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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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Nachdem der Schulmeister wieder etwas Athem zu
schöpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ,was die
"Ursache des Lärms gewesen sey, und was er mit dem
"im ersten Stockwerke wohnenden Edelmanne, dessen
"Bedienten ihm so hart begegnet, zu thun gehabt
"habe.'

Der Schulmeister antwortete bloß durch tiefes
Schluchzen, und durch die kläglichsten Ausrufungen:
,Jch elender Mann! ich unglücklicher Mann! ich
"bin ohne Rettung verloren!'

Sebaldus suchte ihn durch alle möglichen Gründe
wieder zur Fassung zu bringen, der Major bot ihm sei-
nen Arm, Herr F. seine Börse und alle sonst nur
mögliche Hülfe an.

Vergebens! er wiederholte seine trostlosen Aus-
rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be-
gleitet, bedeckte dazwischen einmal über das andere
sein Angesicht mit seinen beiden Händen, und weinte
bitterlich.

Nach langem Zureden beruhigte er sich endlich so
weit, daß er, mit vielen untermischten Seufzern, fol-
gendes erzählen konnte.

,Sie wissen es, sagte er, in dem er sich zum Se-
"baldus
wandte, und ihm wehmüthig die Hand
"drückte, wie ruhig und wie glücklich ich war. Ob-

"gleich
G 5


Nachdem der Schulmeiſter wieder etwas Athem zu
ſchoͤpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ‚was die
”Urſache des Laͤrms geweſen ſey, und was er mit dem
”im erſten Stockwerke wohnenden Edelmanne, deſſen
”Bedienten ihm ſo hart begegnet, zu thun gehabt
”habe.‛

Der Schulmeiſter antwortete bloß durch tiefes
Schluchzen, und durch die klaͤglichſten Ausrufungen:
‚Jch elender Mann! ich ungluͤcklicher Mann! ich
”bin ohne Rettung verloren!‛

Sebaldus ſuchte ihn durch alle moͤglichen Gruͤnde
wieder zur Faſſung zu bringen, der Major bot ihm ſei-
nen Arm, Herr F. ſeine Boͤrſe und alle ſonſt nur
moͤgliche Huͤlfe an.

Vergebens! er wiederholte ſeine troſtloſen Aus-
rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be-
gleitet, bedeckte dazwiſchen einmal uͤber das andere
ſein Angeſicht mit ſeinen beiden Haͤnden, und weinte
bitterlich.

Nach langem Zureden beruhigte er ſich endlich ſo
weit, daß er, mit vielen untermiſchten Seufzern, fol-
gendes erzaͤhlen konnte.

‚Sie wiſſen es, ſagte er, in dem er ſich zum Se-
”baldus
wandte, und ihm wehmuͤthig die Hand
”druͤckte, wie ruhig und wie gluͤcklich ich war. Ob-

”gleich
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[101/0109] Nachdem der Schulmeiſter wieder etwas Athem zu ſchoͤpfen anfieng, war die allgemeine Frage: ‚was die ”Urſache des Laͤrms geweſen ſey, und was er mit dem ”im erſten Stockwerke wohnenden Edelmanne, deſſen ”Bedienten ihm ſo hart begegnet, zu thun gehabt ”habe.‛ Der Schulmeiſter antwortete bloß durch tiefes Schluchzen, und durch die klaͤglichſten Ausrufungen: ‚Jch elender Mann! ich ungluͤcklicher Mann! ich ”bin ohne Rettung verloren!‛ Sebaldus ſuchte ihn durch alle moͤglichen Gruͤnde wieder zur Faſſung zu bringen, der Major bot ihm ſei- nen Arm, Herr F. ſeine Boͤrſe und alle ſonſt nur moͤgliche Huͤlfe an. Vergebens! er wiederholte ſeine troſtloſen Aus- rufungen, mit den Geberden eines Verzweifelten be- gleitet, bedeckte dazwiſchen einmal uͤber das andere ſein Angeſicht mit ſeinen beiden Haͤnden, und weinte bitterlich. Nach langem Zureden beruhigte er ſich endlich ſo weit, daß er, mit vielen untermiſchten Seufzern, fol- gendes erzaͤhlen konnte. ‚Sie wiſſen es, ſagte er, in dem er ſich zum Se- ”baldus wandte, und ihm wehmuͤthig die Hand ”druͤckte, wie ruhig und wie gluͤcklich ich war. Ob- ”gleich G 5

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/109>, abgerufen am 28.03.2024.