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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Springerin! Jetzt hinauf! Und hinüber! -- Wehe! Da
fiel ich selber im Springen hin!

Oh sieh mich liegen, du Übermuth, und um Gnade
flehn! Gerne möchte ich mit dir -- lieblichere Pfade gehn!

-- der Liebe Pfade durch stille bunte Büsche!
Oder dort den See entlang: da schwimmen und tanzen
Goldfische!

Du bist jetzt müde? Da drüben sind Schafe und
Abendröthen: ist es nicht schön, zu schlafen, wenn
Schäfer flöten?

Du bist so arg müde? Ich trage dich hin, lass
nur die Arme sinken! Und hast du Durst, -- ich hätte
wohl Etwas, aber dein Mund will es nicht trinken! --

-- Oh diese verfluchte flinke gelenke Schlange
und Schlupf-Hexe! Wo bist du hin? Aber im Gesicht
fühle ich von deiner Hand zwei Tupfen und rothe Klexe!

Ich bin es wahrlich müde, immer dein schafichter
Schäfer zu sein! Du Hexe, habe ich dir bisher ge¬
sungen, nun sollst du mir -- schrein!

Nach dem Takt meiner Peitsche sollst du mir
tanzen und schrein! Ich vergass doch die Peitsche
nicht? -- Nein!" --


2.

Da antwortete mir das Leben also und hielt sich
dabei die zierlichen Ohren zu:

"Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchter¬
lich mit deiner Peitsche! Du weisst es ja: Lärm

Springerin! Jetzt hinauf! Und hinüber! — Wehe! Da
fiel ich selber im Springen hin!

Oh sieh mich liegen, du Übermuth, und um Gnade
flehn! Gerne möchte ich mit dir — lieblichere Pfade gehn!

— der Liebe Pfade durch stille bunte Büsche!
Oder dort den See entlang: da schwimmen und tanzen
Goldfische!

Du bist jetzt müde? Da drüben sind Schafe und
Abendröthen: ist es nicht schön, zu schlafen, wenn
Schäfer flöten?

Du bist so arg müde? Ich trage dich hin, lass
nur die Arme sinken! Und hast du Durst, — ich hätte
wohl Etwas, aber dein Mund will es nicht trinken! —

— Oh diese verfluchte flinke gelenke Schlange
und Schlupf-Hexe! Wo bist du hin? Aber im Gesicht
fühle ich von deiner Hand zwei Tupfen und rothe Klexe!

Ich bin es wahrlich müde, immer dein schafichter
Schäfer zu sein! Du Hexe, habe ich dir bisher ge¬
sungen, nun sollst du mir — schrein!

Nach dem Takt meiner Peitsche sollst du mir
tanzen und schrein! Ich vergass doch die Peitsche
nicht? — Nein!“ —


2.

Da antwortete mir das Leben also und hielt sich
dabei die zierlichen Ohren zu:

„Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchter¬
lich mit deiner Peitsche! Du weisst es ja: Lärm

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[108/0118] Springerin! Jetzt hinauf! Und hinüber! — Wehe! Da fiel ich selber im Springen hin! Oh sieh mich liegen, du Übermuth, und um Gnade flehn! Gerne möchte ich mit dir — lieblichere Pfade gehn! — der Liebe Pfade durch stille bunte Büsche! Oder dort den See entlang: da schwimmen und tanzen Goldfische! Du bist jetzt müde? Da drüben sind Schafe und Abendröthen: ist es nicht schön, zu schlafen, wenn Schäfer flöten? Du bist so arg müde? Ich trage dich hin, lass nur die Arme sinken! Und hast du Durst, — ich hätte wohl Etwas, aber dein Mund will es nicht trinken! — — Oh diese verfluchte flinke gelenke Schlange und Schlupf-Hexe! Wo bist du hin? Aber im Gesicht fühle ich von deiner Hand zwei Tupfen und rothe Klexe! Ich bin es wahrlich müde, immer dein schafichter Schäfer zu sein! Du Hexe, habe ich dir bisher ge¬ sungen, nun sollst du mir — schrein! Nach dem Takt meiner Peitsche sollst du mir tanzen und schrein! Ich vergass doch die Peitsche nicht? — Nein!“ — 2. Da antwortete mir das Leben also und hielt sich dabei die zierlichen Ohren zu: „Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchter¬ lich mit deiner Peitsche! Du weisst es ja: Lärm

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/118>, abgerufen am 28.03.2024.