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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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still, und schlug seine Augen nieder) ich hätte noch
mehr Gutes thun können -- Aber (hier hob er seine
Augen abermals empor) allgütiges Wesen, ich werfe
mich in deine Hände. Du hast mich zum Menschen
machen wollen, also sollte ich wohl nicht ganz voll-
kommen seyn. Jch verlange auch nicht, wenn ein
Himmel ist, im Himmel obenan zu stehen.

Hier sank er, von der Anstrengung entkräftet, sanft
zurück, die Luft fehlte ihm, er erholte sich, und
sprach noch mit stammlender Stimme zum Sebal-
dus,
indem er ihm die Hand drückte:

,Ach! mein Freund, wenn Gott ein Regiment von
"Seligen hat, so wäre es schon genug, wenn unser
"einer nur ein Gemeiner werden könnte. -- --

Er wollte noch etwas sagen; aber der Steckfluß
nahm überhand, er fieng an zu röcheln, und nach
einigen fruchtlosen Versuchen ihm zu helfen, ver-
schied er einige Minuten darauf, und Sebaldus
drückte ihm weinend die Augen zu.

Elfter Abschnitt.

Kaum war er entschlafen, als der Prediger, wel-
chen Sebaldus unter den Linden auf der Bank
getroffen hatte, schnell in das Zimmer trat. Er

hatte



ſtill, und ſchlug ſeine Augen nieder) ich haͤtte noch
mehr Gutes thun koͤnnen — Aber (hier hob er ſeine
Augen abermals empor) allguͤtiges Weſen, ich werfe
mich in deine Haͤnde. Du haſt mich zum Menſchen
machen wollen, alſo ſollte ich wohl nicht ganz voll-
kommen ſeyn. Jch verlange auch nicht, wenn ein
Himmel iſt, im Himmel obenan zu ſtehen.

Hier ſank er, von der Anſtrengung entkraͤftet, ſanft
zuruͤck, die Luft fehlte ihm, er erholte ſich, und
ſprach noch mit ſtammlender Stimme zum Sebal-
dus,
indem er ihm die Hand druͤckte:

‚Ach! mein Freund, wenn Gott ein Regiment von
”Seligen hat, ſo waͤre es ſchon genug, wenn unſer
”einer nur ein Gemeiner werden koͤnnte. — —

Er wollte noch etwas ſagen; aber der Steckfluß
nahm uͤberhand, er fieng an zu roͤcheln, und nach
einigen fruchtloſen Verſuchen ihm zu helfen, ver-
ſchied er einige Minuten darauf, und Sebaldus
druͤckte ihm weinend die Augen zu.

Elfter Abſchnitt.

Kaum war er entſchlafen, als der Prediger, wel-
chen Sebaldus unter den Linden auf der Bank
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[122/0132] ſtill, und ſchlug ſeine Augen nieder) ich haͤtte noch mehr Gutes thun koͤnnen — Aber (hier hob er ſeine Augen abermals empor) allguͤtiges Weſen, ich werfe mich in deine Haͤnde. Du haſt mich zum Menſchen machen wollen, alſo ſollte ich wohl nicht ganz voll- kommen ſeyn. Jch verlange auch nicht, wenn ein Himmel iſt, im Himmel obenan zu ſtehen. Hier ſank er, von der Anſtrengung entkraͤftet, ſanft zuruͤck, die Luft fehlte ihm, er erholte ſich, und ſprach noch mit ſtammlender Stimme zum Sebal- dus, indem er ihm die Hand druͤckte: ‚Ach! mein Freund, wenn Gott ein Regiment von ”Seligen hat, ſo waͤre es ſchon genug, wenn unſer ”einer nur ein Gemeiner werden koͤnnte. — — Er wollte noch etwas ſagen; aber der Steckfluß nahm uͤberhand, er fieng an zu roͤcheln, und nach einigen fruchtloſen Verſuchen ihm zu helfen, ver- ſchied er einige Minuten darauf, und Sebaldus druͤckte ihm weinend die Augen zu. Elfter Abſchnitt. Kaum war er entſchlafen, als der Prediger, wel- chen Sebaldus unter den Linden auf der Bank getroffen hatte, ſchnell in das Zimmer trat. Er hatte

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/132>, abgerufen am 19.03.2024.