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Der Arbeitgeber. Nr. 667. Frankfurt (Hessen), 11. Februar 1870.

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[Beginn Spaltensatz]

Der "Arbeitgeber" erscheint
wöchentlich,
die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.


[Spaltenumbruch]
Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.
[Spaltenumbruch]

Bestellungen werden von allen
Postämtern u. Buchhandlun-
gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.

[Ende Spaltensatz]

Nro 667.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 11. Februar 1870.



[Beginn Spaltensatz]
Politik und Volkswirthschaft.
III.

Betrachten wir uns nun die Wirklichkeit, so gestalten sich die
Folgen der Jakoby'schen schwarzseherischen Annahme noch vortheil-
hafter, denn es findet in ihr noch weniger ein Uebergewicht des
großen Kapitales Statt. Wird alle grobe Arbeit von Maschinen
verrichtet, so bleibt nur die seine und die Aufsicht über die Ma-
schinen, die schon an sich besser bezahlt werden. Jeder Bauer, Bäcker,
Metzger, Schuhmacher, Schneider, Schreiner, Schlosser, Mechaniker
wird mit Maschinen arbeiten, und mehr produziren, wie früher, sich
also besser stellen; die Einnahme jedenfalls aller selbständigen Leute
-- denn diese werden ja alle Maschinen haben -- wird eine bessere,
d. h. die des weitaus größeren Theiles der Bevölkerung. Kaum
30 pCt. der Letzteren besteht aus nichtselbständigen Leuten, wovon
ein großer Theil Dienstboten, bei denen man von Noth und Elend
kaum reden kann. Zieht man dann ferner alle Söhne und Töchter
von Handwerkern ab, die später auch selbständig werden, so bleiben
kaum 10 pCt. sogenannter unselbständiger Arbeiter, die als Maschi-
nisten, Werkführer, Künstler ec. unterkämen, und gerade in dem
neuen Maschinen=Staat sich besser befinden würden als viele von den
Andern. Wenn die Maschine fast Alles thut, so wird Niemand
mehr grobe Arbeit verrichten wollen, der Lohn für solche wird daher
bedeutend steigen. Die Erfahrung lehrt auch in der That, daß
überall, wo Maschinen eingeführt werden, der Lohn steigt, und es ist
dieß leicht erklärlich. Ein Arbeiter liefert mit der Maschine soviel
mehr, daß trotzdem per Stück weniger Lohn bezahlt wird, der Lohn
im Ganzen doch steigt.

Da durch die Maschinen mehr Erzeugnisse geliefert werden, so
steigt auch die Menge der Vorräthe, und da diese immer wieder
verzehrt werden müssen, so entsteht auch eine vermehrte Nachfrage
nach Arbeitern, so daß auch dadurch der Lohn steigen muß. Außer-
dem werden die Preise sinken, und die Arbeiter weniger zur Bestrei-
tung ihrer Bedürfnisse brauchen, was ihrerseits wieder zu vermin-
dertem Angebot Anlaß gibt. Es wird also in erhöhtem Maße eine
Zeit kommen, wie sie in den 50er Jahren zum Theil schon da war,
wo nicht das Kapital, sondern die Arbeiter die Uebermacht hatten.
Der Lohn wird steigen und der Zins des Kapitalisten herabgedrückt
werden. Glaubt denn nun Jakoby im Ernst, daß das große Kapital
diesen kleinen Kapitalisten ihre Maschinen u. s. w. abnehmen würde?
Es liegt dazu ja nicht der mindeste Anlaß vor; denn die Kleinen
verdienen soviel wie vorher, ja sogar mehr. Der große Kapitalist
wird im Gegentheil in Verlegenheit sein, was er mit seinem Kapital
anfangen soll, da es die Kleinen weniger brauchen.

Bezüglich des jetzigen Lohnes wiederholt Jakoby die Lassalle'sche
Redensart, daß der Arbeiter "ohne andern Besitz als seine Arbeit-
kraft um einen Lohn arbeiten müsse, der höchstens ( ! ) zum noth-
dürftigen Lebensunterhalt ausreicht." Wir wollen den logischen
Widersinn, der in den letzteren Worten liegt, nicht weiter erörtern;
denn wenn der Lohn unter den jetzigen Stand sinkt, was leider oft
genug der Fall ist, so müßten die Arbeiter verhungern; da dieß aber
offenbar nicht geschieht, so ist auch diese Hypothese eine falsche. Die
Sparkassen und die Mehrzahl unserer Kapitalisten und Arbeitgeber
zeigen außerdem, daß die Behauptung an sich falsch ist. Die meisten
selbst der größten Jndustriellen sind aus dem Arbeiterstande hervor-
gegangen, was nicht möglich wäre, wenn sie nicht wenigstens etwas
[Spaltenumbruch] Kapital hätten sparen können und wenn Alles vom großen Kapital
abhinge. Die Sparkassen nehmen jährlich an Zahl und Bedeutung
zu. Der auf den Kopf fallende Betrag ist größer als früher, also
kann sich die Lage der unteren Klassen nicht verschlechtert haben.
Die Sparkassen Sachsens z. B. hatten im J. 1863: 302,000 Ein-
leger mit 9,200,000 Thlr. Kapital oder 30 Thlr. pr. Kopf, im
J. 1867: 314,401 Einleger mit 10,820,000 Thlr. Kapital oder
beinahe 35 Thlr. pr. Kopf. Jn England liegen 11,666,000 Ls.
oder 80,000,000 Thlr, oder 2,7 Thlr. per Kopf der Bevölkerung
allein in den Postsparkassen. Jn Amerika kommen gar 281 Doll.
auf den Einleger. Jm Kanton Zürich fallen 200 Fr. auf den Ein-
leger und 57 Fr. auf den Kopf der Bevölkerung. Jn Preußen
waren im Jahr 1866 in den Sparkassen 91,277,000 Thlr. an-
gelegt oder 5 Thlr. pr. Kopf der Bevölkerung. Das beweist überall
keine Zunahme der Armuth. Noch schärfer aber zeigt dieß der
Verbrauch.

Wir sehen soeben, daß in einer früheren Nummer d. Bl. ( 606 )
diese Frage bezüglich Englands ziemlich ausführlich erörtert ist. Nach
Elliott ist nämlich die Einfuhr in England vom Jahr 1851 -- 1866
gestiegen: von Ochsen um 245 pCt., Schafen 376 pCt., Schinken
und Speck um 242 pCt., Fleisch 94 pCt., Butter 235 pCt., Käs
162 pCt., Fischen 411 pCt., Gerste 165 pCt., Hafer 153 pCt.,
Tabak 308 pCt., Wein 89 pCt., Thee von 53,000,000 Pfd. auf
102,000,000 Pfd., Zucker von 6 Mill. Ctr. auf 10 Mill., Malz
von 40 Mill. Bushel auf 54. Jm Durchschnitt von Allem hat die
Einfuhr von Lebensmitteln um 50 pCt. zugenommen, also um mehr
als das Achtfache der Bevölkerung, die nur um 6 pCt. stieg. Die
Gesammtein= und Ausfuhr wuchs von 184 Mill. Ls. auf 436 oder
um 137 pCt. Die Preise sind allerdings auch gestiegen, aber nur
um 20 pCt., werden übrigens durch das Steigen des Lohnes aus-
geglichen. Wenn wir aber auch von den Werthsummen absehen, so
zeigt schon die Masse der verzehrten Lebensmittel, daß man besser
lebt wie früher, namentlich die unteren Klassen; denn die großen
Kapitalisten können doch nicht all' das Fleisch, Speck, Butter ec.
verzehren, die Reichen können unmöglich 2 und sogar 3mal so viel
essen und trinken als früher. Wer die Wirklichkeit beobachtet, wird
im Gegentheil finden, daß die Reichen, was Essen und Trinken be-
trifft, ziemlich mäßig sind. Da hier Ueberfluß ihnen zu Gebot
steht, so hat er keinen Reiz mehr für sie. Arbeit dagegen ist
Anlaß, daß der Arbeiter mehr Lebensmittel verzehrt als der Reiche.
Außerdem zeigen die Artikel Wein und Ochsen, die mehr für Reiche
bestimmt sind, daß die Zunahme mehr auf die unteren Klassen fällt.
Diese Zunahme ist aber in der That für England eine enorme,
denn die Aus= und Einfuhr betrug im J. 1866: 6,8 Ls. pr. Kopf
und im J. 1868: 16,2 Ls.; bei uns aber sind die Verhältnisse
ähnlich, und die Sozialisten behaupten ja gerade, daß es noch nicht
so schlimm sei als dort, also ist bei uns eine ähnliche Zunahme zu
vermuthen.

Fassen wir dieß Alles zusammen, so zeigt es sich, daß die
Klagen über zunehmende Noth, "Massenelend" u. s. w. unbegründet,
nichts als leere Redensarten sind, die man Leuten, welche sie nur
als Agitationsmittel benutzen, nicht nachplaudern sollte. Es gibt
leider noch Elend genug in der Welt, allein daß es zunehme, ist,
wie oben gezeigt, glücklicherweise nicht wahr. Daß die Arbeiter ihre
Lage nicht bessern, daß sie in Folge der jetzigen gesellschaftlichen oder
wie man es lieber nennt "sozialen" Einrichtungen nicht emporkommen
könnten, ist nicht richtig; und es heißt nur die Trägheit, Jndolenz,

[Beginn Spaltensatz]

Der „Arbeitgeber“ erscheint
wöchentlich,
die „Patentliste“ monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
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durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des „Arbeitgeber“,
Gallusgasse 9.
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Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
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Das Patent= u. Maschinen-
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neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
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werthung.

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Frankfurt a. M., 11. Februar 1870.



[Beginn Spaltensatz]
Politik und Volkswirthschaft.
III.

Betrachten wir uns nun die Wirklichkeit, so gestalten sich die
Folgen der Jakoby'schen schwarzseherischen Annahme noch vortheil-
hafter, denn es findet in ihr noch weniger ein Uebergewicht des
großen Kapitales Statt. Wird alle grobe Arbeit von Maschinen
verrichtet, so bleibt nur die seine und die Aufsicht über die Ma-
schinen, die schon an sich besser bezahlt werden. Jeder Bauer, Bäcker,
Metzger, Schuhmacher, Schneider, Schreiner, Schlosser, Mechaniker
wird mit Maschinen arbeiten, und mehr produziren, wie früher, sich
also besser stellen; die Einnahme jedenfalls aller selbständigen Leute
-- denn diese werden ja alle Maschinen haben -- wird eine bessere,
d. h. die des weitaus größeren Theiles der Bevölkerung. Kaum
30 pCt. der Letzteren besteht aus nichtselbständigen Leuten, wovon
ein großer Theil Dienstboten, bei denen man von Noth und Elend
kaum reden kann. Zieht man dann ferner alle Söhne und Töchter
von Handwerkern ab, die später auch selbständig werden, so bleiben
kaum 10 pCt. sogenannter unselbständiger Arbeiter, die als Maschi-
nisten, Werkführer, Künstler ec. unterkämen, und gerade in dem
neuen Maschinen=Staat sich besser befinden würden als viele von den
Andern. Wenn die Maschine fast Alles thut, so wird Niemand
mehr grobe Arbeit verrichten wollen, der Lohn für solche wird daher
bedeutend steigen. Die Erfahrung lehrt auch in der That, daß
überall, wo Maschinen eingeführt werden, der Lohn steigt, und es ist
dieß leicht erklärlich. Ein Arbeiter liefert mit der Maschine soviel
mehr, daß trotzdem per Stück weniger Lohn bezahlt wird, der Lohn
im Ganzen doch steigt.

Da durch die Maschinen mehr Erzeugnisse geliefert werden, so
steigt auch die Menge der Vorräthe, und da diese immer wieder
verzehrt werden müssen, so entsteht auch eine vermehrte Nachfrage
nach Arbeitern, so daß auch dadurch der Lohn steigen muß. Außer-
dem werden die Preise sinken, und die Arbeiter weniger zur Bestrei-
tung ihrer Bedürfnisse brauchen, was ihrerseits wieder zu vermin-
dertem Angebot Anlaß gibt. Es wird also in erhöhtem Maße eine
Zeit kommen, wie sie in den 50er Jahren zum Theil schon da war,
wo nicht das Kapital, sondern die Arbeiter die Uebermacht hatten.
Der Lohn wird steigen und der Zins des Kapitalisten herabgedrückt
werden. Glaubt denn nun Jakoby im Ernst, daß das große Kapital
diesen kleinen Kapitalisten ihre Maschinen u. s. w. abnehmen würde?
Es liegt dazu ja nicht der mindeste Anlaß vor; denn die Kleinen
verdienen soviel wie vorher, ja sogar mehr. Der große Kapitalist
wird im Gegentheil in Verlegenheit sein, was er mit seinem Kapital
anfangen soll, da es die Kleinen weniger brauchen.

Bezüglich des jetzigen Lohnes wiederholt Jakoby die Lassalle'sche
Redensart, daß der Arbeiter „ohne andern Besitz als seine Arbeit-
kraft um einen Lohn arbeiten müsse, der höchstens ( ! ) zum noth-
dürftigen Lebensunterhalt ausreicht.“ Wir wollen den logischen
Widersinn, der in den letzteren Worten liegt, nicht weiter erörtern;
denn wenn der Lohn unter den jetzigen Stand sinkt, was leider oft
genug der Fall ist, so müßten die Arbeiter verhungern; da dieß aber
offenbar nicht geschieht, so ist auch diese Hypothese eine falsche. Die
Sparkassen und die Mehrzahl unserer Kapitalisten und Arbeitgeber
zeigen außerdem, daß die Behauptung an sich falsch ist. Die meisten
selbst der größten Jndustriellen sind aus dem Arbeiterstande hervor-
gegangen, was nicht möglich wäre, wenn sie nicht wenigstens etwas
[Spaltenumbruch] Kapital hätten sparen können und wenn Alles vom großen Kapital
abhinge. Die Sparkassen nehmen jährlich an Zahl und Bedeutung
zu. Der auf den Kopf fallende Betrag ist größer als früher, also
kann sich die Lage der unteren Klassen nicht verschlechtert haben.
Die Sparkassen Sachsens z. B. hatten im J. 1863: 302,000 Ein-
leger mit 9,200,000 Thlr. Kapital oder 30 Thlr. pr. Kopf, im
J. 1867: 314,401 Einleger mit 10,820,000 Thlr. Kapital oder
beinahe 35 Thlr. pr. Kopf. Jn England liegen 11,666,000 Ls.
oder 80,000,000 Thlr, oder 2,7 Thlr. per Kopf der Bevölkerung
allein in den Postsparkassen. Jn Amerika kommen gar 281 Doll.
auf den Einleger. Jm Kanton Zürich fallen 200 Fr. auf den Ein-
leger und 57 Fr. auf den Kopf der Bevölkerung. Jn Preußen
waren im Jahr 1866 in den Sparkassen 91,277,000 Thlr. an-
gelegt oder 5 Thlr. pr. Kopf der Bevölkerung. Das beweist überall
keine Zunahme der Armuth. Noch schärfer aber zeigt dieß der
Verbrauch.

Wir sehen soeben, daß in einer früheren Nummer d. Bl. ( 606 )
diese Frage bezüglich Englands ziemlich ausführlich erörtert ist. Nach
Elliott ist nämlich die Einfuhr in England vom Jahr 1851 -- 1866
gestiegen: von Ochsen um 245 pCt., Schafen 376 pCt., Schinken
und Speck um 242 pCt., Fleisch 94 pCt., Butter 235 pCt., Käs
162 pCt., Fischen 411 pCt., Gerste 165 pCt., Hafer 153 pCt.,
Tabak 308 pCt., Wein 89 pCt., Thee von 53,000,000 Pfd. auf
102,000,000 Pfd., Zucker von 6 Mill. Ctr. auf 10 Mill., Malz
von 40 Mill. Bushel auf 54. Jm Durchschnitt von Allem hat die
Einfuhr von Lebensmitteln um 50 pCt. zugenommen, also um mehr
als das Achtfache der Bevölkerung, die nur um 6 pCt. stieg. Die
Gesammtein= und Ausfuhr wuchs von 184 Mill. Ls. auf 436 oder
um 137 pCt. Die Preise sind allerdings auch gestiegen, aber nur
um 20 pCt., werden übrigens durch das Steigen des Lohnes aus-
geglichen. Wenn wir aber auch von den Werthsummen absehen, so
zeigt schon die Masse der verzehrten Lebensmittel, daß man besser
lebt wie früher, namentlich die unteren Klassen; denn die großen
Kapitalisten können doch nicht all' das Fleisch, Speck, Butter ec.
verzehren, die Reichen können unmöglich 2 und sogar 3mal so viel
essen und trinken als früher. Wer die Wirklichkeit beobachtet, wird
im Gegentheil finden, daß die Reichen, was Essen und Trinken be-
trifft, ziemlich mäßig sind. Da hier Ueberfluß ihnen zu Gebot
steht, so hat er keinen Reiz mehr für sie. Arbeit dagegen ist
Anlaß, daß der Arbeiter mehr Lebensmittel verzehrt als der Reiche.
Außerdem zeigen die Artikel Wein und Ochsen, die mehr für Reiche
bestimmt sind, daß die Zunahme mehr auf die unteren Klassen fällt.
Diese Zunahme ist aber in der That für England eine enorme,
denn die Aus= und Einfuhr betrug im J. 1866: 6,8 Ls. pr. Kopf
und im J. 1868: 16,2 Ls.; bei uns aber sind die Verhältnisse
ähnlich, und die Sozialisten behaupten ja gerade, daß es noch nicht
so schlimm sei als dort, also ist bei uns eine ähnliche Zunahme zu
vermuthen.

Fassen wir dieß Alles zusammen, so zeigt es sich, daß die
Klagen über zunehmende Noth, „Massenelend“ u. s. w. unbegründet,
nichts als leere Redensarten sind, die man Leuten, welche sie nur
als Agitationsmittel benutzen, nicht nachplaudern sollte. Es gibt
leider noch Elend genug in der Welt, allein daß es zunehme, ist,
wie oben gezeigt, glücklicherweise nicht wahr. Daß die Arbeiter ihre
Lage nicht bessern, daß sie in Folge der jetzigen gesellschaftlichen oder
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 667. Usingen bei Frankfurt a. M., 11. Februar 1870. Politik und Volkswirthschaft. III. Betrachten wir uns nun die Wirklichkeit, so gestalten sich die Folgen der Jakoby'schen schwarzseherischen Annahme noch vortheil- hafter, denn es findet in ihr noch weniger ein Uebergewicht des großen Kapitales Statt. Wird alle grobe Arbeit von Maschinen verrichtet, so bleibt nur die seine und die Aufsicht über die Ma- schinen, die schon an sich besser bezahlt werden. Jeder Bauer, Bäcker, Metzger, Schuhmacher, Schneider, Schreiner, Schlosser, Mechaniker wird mit Maschinen arbeiten, und mehr produziren, wie früher, sich also besser stellen; die Einnahme jedenfalls aller selbständigen Leute -- denn diese werden ja alle Maschinen haben -- wird eine bessere, d. h. die des weitaus größeren Theiles der Bevölkerung. Kaum 30 pCt. der Letzteren besteht aus nichtselbständigen Leuten, wovon ein großer Theil Dienstboten, bei denen man von Noth und Elend kaum reden kann. Zieht man dann ferner alle Söhne und Töchter von Handwerkern ab, die später auch selbständig werden, so bleiben kaum 10 pCt. sogenannter unselbständiger Arbeiter, die als Maschi- nisten, Werkführer, Künstler ec. unterkämen, und gerade in dem neuen Maschinen=Staat sich besser befinden würden als viele von den Andern. Wenn die Maschine fast Alles thut, so wird Niemand mehr grobe Arbeit verrichten wollen, der Lohn für solche wird daher bedeutend steigen. Die Erfahrung lehrt auch in der That, daß überall, wo Maschinen eingeführt werden, der Lohn steigt, und es ist dieß leicht erklärlich. Ein Arbeiter liefert mit der Maschine soviel mehr, daß trotzdem per Stück weniger Lohn bezahlt wird, der Lohn im Ganzen doch steigt. Da durch die Maschinen mehr Erzeugnisse geliefert werden, so steigt auch die Menge der Vorräthe, und da diese immer wieder verzehrt werden müssen, so entsteht auch eine vermehrte Nachfrage nach Arbeitern, so daß auch dadurch der Lohn steigen muß. Außer- dem werden die Preise sinken, und die Arbeiter weniger zur Bestrei- tung ihrer Bedürfnisse brauchen, was ihrerseits wieder zu vermin- dertem Angebot Anlaß gibt. Es wird also in erhöhtem Maße eine Zeit kommen, wie sie in den 50er Jahren zum Theil schon da war, wo nicht das Kapital, sondern die Arbeiter die Uebermacht hatten. Der Lohn wird steigen und der Zins des Kapitalisten herabgedrückt werden. Glaubt denn nun Jakoby im Ernst, daß das große Kapital diesen kleinen Kapitalisten ihre Maschinen u. s. w. abnehmen würde? Es liegt dazu ja nicht der mindeste Anlaß vor; denn die Kleinen verdienen soviel wie vorher, ja sogar mehr. Der große Kapitalist wird im Gegentheil in Verlegenheit sein, was er mit seinem Kapital anfangen soll, da es die Kleinen weniger brauchen. Bezüglich des jetzigen Lohnes wiederholt Jakoby die Lassalle'sche Redensart, daß der Arbeiter „ohne andern Besitz als seine Arbeit- kraft um einen Lohn arbeiten müsse, der höchstens ( ! ) zum noth- dürftigen Lebensunterhalt ausreicht.“ Wir wollen den logischen Widersinn, der in den letzteren Worten liegt, nicht weiter erörtern; denn wenn der Lohn unter den jetzigen Stand sinkt, was leider oft genug der Fall ist, so müßten die Arbeiter verhungern; da dieß aber offenbar nicht geschieht, so ist auch diese Hypothese eine falsche. Die Sparkassen und die Mehrzahl unserer Kapitalisten und Arbeitgeber zeigen außerdem, daß die Behauptung an sich falsch ist. Die meisten selbst der größten Jndustriellen sind aus dem Arbeiterstande hervor- gegangen, was nicht möglich wäre, wenn sie nicht wenigstens etwas Kapital hätten sparen können und wenn Alles vom großen Kapital abhinge. Die Sparkassen nehmen jährlich an Zahl und Bedeutung zu. Der auf den Kopf fallende Betrag ist größer als früher, also kann sich die Lage der unteren Klassen nicht verschlechtert haben. Die Sparkassen Sachsens z. B. hatten im J. 1863: 302,000 Ein- leger mit 9,200,000 Thlr. Kapital oder 30 Thlr. pr. Kopf, im J. 1867: 314,401 Einleger mit 10,820,000 Thlr. Kapital oder beinahe 35 Thlr. pr. Kopf. Jn England liegen 11,666,000 Ls. oder 80,000,000 Thlr, oder 2,7 Thlr. per Kopf der Bevölkerung allein in den Postsparkassen. Jn Amerika kommen gar 281 Doll. auf den Einleger. Jm Kanton Zürich fallen 200 Fr. auf den Ein- leger und 57 Fr. auf den Kopf der Bevölkerung. Jn Preußen waren im Jahr 1866 in den Sparkassen 91,277,000 Thlr. an- gelegt oder 5 Thlr. pr. Kopf der Bevölkerung. Das beweist überall keine Zunahme der Armuth. Noch schärfer aber zeigt dieß der Verbrauch. Wir sehen soeben, daß in einer früheren Nummer d. Bl. ( 606 ) diese Frage bezüglich Englands ziemlich ausführlich erörtert ist. Nach Elliott ist nämlich die Einfuhr in England vom Jahr 1851 -- 1866 gestiegen: von Ochsen um 245 pCt., Schafen 376 pCt., Schinken und Speck um 242 pCt., Fleisch 94 pCt., Butter 235 pCt., Käs 162 pCt., Fischen 411 pCt., Gerste 165 pCt., Hafer 153 pCt., Tabak 308 pCt., Wein 89 pCt., Thee von 53,000,000 Pfd. auf 102,000,000 Pfd., Zucker von 6 Mill. Ctr. auf 10 Mill., Malz von 40 Mill. Bushel auf 54. Jm Durchschnitt von Allem hat die Einfuhr von Lebensmitteln um 50 pCt. zugenommen, also um mehr als das Achtfache der Bevölkerung, die nur um 6 pCt. stieg. Die Gesammtein= und Ausfuhr wuchs von 184 Mill. Ls. auf 436 oder um 137 pCt. Die Preise sind allerdings auch gestiegen, aber nur um 20 pCt., werden übrigens durch das Steigen des Lohnes aus- geglichen. Wenn wir aber auch von den Werthsummen absehen, so zeigt schon die Masse der verzehrten Lebensmittel, daß man besser lebt wie früher, namentlich die unteren Klassen; denn die großen Kapitalisten können doch nicht all' das Fleisch, Speck, Butter ec. verzehren, die Reichen können unmöglich 2 und sogar 3mal so viel essen und trinken als früher. Wer die Wirklichkeit beobachtet, wird im Gegentheil finden, daß die Reichen, was Essen und Trinken be- trifft, ziemlich mäßig sind. Da hier Ueberfluß ihnen zu Gebot steht, so hat er keinen Reiz mehr für sie. Arbeit dagegen ist Anlaß, daß der Arbeiter mehr Lebensmittel verzehrt als der Reiche. Außerdem zeigen die Artikel Wein und Ochsen, die mehr für Reiche bestimmt sind, daß die Zunahme mehr auf die unteren Klassen fällt. Diese Zunahme ist aber in der That für England eine enorme, denn die Aus= und Einfuhr betrug im J. 1866: 6,8 Ls. pr. Kopf und im J. 1868: 16,2 Ls.; bei uns aber sind die Verhältnisse ähnlich, und die Sozialisten behaupten ja gerade, daß es noch nicht so schlimm sei als dort, also ist bei uns eine ähnliche Zunahme zu vermuthen. Fassen wir dieß Alles zusammen, so zeigt es sich, daß die Klagen über zunehmende Noth, „Massenelend“ u. s. w. unbegründet, nichts als leere Redensarten sind, die man Leuten, welche sie nur als Agitationsmittel benutzen, nicht nachplaudern sollte. Es gibt leider noch Elend genug in der Welt, allein daß es zunehme, ist, wie oben gezeigt, glücklicherweise nicht wahr. Daß die Arbeiter ihre Lage nicht bessern, daß sie in Folge der jetzigen gesellschaftlichen oder wie man es lieber nennt „sozialen“ Einrichtungen nicht emporkommen könnten, ist nicht richtig; und es heißt nur die Trägheit, Jndolenz,

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 667. Frankfurt (Hessen), 11. Februar 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0667_1870/1>, abgerufen am 28.03.2024.