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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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kleinen Leute: da heisst es "gleich und gleich" und
"Hand wäscht Hand": -- sie haben nicht Recht noch
Kraft zu eurem Eigennutz!

In eurem Eigennutz, ihr Schaffenden, ist der
Schwangeren Vorsicht und Vorsehung! Was Niemand
noch mit Augen sah, die Frucht: die schirmt und schont
und nährt eure ganze Liebe.

Wo eure ganze Liebe ist, bei eurem Kinde, da
ist auch eure ganze Tugend! Euer Werk, euer Wille
ist euer "Nächster": lasst euch keine falschen Werthe
einreden!


12.

Ihr Schaffenden, ihr höheren Menschen! Wer
gebären muss, der ist krank; wer aber geboren hat,
ist unrein.

Fragt die Weiber: man gebiert nicht, weil es
Vergnügen macht. Der Schmerz macht Hühner und
Dichter gackern.

Ihr Schaffenden, an euch ist viel Unreines. Das
macht, ihr musstet Mütter sein.

Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam
auch zur Welt! Geht bei Seite! Und wer geboren hat,
soll seine Seele rein waschen!


13.

Seid nicht tugendhaft über eure Kräfte! Und wollt
Nichts von euch wider die Wahrscheinlichkeit!

Geht in den Fusstapfen, wo schon eurer Väter

6*

kleinen Leute: da heisst es „gleich und gleich“ und
„Hand wäscht Hand“: — sie haben nicht Recht noch
Kraft zu eurem Eigennutz!

In eurem Eigennutz, ihr Schaffenden, ist der
Schwangeren Vorsicht und Vorsehung! Was Niemand
noch mit Augen sah, die Frucht: die schirmt und schont
und nährt eure ganze Liebe.

Wo eure ganze Liebe ist, bei eurem Kinde, da
ist auch eure ganze Tugend! Euer Werk, euer Wille
ist euer „Nächster“: lasst euch keine falschen Werthe
einreden!


12.

Ihr Schaffenden, ihr höheren Menschen! Wer
gebären muss, der ist krank; wer aber geboren hat,
ist unrein.

Fragt die Weiber: man gebiert nicht, weil es
Vergnügen macht. Der Schmerz macht Hühner und
Dichter gackern.

Ihr Schaffenden, an euch ist viel Unreines. Das
macht, ihr musstet Mütter sein.

Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam
auch zur Welt! Geht bei Seite! Und wer geboren hat,
soll seine Seele rein waschen!


13.

Seid nicht tugendhaft über eure Kräfte! Und wollt
Nichts von euch wider die Wahrscheinlichkeit!

Geht in den Fusstapfen, wo schon eurer Väter

6*
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[83/0090] kleinen Leute: da heisst es „gleich und gleich“ und „Hand wäscht Hand“: — sie haben nicht Recht noch Kraft zu eurem Eigennutz! In eurem Eigennutz, ihr Schaffenden, ist der Schwangeren Vorsicht und Vorsehung! Was Niemand noch mit Augen sah, die Frucht: die schirmt und schont und nährt eure ganze Liebe. Wo eure ganze Liebe ist, bei eurem Kinde, da ist auch eure ganze Tugend! Euer Werk, euer Wille ist euer „Nächster“: lasst euch keine falschen Werthe einreden! 12. Ihr Schaffenden, ihr höheren Menschen! Wer gebären muss, der ist krank; wer aber geboren hat, ist unrein. Fragt die Weiber: man gebiert nicht, weil es Vergnügen macht. Der Schmerz macht Hühner und Dichter gackern. Ihr Schaffenden, an euch ist viel Unreines. Das macht, ihr musstet Mütter sein. Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam auch zur Welt! Geht bei Seite! Und wer geboren hat, soll seine Seele rein waschen! 13. Seid nicht tugendhaft über eure Kräfte! Und wollt Nichts von euch wider die Wahrscheinlichkeit! Geht in den Fusstapfen, wo schon eurer Väter 6*

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/90>, abgerufen am 28.03.2024.