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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Das Schlimmste aber sind die kleinen Gedanken.
Wahrlich, besser noch bös gethan, als klein gedacht!

Zwar ihr sagt: "die Lust an kleinen Bosheiten
erspart uns manche grosse böse That." Aber hier
sollte man nicht sparen wollen.

Wie ein Geschwür ist die böse That: sie juckt
und kratzt und bricht heraus, -- sie redet ehrlich.

"Siehe, ich bin Krankheit" -- so redet die böse
That; das ist ihre Ehrlichkeit.

Aber dem Pilze gleich ist der kleine Gedanke:
er kriecht und duckt sich und will nirgendswo sein --
bis der ganze Leib morsch und welk ist vor kleinen
Pilzen.

Dem aber, der vom Teufel besessen ist, sage ich
diess Wort in's Ohr: besser noch, du ziehest deinen
Teufel gross! Auch für dich giebt es noch einen Weg
der Grösse!" --

Ach, meine Brüder! Man weiss von Jedermann
Etwas zu viel! Und Mancher wird uns durchsichtig,
aber desshalb können wir noch lange nicht durch ihn
hindurch.

Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil Schwei¬
gen so schwer ist.

Und nicht gegen Den, der uns zuwider ist, sind
wir am unbilligsten, sondern gegen Den, welcher uns
gar Nichts angeht.

Hast du aber einen leidenden Freund, so sei
seinem Leiden eine Ruhestätte, doch gleichsam ein
hartes Bett, ein Feldbett: so wirst du ihm am besten
nützen.

Das Schlimmste aber sind die kleinen Gedanken.
Wahrlich, besser noch bös gethan, als klein gedacht!

Zwar ihr sagt: „die Lust an kleinen Bosheiten
erspart uns manche grosse böse That.“ Aber hier
sollte man nicht sparen wollen.

Wie ein Geschwür ist die böse That: sie juckt
und kratzt und bricht heraus, — sie redet ehrlich.

„Siehe, ich bin Krankheit“ — so redet die böse
That; das ist ihre Ehrlichkeit.

Aber dem Pilze gleich ist der kleine Gedanke:
er kriecht und duckt sich und will nirgendswo sein —
bis der ganze Leib morsch und welk ist vor kleinen
Pilzen.

Dem aber, der vom Teufel besessen ist, sage ich
diess Wort in's Ohr: besser noch, du ziehest deinen
Teufel gross! Auch für dich giebt es noch einen Weg
der Grösse!“ —

Ach, meine Brüder! Man weiss von Jedermann
Etwas zu viel! Und Mancher wird uns durchsichtig,
aber desshalb können wir noch lange nicht durch ihn
hindurch.

Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil Schwei¬
gen so schwer ist.

Und nicht gegen Den, der uns zuwider ist, sind
wir am unbilligsten, sondern gegen Den, welcher uns
gar Nichts angeht.

Hast du aber einen leidenden Freund, so sei
seinem Leiden eine Ruhestätte, doch gleichsam ein
hartes Bett, ein Feldbett: so wirst du ihm am besten
nützen.

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[11/0021] Das Schlimmste aber sind die kleinen Gedanken. Wahrlich, besser noch bös gethan, als klein gedacht! Zwar ihr sagt: „die Lust an kleinen Bosheiten erspart uns manche grosse böse That.“ Aber hier sollte man nicht sparen wollen. Wie ein Geschwür ist die böse That: sie juckt und kratzt und bricht heraus, — sie redet ehrlich. „Siehe, ich bin Krankheit“ — so redet die böse That; das ist ihre Ehrlichkeit. Aber dem Pilze gleich ist der kleine Gedanke: er kriecht und duckt sich und will nirgendswo sein — bis der ganze Leib morsch und welk ist vor kleinen Pilzen. Dem aber, der vom Teufel besessen ist, sage ich diess Wort in's Ohr: besser noch, du ziehest deinen Teufel gross! Auch für dich giebt es noch einen Weg der Grösse!“ — Ach, meine Brüder! Man weiss von Jedermann Etwas zu viel! Und Mancher wird uns durchsichtig, aber desshalb können wir noch lange nicht durch ihn hindurch. Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil Schwei¬ gen so schwer ist. Und nicht gegen Den, der uns zuwider ist, sind wir am unbilligsten, sondern gegen Den, welcher uns gar Nichts angeht. Hast du aber einen leidenden Freund, so sei seinem Leiden eine Ruhestätte, doch gleichsam ein hartes Bett, ein Feldbett: so wirst du ihm am besten nützen.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/21>, abgerufen am 16.04.2024.