Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Als die Reiter näher kamen, meinte der Blaurock,
für seinen Stüber, den er schon in der Hand hatte,
den dienstfertigen Thorwärter noch hohnnecken zu
dürfen.

,Alter Knasterbart! rief er, in einem Tone, der
"spaßhaft seyn sollte, was für einen zureichenden
"Grund hast du, das Heck aufzumachen?'

,Jch habe einen determinirenten Grund,' sagte
der Alte mit bescheidener Mine: ,Mangel und Krank-
"heit haben mich auf diesen Posten gestellt.'

,Determinirend? schrie der Blaurock mit einem
"lauten Gelächter, ich glaube wahrhaftig, in dem zer-
"rissenen Kittel, steckt ein verdorbner Crusianer. He!
"weistu nicht auch 'ne kleine Weißagung aus der
"Apokalypse?'

,Ja,' sagte Sebaldus, und sahe ihn ernsthaft an:
,Siehe ich komme bald*) und mein Lohn mit
"mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Wer-
"ke seyn werden.
'

,Ha! Ha! Ha! rief der Blaue, er meralisirt
"auch, warhaftig, Herr Säugling, (denn die bei-
"den Reiter waren niemand anders als Säugling
"und Rambold) siehe da, eine Scene für ihren em-
"pfindsamen Roman, der Kerl hat einen wahren Lo-
"renzokopf! Hat er nicht?'

Dieses
*) Offenb. Joh. XXII, 12.


Als die Reiter naͤher kamen, meinte der Blaurock,
fuͤr ſeinen Stuͤber, den er ſchon in der Hand hatte,
den dienſtfertigen Thorwaͤrter noch hohnnecken zu
duͤrfen.

‚Alter Knaſterbart! rief er, in einem Tone, der
„ſpaßhaft ſeyn ſollte, was fuͤr einen zureichenden
„Grund haſt du, das Heck aufzumachen?‛

‚Jch habe einen determinirenten Grund,‛ ſagte
der Alte mit beſcheidener Mine: ‚Mangel und Krank-
„heit haben mich auf dieſen Poſten geſtellt.‛

‚Determinirend? ſchrie der Blaurock mit einem
„lauten Gelaͤchter, ich glaube wahrhaftig, in dem zer-
„riſſenen Kittel, ſteckt ein verdorbner Cruſianer. He!
„weiſtu nicht auch ’ne kleine Weißagung aus der
„Apokalypſe?‛

‚Ja,‛ ſagte Sebaldus, und ſahe ihn ernſthaft an:
Siehe ich komme bald*) und mein Lohn mit
„mir, zu geben einem jeglichen, wie ſeine Wer-
„ke ſeyn werden.

‚Ha! Ha! Ha! rief der Blaue, er meraliſirt
„auch, warhaftig, Herr Saͤugling, (denn die bei-
„den Reiter waren niemand anders als Saͤugling
„und Rambold) ſiehe da, eine Scene fuͤr ihren em-
„pfindſamen Roman, der Kerl hat einen wahren Lo-
„renzokopf! Hat er nicht?‛

Dieſes
*) Offenb. Joh. XXII, 12.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0094" n="86[85]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Als die Reiter na&#x0364;her kamen, meinte der Blaurock,<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;einen Stu&#x0364;ber, den er &#x017F;chon in der Hand hatte,<lb/>
den dien&#x017F;tfertigen Thorwa&#x0364;rter noch hohnnecken zu<lb/>
du&#x0364;rfen.</p><lb/>
          <p>&#x201A;Alter Kna&#x017F;terbart! rief er, in einem Tone, der<lb/>
&#x201E;&#x017F;paßhaft &#x017F;eyn &#x017F;ollte, was fu&#x0364;r einen zureichenden<lb/>
&#x201E;Grund ha&#x017F;t du, das Heck aufzumachen?&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Jch habe einen determinirenten Grund,&#x201B; &#x017F;agte<lb/>
der Alte mit be&#x017F;cheidener Mine: &#x201A;Mangel und Krank-<lb/>
&#x201E;heit haben mich auf die&#x017F;en Po&#x017F;ten ge&#x017F;tellt.&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Determinirend? &#x017F;chrie der Blaurock mit einem<lb/>
&#x201E;lauten Gela&#x0364;chter, ich glaube wahrhaftig, in dem zer-<lb/>
&#x201E;ri&#x017F;&#x017F;enen Kittel, &#x017F;teckt ein verdorbner Cru&#x017F;ianer. He!<lb/>
&#x201E;wei&#x017F;tu nicht auch &#x2019;ne kleine Weißagung aus der<lb/>
&#x201E;Apokalyp&#x017F;e?&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Ja,&#x201B; &#x017F;agte <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> und &#x017F;ahe ihn ern&#x017F;thaft an:<lb/>
&#x201A;<hi rendition="#fr">Siehe ich komme bald</hi><note place="foot" n="*)">Offenb. Joh. <hi rendition="#aq">XXII,</hi> 12.</note> <hi rendition="#fr">und mein Lohn mit<lb/>
&#x201E;mir, zu geben einem jeglichen, wie &#x017F;eine Wer-<lb/>
&#x201E;ke &#x017F;eyn werden.</hi>&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Ha! Ha! Ha! rief der Blaue, er merali&#x017F;irt<lb/>
&#x201E;auch, warhaftig, Herr <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling,</hi> (denn die bei-<lb/>
&#x201E;den Reiter waren niemand anders als <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling</hi><lb/>
&#x201E;und <hi rendition="#fr">Rambold</hi>) &#x017F;iehe da, eine Scene fu&#x0364;r ihren em-<lb/>
&#x201E;pfind&#x017F;amen Roman, der Kerl hat einen wahren Lo-<lb/>
&#x201E;renzokopf! Hat er nicht?&#x201B;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86[85]/0094] Als die Reiter naͤher kamen, meinte der Blaurock, fuͤr ſeinen Stuͤber, den er ſchon in der Hand hatte, den dienſtfertigen Thorwaͤrter noch hohnnecken zu duͤrfen. ‚Alter Knaſterbart! rief er, in einem Tone, der „ſpaßhaft ſeyn ſollte, was fuͤr einen zureichenden „Grund haſt du, das Heck aufzumachen?‛ ‚Jch habe einen determinirenten Grund,‛ ſagte der Alte mit beſcheidener Mine: ‚Mangel und Krank- „heit haben mich auf dieſen Poſten geſtellt.‛ ‚Determinirend? ſchrie der Blaurock mit einem „lauten Gelaͤchter, ich glaube wahrhaftig, in dem zer- „riſſenen Kittel, ſteckt ein verdorbner Cruſianer. He! „weiſtu nicht auch ’ne kleine Weißagung aus der „Apokalypſe?‛ ‚Ja,‛ ſagte Sebaldus, und ſahe ihn ernſthaft an: ‚Siehe ich komme bald *) und mein Lohn mit „mir, zu geben einem jeglichen, wie ſeine Wer- „ke ſeyn werden.‛ ‚Ha! Ha! Ha! rief der Blaue, er meraliſirt „auch, warhaftig, Herr Saͤugling, (denn die bei- „den Reiter waren niemand anders als Saͤugling „und Rambold) ſiehe da, eine Scene fuͤr ihren em- „pfindſamen Roman, der Kerl hat einen wahren Lo- „renzokopf! Hat er nicht?‛ Dieſes *) Offenb. Joh. XXII, 12.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/94
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 86[85]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/94>, abgerufen am 19.04.2024.