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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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recht begriff, dennoch sich entschloß, unverzüglich sei-
nen Weg weiter fortzusetzen; in welchem Vorhaben
er von Rambolden gar sehr bestärkt ward, der
nichts mehr wünschte, als ihn nur erst zu feinem Va-
ter nach Wesel gebracht zu haben, damit er bald zur
Frau von Hohenauf zurückkehren, und die Früchte
seiner Treulosigkeit einärnten könnte. Sie nahmen
also von der Gräfinn Abschied, die sie mit sehr kalten
Höflichkeitsbezeugungen entließ.

Auf diese Art ward die Gesellschaft plötzlich zer-
trennt, und jeder war, einzeln für sich, mißvergnügt,
und schmollte; bis auf den boshaften Rambold, der
sich heimlich freuete, daß sein Anfchlag so gut von
Statten gieng, und bis auf Säuglingen, der einen
schwachen Trost darinn fand, daß er, während der
Reise, einige Stanzen über stine Entfernung von
Marianen in seine Schreibtafel schrieb.

Sechster Abschnitt.

Mariane war, unterdessen dieß vorgieng, mit
ihren Entführern einen Tag und eine Nacht
lang fortgefahren, ohne daß sie von ihnen durch ihre
öfteren Fragen hätte erfahren können, wohin sie sollte
geführt werden. Sie hatten, so viel möglich, die

Land-



recht begriff, dennoch ſich entſchloß, unverzuͤglich ſei-
nen Weg weiter fortzuſetzen; in welchem Vorhaben
er von Rambolden gar ſehr beſtaͤrkt ward, der
nichts mehr wuͤnſchte, als ihn nur erſt zu feinem Va-
ter nach Weſel gebracht zu haben, damit er bald zur
Frau von Hohenauf zuruͤckkehren, und die Fruͤchte
ſeiner Treuloſigkeit einaͤrnten koͤnnte. Sie nahmen
alſo von der Graͤfinn Abſchied, die ſie mit ſehr kalten
Hoͤflichkeitsbezeugungen entließ.

Auf dieſe Art ward die Geſellſchaft ploͤtzlich zer-
trennt, und jeder war, einzeln fuͤr ſich, mißvergnuͤgt,
und ſchmollte; bis auf den boshaften Rambold, der
ſich heimlich freuete, daß ſein Anfchlag ſo gut von
Statten gieng, und bis auf Saͤuglingen, der einen
ſchwachen Troſt darinn fand, daß er, waͤhrend der
Reiſe, einige Stanzen uͤber ſtine Entfernung von
Marianen in ſeine Schreibtafel ſchrieb.

Sechster Abſchnitt.

Mariane war, unterdeſſen dieß vorgieng, mit
ihren Entfuͤhrern einen Tag und eine Nacht
lang fortgefahren, ohne daß ſie von ihnen durch ihre
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gefuͤhrt werden. Sie hatten, ſo viel moͤglich, die

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[187/0199] recht begriff, dennoch ſich entſchloß, unverzuͤglich ſei- nen Weg weiter fortzuſetzen; in welchem Vorhaben er von Rambolden gar ſehr beſtaͤrkt ward, der nichts mehr wuͤnſchte, als ihn nur erſt zu feinem Va- ter nach Weſel gebracht zu haben, damit er bald zur Frau von Hohenauf zuruͤckkehren, und die Fruͤchte ſeiner Treuloſigkeit einaͤrnten koͤnnte. Sie nahmen alſo von der Graͤfinn Abſchied, die ſie mit ſehr kalten Hoͤflichkeitsbezeugungen entließ. Auf dieſe Art ward die Geſellſchaft ploͤtzlich zer- trennt, und jeder war, einzeln fuͤr ſich, mißvergnuͤgt, und ſchmollte; bis auf den boshaften Rambold, der ſich heimlich freuete, daß ſein Anfchlag ſo gut von Statten gieng, und bis auf Saͤuglingen, der einen ſchwachen Troſt darinn fand, daß er, waͤhrend der Reiſe, einige Stanzen uͤber ſtine Entfernung von Marianen in ſeine Schreibtafel ſchrieb. Sechster Abſchnitt. Mariane war, unterdeſſen dieß vorgieng, mit ihren Entfuͤhrern einen Tag und eine Nacht lang fortgefahren, ohne daß ſie von ihnen durch ihre oͤfteren Fragen haͤtte erfahren koͤnnen, wohin ſie ſollte gefuͤhrt werden. Sie hatten, ſo viel moͤglich, die Land-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/199>, abgerufen am 19.03.2024.