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Die Bayerische Presse. Nr. 209. Würzburg, 31. August 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

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titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

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Nr. 209.
Würzburg, Samstag den 31. August. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Die preußische Union.

Von Berlin aus wird schon wieder eine neue
Zeitungsente in die Welt gesendet, die wohl Je-
dermann nach ihrem wahren Werth würdigen wird.
Die officiösen Berliner Correspondenzen verschie-
dener deutschen Blätter verkünden jetzt nichts Ge-
ringeres, als daß Oesterreich Preußen das Recht
zur Gründung der Union einräumen werde. Wir
haben Grund, zu vermuthen, daß es sich hier
wieder um eine jener Entstellungen der Thatsa-
chen und der Wahrheit handelt, wie wir sie be-
sonders in der jüngsten Zeit zu Dutzenden von
Berlin her schon erlebt haben. Unter allen Um-
ständen hat die "Weser=Ztg." recht, wenn sie
scharf unterscheidet zwischen einer deutschen Union,
wie sie am 27. Mai 1849 projectirt war, und
einer preußischen. Die "Weser = Ztg." macht auf
den Umstand aufmerksam, daß Preußen in seinen
jüngsten Aktenstücken an Oesterreich die früher ge-
stellte Forderung auf Anerkennung der Union habe
fallen lassen, und damit die deutsche Union auf-
gegeben habe. Jm Berliner Ministerrath werde
jetzt nur darüber debattirt, "in welcher Weise die
preuß. Union, d. h. die Unterwerfung einiger klei-
neren norddeutschen Staaten unter den unmittel-
baren Einfluß Preußens, aus dem gegenwärtigen
Chaos der Dinge am Besten auf's Trockene ge-
bracht werden könnte. Diese preuß. Union steht
mit der deutschen im unvereinbaren Gegensatze."
Für den Bundesstaat, wie ihn das Organ der
Gothaer an der Weser im Sinne hatte, sei von
einer der Bundesversammlung untergebenen Union
nichts zu erwarten, sobald Preußen mit Oester-
reich und der Gesammtheit der deutschen Staaten
über die Wiederherstellung eines Bundesorgans
unterhandle. Preußen möge dann immerhin von
der Fortsührung der Union mit Wenigen zu re-
den fortfahren -- und mögen Staaten wie Des-
sau und Köthen sich dieser nachbarlichen Umar-
mung nicht wohl erwehren können; aber das wis-
sen wir -- fügt die "Weser=Ztg." hinzu -- daß
die norddeutschen Küstenstaaten "wenigstens nicht
sich durch eine preuß. Escamotirung die Schlange
statt des Fisches zuspielen lassen werden." Darum
kommt sie auf den schon neulich von ihr ausge-
sprochenen Satz zurück, daß die kleineren deutschen
Staaten, vornemlich die norddeutschen, sich von
dem Berliner Bündniß lossagen sollen, daß sie
dazu im Stande seien, "um so ihre Ehre, ihr
Recht und ihr Jnteresse zu wahren." Die "Dtsch.
Reichszeitung" ( zu Braunschweig erscheinend ) hatte
dagegen gemeint, der nationale Standpunkt ge-
biete, auch noch ferner die Union als ein Bünd-
niß aufrecht zu halten, dessen Zweck ein überein-
stimmendes Handeln in dem Streit um die Ord-
nung der deutschen Verfassungsverhältnisse sei. Die
Union soll auf diese Weise lediglich ein Zusam-
menstehen einer Anzahl kleiner Staaten mit Preu-
ßen für den Zweck der Herstellung einer deutschen
Verfassung bewirken. -- Die "Weser = Ztg." ist
dadurch aber keineswegs beruhigt, sie besorgt, daß
so die norddeutschen Staaten am Ende doch das
Schicksal treffen könnte, von Preußen aufgespeist
zu werden, und daher erhebt sie abermals ihre
warnende Stimme dahin: "Die Regierungen vor-
nemlich der norddeutschen Staaten sollen Acht ha-
ben, daß nicht ihr äußerliches Festhalten an dem
[Spaltenumbruch] preuß. Bündnisse, nachdem dasselbe seine eigentliche
Bedeutung verloren hat, zur Begrundung irgend
einer dauernden Oberherrlichkeit Preußens über
diese norddeutschen Staaten ausgebeutet werde."
Daß eine solche Befürchtung nicht am unrechten
Platze sei, begründet die "Weser=Ztg." noch aus-
führlicher. "Denn -- sagt sie -- nicht allein in
der Unionsgesetzgebung, welche allerdings ohne
Mitwirkung des Parlaments ( und daß Preußen
nicht daran denke, dieses zu berufen, hatte auch
die "Dtsch. Reichsztg." zugestanden ) ohne Rechts-
kraft für die einzelnen Staaten bleibt, könnte der
preuß. Einfluß das Mittel für seine Zwecke fin-
den; auch das Bündniß vom 26. Mai, welches
die Grundlage des gegenwärtigen Unionsverhält-
nisses bildet, verleiht der preußischen Regie-
rung einen Einfluß, der nach Aufgebung des deut-
schen Gedankens in ganz entgegengesetzter Rich-
tung ausgeübt werden könnte. Gegen die Fort-
dauer dieses Einflusses über die vertragsmäßig
festgestellten Zwecke des Bündnisses vom 26. Mai
hinaus haben wir die Lossagung vom Bündniß
als das einzig wirksame Mittel bezeichnen wollen.
Denn wir halten es weder mit dem Jnteresse,
noch mit dem Rechte, noch mit der Ehre auch
des kleinsten Staates vereinbar, wenn derselbe
durch einen fremden Einfluß in eine seinem aus-
gesprochenen Willen widerstrebende Richtung ge-
trieben wird. Die norddeutschen Staaten haben
durch ihren Anschluß an Preußen dem deutschen
Bundesstaat ihre Selbstständigkeit zum Opfer
bringen wollen. Soll aus diesem Bunde eine
preußische Schlinge werden, so, sagen wir, mögen
sie bei Zeiten ihren Kopf zurückziehen." Daß es
aber in der That nur noch auf eine solche preu-
ßische Schlinge abgesehen ist, darüber kann sich
die "Weserzeitung" aus der Sprache der Berliner
Presse vollkommen erbauen. Die ganze Tendenz
dieser Presse läuft darauf hinaus, die eines Ta-
ges zu Aachen gesprochenen denkwürdigen Worte:
"Kein Oesterreich! Kein Preußen! Ein großes,
einiges, freies Deutschland!" in das gerade Ge-
gentheil zu verkehren. Zu Berlin arbeitet man
nur dahin, nur den Dualismus, die Alleinherr-
schaft der beiden Großstaaten, vollends herzustel-
len, das ganze übrige Deutschland aber geradezu
für mundtodt zu erklären. Weil man selbst eigen-
nützige Plane verfolgt, möchte man, um diese
seinerseits durchführen zu können, auch die Selbst-
sucht Oesterreichs aufstacheln, daß es thue wie
Preußen; man will ihm den Süden preisgeben,
wofern es nur im Norden Preußen gewonnenes
Spiel gäbe. Einen leitenden Artikel der " Spe-
ner 'schen Zeitung" vom 25. August empfehlen wir
insbesondere der "Weserzeitung" zur Beachtung.
Derselbe steht im vollen Einklang mit der jetzt
zu Berlin versuchten Politik, nur mit Oesterreich
allein über die künftige Regelung der deutschen
Verhältnisse zu unterhandeln, das übrige Deutsch-
land aber ganz und gar auszuschließen von seinem
guten Rechte, auch ein Wort da mitzusprechen,
wo es mit seinem Körper von mehr als 16 Mil-
lionen Seelen so innig betheiligt ist. Jn jenem
Artikel der "Spener'schen Zeitung" wird mit dür-
ren Worten gesagt: "Preußen und Oesterreich
bedürfen Vollmacht, die Kleinstaaten Rechenschaft,
die Sachen Erledigung, und damit Punktum!"
[Spaltenumbruch] Das heißt mit andern Worten, das ganze übrige
Deutschland soll zu der Rolle verdammt werden,
lediglich die von beiden Großmächten vollbrachten
Thatsachen zu vernehmen, einzuregistriren und zu
schweigen. Das heißt wahrhaftig den Mund wie-
der sehr voll nehmen, wie wir das von Berlin
schon gewohnt sind. Dergleichen Windeier sind
zu Berlin schon viele gelegt worden; jedenfalls
ist es aber gut, daß man uns wenigstens aufklärt
über das Schicksal, das man zu Berlin Deutsch-
land bereiten möchte. Als Zugabe zu diesen schö-
nen Verheißungen wird uns auch noch in Aussicht
gestellt, daß das künftige deutsche Parlament --
zu Erfurt oder anderswo, wie die "Spener'sche
Zeitung" sagt -- "in die innere Gesetzgebung
der verbundenen Staaten eingreifen muß, wenn
es Leben behalten soll." Wenn wir wieder dahin
kommen sollten, so hätte es wahrhaftig nicht der
Mühe verlohnt, gegen die Uebergriffe der Frank-
furter Versammlung so lange und energisch auf-
zutreten; man hätte ganz einfach nur sie gewäh-
ren lassen dürfen, sie war auf dem besten Wege
dazu, das zu thun, was man uns jetzt wieder
von Berlin her in Aussicht stellt, und was man
dort früher eben so lebhaft und durch die That
bekämpft hat, als wir es gethan. Aber Berlin
wird mit solchen Projekten noch weniger zum Ziele
gelangen, als Frankfurt es vermochte. Wir wollen
hoffen, daß es von der Absicht nicht zum wirk-
lichen Versuche komme; wenn er doch gemacht
würde, so können wir dies für Deutschland we-
gen der unseligen Folgen, die daraus erwachsen
müßten, nur tief beklagen; aber über die Erfolg-
losigkeit derartiger Bestrebungen haben wir so we-
nig einen Zweifel, als über deren Verwerflichkeit.

   
Die Kammern! Die Kammern!

flugs die Kammern berufen! schreit man jetzt der
Regierung zu. Die Kammern berufen, auf daß
die deutschen Wirren gelöst werden durch -- par-
lamentarische Discussion, die Kammern, damit die
Ehre des Vaterlandes gewahrt werde durch --
ein Votum! Einen Augenblick Geduld, ihr Her-
ren, einen Augenblick, daß wir uns besinnen kön-
nen! Durch die Kammern sollen wir aus diesem
deutschen Wirrwarr herausgebracht werden? Aber
waren es nicht die Kammern, unter deren Bei-
fallsklatschen Graf Dyrhn eine lange, lange Rede
hielt, seine Phantasieen uns darzulegen über Preu-
ßens Beruf, untergehen zu Ehren des national-
versammelten Frankfurt? War es nicht in den
Kammern, wo Herr von Vincke rief: "das Va-
terland ist in Gefahr!" -- weil das Gewissen
Se. Maj. des Königs von Preußen sich nicht
beugen wollte vor der "deutschen Kaiserkrone"
paulskirchlich=souverainer Erfindung? Ertheilte
nicht in der Kammer Hr. Camphausen unserm
Vaterlande den zukunftsvollen Rath, all' seine
Macht und seinen Schmuck, seine Ehren alle ab-
zulegen, um so stattlich angethan die Braut zu
werden, um deren Ring die Freier sich tummeln
möchten? Sprach nicht in den Kammern Hr. v.
Beckerath von dem "deutschen Geiste, als der mo-
ralischen Quelle für die Macht Preußens," und
waren ihm die nicht "verlorne Söhne", denen die

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Von Berlin aus wird schon wieder eine neue
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dermann nach ihrem wahren Werth würdigen wird.
Die officiösen Berliner Correspondenzen verschie-
dener deutschen Blätter verkünden jetzt nichts Ge-
ringeres, als daß Oesterreich Preußen das Recht
zur Gründung der Union einräumen werde. Wir
haben Grund, zu vermuthen, daß es sich hier
wieder um eine jener Entstellungen der Thatsa-
chen und der Wahrheit handelt, wie wir sie be-
sonders in der jüngsten Zeit zu Dutzenden von
Berlin her schon erlebt haben. Unter allen Um-
ständen hat die „Weser=Ztg.“ recht, wenn sie
scharf unterscheidet zwischen einer deutschen Union,
wie sie am 27. Mai 1849 projectirt war, und
einer preußischen. Die „Weser = Ztg.“ macht auf
den Umstand aufmerksam, daß Preußen in seinen
jüngsten Aktenstücken an Oesterreich die früher ge-
stellte Forderung auf Anerkennung der Union habe
fallen lassen, und damit die deutsche Union auf-
gegeben habe. Jm Berliner Ministerrath werde
jetzt nur darüber debattirt, „in welcher Weise die
preuß. Union, d. h. die Unterwerfung einiger klei-
neren norddeutschen Staaten unter den unmittel-
baren Einfluß Preußens, aus dem gegenwärtigen
Chaos der Dinge am Besten auf's Trockene ge-
bracht werden könnte. Diese preuß. Union steht
mit der deutschen im unvereinbaren Gegensatze.“
Für den Bundesstaat, wie ihn das Organ der
Gothaer an der Weser im Sinne hatte, sei von
einer der Bundesversammlung untergebenen Union
nichts zu erwarten, sobald Preußen mit Oester-
reich und der Gesammtheit der deutschen Staaten
über die Wiederherstellung eines Bundesorgans
unterhandle. Preußen möge dann immerhin von
der Fortsührung der Union mit Wenigen zu re-
den fortfahren -- und mögen Staaten wie Des-
sau und Köthen sich dieser nachbarlichen Umar-
mung nicht wohl erwehren können; aber das wis-
sen wir -- fügt die „Weser=Ztg.“ hinzu -- daß
die norddeutschen Küstenstaaten „wenigstens nicht
sich durch eine preuß. Escamotirung die Schlange
statt des Fisches zuspielen lassen werden.“ Darum
kommt sie auf den schon neulich von ihr ausge-
sprochenen Satz zurück, daß die kleineren deutschen
Staaten, vornemlich die norddeutschen, sich von
dem Berliner Bündniß lossagen sollen, daß sie
dazu im Stande seien, „um so ihre Ehre, ihr
Recht und ihr Jnteresse zu wahren.“ Die „Dtsch.
Reichszeitung“ ( zu Braunschweig erscheinend ) hatte
dagegen gemeint, der nationale Standpunkt ge-
biete, auch noch ferner die Union als ein Bünd-
niß aufrecht zu halten, dessen Zweck ein überein-
stimmendes Handeln in dem Streit um die Ord-
nung der deutschen Verfassungsverhältnisse sei. Die
Union soll auf diese Weise lediglich ein Zusam-
menstehen einer Anzahl kleiner Staaten mit Preu-
ßen für den Zweck der Herstellung einer deutschen
Verfassung bewirken. -- Die „Weser = Ztg.“ ist
dadurch aber keineswegs beruhigt, sie besorgt, daß
so die norddeutschen Staaten am Ende doch das
Schicksal treffen könnte, von Preußen aufgespeist
zu werden, und daher erhebt sie abermals ihre
warnende Stimme dahin: „Die Regierungen vor-
nemlich der norddeutschen Staaten sollen Acht ha-
ben, daß nicht ihr äußerliches Festhalten an dem
[Spaltenumbruch] preuß. Bündnisse, nachdem dasselbe seine eigentliche
Bedeutung verloren hat, zur Begrundung irgend
einer dauernden Oberherrlichkeit Preußens über
diese norddeutschen Staaten ausgebeutet werde.“
Daß eine solche Befürchtung nicht am unrechten
Platze sei, begründet die „Weser=Ztg.“ noch aus-
führlicher. „Denn -- sagt sie -- nicht allein in
der Unionsgesetzgebung, welche allerdings ohne
Mitwirkung des Parlaments ( und daß Preußen
nicht daran denke, dieses zu berufen, hatte auch
die „Dtsch. Reichsztg.“ zugestanden ) ohne Rechts-
kraft für die einzelnen Staaten bleibt, könnte der
preuß. Einfluß das Mittel für seine Zwecke fin-
den; auch das Bündniß vom 26. Mai, welches
die Grundlage des gegenwärtigen Unionsverhält-
nisses bildet, verleiht der preußischen Regie-
rung einen Einfluß, der nach Aufgebung des deut-
schen Gedankens in ganz entgegengesetzter Rich-
tung ausgeübt werden könnte. Gegen die Fort-
dauer dieses Einflusses über die vertragsmäßig
festgestellten Zwecke des Bündnisses vom 26. Mai
hinaus haben wir die Lossagung vom Bündniß
als das einzig wirksame Mittel bezeichnen wollen.
Denn wir halten es weder mit dem Jnteresse,
noch mit dem Rechte, noch mit der Ehre auch
des kleinsten Staates vereinbar, wenn derselbe
durch einen fremden Einfluß in eine seinem aus-
gesprochenen Willen widerstrebende Richtung ge-
trieben wird. Die norddeutschen Staaten haben
durch ihren Anschluß an Preußen dem deutschen
Bundesstaat ihre Selbstständigkeit zum Opfer
bringen wollen. Soll aus diesem Bunde eine
preußische Schlinge werden, so, sagen wir, mögen
sie bei Zeiten ihren Kopf zurückziehen.“ Daß es
aber in der That nur noch auf eine solche preu-
ßische Schlinge abgesehen ist, darüber kann sich
die „Weserzeitung“ aus der Sprache der Berliner
Presse vollkommen erbauen. Die ganze Tendenz
dieser Presse läuft darauf hinaus, die eines Ta-
ges zu Aachen gesprochenen denkwürdigen Worte:
„Kein Oesterreich! Kein Preußen! Ein großes,
einiges, freies Deutschland!“ in das gerade Ge-
gentheil zu verkehren. Zu Berlin arbeitet man
nur dahin, nur den Dualismus, die Alleinherr-
schaft der beiden Großstaaten, vollends herzustel-
len, das ganze übrige Deutschland aber geradezu
für mundtodt zu erklären. Weil man selbst eigen-
nützige Plane verfolgt, möchte man, um diese
seinerseits durchführen zu können, auch die Selbst-
sucht Oesterreichs aufstacheln, daß es thue wie
Preußen; man will ihm den Süden preisgeben,
wofern es nur im Norden Preußen gewonnenes
Spiel gäbe. Einen leitenden Artikel der „ Spe-
ner 'schen Zeitung“ vom 25. August empfehlen wir
insbesondere der „Weserzeitung“ zur Beachtung.
Derselbe steht im vollen Einklang mit der jetzt
zu Berlin versuchten Politik, nur mit Oesterreich
allein über die künftige Regelung der deutschen
Verhältnisse zu unterhandeln, das übrige Deutsch-
land aber ganz und gar auszuschließen von seinem
guten Rechte, auch ein Wort da mitzusprechen,
wo es mit seinem Körper von mehr als 16 Mil-
lionen Seelen so innig betheiligt ist. Jn jenem
Artikel der „Spener'schen Zeitung“ wird mit dür-
ren Worten gesagt: „Preußen und Oesterreich
bedürfen Vollmacht, die Kleinstaaten Rechenschaft,
die Sachen Erledigung, und damit Punktum!“
[Spaltenumbruch] Das heißt mit andern Worten, das ganze übrige
Deutschland soll zu der Rolle verdammt werden,
lediglich die von beiden Großmächten vollbrachten
Thatsachen zu vernehmen, einzuregistriren und zu
schweigen. Das heißt wahrhaftig den Mund wie-
der sehr voll nehmen, wie wir das von Berlin
schon gewohnt sind. Dergleichen Windeier sind
zu Berlin schon viele gelegt worden; jedenfalls
ist es aber gut, daß man uns wenigstens aufklärt
über das Schicksal, das man zu Berlin Deutsch-
land bereiten möchte. Als Zugabe zu diesen schö-
nen Verheißungen wird uns auch noch in Aussicht
gestellt, daß das künftige deutsche Parlament --
zu Erfurt oder anderswo, wie die „Spener'sche
Zeitung“ sagt -- „in die innere Gesetzgebung
der verbundenen Staaten eingreifen muß, wenn
es Leben behalten soll.“ Wenn wir wieder dahin
kommen sollten, so hätte es wahrhaftig nicht der
Mühe verlohnt, gegen die Uebergriffe der Frank-
furter Versammlung so lange und energisch auf-
zutreten; man hätte ganz einfach nur sie gewäh-
ren lassen dürfen, sie war auf dem besten Wege
dazu, das zu thun, was man uns jetzt wieder
von Berlin her in Aussicht stellt, und was man
dort früher eben so lebhaft und durch die That
bekämpft hat, als wir es gethan. Aber Berlin
wird mit solchen Projekten noch weniger zum Ziele
gelangen, als Frankfurt es vermochte. Wir wollen
hoffen, daß es von der Absicht nicht zum wirk-
lichen Versuche komme; wenn er doch gemacht
würde, so können wir dies für Deutschland we-
gen der unseligen Folgen, die daraus erwachsen
müßten, nur tief beklagen; aber über die Erfolg-
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Regierung zu. Die Kammern berufen, auf daß
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Ehre des Vaterlandes gewahrt werde durch --
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waren es nicht die Kammern, unter deren Bei-
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hielt, seine Phantasieen uns darzulegen über Preu-
ßens Beruf, untergehen zu Ehren des national-
versammelten Frankfurt? War es nicht in den
Kammern, wo Herr von Vincke rief: „das Va-
terland ist in Gefahr!“ -- weil das Gewissen
Se. Maj. des Königs von Preußen sich nicht
beugen wollte vor der „deutschen Kaiserkrone“
paulskirchlich=souverainer Erfindung? Ertheilte
nicht in der Kammer Hr. Camphausen unserm
Vaterlande den zukunftsvollen Rath, all' seine
Macht und seinen Schmuck, seine Ehren alle ab-
zulegen, um so stattlich angethan die Braut zu
werden, um deren Ring die Freier sich tummeln
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Beckerath von dem „deutschen Geiste, als der mo-
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 209. Würzburg, Samstag den 31. August. 1850. Die preußische Union. Von Berlin aus wird schon wieder eine neue Zeitungsente in die Welt gesendet, die wohl Je- dermann nach ihrem wahren Werth würdigen wird. Die officiösen Berliner Correspondenzen verschie- dener deutschen Blätter verkünden jetzt nichts Ge- ringeres, als daß Oesterreich Preußen das Recht zur Gründung der Union einräumen werde. Wir haben Grund, zu vermuthen, daß es sich hier wieder um eine jener Entstellungen der Thatsa- chen und der Wahrheit handelt, wie wir sie be- sonders in der jüngsten Zeit zu Dutzenden von Berlin her schon erlebt haben. Unter allen Um- ständen hat die „Weser=Ztg.“ recht, wenn sie scharf unterscheidet zwischen einer deutschen Union, wie sie am 27. Mai 1849 projectirt war, und einer preußischen. Die „Weser = Ztg.“ macht auf den Umstand aufmerksam, daß Preußen in seinen jüngsten Aktenstücken an Oesterreich die früher ge- stellte Forderung auf Anerkennung der Union habe fallen lassen, und damit die deutsche Union auf- gegeben habe. Jm Berliner Ministerrath werde jetzt nur darüber debattirt, „in welcher Weise die preuß. Union, d. h. die Unterwerfung einiger klei- neren norddeutschen Staaten unter den unmittel- baren Einfluß Preußens, aus dem gegenwärtigen Chaos der Dinge am Besten auf's Trockene ge- bracht werden könnte. Diese preuß. Union steht mit der deutschen im unvereinbaren Gegensatze.“ Für den Bundesstaat, wie ihn das Organ der Gothaer an der Weser im Sinne hatte, sei von einer der Bundesversammlung untergebenen Union nichts zu erwarten, sobald Preußen mit Oester- reich und der Gesammtheit der deutschen Staaten über die Wiederherstellung eines Bundesorgans unterhandle. Preußen möge dann immerhin von der Fortsührung der Union mit Wenigen zu re- den fortfahren -- und mögen Staaten wie Des- sau und Köthen sich dieser nachbarlichen Umar- mung nicht wohl erwehren können; aber das wis- sen wir -- fügt die „Weser=Ztg.“ hinzu -- daß die norddeutschen Küstenstaaten „wenigstens nicht sich durch eine preuß. Escamotirung die Schlange statt des Fisches zuspielen lassen werden.“ Darum kommt sie auf den schon neulich von ihr ausge- sprochenen Satz zurück, daß die kleineren deutschen Staaten, vornemlich die norddeutschen, sich von dem Berliner Bündniß lossagen sollen, daß sie dazu im Stande seien, „um so ihre Ehre, ihr Recht und ihr Jnteresse zu wahren.“ Die „Dtsch. Reichszeitung“ ( zu Braunschweig erscheinend ) hatte dagegen gemeint, der nationale Standpunkt ge- biete, auch noch ferner die Union als ein Bünd- niß aufrecht zu halten, dessen Zweck ein überein- stimmendes Handeln in dem Streit um die Ord- nung der deutschen Verfassungsverhältnisse sei. Die Union soll auf diese Weise lediglich ein Zusam- menstehen einer Anzahl kleiner Staaten mit Preu- ßen für den Zweck der Herstellung einer deutschen Verfassung bewirken. -- Die „Weser = Ztg.“ ist dadurch aber keineswegs beruhigt, sie besorgt, daß so die norddeutschen Staaten am Ende doch das Schicksal treffen könnte, von Preußen aufgespeist zu werden, und daher erhebt sie abermals ihre warnende Stimme dahin: „Die Regierungen vor- nemlich der norddeutschen Staaten sollen Acht ha- ben, daß nicht ihr äußerliches Festhalten an dem preuß. Bündnisse, nachdem dasselbe seine eigentliche Bedeutung verloren hat, zur Begrundung irgend einer dauernden Oberherrlichkeit Preußens über diese norddeutschen Staaten ausgebeutet werde.“ Daß eine solche Befürchtung nicht am unrechten Platze sei, begründet die „Weser=Ztg.“ noch aus- führlicher. „Denn -- sagt sie -- nicht allein in der Unionsgesetzgebung, welche allerdings ohne Mitwirkung des Parlaments ( und daß Preußen nicht daran denke, dieses zu berufen, hatte auch die „Dtsch. Reichsztg.“ zugestanden ) ohne Rechts- kraft für die einzelnen Staaten bleibt, könnte der preuß. Einfluß das Mittel für seine Zwecke fin- den; auch das Bündniß vom 26. Mai, welches die Grundlage des gegenwärtigen Unionsverhält- nisses bildet, verleiht der preußischen Regie- rung einen Einfluß, der nach Aufgebung des deut- schen Gedankens in ganz entgegengesetzter Rich- tung ausgeübt werden könnte. Gegen die Fort- dauer dieses Einflusses über die vertragsmäßig festgestellten Zwecke des Bündnisses vom 26. Mai hinaus haben wir die Lossagung vom Bündniß als das einzig wirksame Mittel bezeichnen wollen. Denn wir halten es weder mit dem Jnteresse, noch mit dem Rechte, noch mit der Ehre auch des kleinsten Staates vereinbar, wenn derselbe durch einen fremden Einfluß in eine seinem aus- gesprochenen Willen widerstrebende Richtung ge- trieben wird. Die norddeutschen Staaten haben durch ihren Anschluß an Preußen dem deutschen Bundesstaat ihre Selbstständigkeit zum Opfer bringen wollen. Soll aus diesem Bunde eine preußische Schlinge werden, so, sagen wir, mögen sie bei Zeiten ihren Kopf zurückziehen.“ Daß es aber in der That nur noch auf eine solche preu- ßische Schlinge abgesehen ist, darüber kann sich die „Weserzeitung“ aus der Sprache der Berliner Presse vollkommen erbauen. Die ganze Tendenz dieser Presse läuft darauf hinaus, die eines Ta- ges zu Aachen gesprochenen denkwürdigen Worte: „Kein Oesterreich! Kein Preußen! Ein großes, einiges, freies Deutschland!“ in das gerade Ge- gentheil zu verkehren. Zu Berlin arbeitet man nur dahin, nur den Dualismus, die Alleinherr- schaft der beiden Großstaaten, vollends herzustel- len, das ganze übrige Deutschland aber geradezu für mundtodt zu erklären. Weil man selbst eigen- nützige Plane verfolgt, möchte man, um diese seinerseits durchführen zu können, auch die Selbst- sucht Oesterreichs aufstacheln, daß es thue wie Preußen; man will ihm den Süden preisgeben, wofern es nur im Norden Preußen gewonnenes Spiel gäbe. Einen leitenden Artikel der „ Spe- ner 'schen Zeitung“ vom 25. August empfehlen wir insbesondere der „Weserzeitung“ zur Beachtung. Derselbe steht im vollen Einklang mit der jetzt zu Berlin versuchten Politik, nur mit Oesterreich allein über die künftige Regelung der deutschen Verhältnisse zu unterhandeln, das übrige Deutsch- land aber ganz und gar auszuschließen von seinem guten Rechte, auch ein Wort da mitzusprechen, wo es mit seinem Körper von mehr als 16 Mil- lionen Seelen so innig betheiligt ist. Jn jenem Artikel der „Spener'schen Zeitung“ wird mit dür- ren Worten gesagt: „Preußen und Oesterreich bedürfen Vollmacht, die Kleinstaaten Rechenschaft, die Sachen Erledigung, und damit Punktum!“ Das heißt mit andern Worten, das ganze übrige Deutschland soll zu der Rolle verdammt werden, lediglich die von beiden Großmächten vollbrachten Thatsachen zu vernehmen, einzuregistriren und zu schweigen. Das heißt wahrhaftig den Mund wie- der sehr voll nehmen, wie wir das von Berlin schon gewohnt sind. Dergleichen Windeier sind zu Berlin schon viele gelegt worden; jedenfalls ist es aber gut, daß man uns wenigstens aufklärt über das Schicksal, das man zu Berlin Deutsch- land bereiten möchte. Als Zugabe zu diesen schö- nen Verheißungen wird uns auch noch in Aussicht gestellt, daß das künftige deutsche Parlament -- zu Erfurt oder anderswo, wie die „Spener'sche Zeitung“ sagt -- „in die innere Gesetzgebung der verbundenen Staaten eingreifen muß, wenn es Leben behalten soll.“ Wenn wir wieder dahin kommen sollten, so hätte es wahrhaftig nicht der Mühe verlohnt, gegen die Uebergriffe der Frank- furter Versammlung so lange und energisch auf- zutreten; man hätte ganz einfach nur sie gewäh- ren lassen dürfen, sie war auf dem besten Wege dazu, das zu thun, was man uns jetzt wieder von Berlin her in Aussicht stellt, und was man dort früher eben so lebhaft und durch die That bekämpft hat, als wir es gethan. Aber Berlin wird mit solchen Projekten noch weniger zum Ziele gelangen, als Frankfurt es vermochte. Wir wollen hoffen, daß es von der Absicht nicht zum wirk- lichen Versuche komme; wenn er doch gemacht würde, so können wir dies für Deutschland we- gen der unseligen Folgen, die daraus erwachsen müßten, nur tief beklagen; aber über die Erfolg- losigkeit derartiger Bestrebungen haben wir so we- nig einen Zweifel, als über deren Verwerflichkeit. ( N. M. Z. ) Die Kammern! Die Kammern! flugs die Kammern berufen! schreit man jetzt der Regierung zu. Die Kammern berufen, auf daß die deutschen Wirren gelöst werden durch -- par- lamentarische Discussion, die Kammern, damit die Ehre des Vaterlandes gewahrt werde durch -- ein Votum! Einen Augenblick Geduld, ihr Her- ren, einen Augenblick, daß wir uns besinnen kön- nen! Durch die Kammern sollen wir aus diesem deutschen Wirrwarr herausgebracht werden? Aber waren es nicht die Kammern, unter deren Bei- fallsklatschen Graf Dyrhn eine lange, lange Rede hielt, seine Phantasieen uns darzulegen über Preu- ßens Beruf, untergehen zu Ehren des national- versammelten Frankfurt? War es nicht in den Kammern, wo Herr von Vincke rief: „das Va- terland ist in Gefahr!“ -- weil das Gewissen Se. Maj. des Königs von Preußen sich nicht beugen wollte vor der „deutschen Kaiserkrone“ paulskirchlich=souverainer Erfindung? Ertheilte nicht in der Kammer Hr. Camphausen unserm Vaterlande den zukunftsvollen Rath, all' seine Macht und seinen Schmuck, seine Ehren alle ab- zulegen, um so stattlich angethan die Braut zu werden, um deren Ring die Freier sich tummeln möchten? Sprach nicht in den Kammern Hr. v. Beckerath von dem „deutschen Geiste, als der mo- ralischen Quelle für die Macht Preußens,“ und waren ihm die nicht „verlorne Söhne“, denen die

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 209. Würzburg, 31. August 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische209_1850/1>, abgerufen am 29.03.2024.