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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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abzuholen. Dieß war seine gewöhnliche Verrich-
tung, wenn sein Gönner sich so wohl that, daß
er nicht nach Hause kommen konnte. Weil die-
ser aber noch schnarchte, so trat er zum alten
Säugling ein.

Er entfärbte sich nicht wenig, als er den
Sebaldus wieder erblickte, den er seit der letzten
Zusammenkunft*), nicht gesehen hatte. Dennoch
wollte er diese Gelegenheit, seine Rache gegen den
jungen Säugling auszuführen, nicht vorbeylaßen.
Er nahm eine scheinheilige Mine an, und sagte:
,Sein Gewissen, da er ehemals der Hofmeister
"des jungen Herrn gewesen, verbinde ihn, dem
"alten Herrn eine unangenehme Nachricht zu ge-
"ben, nehmlich, daß der junge Herr Säug-
"ling,
sich an eine Landläuferinn gehänget habe,
"die, demselben zu gefallen, in einem nicht weit
"entlegenen Hause sich anfhalte.'

Der Alte sagte lächelnd: ,Jch weiß es wohl.
"Aber eine Landläuferinn ist sie nicht, sondern ein
"Mädchen das gute funfzehntausend Thaler hat.'

Rambold schlug eine laute Lache auf: ,Laßen
"Sie sich doch so etwas von Jhrem Sohne nicht

ein-
*) S. oben S. 100.



abzuholen. Dieß war ſeine gewoͤhnliche Verrich-
tung, wenn ſein Goͤnner ſich ſo wohl that, daß
er nicht nach Hauſe kommen konnte. Weil die-
ſer aber noch ſchnarchte, ſo trat er zum alten
Saͤugling ein.

Er entfaͤrbte ſich nicht wenig, als er den
Sebaldus wieder erblickte, den er ſeit der letzten
Zuſammenkunft*), nicht geſehen hatte. Dennoch
wollte er dieſe Gelegenheit, ſeine Rache gegen den
jungen Saͤugling auszufuͤhren, nicht vorbeylaßen.
Er nahm eine ſcheinheilige Mine an, und ſagte:
‚Sein Gewiſſen, da er ehemals der Hofmeiſter
„des jungen Herrn geweſen, verbinde ihn, dem
„alten Herrn eine unangenehme Nachricht zu ge-
„ben, nehmlich, daß der junge Herr Saͤug-
„ling,
ſich an eine Landlaͤuferinn gehaͤnget habe,
„die, demſelben zu gefallen, in einem nicht weit
„entlegenen Hauſe ſich anfhalte.‛

Der Alte ſagte laͤchelnd: ‚Jch weiß es wohl.
„Aber eine Landlaͤuferinn iſt ſie nicht, ſondern ein
„Maͤdchen das gute funfzehntauſend Thaler hat.‛

Rambold ſchlug eine laute Lache auf: ‚Laßen
„Sie ſich doch ſo etwas von Jhrem Sohne nicht

ein-
*) S. oben S. 100.
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[154[153]/0168] abzuholen. Dieß war ſeine gewoͤhnliche Verrich- tung, wenn ſein Goͤnner ſich ſo wohl that, daß er nicht nach Hauſe kommen konnte. Weil die- ſer aber noch ſchnarchte, ſo trat er zum alten Saͤugling ein. Er entfaͤrbte ſich nicht wenig, als er den Sebaldus wieder erblickte, den er ſeit der letzten Zuſammenkunft *), nicht geſehen hatte. Dennoch wollte er dieſe Gelegenheit, ſeine Rache gegen den jungen Saͤugling auszufuͤhren, nicht vorbeylaßen. Er nahm eine ſcheinheilige Mine an, und ſagte: ‚Sein Gewiſſen, da er ehemals der Hofmeiſter „des jungen Herrn geweſen, verbinde ihn, dem „alten Herrn eine unangenehme Nachricht zu ge- „ben, nehmlich, daß der junge Herr Saͤug- „ling, ſich an eine Landlaͤuferinn gehaͤnget habe, „die, demſelben zu gefallen, in einem nicht weit „entlegenen Hauſe ſich anfhalte.‛ Der Alte ſagte laͤchelnd: ‚Jch weiß es wohl. „Aber eine Landlaͤuferinn iſt ſie nicht, ſondern ein „Maͤdchen das gute funfzehntauſend Thaler hat.‛ Rambold ſchlug eine laute Lache auf: ‚Laßen „Sie ſich doch ſo etwas von Jhrem Sohne nicht ein- *) S. oben S. 100.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 154[153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/168>, abgerufen am 20.04.2024.