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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Sebaldus antwortete seufzend: ,Jch habe noch
"einen Sohn, von dem ich aber, seit er in den
"Krieg gegangen ist, koine Nachricht habe.'

,Sie sehen,' rief Säugling der Sohn, der
seines Vaters Meinung errieth, ,meine Mariane
"ist das einzige Kind. Wer weiß, bey welcher
"Action der Sohn geblieben ist. -- Funfzehntau-
"send Thaler! -- Hätte ich doch nicht geglaubt,
"daß mir Geld Vergnügen machen könnte! --
"Jch bitte Sie, liebster Vater, bedenken Sie, daß
"Mariane übrig reich für mich ist!' --

,Laß mich gehen, mein Sohn! -- Wer weiß
"ob auch das Geld richtig ausgezahlt wird.' --

,Liebster Papa! bedenken Sie doch -- eine Kö-
"nigliche Lotterie sollte nicht bezahlen!' --

Damit sprang er auf, um Marianen ihr bei-
derseitiges Glück zu hinterbringen.

Als er weg war, saßen die beiden Alten stock-
stille. Der alte Säugling fuhr fort, sich zu är-
gern, daß er die Zahlen nicht für sich gewählt
hatte, und maß, an der Entzückung, die er in
Sebaldus Augen las, die Entzückung ab, in der
er selbst gewesen seyn würde, wenn er die Qua-
terne gewonnen hätte.

Sebal-


Sebaldus antwortete ſeufzend: ‚Jch habe noch
„einen Sohn, von dem ich aber, ſeit er in den
„Krieg gegangen iſt, koine Nachricht habe.‛

‚Sie ſehen,‛ rief Saͤugling der Sohn, der
ſeines Vaters Meinung errieth, ‚meine Mariane
„iſt das einzige Kind. Wer weiß, bey welcher
„Action der Sohn geblieben iſt. — Funfzehntau-
„ſend Thaler! — Haͤtte ich doch nicht geglaubt,
„daß mir Geld Vergnuͤgen machen koͤnnte! —
„Jch bitte Sie, liebſter Vater, bedenken Sie, daß
Mariane uͤbrig reich fuͤr mich iſt!‛ —

‚Laß mich gehen, mein Sohn! — Wer weiß
„ob auch das Geld richtig ausgezahlt wird.‛ —

‚Liebſter Papa! bedenken Sie doch — eine Koͤ-
„nigliche Lotterie ſollte nicht bezahlen!‛ —

Damit ſprang er auf, um Marianen ihr bei-
derſeitiges Gluͤck zu hinterbringen.

Als er weg war, ſaßen die beiden Alten ſtock-
ſtille. Der alte Saͤugling fuhr fort, ſich zu aͤr-
gern, daß er die Zahlen nicht fuͤr ſich gewaͤhlt
hatte, und maß, an der Entzuͤckung, die er in
Sebaldus Augen las, die Entzuͤckung ab, in der
er ſelbſt geweſen ſeyn wuͤrde, wenn er die Qua-
terne gewonnen haͤtte.

Sebal-
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[152[151]/0166] Sebaldus antwortete ſeufzend: ‚Jch habe noch „einen Sohn, von dem ich aber, ſeit er in den „Krieg gegangen iſt, koine Nachricht habe.‛ ‚Sie ſehen,‛ rief Saͤugling der Sohn, der ſeines Vaters Meinung errieth, ‚meine Mariane „iſt das einzige Kind. Wer weiß, bey welcher „Action der Sohn geblieben iſt. — Funfzehntau- „ſend Thaler! — Haͤtte ich doch nicht geglaubt, „daß mir Geld Vergnuͤgen machen koͤnnte! — „Jch bitte Sie, liebſter Vater, bedenken Sie, daß „Mariane uͤbrig reich fuͤr mich iſt!‛ — ‚Laß mich gehen, mein Sohn! — Wer weiß „ob auch das Geld richtig ausgezahlt wird.‛ — ‚Liebſter Papa! bedenken Sie doch — eine Koͤ- „nigliche Lotterie ſollte nicht bezahlen!‛ — Damit ſprang er auf, um Marianen ihr bei- derſeitiges Gluͤck zu hinterbringen. Als er weg war, ſaßen die beiden Alten ſtock- ſtille. Der alte Saͤugling fuhr fort, ſich zu aͤr- gern, daß er die Zahlen nicht fuͤr ſich gewaͤhlt hatte, und maß, an der Entzuͤckung, die er in Sebaldus Augen las, die Entzuͤckung ab, in der er ſelbſt geweſen ſeyn wuͤrde, wenn er die Qua- terne gewonnen haͤtte. Sebal-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 152[151]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/166>, abgerufen am 25.04.2024.