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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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stammlete Wort Entzückung ist, jeder Blick ein Ge-
lübd, diese Entzückung solle ewig danern. Jhre
gestrige Zusage, einander ewig treu zu bleiben,
ward durch den heißesten Kuß besiegelt. Säugling
steckte ihr einen brillantenen Ring an den Fin-
ger, der, wenn man eine kleine Feder drückte,
aufsprang, und ein Sinnbild entdeckte, mit der
Ueberschrift: Ewig getreu. Mariane schenkte
ihm eben den kleinen Demantring in Form eines
flammenden Herzens, den ihre Mutter einst ihrem
Vater, am Tage ihrer Verlobung gab*), und den
sie bisher, als ein werthes Andenken, an ihrem Fin-
ger getragen hatte.

Auf diese Art kam der Mittag heran, da sie ein
ländliches Mahl unter den bäurischen Glückwünschun-
gen der ehrlichen Hausleute, mit herzlicherm Wohl-
geschmacke verzehrten, als die theure Küche des lie-
bemangelnden Schwelgers gewähren kann.

Erst Nachmittags, konnte Mariane ihrem
Säugling Rambolds Betrug, wovon sie frey-
lich den schändlichsten Theil nicht wußte, aus-
führlich erzählen. Jn den ersten wonnetrunknen
Ausbrüchen der Liebe, hatte sie ihn kaum mit wenig
Worten berührt. Beide entbrannten über seine
niederträchtige Erdichtung, wodurch ihr Glück so
lange war zurückgehalten worden. Als ihr Unmuth
gegen ihn aufs höchste gestiegen war, sahen sie ihn,
unvermuthet, selbst ankommen, um einen seiner ge-

wöhn-
*) S. Wilhelmine S. 50.
Dritter Theil. J



ſtammlete Wort Entzuͤckung iſt, jeder Blick ein Ge-
luͤbd, dieſe Entzuͤckung ſolle ewig danern. Jhre
geſtrige Zuſage, einander ewig treu zu bleiben,
ward durch den heißeſten Kuß beſiegelt. Saͤugling
ſteckte ihr einen brillantenen Ring an den Fin-
ger, der, wenn man eine kleine Feder druͤckte,
aufſprang, und ein Sinnbild entdeckte, mit der
Ueberſchrift: Ewig getreu. Mariane ſchenkte
ihm eben den kleinen Demantring in Form eines
flammenden Herzens, den ihre Mutter einſt ihrem
Vater, am Tage ihrer Verlobung gab*), und den
ſie bisher, als ein werthes Andenken, an ihrem Fin-
ger getragen hatte.

Auf dieſe Art kam der Mittag heran, da ſie ein
laͤndliches Mahl unter den baͤuriſchen Gluͤckwuͤnſchun-
gen der ehrlichen Hausleute, mit herzlicherm Wohl-
geſchmacke verzehrten, als die theure Kuͤche des lie-
bemangelnden Schwelgers gewaͤhren kann.

Erſt Nachmittags, konnte Mariane ihrem
Saͤugling Rambolds Betrug, wovon ſie frey-
lich den ſchaͤndlichſten Theil nicht wußte, aus-
fuͤhrlich erzaͤhlen. Jn den erſten wonnetrunknen
Ausbruͤchen der Liebe, hatte ſie ihn kaum mit wenig
Worten beruͤhrt. Beide entbrannten uͤber ſeine
niedertraͤchtige Erdichtung, wodurch ihr Gluͤck ſo
lange war zuruͤckgehalten worden. Als ihr Unmuth
gegen ihn aufs hoͤchſte geſtiegen war, ſahen ſie ihn,
unvermuthet, ſelbſt ankommen, um einen ſeiner ge-

woͤhn-
*) S. Wilhelmine S. 50.
Dritter Theil. J
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[127[126]/0139] ſtammlete Wort Entzuͤckung iſt, jeder Blick ein Ge- luͤbd, dieſe Entzuͤckung ſolle ewig danern. Jhre geſtrige Zuſage, einander ewig treu zu bleiben, ward durch den heißeſten Kuß beſiegelt. Saͤugling ſteckte ihr einen brillantenen Ring an den Fin- ger, der, wenn man eine kleine Feder druͤckte, aufſprang, und ein Sinnbild entdeckte, mit der Ueberſchrift: Ewig getreu. Mariane ſchenkte ihm eben den kleinen Demantring in Form eines flammenden Herzens, den ihre Mutter einſt ihrem Vater, am Tage ihrer Verlobung gab *), und den ſie bisher, als ein werthes Andenken, an ihrem Fin- ger getragen hatte. Auf dieſe Art kam der Mittag heran, da ſie ein laͤndliches Mahl unter den baͤuriſchen Gluͤckwuͤnſchun- gen der ehrlichen Hausleute, mit herzlicherm Wohl- geſchmacke verzehrten, als die theure Kuͤche des lie- bemangelnden Schwelgers gewaͤhren kann. Erſt Nachmittags, konnte Mariane ihrem Saͤugling Rambolds Betrug, wovon ſie frey- lich den ſchaͤndlichſten Theil nicht wußte, aus- fuͤhrlich erzaͤhlen. Jn den erſten wonnetrunknen Ausbruͤchen der Liebe, hatte ſie ihn kaum mit wenig Worten beruͤhrt. Beide entbrannten uͤber ſeine niedertraͤchtige Erdichtung, wodurch ihr Gluͤck ſo lange war zuruͤckgehalten worden. Als ihr Unmuth gegen ihn aufs hoͤchſte geſtiegen war, ſahen ſie ihn, unvermuthet, ſelbſt ankommen, um einen ſeiner ge- woͤhn- *) S. Wilhelmine S. 50. Dritter Theil. J

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 127[126]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/139>, abgerufen am 19.04.2024.