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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Hiermit gab der Magister dem Sebaldus die
Hand, und wünschte ihm eine gute Nacht.

Zweyter Abschnitt.

Sebaldus brachte der Ermahnung des Magisters
ungeachtet, die Nacht sehr unruhig zu, und
beseufzete noch den folgenden Tag den unvollkommnen
Zustand der deutschen Gelehrsamkeit und das Schick-
sal der deutschen Gelehrten. Nachmittag ging er zu
seinem Freunde Hieronymus, um ihm sein gestri-
ges Gespräch mit dem Magister zu erzählen, und ihn
zu fragen, ob desselben Nachrichten zuverläßig wären.

Jch finde sagte Hieronymus, daß der Hr. Ma-
gister von allen diesen Dingen sehr wohl unterrichtet
ist, aber warum beunruhigt Sie diese Erzählung, die
freilich nur allzu wahr ist, so gar sehr.

Seb. Es kränket mich, daß ich von der Hochach-
tung, die ich für die deutsche Gelehrsamkeit und für die
deutsche Gelehrten hege, so viel ablassen muß. Jch
habe beständig, einen Mann der ein Buch schreiben
kann, mit Ehrfurcht angesehen, und den ganzen Hau-
sen der Schriftsteller habe ich mir als eine Anzahl
einsichtsvoller und menschenfreundlicher Leute vorge-
siellt, die beständig beschäftigt wären, alles was der

mensch-


Hiermit gab der Magiſter dem Sebaldus die
Hand, und wuͤnſchte ihm eine gute Nacht.

Zweyter Abſchnitt.

Sebaldus brachte der Ermahnung des Magiſters
ungeachtet, die Nacht ſehr unruhig zu, und
beſeufzete noch den folgenden Tag den unvollkommnen
Zuſtand der deutſchen Gelehrſamkeit und das Schick-
ſal der deutſchen Gelehrten. Nachmittag ging er zu
ſeinem Freunde Hieronymus, um ihm ſein geſtri-
ges Geſpraͤch mit dem Magiſter zu erzaͤhlen, und ihn
zu fragen, ob deſſelben Nachrichten zuverlaͤßig waͤren.

Jch finde ſagte Hieronymus, daß der Hr. Ma-
giſter von allen dieſen Dingen ſehr wohl unterrichtet
iſt, aber warum beunruhigt Sie dieſe Erzaͤhlung, die
freilich nur allzu wahr iſt, ſo gar ſehr.

Seb. Es kraͤnket mich, daß ich von der Hochach-
tung, die ich fuͤr die deutſche Gelehrſamkeit und fuͤr die
deutſche Gelehrten hege, ſo viel ablaſſen muß. Jch
habe beſtaͤndig, einen Mann der ein Buch ſchreiben
kann, mit Ehrfurcht angeſehen, und den ganzen Hau-
ſen der Schriftſteller habe ich mir als eine Anzahl
einſichtsvoller und menſchenfreundlicher Leute vorge-
ſiellt, die beſtaͤndig beſchaͤftigt waͤren, alles was der

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[110/0134] Hiermit gab der Magiſter dem Sebaldus die Hand, und wuͤnſchte ihm eine gute Nacht. Zweyter Abſchnitt. Sebaldus brachte der Ermahnung des Magiſters ungeachtet, die Nacht ſehr unruhig zu, und beſeufzete noch den folgenden Tag den unvollkommnen Zuſtand der deutſchen Gelehrſamkeit und das Schick- ſal der deutſchen Gelehrten. Nachmittag ging er zu ſeinem Freunde Hieronymus, um ihm ſein geſtri- ges Geſpraͤch mit dem Magiſter zu erzaͤhlen, und ihn zu fragen, ob deſſelben Nachrichten zuverlaͤßig waͤren. Jch finde ſagte Hieronymus, daß der Hr. Ma- giſter von allen dieſen Dingen ſehr wohl unterrichtet iſt, aber warum beunruhigt Sie dieſe Erzaͤhlung, die freilich nur allzu wahr iſt, ſo gar ſehr. Seb. Es kraͤnket mich, daß ich von der Hochach- tung, die ich fuͤr die deutſche Gelehrſamkeit und fuͤr die deutſche Gelehrten hege, ſo viel ablaſſen muß. Jch habe beſtaͤndig, einen Mann der ein Buch ſchreiben kann, mit Ehrfurcht angeſehen, und den ganzen Hau- ſen der Schriftſteller habe ich mir als eine Anzahl einſichtsvoller und menſchenfreundlicher Leute vorge- ſiellt, die beſtaͤndig beſchaͤftigt waͤren, alles was der menſch-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/134>, abgerufen am 29.03.2024.