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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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folgende Hauptstücke als darin enthalten aufgeführt
werden können, weil es unstreitig das Grundgesetz des
späteren agrarischen Rechts war.

1. Das Gemeinland des römischen Volks soll in
seinen Gränzen bestimmt werden. Grundstücke welche
Privatpersonen davon usurpirt haben, sollen der Repu-
blik vindicirt: die deren Eigenthum streitig ist, verkauft
werden, damit das Recht unter Privatpersonen ent-
scheide 43).

2. Jeder Besitz der nicht größer ist als dieses Ge-
setz gestattet, nicht gewaltthätig, nicht verstohlen, nicht
geliehen, soll gegen jeden Dritten geschützt seyn.

3. Jeder römische Bürger soll berechtigt seyn neu
erworbenes Gemeinland, wenn es nicht im Besitz der
alten Eigenthümer gelassen, noch dem Volk eigenthüm-
lich vertheilt, oder eine Colonie darauf gegründet wird,

43) Gewiß hat Dionysius jenes Senatusconsult welches dem
Volk das cassische Gesetz vergütet haben soll (VIII. c. 76.)
nicht ersonnen: aber wie mehr als unwahrscheinlich ist die
Authenticität dieser genauen Urkunde eines nie ausgeführ-
ten Beschlusses, bey der Heimlichkeit der Senatsarchive vor
dem Jahr 305? Die Nichtigkeit der Reden wird jeder ein-
räumen. Mir scheint es daß die Annalisten auch hier eine
dürftige Notiz aus dem Stoff eines späteren Zeitalters aus-
bildeten: also wahrscheinlich aus dem ihnen noch wohlbe-
kannten licinischen Gesetz, welches sich folglich in diesem
Hauptstück aus Dionysius herstellen lasse. Usurpation war
anlockend auch als die Domaine keine Abgabe zahlte, weil
Privateigenthum, als unter allen Umständen sicher, doch
einen höheren Kaufwerth gehabt haben muß.

folgende Hauptſtuͤcke als darin enthalten aufgefuͤhrt
werden koͤnnen, weil es unſtreitig das Grundgeſetz des
ſpaͤteren agrariſchen Rechts war.

1. Das Gemeinland des roͤmiſchen Volks ſoll in
ſeinen Graͤnzen beſtimmt werden. Grundſtuͤcke welche
Privatperſonen davon uſurpirt haben, ſollen der Repu-
blik vindicirt: die deren Eigenthum ſtreitig iſt, verkauft
werden, damit das Recht unter Privatperſonen ent-
ſcheide 43).

2. Jeder Beſitz der nicht groͤßer iſt als dieſes Ge-
ſetz geſtattet, nicht gewaltthaͤtig, nicht verſtohlen, nicht
geliehen, ſoll gegen jeden Dritten geſchuͤtzt ſeyn.

3. Jeder roͤmiſche Buͤrger ſoll berechtigt ſeyn neu
erworbenes Gemeinland, wenn es nicht im Beſitz der
alten Eigenthuͤmer gelaſſen, noch dem Volk eigenthuͤm-
lich vertheilt, oder eine Colonie darauf gegruͤndet wird,

43) Gewiß hat Dionyſius jenes Senatusconſult welches dem
Volk das caſſiſche Geſetz verguͤtet haben ſoll (VIII. c. 76.)
nicht erſonnen: aber wie mehr als unwahrſcheinlich iſt die
Authenticitaͤt dieſer genauen Urkunde eines nie ausgefuͤhr-
ten Beſchluſſes, bey der Heimlichkeit der Senatsarchive vor
dem Jahr 305? Die Nichtigkeit der Reden wird jeder ein-
raͤumen. Mir ſcheint es daß die Annaliſten auch hier eine
duͤrftige Notiz aus dem Stoff eines ſpaͤteren Zeitalters aus-
bildeten: alſo wahrſcheinlich aus dem ihnen noch wohlbe-
kannten liciniſchen Geſetz, welches ſich folglich in dieſem
Hauptſtuͤck aus Dionyſius herſtellen laſſe. Uſurpation war
anlockend auch als die Domaine keine Abgabe zahlte, weil
Privateigenthum, als unter allen Umſtaͤnden ſicher, doch
einen hoͤheren Kaufwerth gehabt haben muß.
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[395/0411] folgende Hauptſtuͤcke als darin enthalten aufgefuͤhrt werden koͤnnen, weil es unſtreitig das Grundgeſetz des ſpaͤteren agrariſchen Rechts war. 1. Das Gemeinland des roͤmiſchen Volks ſoll in ſeinen Graͤnzen beſtimmt werden. Grundſtuͤcke welche Privatperſonen davon uſurpirt haben, ſollen der Repu- blik vindicirt: die deren Eigenthum ſtreitig iſt, verkauft werden, damit das Recht unter Privatperſonen ent- ſcheide 43). 2. Jeder Beſitz der nicht groͤßer iſt als dieſes Ge- ſetz geſtattet, nicht gewaltthaͤtig, nicht verſtohlen, nicht geliehen, ſoll gegen jeden Dritten geſchuͤtzt ſeyn. 3. Jeder roͤmiſche Buͤrger ſoll berechtigt ſeyn neu erworbenes Gemeinland, wenn es nicht im Beſitz der alten Eigenthuͤmer gelaſſen, noch dem Volk eigenthuͤm- lich vertheilt, oder eine Colonie darauf gegruͤndet wird, 43) Gewiß hat Dionyſius jenes Senatusconſult welches dem Volk das caſſiſche Geſetz verguͤtet haben ſoll (VIII. c. 76.) nicht erſonnen: aber wie mehr als unwahrſcheinlich iſt die Authenticitaͤt dieſer genauen Urkunde eines nie ausgefuͤhr- ten Beſchluſſes, bey der Heimlichkeit der Senatsarchive vor dem Jahr 305? Die Nichtigkeit der Reden wird jeder ein- raͤumen. Mir ſcheint es daß die Annaliſten auch hier eine duͤrftige Notiz aus dem Stoff eines ſpaͤteren Zeitalters aus- bildeten: alſo wahrſcheinlich aus dem ihnen noch wohlbe- kannten liciniſchen Geſetz, welches ſich folglich in dieſem Hauptſtuͤck aus Dionyſius herſtellen laſſe. Uſurpation war anlockend auch als die Domaine keine Abgabe zahlte, weil Privateigenthum, als unter allen Umſtaͤnden ſicher, doch einen hoͤheren Kaufwerth gehabt haben muß.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/411>, abgerufen am 29.03.2024.