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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Hülfe. Die Volsker wurden zur nämlichen Zeit von einer
Pest heimgesucht, die, des Hungers stete Gefährtin, die
Vermuthung erregt daß der Mangel die benachbarten Län-
der nicht weniger als Rom drückte, und die Folge ver-
derblicher Witterung, mehr als der versäumten Feldbe-
stellung war. Als endlich die Erndte des folgenden Jah-
res eingebracht, und die Sicilischen Kornschiffe angekom-
men waren, stand es in der Willkühr des Senats durch
wohlfeilen Verkauf ihrer Ladungen der Noth und dem
Kornwucher ein Ende zu machen. Unrecht war es un-
streitig wenn der Staat Gewinn auf einer Waare
suchte die für den Ertrag einer wenigstens im allergröß-
ten Verhältniß vom Volk aufgebrachten Steuer einge-
kauft war: noch unbilliger wenn der dem Armen abge-
preßte hohe Preis dazu diente ihn allgemein zu erhal-
ten. Ein mehreres mochte die Majorität der Patricier
nicht bezwecken: ein Senator, C. Marcius Coriolanus
empfahl die Umstände zur Unterjochung des Volks zu
benutzen, und ihm wohlfeiles Brod als den Preis für

den griechischen Herrschern und Republiken gar nicht fremd:
ihre Geschichte ist reich an Beyspielen edelmüthiger Hülfe,
welche ohne alle Politik und allen Eigennutz dieselben Staa-
ten gewährten die in andern Fällen der Herrschsucht ge-
horchten. Nur müßte man hier doch annehmen daß die
Römer mit den Sicilischen Griechen durch Handelsverträge
verbunden waren, damit sie ihre Märkte besuchen konnten:
sie waren es mit dem punischen Theil der Insel, welcher
ihnen entgegenlag, und so ist es freylich wohl wahrschein-
licher daß diese Hülfe, als Geschenk oder erhandelt, dorther
kam als aus den entfernteren und vielleicht unfreundliche-
ren griechischen Staaten.

Huͤlfe. Die Volsker wurden zur naͤmlichen Zeit von einer
Peſt heimgeſucht, die, des Hungers ſtete Gefaͤhrtin, die
Vermuthung erregt daß der Mangel die benachbarten Laͤn-
der nicht weniger als Rom druͤckte, und die Folge ver-
derblicher Witterung, mehr als der verſaͤumten Feldbe-
ſtellung war. Als endlich die Erndte des folgenden Jah-
res eingebracht, und die Siciliſchen Kornſchiffe angekom-
men waren, ſtand es in der Willkuͤhr des Senats durch
wohlfeilen Verkauf ihrer Ladungen der Noth und dem
Kornwucher ein Ende zu machen. Unrecht war es un-
ſtreitig wenn der Staat Gewinn auf einer Waare
ſuchte die fuͤr den Ertrag einer wenigſtens im allergroͤß-
ten Verhaͤltniß vom Volk aufgebrachten Steuer einge-
kauft war: noch unbilliger wenn der dem Armen abge-
preßte hohe Preis dazu diente ihn allgemein zu erhal-
ten. Ein mehreres mochte die Majoritaͤt der Patricier
nicht bezwecken: ein Senator, C. Marcius Coriolanus
empfahl die Umſtaͤnde zur Unterjochung des Volks zu
benutzen, und ihm wohlfeiles Brod als den Preis fuͤr

den griechiſchen Herrſchern und Republiken gar nicht fremd:
ihre Geſchichte iſt reich an Beyſpielen edelmuͤthiger Huͤlfe,
welche ohne alle Politik und allen Eigennutz dieſelben Staa-
ten gewaͤhrten die in andern Faͤllen der Herrſchſucht ge-
horchten. Nur muͤßte man hier doch annehmen daß die
Roͤmer mit den Siciliſchen Griechen durch Handelsvertraͤge
verbunden waren, damit ſie ihre Maͤrkte beſuchen konnten:
ſie waren es mit dem puniſchen Theil der Inſel, welcher
ihnen entgegenlag, und ſo iſt es freylich wohl wahrſchein-
licher daß dieſe Huͤlfe, als Geſchenk oder erhandelt, dorther
kam als aus den entfernteren und vielleicht unfreundliche-
ren griechiſchen Staaten.
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[428/0450] Huͤlfe. Die Volsker wurden zur naͤmlichen Zeit von einer Peſt heimgeſucht, die, des Hungers ſtete Gefaͤhrtin, die Vermuthung erregt daß der Mangel die benachbarten Laͤn- der nicht weniger als Rom druͤckte, und die Folge ver- derblicher Witterung, mehr als der verſaͤumten Feldbe- ſtellung war. Als endlich die Erndte des folgenden Jah- res eingebracht, und die Siciliſchen Kornſchiffe angekom- men waren, ſtand es in der Willkuͤhr des Senats durch wohlfeilen Verkauf ihrer Ladungen der Noth und dem Kornwucher ein Ende zu machen. Unrecht war es un- ſtreitig wenn der Staat Gewinn auf einer Waare ſuchte die fuͤr den Ertrag einer wenigſtens im allergroͤß- ten Verhaͤltniß vom Volk aufgebrachten Steuer einge- kauft war: noch unbilliger wenn der dem Armen abge- preßte hohe Preis dazu diente ihn allgemein zu erhal- ten. Ein mehreres mochte die Majoritaͤt der Patricier nicht bezwecken: ein Senator, C. Marcius Coriolanus empfahl die Umſtaͤnde zur Unterjochung des Volks zu benutzen, und ihm wohlfeiles Brod als den Preis fuͤr 84) 84) den griechiſchen Herrſchern und Republiken gar nicht fremd: ihre Geſchichte iſt reich an Beyſpielen edelmuͤthiger Huͤlfe, welche ohne alle Politik und allen Eigennutz dieſelben Staa- ten gewaͤhrten die in andern Faͤllen der Herrſchſucht ge- horchten. Nur muͤßte man hier doch annehmen daß die Roͤmer mit den Siciliſchen Griechen durch Handelsvertraͤge verbunden waren, damit ſie ihre Maͤrkte beſuchen konnten: ſie waren es mit dem puniſchen Theil der Inſel, welcher ihnen entgegenlag, und ſo iſt es freylich wohl wahrſchein- licher daß dieſe Huͤlfe, als Geſchenk oder erhandelt, dorther kam als aus den entfernteren und vielleicht unfreundliche- ren griechiſchen Staaten.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/450>, abgerufen am 29.03.2024.