Jeder arbeitete gegen die ungestümen Wogen, so lange noch einige Kraft da war, aber die meisten er- matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war unter den wenigen, die von den Wellen selbst ans flache sandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit äusserster Mühe den Strand hinan, denn die bey- nahe völlig erschöpften Kräfte, der heftige Regen und Wind, die ausgestandene Mühseligkeiten, die Menge verschlucktes Seewassers machten ihn tod- krank. Ohnweit von ihm, ward der Körper des Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se- baldus strengte alle Kräfte an, um seinem Wohlthä- ter zu helfen, umsonst, er lag, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben. Dieser neue Kummer, überwältigte die geringen Lebenskräfte des kaum mehr Athem- schöpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo- rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we- nig zu sich selbst kam, sahe er, in dem schrecklichsten Wetter, da sich nur das äußerste Wüten des Sturms gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib- sel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil- fertigste plündern, ehe sie der Schout in Egmont etwan ertappen könnte. Um ihn aber bekümmerte man sich so wenig, als um die übrigen todten Kör- per. So lag der hülflose Mann den Rest des Tages,
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Jeder arbeitete gegen die ungeſtuͤmen Wogen, ſo lange noch einige Kraft da war, aber die meiſten er- matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war unter den wenigen, die von den Wellen ſelbſt ans flache ſandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit aͤuſſerſter Muͤhe den Strand hinan, denn die bey- nahe voͤllig erſchoͤpften Kraͤfte, der heftige Regen und Wind, die ausgeſtandene Muͤhſeligkeiten, die Menge verſchlucktes Seewaſſers machten ihn tod- krank. Ohnweit von ihm, ward der Koͤrper des Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se- baldus ſtrengte alle Kraͤfte an, um ſeinem Wohlthaͤ- ter zu helfen, umſonſt, er lag, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben. Dieſer neue Kummer, uͤberwaͤltigte die geringen Lebenskraͤfte des kaum mehr Athem- ſchoͤpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo- rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we- nig zu ſich ſelbſt kam, ſahe er, in dem ſchrecklichſten Wetter, da ſich nur das aͤußerſte Wuͤten des Sturms gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib- ſel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil- fertigſte pluͤndern, ehe ſie der Schout in Egmont etwan ertappen koͤnnte. Um ihn aber bekuͤmmerte man ſich ſo wenig, als um die uͤbrigen todten Koͤr- per. So lag der huͤlfloſe Mann den Reſt des Tages,
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[4[3]/0010]
Jeder arbeitete gegen die ungeſtuͤmen Wogen, ſo
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matteten, und giengen zu Grunde. Sebaldus war
unter den wenigen, die von den Wellen ſelbſt ans
flache ſandigte Ufer geworfen wurden. Er kroch mit
aͤuſſerſter Muͤhe den Strand hinan, denn die bey-
nahe voͤllig erſchoͤpften Kraͤfte, der heftige Regen
und Wind, die ausgeſtandene Muͤhſeligkeiten, die
Menge verſchlucktes Seewaſſers machten ihn tod-
krank. Ohnweit von ihm, ward der Koͤrper des
Schiffers ans Land geworfen. Der halbtodte Se-
baldus ſtrengte alle Kraͤfte an, um ſeinem Wohlthaͤ-
ter zu helfen, umſonſt, er lag, ohne ein Zeichen des
Lebens zu geben. Dieſer neue Kummer, uͤberwaͤltigte
die geringen Lebenskraͤfte des kaum mehr Athem-
ſchoͤpfenden Sebaldus. Er fiel in Ohnmacht, wo-
rinn er eine geraume Zeit lag. Als er ein klein we-
nig zu ſich ſelbſt kam, ſahe er, in dem ſchrecklichſten
Wetter, da ſich nur das aͤußerſte Wuͤten des Sturms
gelegt hatte, einige Strandbewohner die Ueberbleib-
ſel der Ladung des zertrummerten Schiffs aufs eil-
fertigſte pluͤndern, ehe ſie der Schout in Egmont
etwan ertappen koͤnnte. Um ihn aber bekuͤmmerte
man ſich ſo wenig, als um die uͤbrigen todten Koͤr-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 4[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/10>, abgerufen am 19.04.2024.
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