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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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zehlung unruhig zu werden, lehnte sich ins Fen-
ster, nahm, ohne daran zu denken, den Brief aus
der Tasche, erbrach ihn in der Zerstreuung, las ihn,
ward feuerroth, nahm mit einemmahle eine ganz an-
dere, vergnügte, Mine an, schlug in die Hände, sah' nach
der Uhr, brach kurz ab, rief aus dem Fenster, daß man
sein Pferd gleich satteln solle, sagte, er müste unum-
gänglich gleich wieder nach Hause, umarmte Säuglin-
gen,
schwang sich aufs Pferd, und ritt schnell davon.

Säugling wußte nicht, welcher Veranlaßung er
Rambolds plötzlichen Aufbruch zuschreiben sollte,
indessen da er an demselben schon mancherley Launen
gewohnt war, so dachte er weiter nicht darauf, oder
glaubte vielleicht wirklich, Rambold würde durch
ein Geschäft nach Hause gerufen. Jndessen ritt
Rambold nicht nach Hause, sondern einen ganz an-
dern Weg, wie berichtet werden soll, wenn wir erst
zurückgesehen haben, wo Mariane geblieben, von
der wir, seitdem sie dem Obersten entsprungen war,
keine Nachricht erhalten haben.

Vierter Abschnitt.

Nachdem Mariane, beinahe eine halbe Meile lang,
so geschwind sie konnte, gelaufen war, mußte
sie sich endlich, aus Mangel des Athems, ohnweit

der
G 4



zehlung unruhig zu werden, lehnte ſich ins Fen-
ſter, nahm, ohne daran zu denken, den Brief aus
der Taſche, erbrach ihn in der Zerſtreuung, las ihn,
ward feuerroth, nahm mit einemmahle eine ganz an-
dere, vergnuͤgte, Mine an, ſchlug in die Haͤnde, ſah’ nach
der Uhr, brach kurz ab, rief aus dem Fenſter, daß man
ſein Pferd gleich ſatteln ſolle, ſagte, er muͤſte unum-
gaͤnglich gleich wieder nach Hauſe, umarmte Saͤuglin-
gen,
ſchwang ſich aufs Pferd, und ritt ſchnell davon.

Saͤugling wußte nicht, welcher Veranlaßung er
Rambolds ploͤtzlichen Aufbruch zuſchreiben ſollte,
indeſſen da er an demſelben ſchon mancherley Launen
gewohnt war, ſo dachte er weiter nicht darauf, oder
glaubte vielleicht wirklich, Rambold wuͤrde durch
ein Geſchaͤft nach Hauſe gerufen. Jndeſſen ritt
Rambold nicht nach Hauſe, ſondern einen ganz an-
dern Weg, wie berichtet werden ſoll, wenn wir erſt
zuruͤckgeſehen haben, wo Mariane geblieben, von
der wir, ſeitdem ſie dem Oberſten entſprungen war,
keine Nachricht erhalten haben.

Vierter Abſchnitt.

Nachdem Mariane, beinahe eine halbe Meile lang,
ſo geſchwind ſie konnte, gelaufen war, mußte
ſie ſich endlich, aus Mangel des Athems, ohnweit

der
G 4
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[101[100]/0111] zehlung unruhig zu werden, lehnte ſich ins Fen- ſter, nahm, ohne daran zu denken, den Brief aus der Taſche, erbrach ihn in der Zerſtreuung, las ihn, ward feuerroth, nahm mit einemmahle eine ganz an- dere, vergnuͤgte, Mine an, ſchlug in die Haͤnde, ſah’ nach der Uhr, brach kurz ab, rief aus dem Fenſter, daß man ſein Pferd gleich ſatteln ſolle, ſagte, er muͤſte unum- gaͤnglich gleich wieder nach Hauſe, umarmte Saͤuglin- gen, ſchwang ſich aufs Pferd, und ritt ſchnell davon. Saͤugling wußte nicht, welcher Veranlaßung er Rambolds ploͤtzlichen Aufbruch zuſchreiben ſollte, indeſſen da er an demſelben ſchon mancherley Launen gewohnt war, ſo dachte er weiter nicht darauf, oder glaubte vielleicht wirklich, Rambold wuͤrde durch ein Geſchaͤft nach Hauſe gerufen. Jndeſſen ritt Rambold nicht nach Hauſe, ſondern einen ganz an- dern Weg, wie berichtet werden ſoll, wenn wir erſt zuruͤckgeſehen haben, wo Mariane geblieben, von der wir, ſeitdem ſie dem Oberſten entſprungen war, keine Nachricht erhalten haben. Vierter Abſchnitt. Nachdem Mariane, beinahe eine halbe Meile lang, ſo geſchwind ſie konnte, gelaufen war, mußte ſie ſich endlich, aus Mangel des Athems, ohnweit der G 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 101[100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/111>, abgerufen am 23.04.2024.