe einer
seyn von den vier Flüssen und Wassern deß Paradises/ der Gi-
hon ist genannt worden/ dieweil er von Morgen durch Mohren-
land/ biß in Egypten fleußt. Und weil derselbe so gar fruchtbar
ist/ wo er hinfleußt/ so wird beständig darfür gehalten/ er füh-
re eine fette Erde auß dem Paradeiß mit sich/ wiewol es eine
betrügliche muthmassung ist. Unterdeß aber ist doch gleichwol
diß gewiß/ daß man seinen Ursprung nicht erfahren/ noch die
Ursache seines jährlichen Außlauffs wissen noch ergründen
kan.

Und

Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
einen langen zugeſpitzten Schwantz und groſſen langen ſpitzi-
gen Kopff/ in ſeinem Rieſſel groſſe lange Zaͤhne/ den Hauer-
Schweinen nicht ungleich. Und wo derſelbe einen Menſchen zu-
berwaͤltigen Gelegenheit bekommet/ ſo verſchlingt er ihn als-
bald/ dergleichen denn ehermals geſchehen ſeyn ſolle/ ſonderlich
wenn die Leute Andacht halben kommen/ alda am Nilo nieder
fallen und ihr Gebet verrichten/ wie die Egyptier ſehr im
Brauch haben und es halbicht etwann darbey verſehen/ wie
einsmals einem Tuͤrckiſchen Tzſchauß zu Cairo wiederfahren/
indem er allda am Ufer gedachtes Nili auf ſeinem aufgebreite-
ten Tapet gelegen und gebethet/ wie mir glaubwuͤrdig allda er-
zehlet worden,

Ehe es aber geſchicht/ daß dieſer gifftige Wurm einen
Menſchen verſchlinget und friſſet/ ſoll er zuvor auß den Augen
haͤuffig Waſſer herauß fallen laſſen/ gleich als weinte er und
waͤre ihm ſelber leid/ daß er ſolches thun und einen Menſchen
freſſen ſolte. Dahero dann dieſer Wurm gar eine augenſchein-
liche Abbildung iſt aller falſchen und unrichtigen Hertzen und
Gemuͤther/ welche vorwarts ſich freundlich gegen dem Nech-
ſten ſtellen und auch wol darzu weinen/ im Hertzen aber auf
Schaden und Verderben dencken.

Daß ich aber deß Nili weiter gedencke/ ſo ſoll derſelbe einer
ſeyn von den vier Fluͤſſen und Waſſern deß Paradiſes/ der Gi-
hon iſt genannt wordẽ/ dieweil er von Morgen durch Mohren-
land/ biß in Egypten fleußt. Und weil derſelbe ſo gar fruchtbar
iſt/ wo er hinfleußt/ ſo wird beſtaͤndig darfuͤr gehalten/ er fuͤh-
re eine fette Erde auß dem Paradeiß mit ſich/ wiewol es eine
betruͤgliche muthmaſſung iſt. Unterdeß aber iſt doch gleichwol
diß gewiß/ daß man ſeinen Urſprung nicht erfahren/ noch die
Urſache ſeines jaͤhrlichen Außlauffs wiſſen noch ergruͤnden
kan.

Und
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[150/0156] Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung. einen langen zugeſpitzten Schwantz und groſſen langen ſpitzi- gen Kopff/ in ſeinem Rieſſel groſſe lange Zaͤhne/ den Hauer- Schweinen nicht ungleich. Und wo derſelbe einen Menſchen zu- berwaͤltigen Gelegenheit bekommet/ ſo verſchlingt er ihn als- bald/ dergleichen denn ehermals geſchehen ſeyn ſolle/ ſonderlich wenn die Leute Andacht halben kommen/ alda am Nilo nieder fallen und ihr Gebet verrichten/ wie die Egyptier ſehr im Brauch haben und es halbicht etwann darbey verſehen/ wie einsmals einem Tuͤrckiſchen Tzſchauß zu Cairo wiederfahren/ indem er allda am Ufer gedachtes Nili auf ſeinem aufgebreite- ten Tapet gelegen und gebethet/ wie mir glaubwuͤrdig allda er- zehlet worden, Ehe es aber geſchicht/ daß dieſer gifftige Wurm einen Menſchen verſchlinget und friſſet/ ſoll er zuvor auß den Augen haͤuffig Waſſer herauß fallen laſſen/ gleich als weinte er und waͤre ihm ſelber leid/ daß er ſolches thun und einen Menſchen freſſen ſolte. Dahero dann dieſer Wurm gar eine augenſchein- liche Abbildung iſt aller falſchen und unrichtigen Hertzen und Gemuͤther/ welche vorwarts ſich freundlich gegen dem Nech- ſten ſtellen und auch wol darzu weinen/ im Hertzen aber auf Schaden und Verderben dencken. Daß ich aber deß Nili weiter gedencke/ ſo ſoll derſelbe einer ſeyn von den vier Fluͤſſen und Waſſern deß Paradiſes/ der Gi- hon iſt genannt wordẽ/ dieweil er von Morgen durch Mohren- land/ biß in Egypten fleußt. Und weil derſelbe ſo gar fruchtbar iſt/ wo er hinfleußt/ ſo wird beſtaͤndig darfuͤr gehalten/ er fuͤh- re eine fette Erde auß dem Paradeiß mit ſich/ wiewol es eine betruͤgliche muthmaſſung iſt. Unterdeß aber iſt doch gleichwol diß gewiß/ daß man ſeinen Urſprung nicht erfahren/ noch die Urſache ſeines jaͤhrlichen Außlauffs wiſſen noch ergruͤnden kan. Und

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/156>, abgerufen am 29.03.2024.