Auswanderung der Plebs, und die licinischen Rogatio- nen zusammengemischt.
Herstellung und Begründung der Volksfreyheit.
Es gab zu dieser Zeit keine Obrigkeit in der Repu- blik, und die höchste Gewalt war der Gemeinde der Ple- bejer als Siegern übergeben, damit sie die Verfassung bestimme.
Bei patricischen Magistraten ersetzte ein Interrex die Unterbrechung der regelmäßigen Ordnung, daß der Vor- gänger den Vorsitz bey des Nachfolgers Wahl haben mußte, oder derjenigen welche Collegen seiner Würde waren. Ein ähnliches Mittel die Folgereihe ununterbro- chen zu erhalten fehlte den Plebejern, und niemand konnte rechtmäßig den Vorsitz bey der Wahl einnehmen welche das unterbrochene Volkstribunat herstellen sollte. Daher ist es nicht auffallend daß dieser Mangel durch das Ober- haupt der Religion ersetzt ward. Dies scheint aber nicht der einzige Grund gewesen zu seyn: war es doch nicht bey der Einsetzung des Tribunats geschehen. Nirgends wird ge- sagt wer den Vorsitz bey den Comitien der Curien führte; eine Andeutung rechtfertigt die Vermuthung daß es der Oberpontifex war 46): und wie dieser aus dem gesamm- ten Collegium in späteren Zeiten, lange vor dem domiti- schen Gesetz, vom Volk ernannt ward, so führt die Ana-
logie
46) Gellius V. c. 19. Comitia arbitris Pontificibus praeben- tur quae curiata appellantur.
Auswanderung der Plebs, und die liciniſchen Rogatio- nen zuſammengemiſcht.
Herſtellung und Begruͤndung der Volksfreyheit.
Es gab zu dieſer Zeit keine Obrigkeit in der Repu- blik, und die hoͤchſte Gewalt war der Gemeinde der Ple- bejer als Siegern uͤbergeben, damit ſie die Verfaſſung beſtimme.
Bei patriciſchen Magiſtraten erſetzte ein Interrex die Unterbrechung der regelmaͤßigen Ordnung, daß der Vor- gaͤnger den Vorſitz bey des Nachfolgers Wahl haben mußte, oder derjenigen welche Collegen ſeiner Wuͤrde waren. Ein aͤhnliches Mittel die Folgereihe ununterbro- chen zu erhalten fehlte den Plebejern, und niemand konnte rechtmaͤßig den Vorſitz bey der Wahl einnehmen welche das unterbrochene Volkstribunat herſtellen ſollte. Daher iſt es nicht auffallend daß dieſer Mangel durch das Ober- haupt der Religion erſetzt ward. Dies ſcheint aber nicht der einzige Grund geweſen zu ſeyn: war es doch nicht bey der Einſetzung des Tribunats geſchehen. Nirgends wird ge- ſagt wer den Vorſitz bey den Comitien der Curien fuͤhrte; eine Andeutung rechtfertigt die Vermuthung daß es der Oberpontifex war 46): und wie dieſer aus dem geſamm- ten Collegium in ſpaͤteren Zeiten, lange vor dem domiti- ſchen Geſetz, vom Volk ernannt ward, ſo fuͤhrt die Ana-
logie
46) Gellius V. c. 19. Comitia arbitris Pontificibus præben- tur quæ curiata appellantur.
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Auswanderung der Plebs, und die liciniſchen Rogatio-
nen zuſammengemiſcht.
Herſtellung und Begruͤndung der
Volksfreyheit.
Es gab zu dieſer Zeit keine Obrigkeit in der Repu-
blik, und die hoͤchſte Gewalt war der Gemeinde der Ple-
bejer als Siegern uͤbergeben, damit ſie die Verfaſſung
beſtimme.
Bei patriciſchen Magiſtraten erſetzte ein Interrex die
Unterbrechung der regelmaͤßigen Ordnung, daß der Vor-
gaͤnger den Vorſitz bey des Nachfolgers Wahl haben
mußte, oder derjenigen welche Collegen ſeiner Wuͤrde
waren. Ein aͤhnliches Mittel die Folgereihe ununterbro-
chen zu erhalten fehlte den Plebejern, und niemand konnte
rechtmaͤßig den Vorſitz bey der Wahl einnehmen welche
das unterbrochene Volkstribunat herſtellen ſollte. Daher
iſt es nicht auffallend daß dieſer Mangel durch das Ober-
haupt der Religion erſetzt ward. Dies ſcheint aber nicht der
einzige Grund geweſen zu ſeyn: war es doch nicht bey der
Einſetzung des Tribunats geſchehen. Nirgends wird ge-
ſagt wer den Vorſitz bey den Comitien der Curien fuͤhrte;
eine Andeutung rechtfertigt die Vermuthung daß es der
Oberpontifex war 46): und wie dieſer aus dem geſamm-
ten Collegium in ſpaͤteren Zeiten, lange vor dem domiti-
ſchen Geſetz, vom Volk ernannt ward, ſo fuͤhrt die Ana-
logie
46) Gellius V. c. 19. Comitia arbitris Pontificibus præben-
tur quæ curiata appellantur.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/160>, abgerufen am 29.03.2024.
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