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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Schlimm-Gepaarte fand ich immer als die schlimm¬
sten Rachsüchtigen: sie lassen es aller Welt entgelten,
dass sie nicht mehr einzeln laufen.

Desswillen will ich, dass Redliche zu einander
reden: "wir lieben uns: lasst uns zusehn, dass wir
uns lieb behalten! Oder soll unser Versprechen ein
Versehen sein?"

-- "Gebt uns eine Frist und kleine Ehe, dass wir
zusehn, ob wir zur grossen Ehe taugen! Es ist ein
grosses Ding, immer zu Zwein sein!"

Also rathe ich allen Redlichen; und was wäre
denn meine Liebe zum Übermenschen und zu Allem,
was kommen soll, wenn ich anders riethe und redete!

Nicht nur fort euch zu pflanzen, sondern hinauf
-- dazu, oh meine Brüder, helfe euch der Garten
der Ehe!


25.

Wer über alte Ursprünge weise wurde, siehe, der
wird zuletzt nach Quellen der Zukunft suchen und
nach neuen Ursprüngen. --

Oh meine Brüder, es ist nicht über Lange, da
werden neue Völker entspringen und neue Quellen
hinab in neue Tiefen rauschen.

Das Erdbeben nämlich -- das verschüttet viel
Brunnen, das schafft viel Verschmachten: das hebt
auch innre Kräfte und Heimlichkeiten an's Licht.

Das Erdbeben macht neue Quellen offenbar. Im
Erdbeben alter Völker brechen neue Quellen aus.

Schlimm-Gepaarte fand ich immer als die schlimm¬
sten Rachsüchtigen: sie lassen es aller Welt entgelten,
dass sie nicht mehr einzeln laufen.

Desswillen will ich, dass Redliche zu einander
reden: „wir lieben uns: lasst uns zusehn, dass wir
uns lieb behalten! Oder soll unser Versprechen ein
Versehen sein?“

— „Gebt uns eine Frist und kleine Ehe, dass wir
zusehn, ob wir zur grossen Ehe taugen! Es ist ein
grosses Ding, immer zu Zwein sein!“

Also rathe ich allen Redlichen; und was wäre
denn meine Liebe zum Übermenschen und zu Allem,
was kommen soll, wenn ich anders riethe und redete!

Nicht nur fort euch zu pflanzen, sondern hinauf
— dazu, oh meine Brüder, helfe euch der Garten
der Ehe!


25.

Wer über alte Ursprünge weise wurde, siehe, der
wird zuletzt nach Quellen der Zukunft suchen und
nach neuen Ursprüngen. —

Oh meine Brüder, es ist nicht über Lange, da
werden neue Völker entspringen und neue Quellen
hinab in neue Tiefen rauschen.

Das Erdbeben nämlich — das verschüttet viel
Brunnen, das schafft viel Verschmachten: das hebt
auch innre Kräfte und Heimlichkeiten an's Licht.

Das Erdbeben macht neue Quellen offenbar. Im
Erdbeben alter Völker brechen neue Quellen aus.

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[86/0096] Schlimm-Gepaarte fand ich immer als die schlimm¬ sten Rachsüchtigen: sie lassen es aller Welt entgelten, dass sie nicht mehr einzeln laufen. Desswillen will ich, dass Redliche zu einander reden: „wir lieben uns: lasst uns zusehn, dass wir uns lieb behalten! Oder soll unser Versprechen ein Versehen sein?“ — „Gebt uns eine Frist und kleine Ehe, dass wir zusehn, ob wir zur grossen Ehe taugen! Es ist ein grosses Ding, immer zu Zwein sein!“ Also rathe ich allen Redlichen; und was wäre denn meine Liebe zum Übermenschen und zu Allem, was kommen soll, wenn ich anders riethe und redete! Nicht nur fort euch zu pflanzen, sondern hinauf — dazu, oh meine Brüder, helfe euch der Garten der Ehe! 25. Wer über alte Ursprünge weise wurde, siehe, der wird zuletzt nach Quellen der Zukunft suchen und nach neuen Ursprüngen. — Oh meine Brüder, es ist nicht über Lange, da werden neue Völker entspringen und neue Quellen hinab in neue Tiefen rauschen. Das Erdbeben nämlich — das verschüttet viel Brunnen, das schafft viel Verschmachten: das hebt auch innre Kräfte und Heimlichkeiten an's Licht. Das Erdbeben macht neue Quellen offenbar. Im Erdbeben alter Völker brechen neue Quellen aus.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/96>, abgerufen am 29.03.2024.