Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflichsten unter
uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und
ihre Geisteswerke genährt und der gegründete National-
stolz gepflegt würde, dessen Mangel sich in der über-
triebenen Demuth, womit wir fremde Werke über-
schätzen, noch immer zu unserm Nachtheil offenbart.



b.
Die Unterrichtsmethode betreffend.
1.

Der Grundsatz des Philanthropinismus, "das
Lernen dem Lehrling auf jede mögliche Weise
zu erleichtern und zu versüßen
, hat vorzüglich
folgende zwei scheinbare Gründe für sich anzuführen':
1) frühe allzugroße Anstrengung sey für die Gesundheit
nachtheilig; 2) nach einer bekannten psychologischen
Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas
Abschreckendes, und im Gegentheil mache Lust und
Lieb zu einem Ding alle Müh und Arbeit
gering
.

Allein, ohne noch an den schimpflichen Mißbrauch
zu erinnern, der die Maxime des Versüßens der
Arbeit für die Kinder bis zu der Albernheit, das Al-
phabet in Zucker
zu backen, ausgedehnt hat, ist
diese methodische Maßregel, als in sich verwerflich,
selbst bei mäßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-

Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflichſten unter
uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und
ihre Geiſteswerke genaͤhrt und der gegruͤndete National-
ſtolz gepflegt wuͤrde, deſſen Mangel ſich in der uͤber-
triebenen Demuth, womit wir fremde Werke uͤber-
ſchaͤtzen, noch immer zu unſerm Nachtheil offenbart.



b.
Die Unterrichtsmethode betreffend.
1.

Der Grundſatz des Philanthropiniſmus, „das
Lernen dem Lehrling auf jede moͤgliche Weiſe
zu erleichtern und zu verſuͤßen
, hat vorzuͤglich
folgende zwei ſcheinbare Gruͤnde fuͤr ſich anzufuͤhren’:
1) fruͤhe allzugroße Anſtrengung ſey fuͤr die Geſundheit
nachtheilig; 2) nach einer bekannten pſychologiſchen
Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas
Abſchreckendes, und im Gegentheil mache Luſt und
Lieb zu einem Ding alle Muͤh und Arbeit
gering
.

Allein, ohne noch an den ſchimpflichen Mißbrauch
zu erinnern, der die Maxime des Verſuͤßens der
Arbeit fuͤr die Kinder bis zu der Albernheit, das Al-
phabet in Zucker
zu backen, ausgedehnt hat, iſt
dieſe methodiſche Maßregel, als in ſich verwerflich,
ſelbſt bei maͤßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0251" n="239"/><fw place="top" type="header">Von d. Grund&#x017F;. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/>
zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflich&#x017F;ten unter<lb/>
uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und<lb/>
ihre Gei&#x017F;teswerke gena&#x0364;hrt und der gegru&#x0364;ndete National-<lb/>
&#x017F;tolz gepflegt wu&#x0364;rde, de&#x017F;&#x017F;en Mangel &#x017F;ich in der u&#x0364;ber-<lb/>
triebenen Demuth, womit wir fremde Werke u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzen, noch immer zu un&#x017F;erm Nachtheil offenbart.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#i">b.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die Unterrichtsmethode betreffend</hi>.</head><lb/>
                <div n="6">
                  <head>1.</head><lb/>
                  <p>Der Grund&#x017F;atz des Philanthropini&#x017F;mus, &#x201E;<hi rendition="#g">das<lb/>
Lernen dem Lehrling auf jede mo&#x0364;gliche Wei&#x017F;e<lb/>
zu erleichtern und zu ver&#x017F;u&#x0364;ßen</hi>, hat vorzu&#x0364;glich<lb/>
folgende zwei &#x017F;cheinbare Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r &#x017F;ich anzufu&#x0364;hren&#x2019;:<lb/>
1) fru&#x0364;he allzugroße An&#x017F;trengung &#x017F;ey fu&#x0364;r die Ge&#x017F;undheit<lb/>
nachtheilig; 2) nach einer bekannten p&#x017F;ychologi&#x017F;chen<lb/>
Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas<lb/>
Ab&#x017F;chreckendes, und im Gegentheil mache <hi rendition="#g">Lu&#x017F;t und<lb/>
Lieb zu einem Ding alle Mu&#x0364;h und Arbeit<lb/>
gering</hi>.</p><lb/>
                  <p>Allein, ohne noch an den &#x017F;chimpflichen Mißbrauch<lb/>
zu erinnern, der die Maxime des <hi rendition="#g">Ver&#x017F;u&#x0364;ßens</hi> der<lb/>
Arbeit fu&#x0364;r die Kinder bis zu der Albernheit, das <hi rendition="#g">Al-<lb/>
phabet in Zucker</hi> zu backen, ausgedehnt hat, i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e methodi&#x017F;che Maßregel, als in &#x017F;ich verwerflich,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bei ma&#x0364;ßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0251] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. zugleich aber mehr Verehrung des Vortrefflichſten unter uns erweckt, Vertrauen auf die Kraft der Nation und ihre Geiſteswerke genaͤhrt und der gegruͤndete National- ſtolz gepflegt wuͤrde, deſſen Mangel ſich in der uͤber- triebenen Demuth, womit wir fremde Werke uͤber- ſchaͤtzen, noch immer zu unſerm Nachtheil offenbart. b. Die Unterrichtsmethode betreffend. 1. Der Grundſatz des Philanthropiniſmus, „das Lernen dem Lehrling auf jede moͤgliche Weiſe zu erleichtern und zu verſuͤßen, hat vorzuͤglich folgende zwei ſcheinbare Gruͤnde fuͤr ſich anzufuͤhren’: 1) fruͤhe allzugroße Anſtrengung ſey fuͤr die Geſundheit nachtheilig; 2) nach einer bekannten pſychologiſchen Beobachtung habe die Schwierigkeit der Arbeit etwas Abſchreckendes, und im Gegentheil mache Luſt und Lieb zu einem Ding alle Muͤh und Arbeit gering. Allein, ohne noch an den ſchimpflichen Mißbrauch zu erinnern, der die Maxime des Verſuͤßens der Arbeit fuͤr die Kinder bis zu der Albernheit, das Al- phabet in Zucker zu backen, ausgedehnt hat, iſt dieſe methodiſche Maßregel, als in ſich verwerflich, ſelbſt bei maͤßigerem Gebrauche doch nicht zu vertheidi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/251
Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/251>, abgerufen am 19.04.2024.