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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Von den Tugendhaften.


Mit Donnern und himmlischen Feuerwerken muss
man zu schlaffen und schlafenden Sinnen reden.

Aber der Schönheit Stimme redet leise: sie schleicht
sich nur in die aufgewecktesten Seelen.

Leise erbebte und lachte mir heut mein Schild;
das ist der Schönheit heiliges Lachen und Beben.

Über euch, ihr Tugendhaften, lachte heut meine
Schönheit. Und also kam ihre Stimme zu mir: "sie
wollen noch -- bezahlt sein!"

Ihr wollt noch bezahlt sein, ihr Tugendhaften!
Wollt Lohn für Tugend und Himmel für Erden und
Ewiges für euer Heute haben?

Und nun zürnt ihr mir, dass ich lehre, es giebt
keinen Lohn- und Zahlmeister? Und wahrlich, ich
lehre nicht einmal, dass Tugend ihr eigener Lohn ist.

Ach, das ist meine Trauer: in den Grund der
Dinge hat man Lohn und Strafe hineingelogen --
und nun auch noch in den Grund eurer Seelen, ihr
Tugendhaften!

Aber dem Rüssel des Ebers gleich soll mein Wort
den Grund eurer Seelen aufreissen; Pflugschar will
ich euch heissen.

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Von den Tugendhaften.


Mit Donnern und himmlischen Feuerwerken muss
man zu schlaffen und schlafenden Sinnen reden.

Aber der Schönheit Stimme redet leise: sie schleicht
sich nur in die aufgewecktesten Seelen.

Leise erbebte und lachte mir heut mein Schild;
das ist der Schönheit heiliges Lachen und Beben.

Über euch, ihr Tugendhaften, lachte heut meine
Schönheit. Und also kam ihre Stimme zu mir: „sie
wollen noch — bezahlt sein!“

Ihr wollt noch bezahlt sein, ihr Tugendhaften!
Wollt Lohn für Tugend und Himmel für Erden und
Ewiges für euer Heute haben?

Und nun zürnt ihr mir, dass ich lehre, es giebt
keinen Lohn- und Zahlmeister? Und wahrlich, ich
lehre nicht einmal, dass Tugend ihr eigener Lohn ist.

Ach, das ist meine Trauer: in den Grund der
Dinge hat man Lohn und Strafe hineingelogen —
und nun auch noch in den Grund eurer Seelen, ihr
Tugendhaften!

Aber dem Rüssel des Ebers gleich soll mein Wort
den Grund eurer Seelen aufreissen; Pflugschar will
ich euch heissen.

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[17/0027] Von den Tugendhaften. Mit Donnern und himmlischen Feuerwerken muss man zu schlaffen und schlafenden Sinnen reden. Aber der Schönheit Stimme redet leise: sie schleicht sich nur in die aufgewecktesten Seelen. Leise erbebte und lachte mir heut mein Schild; das ist der Schönheit heiliges Lachen und Beben. Über euch, ihr Tugendhaften, lachte heut meine Schönheit. Und also kam ihre Stimme zu mir: „sie wollen noch — bezahlt sein!“ Ihr wollt noch bezahlt sein, ihr Tugendhaften! Wollt Lohn für Tugend und Himmel für Erden und Ewiges für euer Heute haben? Und nun zürnt ihr mir, dass ich lehre, es giebt keinen Lohn- und Zahlmeister? Und wahrlich, ich lehre nicht einmal, dass Tugend ihr eigener Lohn ist. Ach, das ist meine Trauer: in den Grund der Dinge hat man Lohn und Strafe hineingelogen — und nun auch noch in den Grund eurer Seelen, ihr Tugendhaften! Aber dem Rüssel des Ebers gleich soll mein Wort den Grund eurer Seelen aufreissen; Pflugschar will ich euch heissen. 2

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/27>, abgerufen am 28.03.2024.