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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Ein grosser Gewalt-Herr könnte kommen, ein ge¬
witzter Unhold, der mit seiner Gnade und Ungnade
alles Vergangene zwänge und zwängte: bis es ihm
Brücke würde und Vorzeichen und Herold und
Hahnenschrei.

Diess aber ist die andre Gefahr und mein andres
Mitleiden: -- wer vom Pöbel ist, dessen Gedenken
geht zurück bis zum Grossvater, -- mit dem Gross¬
vater aber hört die Zeit auf.

Also ist alles Vergangene preisgegeben: denn
es könnte einmal kommen, dass der Pöbel Herr würde
und in seichten Gewässern alle Zeit ertränke.

Darum, oh meine Brüder, bedarf es eines neuen
Adels
, der allem Pöbel und allem Gewalt-Herrischen
Widersacher ist und auf neue Tafeln neu das Wort
schreibt "edel".

Vieler Edlen nämlich bedarf es und vielerlei
Edlen, dass es Adel gebe! Oder, wie ich einst im
Gleichniss sprach: "Das eben ist Göttlichkeit, dass es
Götter, aber keinen Gott giebt!"


12.

Oh meine Brüder, ich weihe und weise euch zu
einem neuen Adel: ihr sollt mir Zeuger und Züchter
werden und Säemänner der Zukunft, --

-- wahrlich, nicht zu einem Adel, den ihr kaufen
könntet gleich den Krämern und mit Krämer-Golde:
denn wenig Werth hat Alles, was seinen Preis hat.

Ein grosser Gewalt-Herr könnte kommen, ein ge¬
witzter Unhold, der mit seiner Gnade und Ungnade
alles Vergangene zwänge und zwängte: bis es ihm
Brücke würde und Vorzeichen und Herold und
Hahnenschrei.

Diess aber ist die andre Gefahr und mein andres
Mitleiden: — wer vom Pöbel ist, dessen Gedenken
geht zurück bis zum Grossvater, — mit dem Gross¬
vater aber hört die Zeit auf.

Also ist alles Vergangene preisgegeben: denn
es könnte einmal kommen, dass der Pöbel Herr würde
und in seichten Gewässern alle Zeit ertränke.

Darum, oh meine Brüder, bedarf es eines neuen
Adels
, der allem Pöbel und allem Gewalt-Herrischen
Widersacher ist und auf neue Tafeln neu das Wort
schreibt „edel“.

Vieler Edlen nämlich bedarf es und vielerlei
Edlen, dass es Adel gebe! Oder, wie ich einst im
Gleichniss sprach: „Das eben ist Göttlichkeit, dass es
Götter, aber keinen Gott giebt!“


12.

Oh meine Brüder, ich weihe und weise euch zu
einem neuen Adel: ihr sollt mir Zeuger und Züchter
werden und Säemänner der Zukunft, —

— wahrlich, nicht zu einem Adel, den ihr kaufen
könntet gleich den Krämern und mit Krämer-Golde:
denn wenig Werth hat Alles, was seinen Preis hat.

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[74/0084] Ein grosser Gewalt-Herr könnte kommen, ein ge¬ witzter Unhold, der mit seiner Gnade und Ungnade alles Vergangene zwänge und zwängte: bis es ihm Brücke würde und Vorzeichen und Herold und Hahnenschrei. Diess aber ist die andre Gefahr und mein andres Mitleiden: — wer vom Pöbel ist, dessen Gedenken geht zurück bis zum Grossvater, — mit dem Gross¬ vater aber hört die Zeit auf. Also ist alles Vergangene preisgegeben: denn es könnte einmal kommen, dass der Pöbel Herr würde und in seichten Gewässern alle Zeit ertränke. Darum, oh meine Brüder, bedarf es eines neuen Adels, der allem Pöbel und allem Gewalt-Herrischen Widersacher ist und auf neue Tafeln neu das Wort schreibt „edel“. Vieler Edlen nämlich bedarf es und vielerlei Edlen, dass es Adel gebe! Oder, wie ich einst im Gleichniss sprach: „Das eben ist Göttlichkeit, dass es Götter, aber keinen Gott giebt!“ 12. Oh meine Brüder, ich weihe und weise euch zu einem neuen Adel: ihr sollt mir Zeuger und Züchter werden und Säemänner der Zukunft, — — wahrlich, nicht zu einem Adel, den ihr kaufen könntet gleich den Krämern und mit Krämer-Golde: denn wenig Werth hat Alles, was seinen Preis hat.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/84>, abgerufen am 20.04.2024.