Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom höheren Menschen.

1.

Als ich zum ersten Male zu den Menschen kam,
da that ich die Einsiedler-Thorheit, die grosse Thorheit:
ich stellte mich auf den Markt.

Und als ich zu Allen redete, redete ich zu Keinem.
Des Abends aber waren Seiltänzer meine Genossen, und
Leichname; und ich selber fast ein Leichnam.

Mit dem neuen Morgen aber kam mir eine neue
Wahrheit: da lernte ich sprechen "Was geht mich
Markt und Pöbel und Pöbel-Lärm und lange Pöbel-
Ohren an!"

Ihr höheren Menschen, Diess lernt von mir: auf dem
Markt glaubt Niemand an höhere Menschen. Und wollt
ihr dort reden, wohlan! Der Pöbel aber blinzelt "wir
sind Alle gleich."

"Ihr höheren Menschen, -- so blinzelt der Pöbel
-- es giebt keine höheren Menschen, wir sind Alle
gleich, Mensch ist Mensch, vor Gott -- sind wir Alle
gleich!"

Vor Gott! -- Nun aber starb dieser Gott. Vor dem
Pöbel aber wollen wir nicht gleich sein. Ihr höheren
Menschen, geht weg vom Markt!


Vom höheren Menschen.

1.

Als ich zum ersten Male zu den Menschen kam,
da that ich die Einsiedler-Thorheit, die grosse Thorheit:
ich stellte mich auf den Markt.

Und als ich zu Allen redete, redete ich zu Keinem.
Des Abends aber waren Seiltänzer meine Genossen, und
Leichname; und ich selber fast ein Leichnam.

Mit dem neuen Morgen aber kam mir eine neue
Wahrheit: da lernte ich sprechen „Was geht mich
Markt und Pöbel und Pöbel-Lärm und lange Pöbel-
Ohren an!“

Ihr höheren Menschen, Diess lernt von mir: auf dem
Markt glaubt Niemand an höhere Menschen. Und wollt
ihr dort reden, wohlan! Der Pöbel aber blinzelt „wir
sind Alle gleich.“

„Ihr höheren Menschen, — so blinzelt der Pöbel
— es giebt keine höheren Menschen, wir sind Alle
gleich, Mensch ist Mensch, vor Gott — sind wir Alle
gleich!“

Vor Gott! — Nun aber starb dieser Gott. Vor dem
Pöbel aber wollen wir nicht gleich sein. Ihr höheren
Menschen, geht weg vom Markt!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0083" n="76"/>
      <div n="1">
        <head>Vom höheren Menschen.<lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>1.<lb/></head>
          <p>Als ich zum ersten Male zu den Menschen kam,<lb/>
da that ich die Einsiedler-Thorheit, die grosse Thorheit:<lb/>
ich stellte mich auf den Markt.</p><lb/>
          <p>Und als ich zu Allen redete, redete ich zu Keinem.<lb/>
Des Abends aber waren Seiltänzer meine Genossen, und<lb/>
Leichname; und ich selber fast ein Leichnam.</p><lb/>
          <p>Mit dem neuen Morgen aber kam mir eine neue<lb/>
Wahrheit: da lernte ich sprechen &#x201E;Was geht mich<lb/>
Markt und Pöbel und Pöbel-Lärm und lange Pöbel-<lb/>
Ohren an!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ihr höheren Menschen, Diess lernt von mir: auf dem<lb/>
Markt glaubt Niemand an höhere Menschen. Und wollt<lb/>
ihr dort reden, wohlan! Der Pöbel aber blinzelt &#x201E;wir<lb/>
sind Alle gleich.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ihr höheren Menschen, &#x2014; so blinzelt der Pöbel<lb/>
&#x2014; es giebt keine höheren Menschen, wir sind Alle<lb/>
gleich, Mensch ist Mensch, vor Gott &#x2014; sind wir Alle<lb/>
gleich!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Vor Gott! &#x2014; Nun aber starb dieser Gott. Vor dem<lb/>
Pöbel aber wollen wir nicht gleich sein. Ihr höheren<lb/>
Menschen, geht weg vom Markt!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0083] Vom höheren Menschen. 1. Als ich zum ersten Male zu den Menschen kam, da that ich die Einsiedler-Thorheit, die grosse Thorheit: ich stellte mich auf den Markt. Und als ich zu Allen redete, redete ich zu Keinem. Des Abends aber waren Seiltänzer meine Genossen, und Leichname; und ich selber fast ein Leichnam. Mit dem neuen Morgen aber kam mir eine neue Wahrheit: da lernte ich sprechen „Was geht mich Markt und Pöbel und Pöbel-Lärm und lange Pöbel- Ohren an!“ Ihr höheren Menschen, Diess lernt von mir: auf dem Markt glaubt Niemand an höhere Menschen. Und wollt ihr dort reden, wohlan! Der Pöbel aber blinzelt „wir sind Alle gleich.“ „Ihr höheren Menschen, — so blinzelt der Pöbel — es giebt keine höheren Menschen, wir sind Alle gleich, Mensch ist Mensch, vor Gott — sind wir Alle gleich!“ Vor Gott! — Nun aber starb dieser Gott. Vor dem Pöbel aber wollen wir nicht gleich sein. Ihr höheren Menschen, geht weg vom Markt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/83
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/83>, abgerufen am 24.04.2024.