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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Von tausend und Einem Ziele.

Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so
entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine
grössere Macht fand Zarathustra auf Erden, als gut
und böse.

Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte;
will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen,
wie der Nachbar schätzt.

Vieles, das diesem Volke gut hiess, hiess einem
andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles
fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen
Ehren geputzt.

Nie verstand ein Nachbar den andern: stets ver¬
wunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn
und Bosheit.

Eine Tafel der Güter hängt über jedem Volke.
Siehe, es ist seiner Überwindungen Tafel; siehe, es
ist die Stimme seines Willens zur Macht.

Löblich ist, was ihm schwer gilt; was unerlässlich
und schwer, heisst gut, und was aus der höchsten
Noth noch befreit, das Seltene, Schwerste, -- das preist
es heilig.

Von tausend und Einem Ziele.

Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so
entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine
grössere Macht fand Zarathustra auf Erden, als gut
und böse.

Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte;
will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen,
wie der Nachbar schätzt.

Vieles, das diesem Volke gut hiess, hiess einem
andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles
fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen
Ehren geputzt.

Nie verstand ein Nachbar den andern: stets ver¬
wunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn
und Bosheit.

Eine Tafel der Güter hängt über jedem Volke.
Siehe, es ist seiner Überwindungen Tafel; siehe, es
ist die Stimme seines Willens zur Macht.

Löblich ist, was ihm schwer gilt; was unerlässlich
und schwer, heisst gut, und was aus der höchsten
Noth noch befreit, das Seltene, Schwerste, — das preist
es heilig.

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[80/0086] Von tausend und Einem Ziele. Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: so entdeckte er vieler Völker Gutes und Böses. Keine grössere Macht fand Zarathustra auf Erden, als gut und böse. Leben könnte kein Volk, das nicht erst schätzte; will es sich aber erhalten, so darf es nicht schätzen, wie der Nachbar schätzt. Vieles, das diesem Volke gut hiess, hiess einem andern Hohn und Schmach: also fand ich's. Vieles fand ich hier böse genannt und dort mit purpurnen Ehren geputzt. Nie verstand ein Nachbar den andern: stets ver¬ wunderte sich seine Seele ob des Nachbarn Wahn und Bosheit. Eine Tafel der Güter hängt über jedem Volke. Siehe, es ist seiner Überwindungen Tafel; siehe, es ist die Stimme seines Willens zur Macht. Löblich ist, was ihm schwer gilt; was unerlässlich und schwer, heisst gut, und was aus der höchsten Noth noch befreit, das Seltene, Schwerste, — das preist es heilig.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/86>, abgerufen am 28.03.2024.