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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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2.

An diesen Reimen Zarathustra's weideten sich die
Könige; der König zur Rechten aber sprach: "oh
Zarathustra, wie gut thaten wir, dass wir auszogen,
dich zu sehn!

Deine Feinde nämlich zeigten uns dein Bild in
ihrem Spiegel: da blicktest du mit der Fratze eines
Teufels und hohnlachend: also dass wir uns vor dir
fürchteten.

Aber was half's! Immer wieder stachst du uns in
Ohr und Herz mit deinen Sprüchen. Da sprachen
wir endlich: was liegt daran, wie er aussieht!

Wir müssen ihn hören, ihn, der lehrt "ihr sollt
den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen, und
den kurzen Frieden mehr als den langen!"

Niemand sprach je so kriegerische Worte: "Was
ist gut? Tapfer sein ist gut. Der gute Krieg ist's,
der jede Sache heiligt."

Oh Zarathustra, unsrer Väter Blut rührte sich bei
solchen Worten in unserm Leibe: das war wie die
Rede des Frühlings zu alten Weinfässern.

Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich
rothgefleckten Schlangen, da wurden unsre Väter dem
Leben gut; alles Friedens Sonne dünkte sie flau und
lau, der lange Frieden aber machte Scham.

Wie sie seufzten, unsre Väter, wenn sie an der
Wand blitzblanke ausgedorrte Schwerter sahen! Denen
gleich dürsteten sie nach Krieg. Ein Schwert nämlich
will Blut trinken und funkelt vor Begierde." -- --

-- Als die Könige dergestalt mit Eifer von dem
Glück ihrer Väter redeten und schwätzten, überkam

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An diesen Reimen Zarathustra's weideten sich die
Könige; der König zur Rechten aber sprach: „oh
Zarathustra, wie gut thaten wir, dass wir auszogen,
dich zu sehn!

Deine Feinde nämlich zeigten uns dein Bild in
ihrem Spiegel: da blicktest du mit der Fratze eines
Teufels und hohnlachend: also dass wir uns vor dir
fürchteten.

Aber was half's! Immer wieder stachst du uns in
Ohr und Herz mit deinen Sprüchen. Da sprachen
wir endlich: was liegt daran, wie er aussieht!

Wir müssen ihn hören, ihn, der lehrt „ihr sollt
den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen, und
den kurzen Frieden mehr als den langen!“

Niemand sprach je so kriegerische Worte: „Was
ist gut? Tapfer sein ist gut. Der gute Krieg ist's,
der jede Sache heiligt.“

Oh Zarathustra, unsrer Väter Blut rührte sich bei
solchen Worten in unserm Leibe: das war wie die
Rede des Frühlings zu alten Weinfässern.

Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich
rothgefleckten Schlangen, da wurden unsre Väter dem
Leben gut; alles Friedens Sonne dünkte sie flau und
lau, der lange Frieden aber machte Scham.

Wie sie seufzten, unsre Väter, wenn sie an der
Wand blitzblanke ausgedorrte Schwerter sahen! Denen
gleich dürsteten sie nach Krieg. Ein Schwert nämlich
will Blut trinken und funkelt vor Begierde.“ — —

— Als die Könige dergestalt mit Eifer von dem
Glück ihrer Väter redeten und schwätzten, überkam

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[19/0026] 2. An diesen Reimen Zarathustra's weideten sich die Könige; der König zur Rechten aber sprach: „oh Zarathustra, wie gut thaten wir, dass wir auszogen, dich zu sehn! Deine Feinde nämlich zeigten uns dein Bild in ihrem Spiegel: da blicktest du mit der Fratze eines Teufels und hohnlachend: also dass wir uns vor dir fürchteten. Aber was half's! Immer wieder stachst du uns in Ohr und Herz mit deinen Sprüchen. Da sprachen wir endlich: was liegt daran, wie er aussieht! Wir müssen ihn hören, ihn, der lehrt „ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen, und den kurzen Frieden mehr als den langen!“ Niemand sprach je so kriegerische Worte: „Was ist gut? Tapfer sein ist gut. Der gute Krieg ist's, der jede Sache heiligt.“ Oh Zarathustra, unsrer Väter Blut rührte sich bei solchen Worten in unserm Leibe: das war wie die Rede des Frühlings zu alten Weinfässern. Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich rothgefleckten Schlangen, da wurden unsre Väter dem Leben gut; alles Friedens Sonne dünkte sie flau und lau, der lange Frieden aber machte Scham. Wie sie seufzten, unsre Väter, wenn sie an der Wand blitzblanke ausgedorrte Schwerter sahen! Denen gleich dürsteten sie nach Krieg. Ein Schwert nämlich will Blut trinken und funkelt vor Begierde.“ — — — Als die Könige dergestalt mit Eifer von dem Glück ihrer Väter redeten und schwätzten, überkam 2 *

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/26>, abgerufen am 28.03.2024.