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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 23. März 1847.

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Allgemeine Auswanderungs = Zeitung.
[Beginn Spaltensatz]
Organ
für
Kunde aus deutschen Ansiedlungen,
für Rath und That
zu Gunsten der fortziehenden Brüder,
sowie für
Oeffentlichkeit in Auswanderungs-
sachen überhaupt.
Erstes Semester.

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[Spaltenumbruch]
Mit
statistischen Uebersichten, Karten
und Plänen,

sowie mit einem
Jntelligenzblatte
für Bekanntmachungen von
Behörden u. Privaten.
( Mich. 1846 bis Ostern 1847. )

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]
Pränumerationspreis des halben Jahrgangs bei allen
Buchhandlungen und Fürstl. Thurn und Tarischen
Postanstalten 1 1 / 6 Rl. == 2 fl 6 Xr.

[Spaltenumbruch]
Nro 25.
Dienstag, 23. März 1847.
[Spaltenumbruch]
[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
Was man zu erwarten hat,
wenn man zum Zwecke der Auswanderung sich bemühet, eine Gesell-
schaft zusammenzubringen.

Das undankbarste Unternehmen, welches vielleicht in bester
Absicht unternommen wird, ist die Bemühung, eine Gesellschaft
zusammenzubringen, mit der man wünscht namentlich nach Amerika
auszuwandern.

Es tritt irgend Jemand auf, welcher selbst von der Hoffnung
erfüllt ist, dort drüben eine neue glücklichere Heimath zu finden.
Er kennt vielleicht das Land, wohin er wandern will, nur durch
Schriften, oder hat es nur flüchtig besehen. Er hofft, durch eine
größere oder kleinere Zahl Gefährten, durch das Mitwirken vieler
Hände zu einem Zwecke, werde es ihm leichter gelingen. Selbst
mit rosenfarbenen, mit übertriebenen Hoffnungen erfüllt, sucht er
sie auch Andern mitzutheilen. Es gelingt ihm auch; denn in einer
gleichen Stimmung Menschen zu finden, ist jetzt nichts Schweres
mehr, jetzt, wo die Auswanderungslust nicht blos mehr Specu-
lation, ja selbst nicht mehr blos Krankheit, wo sie zur Wuth ge-
worden ist.

Eine Zahl Menschen, bei welchen der Wunsch auszuwandern
längst in der Seele geschlummert hat, wird durch ihn aufgeregt;
sie glauben mit ihm eine gute Gelegenheit zu finden; ohne ihn
zu kennen, wählen sie ihn zu ihrem Führer, übertragen ihm die
Besorgung der Plätze und weitere europäische Geschäfte zu ihrer
Ueberfahrt. Er bemüht sich sehr, er besorgt Alles aufs Beste
nach seinen Kräften. Er correspondirt mit Allen und vielleicht
hat er nichts für alle seine Mühe, kaum Entschädigung für Porto-
Auslage. Aber selbst um sich für diese zu entschädigen, muß er
sich kleine Vortheile anmaßen welche späterhin entdeckt, ihm als
Betrügereien angerechnet werden. Jndeß ist die Sache gediehen,
die Zeit rückt heran und von Ost und West läuft die Gesellschaft
[Spaltenumbruch] am Einschiffungsplatze zusammen, und schon jetzt findet man, daß
man sich vielseitig getäuscht hat. Der Unternehmer ist vielleicht
ein junger Mann, phantastisch, ohne Erfahrung; er selbst findet
in der Gesellschaft Viele zu alt, Manche zu jung, aus manchem
Gesichte lauscht der Schelm, der Schalk, auch wohl der Galgen.
Die werthe Gesellschaft wird schon jetzt anfangen, bittern Tadel
auf ihn zu werfen. Mein Gott, werden sie sagen, in diesem engen
halbdunkeln Raume sollen 2 -- 300 Menschen wohnen, in dieser
engen Bettstelle sollen 5 Menschen schlafen? Gab es denn für
unser vieles Geld keine bessere Gelegenheit zur Ueberfahrt? Ge-
wiß hat der Herr Unternehmer selbst bei der Besorgung reichlich
sein Pfeifchen geschnitten.

Doch die Hoffnungen, mit welchen man angefüllt ist, über-
täuben den Unwillen; man schifft sich ein, die Reise geht fort.
Aber schon in den ersten Tagen stellt sich ein böser Gast, es stellt
sich die Seekrankheit ein; sie verwandelt das Schiff in ein Lazareth,
wirft ganze Familien, die bisher zu Hause auf weichen Feder-
betten ruhten, auf ein hartes schwankendes Krankenbett. Sie ist,
wenn keine organischen Fehler da sind ( in diesem Falle wird sie
manchmal tödlich ) , keine gefährliche, aber eine sehr niederdrückende,
höchst unangenehme Krankheit. Wer je die Reise auf einem Passa-
gierschiffe machte, wird den Jammer bemerkt haben, welcher dort
herrscht, so lange, sie wüthet. Hier schon wird manches Wort
hörbar werden, voll Bedauerns, den lieben heimischen Heerd,
wo man es so gut hatte, wo man auf festem Boden die Nächte
ruhig schlafen konnte, verlassen zu haben, hervorbrechen. Mancher
Vorwurf wird ihn treffen, der vielleicht ebenso leidend, doch in
der Kajüte bequemer gelagert, durch seine Vorspiegelungen eine
Zahl Menschen in dieses traurige Verhältniß gelockt hat.

Doch vergeht sie bald die traurige, unangenehme Seekrank-
heit, aber anderes Ungemach erscheint; der Abgrund, über welchem
man dahinrauscht, ist bodenlos, leicht aufregbar, stürmisch. Selten

Allgemeine Auswanderungs = Zeitung.
[Beginn Spaltensatz]
Organ
für
Kunde aus deutschen Ansiedlungen,
für Rath und That
zu Gunsten der fortziehenden Brüder,
sowie für
Oeffentlichkeit in Auswanderungs-
sachen überhaupt.
Erstes Semester.

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Mit
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und Plänen,

sowie mit einem
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für Bekanntmachungen von
Behörden u. Privaten.
( Mich. 1846 bis Ostern 1847. )

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Buchhandlungen und Fürstl. Thurn und Tarischen
Postanstalten 1 1 / 6 Rl. == 2 fl 6 Xr.

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Nro 25.
Dienstag, 23. März 1847.
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Was man zu erwarten hat,
wenn man zum Zwecke der Auswanderung sich bemühet, eine Gesell-
schaft zusammenzubringen.

Das undankbarste Unternehmen, welches vielleicht in bester
Absicht unternommen wird, ist die Bemühung, eine Gesellschaft
zusammenzubringen, mit der man wünscht namentlich nach Amerika
auszuwandern.

Es tritt irgend Jemand auf, welcher selbst von der Hoffnung
erfüllt ist, dort drüben eine neue glücklichere Heimath zu finden.
Er kennt vielleicht das Land, wohin er wandern will, nur durch
Schriften, oder hat es nur flüchtig besehen. Er hofft, durch eine
größere oder kleinere Zahl Gefährten, durch das Mitwirken vieler
Hände zu einem Zwecke, werde es ihm leichter gelingen. Selbst
mit rosenfarbenen, mit übertriebenen Hoffnungen erfüllt, sucht er
sie auch Andern mitzutheilen. Es gelingt ihm auch; denn in einer
gleichen Stimmung Menschen zu finden, ist jetzt nichts Schweres
mehr, jetzt, wo die Auswanderungslust nicht blos mehr Specu-
lation, ja selbst nicht mehr blos Krankheit, wo sie zur Wuth ge-
worden ist.

Eine Zahl Menschen, bei welchen der Wunsch auszuwandern
längst in der Seele geschlummert hat, wird durch ihn aufgeregt;
sie glauben mit ihm eine gute Gelegenheit zu finden; ohne ihn
zu kennen, wählen sie ihn zu ihrem Führer, übertragen ihm die
Besorgung der Plätze und weitere europäische Geschäfte zu ihrer
Ueberfahrt. Er bemüht sich sehr, er besorgt Alles aufs Beste
nach seinen Kräften. Er correspondirt mit Allen und vielleicht
hat er nichts für alle seine Mühe, kaum Entschädigung für Porto-
Auslage. Aber selbst um sich für diese zu entschädigen, muß er
sich kleine Vortheile anmaßen welche späterhin entdeckt, ihm als
Betrügereien angerechnet werden. Jndeß ist die Sache gediehen,
die Zeit rückt heran und von Ost und West läuft die Gesellschaft
[Spaltenumbruch] am Einschiffungsplatze zusammen, und schon jetzt findet man, daß
man sich vielseitig getäuscht hat. Der Unternehmer ist vielleicht
ein junger Mann, phantastisch, ohne Erfahrung; er selbst findet
in der Gesellschaft Viele zu alt, Manche zu jung, aus manchem
Gesichte lauscht der Schelm, der Schalk, auch wohl der Galgen.
Die werthe Gesellschaft wird schon jetzt anfangen, bittern Tadel
auf ihn zu werfen. Mein Gott, werden sie sagen, in diesem engen
halbdunkeln Raume sollen 2 -- 300 Menschen wohnen, in dieser
engen Bettstelle sollen 5 Menschen schlafen? Gab es denn für
unser vieles Geld keine bessere Gelegenheit zur Ueberfahrt? Ge-
wiß hat der Herr Unternehmer selbst bei der Besorgung reichlich
sein Pfeifchen geschnitten.

Doch die Hoffnungen, mit welchen man angefüllt ist, über-
täuben den Unwillen; man schifft sich ein, die Reise geht fort.
Aber schon in den ersten Tagen stellt sich ein böser Gast, es stellt
sich die Seekrankheit ein; sie verwandelt das Schiff in ein Lazareth,
wirft ganze Familien, die bisher zu Hause auf weichen Feder-
betten ruhten, auf ein hartes schwankendes Krankenbett. Sie ist,
wenn keine organischen Fehler da sind ( in diesem Falle wird sie
manchmal tödlich ) , keine gefährliche, aber eine sehr niederdrückende,
höchst unangenehme Krankheit. Wer je die Reise auf einem Passa-
gierschiffe machte, wird den Jammer bemerkt haben, welcher dort
herrscht, so lange, sie wüthet. Hier schon wird manches Wort
hörbar werden, voll Bedauerns, den lieben heimischen Heerd,
wo man es so gut hatte, wo man auf festem Boden die Nächte
ruhig schlafen konnte, verlassen zu haben, hervorbrechen. Mancher
Vorwurf wird ihn treffen, der vielleicht ebenso leidend, doch in
der Kajüte bequemer gelagert, durch seine Vorspiegelungen eine
Zahl Menschen in dieses traurige Verhältniß gelockt hat.

Doch vergeht sie bald die traurige, unangenehme Seekrank-
heit, aber anderes Ungemach erscheint; der Abgrund, über welchem
man dahinrauscht, ist bodenlos, leicht aufregbar, stürmisch. Selten

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 25. Rudolstadt, 23. März 1847, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer25_1847/1>, abgerufen am 19.04.2024.