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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Nicht umsonst hängt euch die Lippe herab: --
ein kleiner Erden-Wunsch sitzt noch darauf! Und im
Auge -- schwimmt da nicht ein Wölkchen unvergessner
Erden-Lust?

Es giebt auf Erden viel gute Erfindungen, die
einen nützlich, die andern angenehm: derentwegen ist
die Erde zu lieben.

Und mancherlei so gut Erfundenes giebt es da,
dass es ist wie des Weibes Busen: nützlich zugleich
und angenehm.

Ihr Welt- Müden aber! Ihr Erden-Faulen! Euch
soll man mit Ruthen streichen! Mit Ruthenstreichen
soll man euch wieder muntre Beine machen.

Denn: seid ihr nicht Kranke und verlebte Wichte,
deren die Erde müde ist, so seid ihr schlaue Faulthiere
oder naschhafte verkrochene Lust-Katzen. Und wollt
ihr nicht wieder lustig laufen, so sollt ihr -- dahin¬
fahren!

An Unheilbaren soll man nicht Arzt sein wollen:
also lehrt es Zarathustra: -- so sollt ihr dahinfahren!

Aber es gehört mehr Muth dazu, ein Ende zu
machen, als einen neuen Vers: das wissen alle Ärzte
und Dichter. --


18.

Oh meine Brüder, es giebt Tafeln, welche die Er¬
müdung, und Tafeln, welche die Faulheit schuf, die
faulige: ob sie schon gleich reden, so wollen sie doch
ungleich gehört sein. --

Nicht umsonst hängt euch die Lippe herab: —
ein kleiner Erden-Wunsch sitzt noch darauf! Und im
Auge — schwimmt da nicht ein Wölkchen unvergessner
Erden-Lust?

Es giebt auf Erden viel gute Erfindungen, die
einen nützlich, die andern angenehm: derentwegen ist
die Erde zu lieben.

Und mancherlei so gut Erfundenes giebt es da,
dass es ist wie des Weibes Busen: nützlich zugleich
und angenehm.

Ihr Welt- Müden aber! Ihr Erden-Faulen! Euch
soll man mit Ruthen streichen! Mit Ruthenstreichen
soll man euch wieder muntre Beine machen.

Denn: seid ihr nicht Kranke und verlebte Wichte,
deren die Erde müde ist, so seid ihr schlaue Faulthiere
oder naschhafte verkrochene Lust-Katzen. Und wollt
ihr nicht wieder lustig laufen, so sollt ihr — dahin¬
fahren!

An Unheilbaren soll man nicht Arzt sein wollen:
also lehrt es Zarathustra: — so sollt ihr dahinfahren!

Aber es gehört mehr Muth dazu, ein Ende zu
machen, als einen neuen Vers: das wissen alle Ärzte
und Dichter. —


18.

Oh meine Brüder, es giebt Tafeln, welche die Er¬
müdung, und Tafeln, welche die Faulheit schuf, die
faulige: ob sie schon gleich reden, so wollen sie doch
ungleich gehört sein. —

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[80/0090] Nicht umsonst hängt euch die Lippe herab: — ein kleiner Erden-Wunsch sitzt noch darauf! Und im Auge — schwimmt da nicht ein Wölkchen unvergessner Erden-Lust? Es giebt auf Erden viel gute Erfindungen, die einen nützlich, die andern angenehm: derentwegen ist die Erde zu lieben. Und mancherlei so gut Erfundenes giebt es da, dass es ist wie des Weibes Busen: nützlich zugleich und angenehm. Ihr Welt- Müden aber! Ihr Erden-Faulen! Euch soll man mit Ruthen streichen! Mit Ruthenstreichen soll man euch wieder muntre Beine machen. Denn: seid ihr nicht Kranke und verlebte Wichte, deren die Erde müde ist, so seid ihr schlaue Faulthiere oder naschhafte verkrochene Lust-Katzen. Und wollt ihr nicht wieder lustig laufen, so sollt ihr — dahin¬ fahren! An Unheilbaren soll man nicht Arzt sein wollen: also lehrt es Zarathustra: — so sollt ihr dahinfahren! Aber es gehört mehr Muth dazu, ein Ende zu machen, als einen neuen Vers: das wissen alle Ärzte und Dichter. — 18. Oh meine Brüder, es giebt Tafeln, welche die Er¬ müdung, und Tafeln, welche die Faulheit schuf, die faulige: ob sie schon gleich reden, so wollen sie doch ungleich gehört sein. —

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/90>, abgerufen am 28.03.2024.