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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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neue Völker, ganz unabhängig vom Mutterlande, und
wurden ihm nicht nur fremd sondern oft feindselig. Da-
her gab ihnen die Volkszahl keine gleiche Macht gegen
Rom, und ihre Siege nie die Mittel errungene Vortheile
zu behaupten, noch sich neue zu sichern, welche Rom in
dem System der Colonisation und des Bürgerrechts besaß:
daher ward eine Stadt so großer Völker Herr. Keine
Nation war sich in ihren verschiedenen Stämmen unähn-
lich wie dieses große Volk: die Sabiner sparsam, hart,
sittig: die Campaner üppig, weichlich, schamlos: die
Samniter und Peligner kriegslustig, der Freyheit bis
in den Tod treu: die Picenter feig und kraftlos: die
Sabiner fromm und gerecht: die Lucaner wild, zerstörend
und räuberisch.

Die Tyrrhener, Tusker oder Etrusker.

Tyrrhenien war, wie Dionysius sagt 21), ein Nahme
mit dem vor Alters die Griechen das ganze westliche Ita-
lien bezeichneten, und Latiner, Ombriker und Ausoner,
Tyrrhener nannten. Dies mag für die Zeiten der etruski-
schen Größe wahr seyn, als die Griechen sie, Campaniens
Herrscher, bewunderten 22); aber die Dichter dieser Zei-
ten sind uns verlohren, und so viel folgt nicht aus der
Stelle die unter allen erhaltenen am meisten sagt: Latinus
habe über alle Tyrrhener geherrscht 23). Indessen war

in
21) I. c. 25. 29.
22) Polybius II. c. 17.
23) Hesiodus Theogon. v. 1011 -- 15. Was sind hier die
heiligen Inseln?

neue Voͤlker, ganz unabhaͤngig vom Mutterlande, und
wurden ihm nicht nur fremd ſondern oft feindſelig. Da-
her gab ihnen die Volkszahl keine gleiche Macht gegen
Rom, und ihre Siege nie die Mittel errungene Vortheile
zu behaupten, noch ſich neue zu ſichern, welche Rom in
dem Syſtem der Coloniſation und des Buͤrgerrechts beſaß:
daher ward eine Stadt ſo großer Voͤlker Herr. Keine
Nation war ſich in ihren verſchiedenen Staͤmmen unaͤhn-
lich wie dieſes große Volk: die Sabiner ſparſam, hart,
ſittig: die Campaner uͤppig, weichlich, ſchamlos: die
Samniter und Peligner kriegsluſtig, der Freyheit bis
in den Tod treu: die Picenter feig und kraftlos: die
Sabiner fromm und gerecht: die Lucaner wild, zerſtoͤrend
und raͤuberiſch.

Die Tyrrhener, Tusker oder Etrusker.

Tyrrhenien war, wie Dionyſius ſagt 21), ein Nahme
mit dem vor Alters die Griechen das ganze weſtliche Ita-
lien bezeichneten, und Latiner, Ombriker und Auſoner,
Tyrrhener nannten. Dies mag fuͤr die Zeiten der etruski-
ſchen Groͤße wahr ſeyn, als die Griechen ſie, Campaniens
Herrſcher, bewunderten 22); aber die Dichter dieſer Zei-
ten ſind uns verlohren, und ſo viel folgt nicht aus der
Stelle die unter allen erhaltenen am meiſten ſagt: Latinus
habe uͤber alle Tyrrhener geherrſcht 23). Indeſſen war

in
21) I. c. 25. 29.
22) Polybius II. c. 17.
23) Heſiodus Theogon. v. 1011 — 15. Was ſind hier die
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[64/0086] neue Voͤlker, ganz unabhaͤngig vom Mutterlande, und wurden ihm nicht nur fremd ſondern oft feindſelig. Da- her gab ihnen die Volkszahl keine gleiche Macht gegen Rom, und ihre Siege nie die Mittel errungene Vortheile zu behaupten, noch ſich neue zu ſichern, welche Rom in dem Syſtem der Coloniſation und des Buͤrgerrechts beſaß: daher ward eine Stadt ſo großer Voͤlker Herr. Keine Nation war ſich in ihren verſchiedenen Staͤmmen unaͤhn- lich wie dieſes große Volk: die Sabiner ſparſam, hart, ſittig: die Campaner uͤppig, weichlich, ſchamlos: die Samniter und Peligner kriegsluſtig, der Freyheit bis in den Tod treu: die Picenter feig und kraftlos: die Sabiner fromm und gerecht: die Lucaner wild, zerſtoͤrend und raͤuberiſch. Die Tyrrhener, Tusker oder Etrusker. Tyrrhenien war, wie Dionyſius ſagt 21), ein Nahme mit dem vor Alters die Griechen das ganze weſtliche Ita- lien bezeichneten, und Latiner, Ombriker und Auſoner, Tyrrhener nannten. Dies mag fuͤr die Zeiten der etruski- ſchen Groͤße wahr ſeyn, als die Griechen ſie, Campaniens Herrſcher, bewunderten 22); aber die Dichter dieſer Zei- ten ſind uns verlohren, und ſo viel folgt nicht aus der Stelle die unter allen erhaltenen am meiſten ſagt: Latinus habe uͤber alle Tyrrhener geherrſcht 23). Indeſſen war in 21) I. c. 25. 29. 22) Polybius II. c. 17. 23) Heſiodus Theogon. v. 1011 — 15. Was ſind hier die heiligen Inſeln?

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/86>, abgerufen am 29.03.2024.