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Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

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Nr. 233.
Würzburg, Samstag den 28. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Die Antwort Preußens auf die Ein-
ladung zur Beschickung der Bundes-
versammlung. Abermals ein Beitrag
zu der eigenthümlichen Denk= und
Handlungsweise der preußischen
Regierung.

Die preußische Antwort weist die Beschickung
der Bundesversammlung aus zwei Gründen zu-
rück, einmal weil dieselbe rechtlich nicht mehr vorhan-
den sei, und weiter aus Gründen der Zweckmä-
ßigkeit. Jn Bezug auf den Rechtspunkt bemerkt sie:
"es habe für die preußischen Staatsregierung nie-
mals einem Zweifel unterlegen, daß die Bundes-
versammlung durch rechtskräftige Handlungen der
Regierungen im Jahre 1848 rechtlich und für
immer zu bestehen aufgehört habe. Sie glaube nicht,
daß zu jener Zeit bei irgend einer der deutschen Re-
gierungen eine andere Absicht über die Bedeutung
ihrer desfalls abgegebenen Erklärung obgewaltet
habe, wenigstens liege kein Moment vor, welches
einen Vorbehalt künftiger Wiederherstellung ein-
schlösse, wohl aber viele, welche in unzweifelhafter
Weise das Entgegengesetzte bekundeten." Was die
Regierungen damals gedacht haben, als die Bun-
desversammlung ihre Wirksamkeit einstellte und
auf den Reichsverweser übertrug, erscheint als
völlig gleichgültig. Wir wollen zugeben, daß
keine einzige Regierung an den Fall gedacht hat
daß die Bundesversammlung nochmals in Wirk-
samkeit treten würde; man war eben nicht in der
geistigen Fassung, sich alle Eventualitäten der Zu-
kunft klar vorzuführen; aber so viel ist wenig-
stens gewiß, daß bei der Auflösung der Bundes-
versammlung von der Voraussetzung ausgegangen
wurde, daß durch gemeinsame Vereinbarung zwi-
schen Regierung und Nationalversammlung ein
Bundesorgan an die Stelle gesetzt, eine andere
Verfassung für Deutschland geschaffen werden
würde, möglich, daß sämmtliche Regierungen mit
Gewißheit an dieser Aufgabe glaubten und daher
an einen Wiedereintritt der Bundesversammlung
nicht gedacht haben. Bis die neue Verfassung
vereinbart wäre, wurde das Provisorium des
Reichsverwesers an die Stelle der Bundesver-
sammlung gesetzt. Wenn man aber die damali-
gen Regierungen gefragt hätte, ob die bisherige
Verfassung auch dann erloschen sein solle, falls
sich unvorhergesehener Weise die Vereinbarung
zerschlüge, wenn man sie gefragt hätte, ob Deutsch-
land gar keine Verfassung haben und der deutsche
Bund aufgelöst sein solle, wenn eine neue Ver-
fassung nicht zu Stande käme, so würden sie ohne
Zweifel sammt und sonders, die preußische Re-
gierung nicht ausgenommen, mit "Nein" geantwor-
tet haben. Daß die alte Verfassung so lange
fortbesteht, bis eine neue an ihre Seite getreten,
ist eine so einfache Sache, daß es sich in der
That gar nicht der Mühe verlohnt, darüber einen
besonderen Vorbehalt zu machen. So wenig man
bei einem Geldgeschäfte ausdrücklich zu bemerken
braucht, daß die gewöhnlichen Additions= und
Subtraktionsregeln zur Anwendung kommen sol-
len, eben so wenig bedarf es einer Verwahrung,
daß die alte Verfassung so lange gilt, bis ihr
durch eine neue derogirt ist. Nur der preußischen
Logik im Jahre 1849 war es vorbehalten, das
[Spaltenumbruch] Selbstverständliche in Zweifel zu ziehen. So wie
sie durch den Mund des Herrn v. Bodelschwingh
die Entdeckung machte, daß ein Bund oder ein
Staat ganz ohne Verfassung sein könne und da-
bei Bund oder Staat bliebe, so hat sie auch jetzt
die Entdeckung gemacht, daß mit der ausgedrück-
ten Absicht ein neues Gesetz zu schaffen, das alte
Gesetz aufgehoben sei, wenn nicht ausdrücklich das
Gegentheil ausbedungen wäre. Es fällt mir da-
bei ein, daß ja auch ein preußisches Gericht im
Jahre 1848 in einem Urtheilsspruche behauptete,
Preußen habe in den Augenblick gar keine Ver-
fassung und also auch kein Gesetz. Wie gesagt,
dergleichen ist nur in Preußen, nur im Vaterlande
des Landrechtes möglich, wo man vor lauter
Bäumen und Wald nicht mehr sieht, wo man
vor lauter Gesetzen nicht mehr begreift, daß doch
irgend ein Gesetz immer noch gelten muß. Wir
wiederholen, daß es schwer wird, gegen das abso-
lut Widersinnige zu polemisiren, es gibt einmal
gewisse angenommene Wahrheiten, die man bei
Jedermann voraussehen muß, wenn man sich mit
ihm verständigen will. Wer mir z. B. bestreitet,
daß die gerade Linie nicht die kürzeste Entfernung
zwischen zwei Punkten, oder daß zwei mal zwei
nicht vier wäre, mit dem kann man sich in keine
mathemathischen Erläuterungen einlassen. Wer die
einfachsten Grundregeln nicht fähig ist in sein Be-
wußtsein aufzunehmen, mit dem kann man sich
auch über die Folgerungen nicht verständigen, und
eben so kann man sich auch in keinen juristischen
Streit mit Jemanden einlassen, der da annimmt,
es sei möglich, daß der Staat seine Verfassung
aufhebe, bevor er nicht eine andere hätte. Was
würde man von einem Arzte denken, der die Con-
stitution eines Kranken verbessern wollte, und da-
mit anfinge, ihn seiner bisherigen Constitution,
seiner sämmtlichen Organe seines Lebens zu be-
rauben. Was würde man von einem Gesetzgeber
denken, der eine Commission zur Ausarbeitung ei-
nes neuen Gesetzbuches niedersetzte und dabei be-
stimmte, daß sämmtliche bisherige Gesetze schon
jetzt, noch ehe die neuen Gesetze gemacht wären,
erloschen seien, daß sämmtliche Gerichte schon jetzt
aufhören sollten, bevor neue Gerichte eingesetzt
wären. Und was würde man von einem Richter
denken, der aus der bloßen Niedersetzung einer
solchen Commission den Schluß ziehen wollte, daß
das bisherige Recht nicht mehr bestände, weil es
nicht ausdrücklich gesagt sei. Freilich auch das
haben wir in Preußen erlebt, wir haben die Er=.
fahrung gemacht, daß die Gerichte über Preß-
und politische Vergehen keine Competenz mehr ha-
ben sollten, weil für die Zukunft Geschwornenge-
richte versprochen waren. Aber das ist alles so absolut
widersinnig, daß es sich gar nicht widerlegen läßt.
-- Die preußische Staatsregierung geht allerdings
von dem richtigen Satze aus, daß ein Gesetz nach
der Absicht des Gesetzgebers interpretirt werden
müsse, aber den baaren Unsinn darf man doch bei
dem Gesetzgeber nicht präsumiren, selbst wenn er
nicht ausdrücklich hinzufügt, daß der Unsinn nicht
seine Absicht sei. Daß die deutschen Regierungen
die Anarchie hätten proklamiren sollen, auf den
Fall, daß die neue Verfassung nicht zu Stande
käme ( Anarchie und Verfassungslosigkeit sind völ-
lig gleichbedeutend ) , darf ebensowenig präsumirt
[Spaltenumbruch] werden. Die Hoffnungen der deutschen Regierun-
gen auf das Zustandekommen einer neuen Verfas-
sung mögen so groß gewesen sein, wie sie wollen,
sie mögen verhindert haben, daß man an die
Möglichkeit des Fehlschlagens auch nur gedacht
hat, immer sind diese Hoffnungen noch nicht gleich-
bedeutend mit gesetzlicher Bestimmung und bloße
Hoffnungen heben keine bestehende Verfassung
rechtskräftig auf. Wenn die preußische Regierung
daher die Ansicht äußert, daß die damaligen Re-
gierungen damals sammt und sonders nicht ge-
glaubt hätten, die Bundesversammlung würde je
wieder in Wirklichkeit treten, so beweist sie damit
weiter nichts, als daß man sich damals Jllusionen
hingegeben hat, die nicht in Erfüllung gegangen
sind. Aber wie sie daraus die Absicht ableiten
will, daß man Deutschland habe verfassungslos
machen wollen, das erscheint als eine wahre Be-
leidigung gegen die damaligen Männer und gegen
sich selbst. Jch frage nochmals, was würde die
preußische Regierung damals geantwortet haben,
wenn man ihr gesagt hätte, wie soll es nun aber
werden, wenn doch zuletzt keine neue Verfassung
zu Stande kommt. Sollen wir nicht um jeder
Mißdeutung wegen den Satz hinzufügen, daß alle
Verfassungen so lange gelten, bis neue an ihre
Stelle getreten sind? Jch glaube, sie hätten ge-
antwortet: das ist überflüssig, weil es sich von
selbst versteht; der Fall wird nicht eintreten, weil
wir in der Paulskirche jedenfalls eine neue Ver-
fassung fabriciren werden, aber sollte er dennoch
eintreten, so bleibt freilich gar keine andere recht-
liche Möglichkeit übrig, als daß die bisherige,
rechtliche Bundesverfassung, die rechtlich noch nicht
aufgehoben, auch faktisch wieder in Kraft tritt. --
Mit dem Erlöschen der Provisorien beginnt wie-
der das Definitivum; entweder das neue, wenn
ein solches rechtskräftig zu Stande gekommen ist,
oder das alte, wenn kein neues da ist. Aber es
scheint, als wenn die preußische Regierung nicht
bloß neue Gesetze octroyirt, sondern als wenn sie
der Welt auch eine neue juristische Logik octroyiren
wollte.

Deutschland.

München, 26. Sept. Gestern fand am kgl.
Kreis und Stadtgericht die Verhandlung über die
schon oft besprochene Akten=Entwendung aus der
Registratur des Ministeriums des Jnnern statt.
Als Angeklagte erschien ein 21jähriges Mädchen,
Namens Aschenbrenner, Ministerialbotenstochter
von hier. Sie gestand, in den Sommermonaten
von Mai bis Juli 1849 beinahe gegen 4 Cent-
ner Akten aus der Registratur, welche ihr zum
Reinigen übertragen worden, genommen, und
weil dieselben alt und unbrauchbar geschienen, an
die Obstlersfrau Wallner am Eingange in die
Arkaden, verkauft zu haben. Vor dem Jahre
1848, zu welcher Zeit die Angeklagte ebenfalls
die Registratur zu reinigen hatte, Akten verkauft
zu haben, stellte dieselbe in Abrede, obgleich sich
unter den bei der Obstlerfrau vorgefundenen Pa-
pieren solche befanden, welche dortmals schon ab-
handen gekommen sind. Die Staatsanwaltschaft
nahm in diesem Falle ein Diebstahlsverbrechen
an und beantragte drei Jahre Arbeitshaus. Die

Die Bayerische Presse.

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Nr. 233.
Würzburg, Samstag den 28. September. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Die Antwort Preußens auf die Ein-
ladung zur Beschickung der Bundes-
versammlung. Abermals ein Beitrag
zu der eigenthümlichen Denk= und
Handlungsweise der preußischen
Regierung.

Die preußische Antwort weist die Beschickung
der Bundesversammlung aus zwei Gründen zu-
rück, einmal weil dieselbe rechtlich nicht mehr vorhan-
den sei, und weiter aus Gründen der Zweckmä-
ßigkeit. Jn Bezug auf den Rechtspunkt bemerkt sie:
„es habe für die preußischen Staatsregierung nie-
mals einem Zweifel unterlegen, daß die Bundes-
versammlung durch rechtskräftige Handlungen der
Regierungen im Jahre 1848 rechtlich und für
immer zu bestehen aufgehört habe. Sie glaube nicht,
daß zu jener Zeit bei irgend einer der deutschen Re-
gierungen eine andere Absicht über die Bedeutung
ihrer desfalls abgegebenen Erklärung obgewaltet
habe, wenigstens liege kein Moment vor, welches
einen Vorbehalt künftiger Wiederherstellung ein-
schlösse, wohl aber viele, welche in unzweifelhafter
Weise das Entgegengesetzte bekundeten.“ Was die
Regierungen damals gedacht haben, als die Bun-
desversammlung ihre Wirksamkeit einstellte und
auf den Reichsverweser übertrug, erscheint als
völlig gleichgültig. Wir wollen zugeben, daß
keine einzige Regierung an den Fall gedacht hat
daß die Bundesversammlung nochmals in Wirk-
samkeit treten würde; man war eben nicht in der
geistigen Fassung, sich alle Eventualitäten der Zu-
kunft klar vorzuführen; aber so viel ist wenig-
stens gewiß, daß bei der Auflösung der Bundes-
versammlung von der Voraussetzung ausgegangen
wurde, daß durch gemeinsame Vereinbarung zwi-
schen Regierung und Nationalversammlung ein
Bundesorgan an die Stelle gesetzt, eine andere
Verfassung für Deutschland geschaffen werden
würde, möglich, daß sämmtliche Regierungen mit
Gewißheit an dieser Aufgabe glaubten und daher
an einen Wiedereintritt der Bundesversammlung
nicht gedacht haben. Bis die neue Verfassung
vereinbart wäre, wurde das Provisorium des
Reichsverwesers an die Stelle der Bundesver-
sammlung gesetzt. Wenn man aber die damali-
gen Regierungen gefragt hätte, ob die bisherige
Verfassung auch dann erloschen sein solle, falls
sich unvorhergesehener Weise die Vereinbarung
zerschlüge, wenn man sie gefragt hätte, ob Deutsch-
land gar keine Verfassung haben und der deutsche
Bund aufgelöst sein solle, wenn eine neue Ver-
fassung nicht zu Stande käme, so würden sie ohne
Zweifel sammt und sonders, die preußische Re-
gierung nicht ausgenommen, mit „Nein“ geantwor-
tet haben. Daß die alte Verfassung so lange
fortbesteht, bis eine neue an ihre Seite getreten,
ist eine so einfache Sache, daß es sich in der
That gar nicht der Mühe verlohnt, darüber einen
besonderen Vorbehalt zu machen. So wenig man
bei einem Geldgeschäfte ausdrücklich zu bemerken
braucht, daß die gewöhnlichen Additions= und
Subtraktionsregeln zur Anwendung kommen sol-
len, eben so wenig bedarf es einer Verwahrung,
daß die alte Verfassung so lange gilt, bis ihr
durch eine neue derogirt ist. Nur der preußischen
Logik im Jahre 1849 war es vorbehalten, das
[Spaltenumbruch] Selbstverständliche in Zweifel zu ziehen. So wie
sie durch den Mund des Herrn v. Bodelschwingh
die Entdeckung machte, daß ein Bund oder ein
Staat ganz ohne Verfassung sein könne und da-
bei Bund oder Staat bliebe, so hat sie auch jetzt
die Entdeckung gemacht, daß mit der ausgedrück-
ten Absicht ein neues Gesetz zu schaffen, das alte
Gesetz aufgehoben sei, wenn nicht ausdrücklich das
Gegentheil ausbedungen wäre. Es fällt mir da-
bei ein, daß ja auch ein preußisches Gericht im
Jahre 1848 in einem Urtheilsspruche behauptete,
Preußen habe in den Augenblick gar keine Ver-
fassung und also auch kein Gesetz. Wie gesagt,
dergleichen ist nur in Preußen, nur im Vaterlande
des Landrechtes möglich, wo man vor lauter
Bäumen und Wald nicht mehr sieht, wo man
vor lauter Gesetzen nicht mehr begreift, daß doch
irgend ein Gesetz immer noch gelten muß. Wir
wiederholen, daß es schwer wird, gegen das abso-
lut Widersinnige zu polemisiren, es gibt einmal
gewisse angenommene Wahrheiten, die man bei
Jedermann voraussehen muß, wenn man sich mit
ihm verständigen will. Wer mir z. B. bestreitet,
daß die gerade Linie nicht die kürzeste Entfernung
zwischen zwei Punkten, oder daß zwei mal zwei
nicht vier wäre, mit dem kann man sich in keine
mathemathischen Erläuterungen einlassen. Wer die
einfachsten Grundregeln nicht fähig ist in sein Be-
wußtsein aufzunehmen, mit dem kann man sich
auch über die Folgerungen nicht verständigen, und
eben so kann man sich auch in keinen juristischen
Streit mit Jemanden einlassen, der da annimmt,
es sei möglich, daß der Staat seine Verfassung
aufhebe, bevor er nicht eine andere hätte. Was
würde man von einem Arzte denken, der die Con-
stitution eines Kranken verbessern wollte, und da-
mit anfinge, ihn seiner bisherigen Constitution,
seiner sämmtlichen Organe seines Lebens zu be-
rauben. Was würde man von einem Gesetzgeber
denken, der eine Commission zur Ausarbeitung ei-
nes neuen Gesetzbuches niedersetzte und dabei be-
stimmte, daß sämmtliche bisherige Gesetze schon
jetzt, noch ehe die neuen Gesetze gemacht wären,
erloschen seien, daß sämmtliche Gerichte schon jetzt
aufhören sollten, bevor neue Gerichte eingesetzt
wären. Und was würde man von einem Richter
denken, der aus der bloßen Niedersetzung einer
solchen Commission den Schluß ziehen wollte, daß
das bisherige Recht nicht mehr bestände, weil es
nicht ausdrücklich gesagt sei. Freilich auch das
haben wir in Preußen erlebt, wir haben die Er=.
fahrung gemacht, daß die Gerichte über Preß-
und politische Vergehen keine Competenz mehr ha-
ben sollten, weil für die Zukunft Geschwornenge-
richte versprochen waren. Aber das ist alles so absolut
widersinnig, daß es sich gar nicht widerlegen läßt.
-- Die preußische Staatsregierung geht allerdings
von dem richtigen Satze aus, daß ein Gesetz nach
der Absicht des Gesetzgebers interpretirt werden
müsse, aber den baaren Unsinn darf man doch bei
dem Gesetzgeber nicht präsumiren, selbst wenn er
nicht ausdrücklich hinzufügt, daß der Unsinn nicht
seine Absicht sei. Daß die deutschen Regierungen
die Anarchie hätten proklamiren sollen, auf den
Fall, daß die neue Verfassung nicht zu Stande
käme ( Anarchie und Verfassungslosigkeit sind völ-
lig gleichbedeutend ) , darf ebensowenig präsumirt
[Spaltenumbruch] werden. Die Hoffnungen der deutschen Regierun-
gen auf das Zustandekommen einer neuen Verfas-
sung mögen so groß gewesen sein, wie sie wollen,
sie mögen verhindert haben, daß man an die
Möglichkeit des Fehlschlagens auch nur gedacht
hat, immer sind diese Hoffnungen noch nicht gleich-
bedeutend mit gesetzlicher Bestimmung und bloße
Hoffnungen heben keine bestehende Verfassung
rechtskräftig auf. Wenn die preußische Regierung
daher die Ansicht äußert, daß die damaligen Re-
gierungen damals sammt und sonders nicht ge-
glaubt hätten, die Bundesversammlung würde je
wieder in Wirklichkeit treten, so beweist sie damit
weiter nichts, als daß man sich damals Jllusionen
hingegeben hat, die nicht in Erfüllung gegangen
sind. Aber wie sie daraus die Absicht ableiten
will, daß man Deutschland habe verfassungslos
machen wollen, das erscheint als eine wahre Be-
leidigung gegen die damaligen Männer und gegen
sich selbst. Jch frage nochmals, was würde die
preußische Regierung damals geantwortet haben,
wenn man ihr gesagt hätte, wie soll es nun aber
werden, wenn doch zuletzt keine neue Verfassung
zu Stande kommt. Sollen wir nicht um jeder
Mißdeutung wegen den Satz hinzufügen, daß alle
Verfassungen so lange gelten, bis neue an ihre
Stelle getreten sind? Jch glaube, sie hätten ge-
antwortet: das ist überflüssig, weil es sich von
selbst versteht; der Fall wird nicht eintreten, weil
wir in der Paulskirche jedenfalls eine neue Ver-
fassung fabriciren werden, aber sollte er dennoch
eintreten, so bleibt freilich gar keine andere recht-
liche Möglichkeit übrig, als daß die bisherige,
rechtliche Bundesverfassung, die rechtlich noch nicht
aufgehoben, auch faktisch wieder in Kraft tritt. --
Mit dem Erlöschen der Provisorien beginnt wie-
der das Definitivum; entweder das neue, wenn
ein solches rechtskräftig zu Stande gekommen ist,
oder das alte, wenn kein neues da ist. Aber es
scheint, als wenn die preußische Regierung nicht
bloß neue Gesetze octroyirt, sondern als wenn sie
der Welt auch eine neue juristische Logik octroyiren
wollte.

Deutschland.

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schon oft besprochene Akten=Entwendung aus der
Registratur des Ministeriums des Jnnern statt.
Als Angeklagte erschien ein 21jähriges Mädchen,
Namens Aschenbrenner, Ministerialbotenstochter
von hier. Sie gestand, in den Sommermonaten
von Mai bis Juli 1849 beinahe gegen 4 Cent-
ner Akten aus der Registratur, welche ihr zum
Reinigen übertragen worden, genommen, und
weil dieselben alt und unbrauchbar geschienen, an
die Obstlersfrau Wallner am Eingange in die
Arkaden, verkauft zu haben. Vor dem Jahre
1848, zu welcher Zeit die Angeklagte ebenfalls
die Registratur zu reinigen hatte, Akten verkauft
zu haben, stellte dieselbe in Abrede, obgleich sich
unter den bei der Obstlerfrau vorgefundenen Pa-
pieren solche befanden, welche dortmals schon ab-
handen gekommen sind. Die Staatsanwaltschaft
nahm in diesem Falle ein Diebstahlsverbrechen
an und beantragte drei Jahre Arbeitshaus. Die

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 233. Würzburg, Samstag den 28. September. 1850. Die Antwort Preußens auf die Ein- ladung zur Beschickung der Bundes- versammlung. Abermals ein Beitrag zu der eigenthümlichen Denk= und Handlungsweise der preußischen Regierung. Die preußische Antwort weist die Beschickung der Bundesversammlung aus zwei Gründen zu- rück, einmal weil dieselbe rechtlich nicht mehr vorhan- den sei, und weiter aus Gründen der Zweckmä- ßigkeit. Jn Bezug auf den Rechtspunkt bemerkt sie: „es habe für die preußischen Staatsregierung nie- mals einem Zweifel unterlegen, daß die Bundes- versammlung durch rechtskräftige Handlungen der Regierungen im Jahre 1848 rechtlich und für immer zu bestehen aufgehört habe. Sie glaube nicht, daß zu jener Zeit bei irgend einer der deutschen Re- gierungen eine andere Absicht über die Bedeutung ihrer desfalls abgegebenen Erklärung obgewaltet habe, wenigstens liege kein Moment vor, welches einen Vorbehalt künftiger Wiederherstellung ein- schlösse, wohl aber viele, welche in unzweifelhafter Weise das Entgegengesetzte bekundeten.“ Was die Regierungen damals gedacht haben, als die Bun- desversammlung ihre Wirksamkeit einstellte und auf den Reichsverweser übertrug, erscheint als völlig gleichgültig. Wir wollen zugeben, daß keine einzige Regierung an den Fall gedacht hat daß die Bundesversammlung nochmals in Wirk- samkeit treten würde; man war eben nicht in der geistigen Fassung, sich alle Eventualitäten der Zu- kunft klar vorzuführen; aber so viel ist wenig- stens gewiß, daß bei der Auflösung der Bundes- versammlung von der Voraussetzung ausgegangen wurde, daß durch gemeinsame Vereinbarung zwi- schen Regierung und Nationalversammlung ein Bundesorgan an die Stelle gesetzt, eine andere Verfassung für Deutschland geschaffen werden würde, möglich, daß sämmtliche Regierungen mit Gewißheit an dieser Aufgabe glaubten und daher an einen Wiedereintritt der Bundesversammlung nicht gedacht haben. Bis die neue Verfassung vereinbart wäre, wurde das Provisorium des Reichsverwesers an die Stelle der Bundesver- sammlung gesetzt. Wenn man aber die damali- gen Regierungen gefragt hätte, ob die bisherige Verfassung auch dann erloschen sein solle, falls sich unvorhergesehener Weise die Vereinbarung zerschlüge, wenn man sie gefragt hätte, ob Deutsch- land gar keine Verfassung haben und der deutsche Bund aufgelöst sein solle, wenn eine neue Ver- fassung nicht zu Stande käme, so würden sie ohne Zweifel sammt und sonders, die preußische Re- gierung nicht ausgenommen, mit „Nein“ geantwor- tet haben. Daß die alte Verfassung so lange fortbesteht, bis eine neue an ihre Seite getreten, ist eine so einfache Sache, daß es sich in der That gar nicht der Mühe verlohnt, darüber einen besonderen Vorbehalt zu machen. So wenig man bei einem Geldgeschäfte ausdrücklich zu bemerken braucht, daß die gewöhnlichen Additions= und Subtraktionsregeln zur Anwendung kommen sol- len, eben so wenig bedarf es einer Verwahrung, daß die alte Verfassung so lange gilt, bis ihr durch eine neue derogirt ist. Nur der preußischen Logik im Jahre 1849 war es vorbehalten, das Selbstverständliche in Zweifel zu ziehen. So wie sie durch den Mund des Herrn v. Bodelschwingh die Entdeckung machte, daß ein Bund oder ein Staat ganz ohne Verfassung sein könne und da- bei Bund oder Staat bliebe, so hat sie auch jetzt die Entdeckung gemacht, daß mit der ausgedrück- ten Absicht ein neues Gesetz zu schaffen, das alte Gesetz aufgehoben sei, wenn nicht ausdrücklich das Gegentheil ausbedungen wäre. Es fällt mir da- bei ein, daß ja auch ein preußisches Gericht im Jahre 1848 in einem Urtheilsspruche behauptete, Preußen habe in den Augenblick gar keine Ver- fassung und also auch kein Gesetz. Wie gesagt, dergleichen ist nur in Preußen, nur im Vaterlande des Landrechtes möglich, wo man vor lauter Bäumen und Wald nicht mehr sieht, wo man vor lauter Gesetzen nicht mehr begreift, daß doch irgend ein Gesetz immer noch gelten muß. Wir wiederholen, daß es schwer wird, gegen das abso- lut Widersinnige zu polemisiren, es gibt einmal gewisse angenommene Wahrheiten, die man bei Jedermann voraussehen muß, wenn man sich mit ihm verständigen will. Wer mir z. B. bestreitet, daß die gerade Linie nicht die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten, oder daß zwei mal zwei nicht vier wäre, mit dem kann man sich in keine mathemathischen Erläuterungen einlassen. Wer die einfachsten Grundregeln nicht fähig ist in sein Be- wußtsein aufzunehmen, mit dem kann man sich auch über die Folgerungen nicht verständigen, und eben so kann man sich auch in keinen juristischen Streit mit Jemanden einlassen, der da annimmt, es sei möglich, daß der Staat seine Verfassung aufhebe, bevor er nicht eine andere hätte. Was würde man von einem Arzte denken, der die Con- stitution eines Kranken verbessern wollte, und da- mit anfinge, ihn seiner bisherigen Constitution, seiner sämmtlichen Organe seines Lebens zu be- rauben. Was würde man von einem Gesetzgeber denken, der eine Commission zur Ausarbeitung ei- nes neuen Gesetzbuches niedersetzte und dabei be- stimmte, daß sämmtliche bisherige Gesetze schon jetzt, noch ehe die neuen Gesetze gemacht wären, erloschen seien, daß sämmtliche Gerichte schon jetzt aufhören sollten, bevor neue Gerichte eingesetzt wären. Und was würde man von einem Richter denken, der aus der bloßen Niedersetzung einer solchen Commission den Schluß ziehen wollte, daß das bisherige Recht nicht mehr bestände, weil es nicht ausdrücklich gesagt sei. Freilich auch das haben wir in Preußen erlebt, wir haben die Er=. fahrung gemacht, daß die Gerichte über Preß- und politische Vergehen keine Competenz mehr ha- ben sollten, weil für die Zukunft Geschwornenge- richte versprochen waren. Aber das ist alles so absolut widersinnig, daß es sich gar nicht widerlegen läßt. -- Die preußische Staatsregierung geht allerdings von dem richtigen Satze aus, daß ein Gesetz nach der Absicht des Gesetzgebers interpretirt werden müsse, aber den baaren Unsinn darf man doch bei dem Gesetzgeber nicht präsumiren, selbst wenn er nicht ausdrücklich hinzufügt, daß der Unsinn nicht seine Absicht sei. Daß die deutschen Regierungen die Anarchie hätten proklamiren sollen, auf den Fall, daß die neue Verfassung nicht zu Stande käme ( Anarchie und Verfassungslosigkeit sind völ- lig gleichbedeutend ) , darf ebensowenig präsumirt werden. Die Hoffnungen der deutschen Regierun- gen auf das Zustandekommen einer neuen Verfas- sung mögen so groß gewesen sein, wie sie wollen, sie mögen verhindert haben, daß man an die Möglichkeit des Fehlschlagens auch nur gedacht hat, immer sind diese Hoffnungen noch nicht gleich- bedeutend mit gesetzlicher Bestimmung und bloße Hoffnungen heben keine bestehende Verfassung rechtskräftig auf. Wenn die preußische Regierung daher die Ansicht äußert, daß die damaligen Re- gierungen damals sammt und sonders nicht ge- glaubt hätten, die Bundesversammlung würde je wieder in Wirklichkeit treten, so beweist sie damit weiter nichts, als daß man sich damals Jllusionen hingegeben hat, die nicht in Erfüllung gegangen sind. Aber wie sie daraus die Absicht ableiten will, daß man Deutschland habe verfassungslos machen wollen, das erscheint als eine wahre Be- leidigung gegen die damaligen Männer und gegen sich selbst. Jch frage nochmals, was würde die preußische Regierung damals geantwortet haben, wenn man ihr gesagt hätte, wie soll es nun aber werden, wenn doch zuletzt keine neue Verfassung zu Stande kommt. Sollen wir nicht um jeder Mißdeutung wegen den Satz hinzufügen, daß alle Verfassungen so lange gelten, bis neue an ihre Stelle getreten sind? Jch glaube, sie hätten ge- antwortet: das ist überflüssig, weil es sich von selbst versteht; der Fall wird nicht eintreten, weil wir in der Paulskirche jedenfalls eine neue Ver- fassung fabriciren werden, aber sollte er dennoch eintreten, so bleibt freilich gar keine andere recht- liche Möglichkeit übrig, als daß die bisherige, rechtliche Bundesverfassung, die rechtlich noch nicht aufgehoben, auch faktisch wieder in Kraft tritt. -- Mit dem Erlöschen der Provisorien beginnt wie- der das Definitivum; entweder das neue, wenn ein solches rechtskräftig zu Stande gekommen ist, oder das alte, wenn kein neues da ist. Aber es scheint, als wenn die preußische Regierung nicht bloß neue Gesetze octroyirt, sondern als wenn sie der Welt auch eine neue juristische Logik octroyiren wollte. Deutschland. München, 26. Sept. Gestern fand am kgl. Kreis und Stadtgericht die Verhandlung über die schon oft besprochene Akten=Entwendung aus der Registratur des Ministeriums des Jnnern statt. Als Angeklagte erschien ein 21jähriges Mädchen, Namens Aschenbrenner, Ministerialbotenstochter von hier. Sie gestand, in den Sommermonaten von Mai bis Juli 1849 beinahe gegen 4 Cent- ner Akten aus der Registratur, welche ihr zum Reinigen übertragen worden, genommen, und weil dieselben alt und unbrauchbar geschienen, an die Obstlersfrau Wallner am Eingange in die Arkaden, verkauft zu haben. Vor dem Jahre 1848, zu welcher Zeit die Angeklagte ebenfalls die Registratur zu reinigen hatte, Akten verkauft zu haben, stellte dieselbe in Abrede, obgleich sich unter den bei der Obstlerfrau vorgefundenen Pa- pieren solche befanden, welche dortmals schon ab- handen gekommen sind. Die Staatsanwaltschaft nahm in diesem Falle ein Diebstahlsverbrechen an und beantragte drei Jahre Arbeitshaus. Die

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische233_1850/1>, abgerufen am 28.03.2024.