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Allgemeine Zeitung. Nr. 49. Augsburg (Bayern), 18. Februar 1871.

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Allgemeine Zeitung.
Nr. 49.
Augsburg, Sonnabend, 18 Februar 1871.


Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.


Preis der einzelnen Nummer mit Beilage 6 kr. oder 2 Ngr. für ganz Deutschland.



[Beginn Spaltensatz]
Uebersicht.

Aus dem englischen Blaubuch. I.

Der Krieg.

Deutsches Reich. München: Uebereinkommen mit der Eidgenossen-
schaft. Zu den Reichstagswahlen. Das Unfehlbarkeitsdogma. Die
Communalschulen in der Pfalz. Karlsruhe: Prinz Wilhelm als
Reichstagscandidat. Berlin: Empfangsvorbereitungen und Friedens-
hoffnungen. Einmischungsgelüste der Neutralen. Bayerische Kriegs-
beute reclamirt. Aus dem Abgeordnetenhause. Die Friedens-
verhandlungen.

Oesterreichisch=ungarische Monarchie. Wien: Reichskanzler
Beust. Angriffe auf Dr. Schäffle. Zur Entstehungsgeschichte des Mini-
steriums Hohenwart. Beust und Andrassy. Prag: Wehrpflichtige
Kleriker. Versammlung des conservativen Adels. Auslegung der
Amnestie.

Großbritannien. Aus beiden Häusern. Notizen.

Frankreich. Die Constituante. Das Theater in Bordeaux. Die Pari-
ser Wahlen. Die 200 Millionen. Wahlen in den Provinzen. Nizza:
Der italienische Putsch. Das Wahlergebniß.

Jtalien. Rom: Roma del Popolo. Concert für deutsche Krieger. Fr.
Overbeck. Parteitreiben.

Schweden und Norwegen. Stockholm: Das neue Wehrgesetz.

Rumänien. Bukarest: Der Brief des Fürsten Karl.

Verschiedenes.

Jndustrie, Handel und Verkehr.



Telegraphische Berichte.

x München, 17 Febr. Die Abgeordnetenkammer genehmigt
40,000 Gulden für den Bamberger Straßenbau, somit ist Gesammtbeschluß
über das Finanzgesetz erzielt. Marquardsen interpellirt: ob die Bestim-
mungen über das Sparcassenwesen nicht im Sinne der Selbstverwaltung
reformirt werden. Der Handelsminister antwortet zusagend.

* München, 17 Febr. Telegraphische Nachricht an das Kriegs-
ministerium. Versailles, 16 Febr., Nachts. Der Waffenstillstand ist
bis zum 25 Febr. Mittags 12 Uhr verlängert und auf den südöstlichen
Kriegsschauplatz ausgedehnt. Die deutschen Truppen behalten Doubs
und Cote d'or, sowie den größten Theil des Juradepartements besetzt.
Die Festung Belfort wird mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden
Material übergeben und am 18 Febr. durch die deutschen Truppen besetzt
werden. Der ungefähr 12,000 Mann betragenden Garnison ist in An-
betracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren
bewilligt worden.

* Berlin, 17 Febr. ( Officiell. ) Versailles, 16 Febr. Der Kaiser
an die Kaiserin: "Heute hat Belfort capitulirt unter freiem Abzug der
12,000 Mann starken Garnison. Der Waffenstillstand ist bis zum 24 ( 25? ) d.
verlängert."

sym8 Berlin, 17 Febr. Jn Versailles laufen Petitionen aus Savoyen
ein, welche die Neutralisirung dieses Landes beantragen.

* Wien, 17 Febr. Der Präsident des obersten Gerichtshofs Hr.
v. Schmerling ist für die Dauer der gegenwärtigen Reichsrathssession zum
Herrenhaus=Präsidenten ernannt.

* Bern, 17 Febr. Der "Bund" meldet: Laut Bericht des Am-
bulanzdirectors aus Delle soll Belfort gestern auf Befehl der Pariser Re-
gierung capitulirt haben. Die Kriegsehren sind zugestanden.

* London, 16 Febr. Unterhaus: Die Regierung erklärt daß die
Gesandtschaft in München nicht wieder besetzt werde; die Besetzung der
Gesandtschaften in Stuttgart, Coburg, Darmstadt und Dresden bleibt wei-
terer Beschlußfassung vorbehalten. Cochran kündigt eine Jnterpellation
darüber an ob die brittische Regierung Schritte thue den Einzug der Deut-
schen in Paris zu verhindern. Hay interpellirt, ob Hr. Russell ermächtigt
war am 20 Nov. dem Grafen Bismarck mitzutheilen daß England eine
willkürliche Vertragslösung Rußlands als Kriegsfall betrachten müsse.
Gladstone erklärt: er beklage diese Aeußerung Russels nicht, trotzdem daß
derselbe hiezu nicht beauftragt gewesen sei. Herbert interpellirt, ob Frank-
reich jüngstens die guten Dienste Englands behufs mäßiger Friedensbedin-
[Spaltenumbruch] gungen angesucht habe. Gladstone erwiedert: die französische Regierung
habe durch Tissot die Hoffnung ausgesprochen England werde behufs
Förderung der Friedensverhandlungen die französifche Regierung schleu-
nigst anerkennen. Granville habe geantwortet: die brittische Regierung
müsse vorerst eine Meinungsäußerung zurückhalten bis die neue franzö-
sische Regierung gewählt sei, werde aber jede Aufforderung zu Freund-
schaftsdiensten bereitwilligst aufnehmen.

* Bukarest, 16 Febr. Die Kammer hat das Entlassungsgesuch ihres
Präsidenten Costaforu angenommen. Anstatt des abgetretenen Hrn. Steege
ist General Ghika zum rumänischen Agenten in Wien ernannt. Der
Senat nahm einen Antrag an welcher dem Fürsten vollste Ergebenheit
ausdrückt und die volle Unterstützung des Senats zusagt.

Liverpool, 16 Febr. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 10,000 B.,
zur Ausfuhr verkauft 2000 Ballen. Stimmung matt. Orleans7 7 / 8, Middling7 5 / 8,
fair Dhollerah6 1 / 4, middl. fair Dhollerah5 3 / 4, good middl. Dyollerah5 1 / 8, fair
Bengal5 7 / 8, fair Oomra6 1 / 2, good fair Oomra6 15 / 16, Pernam8 1 / 8, Smyrne
7 1 / 4, Egyptian8 1 / 4, Tagesimport 42,000 B., davon indische keine, amerikanische
42,000 Ballen.

Aus dem englischen Blaubuch.
I.

* Vom auswärtigen Amte sind dem Parlament zwei starke Blau-
bücher zugegangen, deren eines in 105 Octav=Seiten die "Correspondenz
bezüglich des Vertrags vom März 1856" enthält, und vom 9 November
v. J., wo Baron Brunnow die Gortschakoff'sche Circularnote an Graf
Granville überreichte, bis zum 4 Februar reicht, wo sich als sicher her-
ausstellte daß weder Jules Favre noch irgendein anderer Vertreter Frank-
reichs den leergelassenen Sitz bei der Conferenz einnehmen werde. Neues
von Jnteresse bieten die vorliegenden Documente nicht, und wir können
uns so ziemlich darauf beschränken hervorzuheben daß dieselben in drei
Hauptabtheilungen zusammenfallen: nämlich erstens die ursprüngliche For-
derung des Fürsten Gortschakoff, deren Erwägung seitens der Großmächte
und der Pforte, sowie die beiderseitigen Antworten und Erwiederungen;
zweitens der Vorschlag Preußens zu einer Conferenz, der Depeschenwechsel
bezüglich Tragweite, Ort und Zeit derselben, und drittens die Erörterun-
gen bezüglich des Geleitscheins für Jules Favre und bezüglich der Vertre-
tung Frankreichs. Die Actenstücke gewinnen erst ein größeres Jnteresse
wenn wir an den Punkt kommen wo die betheiligten Mächte -- mit Aus-
nahme Frankreichs -- ihre Bereitwilligkeit zur Theilnahme an der Con-
ferenz angezeigt hatten. Die Regierungsdelegation in Tours konnte von
Jules Favre nicht mehr als den Vorschlag herausbringen: daß der Ver-
tretung von Paris bei der Conferenz ein Waffenstillstand, die abermalige
Verproviantirung von Paris und die Einberufung einer Nationalver-
sammlung vorangehen solle. Dann verlangte Favre ferner: die Frage des
Kriegs und der Stellung Frankreichs solle der Conferenz vorgelegt werden.
Lord Granville erwiederte: was die ersteren Punkte angehe, so könne er
Frankreichs Vorschlag nicht unterstützen, da er keine dictatorische Haltung
gegen Preußen annehmen könne, und was die Ausdehnung der Berathungs-
gegenstände angehe, so müsse er dieß absolut ablehnen. Zugleich schlug
Lord Granville die Bevollmächtigung Hrn. Tissots, des französischen Ge-
schäftsträgers in London, zur Theilnahme an den Conferenzverhandlungen
vor. Dann wurde Lord Granville am 18 December officiell davon in
Kenntniß gesetzt daß ein Vertreter Frankreichs theilnehmen solle; aber nach-
dem die Einladungen bereits ausgegeben waren -- u. a. an Hrn. Tissot
-- und das Zusammentreten der Conferenz auf den 3 Jan. 1871 festgesetzt
war, machte die französische Regierung bekannt daß sie nicht Tissot, son-
dern Favre zu ihrem Vertreter erwählt habe, und zu gleicher Zeit bat sie
einen Geleitschein für ihn vom Grafen Bismarck zu erwirken; die betreffen-
den Unterhandlungen sind bekannt, und inzwischen wurde die Conferenz
bis zum 17 Januar hinausgeschoben, in der Hoffnung hiedurch die Theil-
nahme Favre's zu ermöglichen. Lord Granville war sogar für einen län-
gern Aufschub, aber die Vertreter Oesterreichs und der Türkei hielten ein
weiteres Zögern für unersprießlich. Jn der ersten Sitzung wurde nur die
allgemeine völkerrechtliche Frage erörtert, und die Discussion des Vertrags
ward -- abermals um Jules Favre's willen -- bis zum 26 Januar ver-
tagt. Jnzwischen gestalteten die Verhältnisse in Paris sich derart, daß
Favre seine Reise nach London aufgab, und daß sonach die Conferenz ohne
Frankreichs Mitwirkung ihren Fortgang nahm. Das Räthsel weßhalb
nicht an Stelle Favre's ein anderer Vertreter nach London geschickt wurde,
ist in dem Blaubuch nicht aufgeklärt.


[Ende Spaltensatz]
Allgemeine Zeitung.
Nr. 49.
Augsburg, Sonnabend, 18 Februar 1871.


Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.


Preis der einzelnen Nummer mit Beilage 6 kr. oder 2 Ngr. für ganz Deutschland.



[Beginn Spaltensatz]
Uebersicht.

Aus dem englischen Blaubuch. I.

Der Krieg.

Deutsches Reich. München: Uebereinkommen mit der Eidgenossen-
schaft. Zu den Reichstagswahlen. Das Unfehlbarkeitsdogma. Die
Communalschulen in der Pfalz. Karlsruhe: Prinz Wilhelm als
Reichstagscandidat. Berlin: Empfangsvorbereitungen und Friedens-
hoffnungen. Einmischungsgelüste der Neutralen. Bayerische Kriegs-
beute reclamirt. Aus dem Abgeordnetenhause. Die Friedens-
verhandlungen.

Oesterreichisch=ungarische Monarchie. Wien: Reichskanzler
Beust. Angriffe auf Dr. Schäffle. Zur Entstehungsgeschichte des Mini-
steriums Hohenwart. Beust und Andrassy. Prag: Wehrpflichtige
Kleriker. Versammlung des conservativen Adels. Auslegung der
Amnestie.

Großbritannien. Aus beiden Häusern. Notizen.

Frankreich. Die Constituante. Das Theater in Bordeaux. Die Pari-
ser Wahlen. Die 200 Millionen. Wahlen in den Provinzen. Nizza:
Der italienische Putsch. Das Wahlergebniß.

Jtalien. Rom: Roma del Popolo. Concert für deutsche Krieger. Fr.
Overbeck. Parteitreiben.

Schweden und Norwegen. Stockholm: Das neue Wehrgesetz.

Rumänien. Bukarest: Der Brief des Fürsten Karl.

Verschiedenes.

Jndustrie, Handel und Verkehr.



Telegraphische Berichte.

× München, 17 Febr. Die Abgeordnetenkammer genehmigt
40,000 Gulden für den Bamberger Straßenbau, somit ist Gesammtbeschluß
über das Finanzgesetz erzielt. Marquardsen interpellirt: ob die Bestim-
mungen über das Sparcassenwesen nicht im Sinne der Selbstverwaltung
reformirt werden. Der Handelsminister antwortet zusagend.

* München, 17 Febr. Telegraphische Nachricht an das Kriegs-
ministerium. Versailles, 16 Febr., Nachts. Der Waffenstillstand ist
bis zum 25 Febr. Mittags 12 Uhr verlängert und auf den südöstlichen
Kriegsschauplatz ausgedehnt. Die deutschen Truppen behalten Doubs
und Côte d'or, sowie den größten Theil des Juradepartements besetzt.
Die Festung Belfort wird mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden
Material übergeben und am 18 Febr. durch die deutschen Truppen besetzt
werden. Der ungefähr 12,000 Mann betragenden Garnison ist in An-
betracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren
bewilligt worden.

* Berlin, 17 Febr. ( Officiell. ) Versailles, 16 Febr. Der Kaiser
an die Kaiserin: „Heute hat Belfort capitulirt unter freiem Abzug der
12,000 Mann starken Garnison. Der Waffenstillstand ist bis zum 24 ( 25? ) d.
verlängert.“

sym8 Berlin, 17 Febr. Jn Versailles laufen Petitionen aus Savoyen
ein, welche die Neutralisirung dieses Landes beantragen.

* Wien, 17 Febr. Der Präsident des obersten Gerichtshofs Hr.
v. Schmerling ist für die Dauer der gegenwärtigen Reichsrathssession zum
Herrenhaus=Präsidenten ernannt.

* Bern, 17 Febr. Der „Bund“ meldet: Laut Bericht des Am-
bulanzdirectors aus Delle soll Belfort gestern auf Befehl der Pariser Re-
gierung capitulirt haben. Die Kriegsehren sind zugestanden.

* London, 16 Febr. Unterhaus: Die Regierung erklärt daß die
Gesandtschaft in München nicht wieder besetzt werde; die Besetzung der
Gesandtschaften in Stuttgart, Coburg, Darmstadt und Dresden bleibt wei-
terer Beschlußfassung vorbehalten. Cochran kündigt eine Jnterpellation
darüber an ob die brittische Regierung Schritte thue den Einzug der Deut-
schen in Paris zu verhindern. Hay interpellirt, ob Hr. Russell ermächtigt
war am 20 Nov. dem Grafen Bismarck mitzutheilen daß England eine
willkürliche Vertragslösung Rußlands als Kriegsfall betrachten müsse.
Gladstone erklärt: er beklage diese Aeußerung Russels nicht, trotzdem daß
derselbe hiezu nicht beauftragt gewesen sei. Herbert interpellirt, ob Frank-
reich jüngstens die guten Dienste Englands behufs mäßiger Friedensbedin-
[Spaltenumbruch] gungen angesucht habe. Gladstone erwiedert: die französische Regierung
habe durch Tissot die Hoffnung ausgesprochen England werde behufs
Förderung der Friedensverhandlungen die französifche Regierung schleu-
nigst anerkennen. Granville habe geantwortet: die brittische Regierung
müsse vorerst eine Meinungsäußerung zurückhalten bis die neue franzö-
sische Regierung gewählt sei, werde aber jede Aufforderung zu Freund-
schaftsdiensten bereitwilligst aufnehmen.

* Bukarest, 16 Febr. Die Kammer hat das Entlassungsgesuch ihres
Präsidenten Costaforu angenommen. Anstatt des abgetretenen Hrn. Steege
ist General Ghika zum rumänischen Agenten in Wien ernannt. Der
Senat nahm einen Antrag an welcher dem Fürsten vollste Ergebenheit
ausdrückt und die volle Unterstützung des Senats zusagt.

Liverpool, 16 Febr. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 10,000 B.,
zur Ausfuhr verkauft 2000 Ballen. Stimmung matt. Orleans7 7 / 8, Middling7 5 / 8,
fair Dhollerah6 1 / 4, middl. fair Dhollerah5 3 / 4, good middl. Dyollerah5 1 / 8, fair
Bengal5 7 / 8, fair Oomra6 1 / 2, good fair Oomra6 15 / 16, Pernam8 1 / 8, Smyrne
7 1 / 4, Egyptian8 1 / 4, Tagesimport 42,000 B., davon indische keine, amerikanische
42,000 Ballen.

Aus dem englischen Blaubuch.
I.

* Vom auswärtigen Amte sind dem Parlament zwei starke Blau-
bücher zugegangen, deren eines in 105 Octav=Seiten die „Correspondenz
bezüglich des Vertrags vom März 1856“ enthält, und vom 9 November
v. J., wo Baron Brunnow die Gortschakoff'sche Circularnote an Graf
Granville überreichte, bis zum 4 Februar reicht, wo sich als sicher her-
ausstellte daß weder Jules Favre noch irgendein anderer Vertreter Frank-
reichs den leergelassenen Sitz bei der Conferenz einnehmen werde. Neues
von Jnteresse bieten die vorliegenden Documente nicht, und wir können
uns so ziemlich darauf beschränken hervorzuheben daß dieselben in drei
Hauptabtheilungen zusammenfallen: nämlich erstens die ursprüngliche For-
derung des Fürsten Gortschakoff, deren Erwägung seitens der Großmächte
und der Pforte, sowie die beiderseitigen Antworten und Erwiederungen;
zweitens der Vorschlag Preußens zu einer Conferenz, der Depeschenwechsel
bezüglich Tragweite, Ort und Zeit derselben, und drittens die Erörterun-
gen bezüglich des Geleitscheins für Jules Favre und bezüglich der Vertre-
tung Frankreichs. Die Actenstücke gewinnen erst ein größeres Jnteresse
wenn wir an den Punkt kommen wo die betheiligten Mächte -- mit Aus-
nahme Frankreichs -- ihre Bereitwilligkeit zur Theilnahme an der Con-
ferenz angezeigt hatten. Die Regierungsdelegation in Tours konnte von
Jules Favre nicht mehr als den Vorschlag herausbringen: daß der Ver-
tretung von Paris bei der Conferenz ein Waffenstillstand, die abermalige
Verproviantirung von Paris und die Einberufung einer Nationalver-
sammlung vorangehen solle. Dann verlangte Favre ferner: die Frage des
Kriegs und der Stellung Frankreichs solle der Conferenz vorgelegt werden.
Lord Granville erwiederte: was die ersteren Punkte angehe, so könne er
Frankreichs Vorschlag nicht unterstützen, da er keine dictatorische Haltung
gegen Preußen annehmen könne, und was die Ausdehnung der Berathungs-
gegenstände angehe, so müsse er dieß absolut ablehnen. Zugleich schlug
Lord Granville die Bevollmächtigung Hrn. Tissots, des französischen Ge-
schäftsträgers in London, zur Theilnahme an den Conferenzverhandlungen
vor. Dann wurde Lord Granville am 18 December officiell davon in
Kenntniß gesetzt daß ein Vertreter Frankreichs theilnehmen solle; aber nach-
dem die Einladungen bereits ausgegeben waren -- u. a. an Hrn. Tissot
-- und das Zusammentreten der Conferenz auf den 3 Jan. 1871 festgesetzt
war, machte die französische Regierung bekannt daß sie nicht Tissot, son-
dern Favre zu ihrem Vertreter erwählt habe, und zu gleicher Zeit bat sie
einen Geleitschein für ihn vom Grafen Bismarck zu erwirken; die betreffen-
den Unterhandlungen sind bekannt, und inzwischen wurde die Conferenz
bis zum 17 Januar hinausgeschoben, in der Hoffnung hiedurch die Theil-
nahme Favre's zu ermöglichen. Lord Granville war sogar für einen län-
gern Aufschub, aber die Vertreter Oesterreichs und der Türkei hielten ein
weiteres Zögern für unersprießlich. Jn der ersten Sitzung wurde nur die
allgemeine völkerrechtliche Frage erörtert, und die Discussion des Vertrags
ward -- abermals um Jules Favre's willen -- bis zum 26 Januar ver-
tagt. Jnzwischen gestalteten die Verhältnisse in Paris sich derart, daß
Favre seine Reise nach London aufgab, und daß sonach die Conferenz ohne
Frankreichs Mitwirkung ihren Fortgang nahm. Das Räthsel weßhalb
nicht an Stelle Favre's ein anderer Vertreter nach London geschickt wurde,
ist in dem Blaubuch nicht aufgeklärt.


[Ende Spaltensatz]
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[0001] Allgemeine Zeitung. Nr. 49. Augsburg, Sonnabend, 18 Februar 1871. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen. Preis der einzelnen Nummer mit Beilage 6 kr. oder 2 Ngr. für ganz Deutschland. Uebersicht. Aus dem englischen Blaubuch. I. Der Krieg. Deutsches Reich. München: Uebereinkommen mit der Eidgenossen- schaft. Zu den Reichstagswahlen. Das Unfehlbarkeitsdogma. Die Communalschulen in der Pfalz. Karlsruhe: Prinz Wilhelm als Reichstagscandidat. Berlin: Empfangsvorbereitungen und Friedens- hoffnungen. Einmischungsgelüste der Neutralen. Bayerische Kriegs- beute reclamirt. Aus dem Abgeordnetenhause. Die Friedens- verhandlungen. Oesterreichisch=ungarische Monarchie. Wien: Reichskanzler Beust. Angriffe auf Dr. Schäffle. Zur Entstehungsgeschichte des Mini- steriums Hohenwart. Beust und Andrassy. Prag: Wehrpflichtige Kleriker. Versammlung des conservativen Adels. Auslegung der Amnestie. Großbritannien. Aus beiden Häusern. Notizen. Frankreich. Die Constituante. Das Theater in Bordeaux. Die Pari- ser Wahlen. Die 200 Millionen. Wahlen in den Provinzen. Nizza: Der italienische Putsch. Das Wahlergebniß. Jtalien. Rom: Roma del Popolo. Concert für deutsche Krieger. Fr. Overbeck. Parteitreiben. Schweden und Norwegen. Stockholm: Das neue Wehrgesetz. Rumänien. Bukarest: Der Brief des Fürsten Karl. Verschiedenes. Jndustrie, Handel und Verkehr. Telegraphische Berichte. × München, 17 Febr. Die Abgeordnetenkammer genehmigt 40,000 Gulden für den Bamberger Straßenbau, somit ist Gesammtbeschluß über das Finanzgesetz erzielt. Marquardsen interpellirt: ob die Bestim- mungen über das Sparcassenwesen nicht im Sinne der Selbstverwaltung reformirt werden. Der Handelsminister antwortet zusagend. * München, 17 Febr. Telegraphische Nachricht an das Kriegs- ministerium. Versailles, 16 Febr., Nachts. Der Waffenstillstand ist bis zum 25 Febr. Mittags 12 Uhr verlängert und auf den südöstlichen Kriegsschauplatz ausgedehnt. Die deutschen Truppen behalten Doubs und Côte d'or, sowie den größten Theil des Juradepartements besetzt. Die Festung Belfort wird mit dem zur Armirung des Platzes gehörenden Material übergeben und am 18 Febr. durch die deutschen Truppen besetzt werden. Der ungefähr 12,000 Mann betragenden Garnison ist in An- betracht ihrer tapfern Vertheidigung freier Abzug mit militärischen Ehren bewilligt worden. * Berlin, 17 Febr. ( Officiell. ) Versailles, 16 Febr. Der Kaiser an die Kaiserin: „Heute hat Belfort capitulirt unter freiem Abzug der 12,000 Mann starken Garnison. Der Waffenstillstand ist bis zum 24 ( 25? ) d. verlängert.“ sym8 Berlin, 17 Febr. Jn Versailles laufen Petitionen aus Savoyen ein, welche die Neutralisirung dieses Landes beantragen. * Wien, 17 Febr. Der Präsident des obersten Gerichtshofs Hr. v. Schmerling ist für die Dauer der gegenwärtigen Reichsrathssession zum Herrenhaus=Präsidenten ernannt. * Bern, 17 Febr. Der „Bund“ meldet: Laut Bericht des Am- bulanzdirectors aus Delle soll Belfort gestern auf Befehl der Pariser Re- gierung capitulirt haben. Die Kriegsehren sind zugestanden. * London, 16 Febr. Unterhaus: Die Regierung erklärt daß die Gesandtschaft in München nicht wieder besetzt werde; die Besetzung der Gesandtschaften in Stuttgart, Coburg, Darmstadt und Dresden bleibt wei- terer Beschlußfassung vorbehalten. Cochran kündigt eine Jnterpellation darüber an ob die brittische Regierung Schritte thue den Einzug der Deut- schen in Paris zu verhindern. Hay interpellirt, ob Hr. Russell ermächtigt war am 20 Nov. dem Grafen Bismarck mitzutheilen daß England eine willkürliche Vertragslösung Rußlands als Kriegsfall betrachten müsse. Gladstone erklärt: er beklage diese Aeußerung Russels nicht, trotzdem daß derselbe hiezu nicht beauftragt gewesen sei. Herbert interpellirt, ob Frank- reich jüngstens die guten Dienste Englands behufs mäßiger Friedensbedin- gungen angesucht habe. Gladstone erwiedert: die französische Regierung habe durch Tissot die Hoffnung ausgesprochen England werde behufs Förderung der Friedensverhandlungen die französifche Regierung schleu- nigst anerkennen. Granville habe geantwortet: die brittische Regierung müsse vorerst eine Meinungsäußerung zurückhalten bis die neue franzö- sische Regierung gewählt sei, werde aber jede Aufforderung zu Freund- schaftsdiensten bereitwilligst aufnehmen. * Bukarest, 16 Febr. Die Kammer hat das Entlassungsgesuch ihres Präsidenten Costaforu angenommen. Anstatt des abgetretenen Hrn. Steege ist General Ghika zum rumänischen Agenten in Wien ernannt. Der Senat nahm einen Antrag an welcher dem Fürsten vollste Ergebenheit ausdrückt und die volle Unterstützung des Senats zusagt. ⁑ Liverpool, 16 Febr. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 10,000 B., zur Ausfuhr verkauft 2000 Ballen. Stimmung matt. Orleans7 7 / 8, Middling7 5 / 8, fair Dhollerah6 1 / 4, middl. fair Dhollerah5 3 / 4, good middl. Dyollerah5 1 / 8, fair Bengal5 7 / 8, fair Oomra6 1 / 2, good fair Oomra6 15 / 16, Pernam8 1 / 8, Smyrne 7 1 / 4, Egyptian8 1 / 4, Tagesimport 42,000 B., davon indische keine, amerikanische 42,000 Ballen. Aus dem englischen Blaubuch. I. * Vom auswärtigen Amte sind dem Parlament zwei starke Blau- bücher zugegangen, deren eines in 105 Octav=Seiten die „Correspondenz bezüglich des Vertrags vom März 1856“ enthält, und vom 9 November v. J., wo Baron Brunnow die Gortschakoff'sche Circularnote an Graf Granville überreichte, bis zum 4 Februar reicht, wo sich als sicher her- ausstellte daß weder Jules Favre noch irgendein anderer Vertreter Frank- reichs den leergelassenen Sitz bei der Conferenz einnehmen werde. Neues von Jnteresse bieten die vorliegenden Documente nicht, und wir können uns so ziemlich darauf beschränken hervorzuheben daß dieselben in drei Hauptabtheilungen zusammenfallen: nämlich erstens die ursprüngliche For- derung des Fürsten Gortschakoff, deren Erwägung seitens der Großmächte und der Pforte, sowie die beiderseitigen Antworten und Erwiederungen; zweitens der Vorschlag Preußens zu einer Conferenz, der Depeschenwechsel bezüglich Tragweite, Ort und Zeit derselben, und drittens die Erörterun- gen bezüglich des Geleitscheins für Jules Favre und bezüglich der Vertre- tung Frankreichs. Die Actenstücke gewinnen erst ein größeres Jnteresse wenn wir an den Punkt kommen wo die betheiligten Mächte -- mit Aus- nahme Frankreichs -- ihre Bereitwilligkeit zur Theilnahme an der Con- ferenz angezeigt hatten. Die Regierungsdelegation in Tours konnte von Jules Favre nicht mehr als den Vorschlag herausbringen: daß der Ver- tretung von Paris bei der Conferenz ein Waffenstillstand, die abermalige Verproviantirung von Paris und die Einberufung einer Nationalver- sammlung vorangehen solle. Dann verlangte Favre ferner: die Frage des Kriegs und der Stellung Frankreichs solle der Conferenz vorgelegt werden. Lord Granville erwiederte: was die ersteren Punkte angehe, so könne er Frankreichs Vorschlag nicht unterstützen, da er keine dictatorische Haltung gegen Preußen annehmen könne, und was die Ausdehnung der Berathungs- gegenstände angehe, so müsse er dieß absolut ablehnen. Zugleich schlug Lord Granville die Bevollmächtigung Hrn. Tissots, des französischen Ge- schäftsträgers in London, zur Theilnahme an den Conferenzverhandlungen vor. Dann wurde Lord Granville am 18 December officiell davon in Kenntniß gesetzt daß ein Vertreter Frankreichs theilnehmen solle; aber nach- dem die Einladungen bereits ausgegeben waren -- u. a. an Hrn. Tissot -- und das Zusammentreten der Conferenz auf den 3 Jan. 1871 festgesetzt war, machte die französische Regierung bekannt daß sie nicht Tissot, son- dern Favre zu ihrem Vertreter erwählt habe, und zu gleicher Zeit bat sie einen Geleitschein für ihn vom Grafen Bismarck zu erwirken; die betreffen- den Unterhandlungen sind bekannt, und inzwischen wurde die Conferenz bis zum 17 Januar hinausgeschoben, in der Hoffnung hiedurch die Theil- nahme Favre's zu ermöglichen. Lord Granville war sogar für einen län- gern Aufschub, aber die Vertreter Oesterreichs und der Türkei hielten ein weiteres Zögern für unersprießlich. Jn der ersten Sitzung wurde nur die allgemeine völkerrechtliche Frage erörtert, und die Discussion des Vertrags ward -- abermals um Jules Favre's willen -- bis zum 26 Januar ver- tagt. Jnzwischen gestalteten die Verhältnisse in Paris sich derart, daß Favre seine Reise nach London aufgab, und daß sonach die Conferenz ohne Frankreichs Mitwirkung ihren Fortgang nahm. Das Räthsel weßhalb nicht an Stelle Favre's ein anderer Vertreter nach London geschickt wurde, ist in dem Blaubuch nicht aufgeklärt.

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Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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  • Kustoden: nicht übernommen.
  • langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.



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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 49. Augsburg (Bayern), 18. Februar 1871, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg49_1871/1>, abgerufen am 29.03.2024.