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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Schrift der Veneter kennen wir aus Inschriften, sie ist
eine gekünstelte Etruskische.

Die drey Inseln.

Auf Corsica finden sich Iberer und Ligurer, jene als
die älteren Bewohner 36): auf Sicilien, vor den Sikelern,
Sikaner, welche von jenen in das westliche Drittheil der
Insel zurückgedrängt wurden. Einstimmig nennen alle
Geschichtschreiber auch diese ein iberisches Volk, nur
ihre Heimath war streitig. Sie selbst behaupteten ein
einheimisches Urvolk zu seyn 37), darin gab ihnen Ti-
mäus Recht, und schien, nach Diodors Meinung 38),
den Beweis unwiderleglich geführt zu haben: Thukydides
aber versichert, es sey ausgemacht daß sie von Ligyern
aus Iberien vertrieben wären: und ihm stimmte Phi-
listus bey. Die Bestimmtheit in Thukydides Urtheil,
"dies ist als Wahrheit erfunden", giebt, im Munde
eines solchen Mannes, den Sagen Westeuropas großes
Gewicht: ihm, der keinen Ausspruch übereilt, darf sie
nicht anders gedeutet werden.

Sardinien war von Barbaren bewohnt deren Ver-
wandtschaft gar nicht oder mährchenhaft angegeben wird.
Der Rahme Jolaer scheint bey ihnen selbst gebräuchlich
gewesen, und auf diesem die Fabel gebaut zu seyn: sie
wären verwilderte Nachkommen von Griechen welche Jo-
laus dorthin geführt habe. Die gebildete Nation welche

36) Seneca, ad Helviam, a. a. O.
37) Thukydides VI. c. 2.
38) Diodor V. c. 6.

Schrift der Veneter kennen wir aus Inſchriften, ſie iſt
eine gekuͤnſtelte Etruskiſche.

Die drey Inſeln.

Auf Corſica finden ſich Iberer und Ligurer, jene als
die aͤlteren Bewohner 36): auf Sicilien, vor den Sikelern,
Sikaner, welche von jenen in das weſtliche Drittheil der
Inſel zuruͤckgedraͤngt wurden. Einſtimmig nennen alle
Geſchichtſchreiber auch dieſe ein iberiſches Volk, nur
ihre Heimath war ſtreitig. Sie ſelbſt behaupteten ein
einheimiſches Urvolk zu ſeyn 37), darin gab ihnen Ti-
maͤus Recht, und ſchien, nach Diodors Meinung 38),
den Beweis unwiderleglich gefuͤhrt zu haben: Thukydides
aber verſichert, es ſey ausgemacht daß ſie von Ligyern
aus Iberien vertrieben waͤren: und ihm ſtimmte Phi-
liſtus bey. Die Beſtimmtheit in Thukydides Urtheil,
„dies iſt als Wahrheit erfunden”, giebt, im Munde
eines ſolchen Mannes, den Sagen Weſteuropas großes
Gewicht: ihm, der keinen Ausſpruch uͤbereilt, darf ſie
nicht anders gedeutet werden.

Sardinien war von Barbaren bewohnt deren Ver-
wandtſchaft gar nicht oder maͤhrchenhaft angegeben wird.
Der Rahme Jolaer ſcheint bey ihnen ſelbſt gebraͤuchlich
geweſen, und auf dieſem die Fabel gebaut zu ſeyn: ſie
waͤren verwilderte Nachkommen von Griechen welche Jo-
laus dorthin gefuͤhrt habe. Die gebildete Nation welche

36) Seneca, ad Helviam, a. a. O.
37) Thukydides VI. c. 2.
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[110/0132] Schrift der Veneter kennen wir aus Inſchriften, ſie iſt eine gekuͤnſtelte Etruskiſche. Die drey Inſeln. Auf Corſica finden ſich Iberer und Ligurer, jene als die aͤlteren Bewohner 36): auf Sicilien, vor den Sikelern, Sikaner, welche von jenen in das weſtliche Drittheil der Inſel zuruͤckgedraͤngt wurden. Einſtimmig nennen alle Geſchichtſchreiber auch dieſe ein iberiſches Volk, nur ihre Heimath war ſtreitig. Sie ſelbſt behaupteten ein einheimiſches Urvolk zu ſeyn 37), darin gab ihnen Ti- maͤus Recht, und ſchien, nach Diodors Meinung 38), den Beweis unwiderleglich gefuͤhrt zu haben: Thukydides aber verſichert, es ſey ausgemacht daß ſie von Ligyern aus Iberien vertrieben waͤren: und ihm ſtimmte Phi- liſtus bey. Die Beſtimmtheit in Thukydides Urtheil, „dies iſt als Wahrheit erfunden”, giebt, im Munde eines ſolchen Mannes, den Sagen Weſteuropas großes Gewicht: ihm, der keinen Ausſpruch uͤbereilt, darf ſie nicht anders gedeutet werden. Sardinien war von Barbaren bewohnt deren Ver- wandtſchaft gar nicht oder maͤhrchenhaft angegeben wird. Der Rahme Jolaer ſcheint bey ihnen ſelbſt gebraͤuchlich geweſen, und auf dieſem die Fabel gebaut zu ſeyn: ſie waͤren verwilderte Nachkommen von Griechen welche Jo- laus dorthin gefuͤhrt habe. Die gebildete Nation welche 36) Seneca, ad Helviam, a. a. O. 37) Thukydides VI. c. 2. 38) Diodor V. c. 6.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/132>, abgerufen am 25.04.2024.