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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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"dus Füßen -- Jch fühle die größte Reue, daß
"ich Jhnen nicht geschrieben und mich Jhnen hier
"nicht eher zu erkennen gegeben habe -- Jch
"wollte aber mein Glück erst fest setzen, ehe ich
"meinen im Kriege angenommenen Namen*) ver-
"ließe -- Jch bin welt herumgeirrt -- Jch habe,
"nachdem Sie von Hause vertrieben worden, nie
"Nachricht von Jhnen gehabt -- Erst ganz kürz-
"lich habe ich erfahren, wer sie waren -- Da war
"ich gleich ausserordentlich unruhig -- Jch wollte --
"Jch wuste nicht recht, -- Hier stammelte er
noch einige kahle Entschuldigungen, an denen es
schlechten Leuten nie fehlet.

Alle erstaunten. Sebaldus faßte sich nach eini-
gen Augenblicken, und sagte: ,Mein Sohn! Du
"wußtest doch also, wer ich war? Edler wäre es
"gewesen, wenn du mich nicht verschmähet hättest,
"als ich noch in elenden Umständen war! Aber ich
"vergebe dir.' Er hob ihn auf, und umarmte
ihn.

Auch der junge Säugling umarmte ihn. Ma-
riane
that ein gleiches, aber nicht mit der Fülle
des Herzens, mit der sie sonst einen Bruder würde
umarmet haben.

Ram-
*) S. Erster Theil S. 33. 34.



dus Fuͤßen — Jch fuͤhle die groͤßte Reue, daß
„ich Jhnen nicht geſchrieben und mich Jhnen hier
„nicht eher zu erkennen gegeben habe — Jch
„wollte aber mein Gluͤck erſt feſt ſetzen, ehe ich
„meinen im Kriege angenommenen Namen*) ver-
„ließe — Jch bin welt herumgeirrt — Jch habe,
„nachdem Sie von Hauſe vertrieben worden, nie
„Nachricht von Jhnen gehabt — Erſt ganz kuͤrz-
„lich habe ich erfahren, wer ſie waren — Da war
„ich gleich auſſerordentlich unruhig — Jch wollte —
„Jch wuſte nicht recht, — Hier ſtammelte er
noch einige kahle Entſchuldigungen, an denen es
ſchlechten Leuten nie fehlet.

Alle erſtaunten. Sebaldus faßte ſich nach eini-
gen Augenblicken, und ſagte: ‚Mein Sohn! Du
„wußteſt doch alſo, wer ich war? Edler waͤre es
„geweſen, wenn du mich nicht verſchmaͤhet haͤtteſt,
„als ich noch in elenden Umſtaͤnden war! Aber ich
„vergebe dir.‛ Er hob ihn auf, und umarmte
ihn.

Auch der junge Saͤugling umarmte ihn. Ma-
riane
that ein gleiches, aber nicht mit der Fuͤlle
des Herzens, mit der ſie ſonſt einen Bruder wuͤrde
umarmet haben.

Ram-
*) S. Erſter Theil S. 33. 34.
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[157[156]/0171] „dus Fuͤßen — Jch fuͤhle die groͤßte Reue, daß „ich Jhnen nicht geſchrieben und mich Jhnen hier „nicht eher zu erkennen gegeben habe — Jch „wollte aber mein Gluͤck erſt feſt ſetzen, ehe ich „meinen im Kriege angenommenen Namen *) ver- „ließe — Jch bin welt herumgeirrt — Jch habe, „nachdem Sie von Hauſe vertrieben worden, nie „Nachricht von Jhnen gehabt — Erſt ganz kuͤrz- „lich habe ich erfahren, wer ſie waren — Da war „ich gleich auſſerordentlich unruhig — Jch wollte — „Jch wuſte nicht recht, — Hier ſtammelte er noch einige kahle Entſchuldigungen, an denen es ſchlechten Leuten nie fehlet. Alle erſtaunten. Sebaldus faßte ſich nach eini- gen Augenblicken, und ſagte: ‚Mein Sohn! Du „wußteſt doch alſo, wer ich war? Edler waͤre es „geweſen, wenn du mich nicht verſchmaͤhet haͤtteſt, „als ich noch in elenden Umſtaͤnden war! Aber ich „vergebe dir.‛ Er hob ihn auf, und umarmte ihn. Auch der junge Saͤugling umarmte ihn. Ma- riane that ein gleiches, aber nicht mit der Fuͤlle des Herzens, mit der ſie ſonſt einen Bruder wuͤrde umarmet haben. Ram- *) S. Erſter Theil S. 33. 34.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 157[156]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/171>, abgerufen am 25.04.2024.