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Die Bayerische Presse. Nr. 265. Würzburg, 5. November 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 265.
Würzburg, Dinstag den 5. November. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Oesterrich und Preußen.

Eine der vornehmsten Ursachen von Oester-
reichs Einfluß in Deutschland besteht in der Zu-
versicht der deutschen Regierungen zu der Redlich-
keit seiner Absichten. Die Thatsache läßt sich nicht
ableugnen, daß die deutschen Staaten in demsel-
ben Grade Preußen mißtrauen, wie sie Oesterreich
vertrauen. Die Ursache dieser Erscheinung ist nicht
eine vorübergehende, sie ist eine permanente. Sie
liegt nicht in dem Charakter einzelner Persönlich-
keiten; sie ist in den innersten Zuständen der bei-
den Großstaaten begründet. Oesterreich und Preu-
ßen sind während der letzten dreißig Monate nicht
Rivale in Deutschland gewesen, denn Preußen hat
ein Ziel angestrebt, welches Oesterreich gar nicht
erreichen wollte. Preußen wollte seinen Einfluß
in Deutschland vermehren, Oesterreich wünschte
den seinen nur zu erhalten. Preußen wollte wach-
sen, erobern, herrschen. Es wollte Staaten me-
diatisiren, ohne den Namen Mediatisirung zu ge-
brauchen, ihre Truppen durch Militärconventionen
an sich ziehen, ihre Politik durch seine Gesandten
vertreten, das heißt, beherrschen, und den Rest
von Macht, der ihnen dann übrig geblieben, durch
ein Unions=Parlament neutralisiren, in welchem
seine Unterthanen die große Mehrheit der Stim-
men gehabt hätten. Oesterreich hatte solche Pläne
nicht. -- Es würde nicht sehr schwer sein, Preu-
ßen davon zu überzeugen, daß die Franzosen ihr
Augenmerk auf das linke Rheinufer jenes Staates
gerichtet haben, und es gern bei einer günstigen
Gelegenheit an sich zu reißen suchen werden. Keine
Beredsamkeit in der Welt wird aber irgend einen
Preußen zu dem Glauben bewegen können, daß
man in London beabsichtige, Köln oder Koblenz
zu englischen Städten zu machen. Die Anwen-
dung dieser Sätze auf deutsche Verhältnisse ist nicht
schwer zu finden. Welcher König auch in Preu-
ßen herrsche, welches Ministerium auch dort re-
giere, welche Politik dort auch befolgt werde, im-
merhin werden andere deutsche Staaten sich der
Besorgniß nicht erwehren können, daß Preußen
ihre Selbstständigkeit bedrohen werde, ja müsse.
Bedarf Frankreich des deutschen linken Rheinufers,
um wie unendlich näher liegt nicht Preußen das
Gelüste, ja das Bedürfniß, Braunschweig, Ham-
burg, Hannover, Hessen, Sachsen, Oldenburg,
Holstein und noch eine große Anzahl anderer deut-
scher Staaten an sich zu bringen. Diese und an-
dere deutsche Länder werden aber nicht einen ähn-
lichen Vergrößerungstrieb von Seiten Oesterreichs
voraussetzen, weil sie wissen, daß das Vergröße-
rungsbedürfniß nicht da ist. -- Diese thatsächliche
Lage der Dinge hat dem preußischen Vierkönigs-
bündniß drei Könige abwendig gemacht, und vier
Könige Oesterreich als Alliirte zugeführt. Die
Union scheiterte einfach an der Unmöglichkeit, den
deutschen Mittelstaaten ein Zutrauen zu Preußen
und seinen Absichten einzuflößen. Der Bundestag
in Frankfurt konnte darum zu Stande kommen,
weil von der Eider bis zur Donau das Vertrauen
zu der österreichischen Erhaltungspolitik im Gegen-
satze zu Preußens Vergrößerungspolitik fest be-
gründet war. Diese moralische Ursache hat Oe-
sterreich stark in Deutschland gemacht. -- Die
preußischen Politiker haben dieses Faktum wohl
erkannt, und wir können es ihnen von ihrem
[Spaltenumbruch] Standpunkte aus kaum verargen, wenn sie sich
bemühen, Oesterreich aus der starken Position,
welche es jetzt einnimmt, hinauszudrängen. Sie
wollen nichts Anderes, als daß Oesterreich selbst
das natürliche Vertrauen, welches es den deutschen
Regierungen einflößt, entwurzele. Die ministeri-
elle Presse Preußens schreibt die Schuld an dem
Zerwürfnisse in Deutschland hauptsächlich auf den
"Ehrgeiz" der Mittelstaaten, welche sie ja so weit
treibt, ihre eigene Unabhängigkeit sicher zu stellen.
Besonders ist Bayern derselben ein Dorn im
Auge. Wenn die Mittelstaaten nicht wären, heißt
es in Berlin, so würde eine Aussöhnung zwischen
den beiden Großstaaten nicht mehr schwer herzu-
stellen sein. Man gibt Oesterreich nicht undeut-
lich zu verstehen, daß man die Herrschaft über
Deutschland, da man sie nicht allein hat erringen
können, jetzt gerne mit demselben theilen wolle,
unter den Bedingungen jedoch, daß kein Dritter
an derselben Theil habe. -- Oesterreich ist zu
ehrlich, um seine Hand zu der Erreichung eines
solchen Dualismus in Deutschland zu bieten. Aber
es ist auch zu weise, um es zu thun. Dieser
Dualismus würde Preußen freie Hand im Nor-
den geben, wo gerade die kleineren Staaten sich
befinden, welche, wenn Oesterreich sie verläßt,
hilflos in die Gewalt ihres mächtigen Nachbars
fallen müssen. Er würde dann das Mißtrauen
der größeren süddeutschen Staaten weit heftiger
gegen Oesterreich, als gegen Preußen entstehen
lassen. Oesterreichs jetzige treue Verbündete wür-
den sich dann voll gerechten Zornes über das
Spiel, welches dasselbe mit ihnen getrieben, gegen
dieses rüsten und sich nöthigenfalls an das neu
arrondirte und mit einer stärkeren "Taille" ver-
sehene Preußen anschließen, um zu verhindern, daß
Oesterreich im Süden das thue, was Preußen be-
reits im Norden gethan hätte. Oesterreich, wenn
es Lust hat, das Gagern'sche Programm zu einer
Wahrheit zu machen, braucht blos einen Treu-
bruch gegen die Mittelstaaten zu begehen. -- Der
in Berlin projektirte Dualismus ist nur ein kur-
zer Umweg zu der auch in Berlin projektirten
unitarischen Beherrschung Deutschlands. Oester-
reich wird diesen Vorschlag zur Güte von der
Hand weißen müssen. Oesterreich will seine Macht
in Deutschland nur auf der Basis der Verträge,
des Rechts und der Redlichkeit ruhen lassen. Es
will seinen Einfluß in jenem Lande nicht durch
unbefugte Uebergriffe verkürzen, noch durch recht-
lose Vortheile vermehren lassen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 2. Nov. Heute um 10 Uhr Vor-
mittags rückte königl. preußisches Militär zum
holländischen Thore, auf der Straße von Marburg
her, hier ein. Die Truppen haben in der letzten
Nacht um 12 Uhr Marschbefehl erhalten und die
ganze Nacht hindurch marschirt. Voran befand
sich General v. Tiezen mit seinem Stabe; ihm
folgte das 12. Husarenregiment, das 18. Linien-
infanterieregiment ( jede Compagnie 180 Mann
stark ) und ein dazu gehöriges Füsilierbataillon
ferner eine Batterie Artillerie. General v. Tiezen
reichte beim Einmarsch am Thore mehreren Bür-
[Spaltenumbruch] gern die Hand u. sprach mit den freundlichsten Worten
die Versicherung aus, daß er und sein Corps als
Freunde kämen, und deßhalb um eine freundliche
Aufnahme bäten. Hierauf ist ihm erwidert wor-
den, daß er mit solchen Ansichten den Bewohnern
willkommen sei. Die preußischen Truppen beziehen
die leer stehenden Kasernen nicht, sondern werden
bei den Bürgern einquartiert. Ebenso besetzen
dieselben außer den Thoren keine Wachen inner-
halb der Stadt. -- Gegen Mittag werden wei-
tere Zuzüge preußischer Truppen in der Richtung
von Eisenach her erwartet, ebenso ist bereits ein
Kürassierregiment angemeldet, welches um 1 Uhr
von Ossendorf und dessen Umgegend her hier ein-
treffen soll. Die Begegnung zwischen Militär
und den hiesigen Bewohnern ist freundlich. Meh-
rere höhere preußische Offiziere haben dem noch
hier verweilenden hessischen Commandanten, Oberst
von Stark, die Versicherung der freundschaftlichsten
Gesinnungen ausgedrückt. Die Bürgergarde be-
zieht die Wachen in der Stadt und wird für
Aufrechthaltung der inneren Ruhe und Ordnung
Sorge tragen.

   

Fulda, 2. Nov. Jn diesem Augenblicke ist
die preußische Avantgarde dahier eingezogen, be-
stehend aus ungefähr 1600 Mann Husaren, Jn-
fanterie, Jäger und Artillerie. Die Generäle v.
d. Gröben, Radzivill und Katte befindet sich hier.
Morgen werden diese Truppen hier bleiben, aber
auch neue Massen eintreffen. Unsere Bezirksdirek-
tion hat heute von Wilhelmsbad Ordre erhalten,
für die Unterkunft einrückender Bayern und Oe-
sterreicher Sorge zu tragen und über die Ankunft
der letzteren zu berichten; dagegen hat nun die
Bezirksbehörde den Einmarsch der Preußen per
Estafette berichtet. Die Bayern sind auch von
der Röhn in einige kurhessische Dörfer eingerückt.
Auf einer Anhöhe vor der Stadt sind preußische
Husaren aufgestellt. Die Thore der Stadt sind
besetzt.

   

Gelnhausen, 2. Nov. Gestern wurden wir
hier plötzlich von dem Einmarsch der Bayern über-
rascht. Die Truppen betrugen sich sehr gut. Jhre
Mannszucht ist eben so tüchtig, als ihr Aussehen
und ihre Haltung vortrefflich. Jn der ganzen
Gegend herrscht übrigens tiefe Ruhe, da die Ein-
wohner überhaupt nur wenig Theil an der Be-
wegung nehmen. Man hätte die Steuern gern
bezahlt, erbot sich auch hierzu, wenn sie die Be-
amten nur angenommen hätten. Diejenigen, welche
solches über uns gebracht, tragen große Verant-
wortlichkeit. Mögen wir nur wenigstens mit ei-
nem Kriege verschont bleiben; dann wollen wir
gern noch Alles ertragen. -- Heute traf nun das
Hauptquartier Sr. Durchl. des Fürsten v. Thurn
und Taxis bei uns ein, mit dem Civilkommissär
des Bundes, Graf Rechberg und dem kurh. Ci-
vilkommissär Staatsrath Scheffer. Wie man hört,
ziehen die Truppen morgen weiter nach Schlüch-
tern und gegen Fulda. Sie sind voller Kriegs-
muth, wir aber wünschen, daß ein blutiger Con-
flikt, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären, vermie-
den werden möge! Preußen wird ein solch Unglück
nicht über das deutsche Vaterland bringen, Gott
wolle es verhüten. Es würde eine enorme Verant-
wortung auf sich laden, wenn es sich den deut-
schen Bundestruppen widersetzen wollte, welche sich

Die Bayerische Presse.

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Oesterrich und Preußen.

Eine der vornehmsten Ursachen von Oester-
reichs Einfluß in Deutschland besteht in der Zu-
versicht der deutschen Regierungen zu der Redlich-
keit seiner Absichten. Die Thatsache läßt sich nicht
ableugnen, daß die deutschen Staaten in demsel-
ben Grade Preußen mißtrauen, wie sie Oesterreich
vertrauen. Die Ursache dieser Erscheinung ist nicht
eine vorübergehende, sie ist eine permanente. Sie
liegt nicht in dem Charakter einzelner Persönlich-
keiten; sie ist in den innersten Zuständen der bei-
den Großstaaten begründet. Oesterreich und Preu-
ßen sind während der letzten dreißig Monate nicht
Rivale in Deutschland gewesen, denn Preußen hat
ein Ziel angestrebt, welches Oesterreich gar nicht
erreichen wollte. Preußen wollte seinen Einfluß
in Deutschland vermehren, Oesterreich wünschte
den seinen nur zu erhalten. Preußen wollte wach-
sen, erobern, herrschen. Es wollte Staaten me-
diatisiren, ohne den Namen Mediatisirung zu ge-
brauchen, ihre Truppen durch Militärconventionen
an sich ziehen, ihre Politik durch seine Gesandten
vertreten, das heißt, beherrschen, und den Rest
von Macht, der ihnen dann übrig geblieben, durch
ein Unions=Parlament neutralisiren, in welchem
seine Unterthanen die große Mehrheit der Stim-
men gehabt hätten. Oesterreich hatte solche Pläne
nicht. -- Es würde nicht sehr schwer sein, Preu-
ßen davon zu überzeugen, daß die Franzosen ihr
Augenmerk auf das linke Rheinufer jenes Staates
gerichtet haben, und es gern bei einer günstigen
Gelegenheit an sich zu reißen suchen werden. Keine
Beredsamkeit in der Welt wird aber irgend einen
Preußen zu dem Glauben bewegen können, daß
man in London beabsichtige, Köln oder Koblenz
zu englischen Städten zu machen. Die Anwen-
dung dieser Sätze auf deutsche Verhältnisse ist nicht
schwer zu finden. Welcher König auch in Preu-
ßen herrsche, welches Ministerium auch dort re-
giere, welche Politik dort auch befolgt werde, im-
merhin werden andere deutsche Staaten sich der
Besorgniß nicht erwehren können, daß Preußen
ihre Selbstständigkeit bedrohen werde, ja müsse.
Bedarf Frankreich des deutschen linken Rheinufers,
um wie unendlich näher liegt nicht Preußen das
Gelüste, ja das Bedürfniß, Braunschweig, Ham-
burg, Hannover, Hessen, Sachsen, Oldenburg,
Holstein und noch eine große Anzahl anderer deut-
scher Staaten an sich zu bringen. Diese und an-
dere deutsche Länder werden aber nicht einen ähn-
lichen Vergrößerungstrieb von Seiten Oesterreichs
voraussetzen, weil sie wissen, daß das Vergröße-
rungsbedürfniß nicht da ist. -- Diese thatsächliche
Lage der Dinge hat dem preußischen Vierkönigs-
bündniß drei Könige abwendig gemacht, und vier
Könige Oesterreich als Alliirte zugeführt. Die
Union scheiterte einfach an der Unmöglichkeit, den
deutschen Mittelstaaten ein Zutrauen zu Preußen
und seinen Absichten einzuflößen. Der Bundestag
in Frankfurt konnte darum zu Stande kommen,
weil von der Eider bis zur Donau das Vertrauen
zu der österreichischen Erhaltungspolitik im Gegen-
satze zu Preußens Vergrößerungspolitik fest be-
gründet war. Diese moralische Ursache hat Oe-
sterreich stark in Deutschland gemacht. -- Die
preußischen Politiker haben dieses Faktum wohl
erkannt, und wir können es ihnen von ihrem
[Spaltenumbruch] Standpunkte aus kaum verargen, wenn sie sich
bemühen, Oesterreich aus der starken Position,
welche es jetzt einnimmt, hinauszudrängen. Sie
wollen nichts Anderes, als daß Oesterreich selbst
das natürliche Vertrauen, welches es den deutschen
Regierungen einflößt, entwurzele. Die ministeri-
elle Presse Preußens schreibt die Schuld an dem
Zerwürfnisse in Deutschland hauptsächlich auf den
„Ehrgeiz“ der Mittelstaaten, welche sie ja so weit
treibt, ihre eigene Unabhängigkeit sicher zu stellen.
Besonders ist Bayern derselben ein Dorn im
Auge. Wenn die Mittelstaaten nicht wären, heißt
es in Berlin, so würde eine Aussöhnung zwischen
den beiden Großstaaten nicht mehr schwer herzu-
stellen sein. Man gibt Oesterreich nicht undeut-
lich zu verstehen, daß man die Herrschaft über
Deutschland, da man sie nicht allein hat erringen
können, jetzt gerne mit demselben theilen wolle,
unter den Bedingungen jedoch, daß kein Dritter
an derselben Theil habe. -- Oesterreich ist zu
ehrlich, um seine Hand zu der Erreichung eines
solchen Dualismus in Deutschland zu bieten. Aber
es ist auch zu weise, um es zu thun. Dieser
Dualismus würde Preußen freie Hand im Nor-
den geben, wo gerade die kleineren Staaten sich
befinden, welche, wenn Oesterreich sie verläßt,
hilflos in die Gewalt ihres mächtigen Nachbars
fallen müssen. Er würde dann das Mißtrauen
der größeren süddeutschen Staaten weit heftiger
gegen Oesterreich, als gegen Preußen entstehen
lassen. Oesterreichs jetzige treue Verbündete wür-
den sich dann voll gerechten Zornes über das
Spiel, welches dasselbe mit ihnen getrieben, gegen
dieses rüsten und sich nöthigenfalls an das neu
arrondirte und mit einer stärkeren „Taille“ ver-
sehene Preußen anschließen, um zu verhindern, daß
Oesterreich im Süden das thue, was Preußen be-
reits im Norden gethan hätte. Oesterreich, wenn
es Lust hat, das Gagern'sche Programm zu einer
Wahrheit zu machen, braucht blos einen Treu-
bruch gegen die Mittelstaaten zu begehen. -- Der
in Berlin projektirte Dualismus ist nur ein kur-
zer Umweg zu der auch in Berlin projektirten
unitarischen Beherrschung Deutschlands. Oester-
reich wird diesen Vorschlag zur Güte von der
Hand weißen müssen. Oesterreich will seine Macht
in Deutschland nur auf der Basis der Verträge,
des Rechts und der Redlichkeit ruhen lassen. Es
will seinen Einfluß in jenem Lande nicht durch
unbefugte Uebergriffe verkürzen, noch durch recht-
lose Vortheile vermehren lassen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 2. Nov. Heute um 10 Uhr Vor-
mittags rückte königl. preußisches Militär zum
holländischen Thore, auf der Straße von Marburg
her, hier ein. Die Truppen haben in der letzten
Nacht um 12 Uhr Marschbefehl erhalten und die
ganze Nacht hindurch marschirt. Voran befand
sich General v. Tiezen mit seinem Stabe; ihm
folgte das 12. Husarenregiment, das 18. Linien-
infanterieregiment ( jede Compagnie 180 Mann
stark ) und ein dazu gehöriges Füsilierbataillon
ferner eine Batterie Artillerie. General v. Tiezen
reichte beim Einmarsch am Thore mehreren Bür-
[Spaltenumbruch] gern die Hand u. sprach mit den freundlichsten Worten
die Versicherung aus, daß er und sein Corps als
Freunde kämen, und deßhalb um eine freundliche
Aufnahme bäten. Hierauf ist ihm erwidert wor-
den, daß er mit solchen Ansichten den Bewohnern
willkommen sei. Die preußischen Truppen beziehen
die leer stehenden Kasernen nicht, sondern werden
bei den Bürgern einquartiert. Ebenso besetzen
dieselben außer den Thoren keine Wachen inner-
halb der Stadt. -- Gegen Mittag werden wei-
tere Zuzüge preußischer Truppen in der Richtung
von Eisenach her erwartet, ebenso ist bereits ein
Kürassierregiment angemeldet, welches um 1 Uhr
von Ossendorf und dessen Umgegend her hier ein-
treffen soll. Die Begegnung zwischen Militär
und den hiesigen Bewohnern ist freundlich. Meh-
rere höhere preußische Offiziere haben dem noch
hier verweilenden hessischen Commandanten, Oberst
von Stark, die Versicherung der freundschaftlichsten
Gesinnungen ausgedrückt. Die Bürgergarde be-
zieht die Wachen in der Stadt und wird für
Aufrechthaltung der inneren Ruhe und Ordnung
Sorge tragen.

   

Fulda, 2. Nov. Jn diesem Augenblicke ist
die preußische Avantgarde dahier eingezogen, be-
stehend aus ungefähr 1600 Mann Husaren, Jn-
fanterie, Jäger und Artillerie. Die Generäle v.
d. Gröben, Radzivill und Katte befindet sich hier.
Morgen werden diese Truppen hier bleiben, aber
auch neue Massen eintreffen. Unsere Bezirksdirek-
tion hat heute von Wilhelmsbad Ordre erhalten,
für die Unterkunft einrückender Bayern und Oe-
sterreicher Sorge zu tragen und über die Ankunft
der letzteren zu berichten; dagegen hat nun die
Bezirksbehörde den Einmarsch der Preußen per
Estafette berichtet. Die Bayern sind auch von
der Röhn in einige kurhessische Dörfer eingerückt.
Auf einer Anhöhe vor der Stadt sind preußische
Husaren aufgestellt. Die Thore der Stadt sind
besetzt.

   

Gelnhausen, 2. Nov. Gestern wurden wir
hier plötzlich von dem Einmarsch der Bayern über-
rascht. Die Truppen betrugen sich sehr gut. Jhre
Mannszucht ist eben so tüchtig, als ihr Aussehen
und ihre Haltung vortrefflich. Jn der ganzen
Gegend herrscht übrigens tiefe Ruhe, da die Ein-
wohner überhaupt nur wenig Theil an der Be-
wegung nehmen. Man hätte die Steuern gern
bezahlt, erbot sich auch hierzu, wenn sie die Be-
amten nur angenommen hätten. Diejenigen, welche
solches über uns gebracht, tragen große Verant-
wortlichkeit. Mögen wir nur wenigstens mit ei-
nem Kriege verschont bleiben; dann wollen wir
gern noch Alles ertragen. -- Heute traf nun das
Hauptquartier Sr. Durchl. des Fürsten v. Thurn
und Taxis bei uns ein, mit dem Civilkommissär
des Bundes, Graf Rechberg und dem kurh. Ci-
vilkommissär Staatsrath Scheffer. Wie man hört,
ziehen die Truppen morgen weiter nach Schlüch-
tern und gegen Fulda. Sie sind voller Kriegs-
muth, wir aber wünschen, daß ein blutiger Con-
flikt, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären, vermie-
den werden möge! Preußen wird ein solch Unglück
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 265. Würzburg, Dinstag den 5. November. 1850. Oesterrich und Preußen. Eine der vornehmsten Ursachen von Oester- reichs Einfluß in Deutschland besteht in der Zu- versicht der deutschen Regierungen zu der Redlich- keit seiner Absichten. Die Thatsache läßt sich nicht ableugnen, daß die deutschen Staaten in demsel- ben Grade Preußen mißtrauen, wie sie Oesterreich vertrauen. Die Ursache dieser Erscheinung ist nicht eine vorübergehende, sie ist eine permanente. Sie liegt nicht in dem Charakter einzelner Persönlich- keiten; sie ist in den innersten Zuständen der bei- den Großstaaten begründet. Oesterreich und Preu- ßen sind während der letzten dreißig Monate nicht Rivale in Deutschland gewesen, denn Preußen hat ein Ziel angestrebt, welches Oesterreich gar nicht erreichen wollte. Preußen wollte seinen Einfluß in Deutschland vermehren, Oesterreich wünschte den seinen nur zu erhalten. Preußen wollte wach- sen, erobern, herrschen. Es wollte Staaten me- diatisiren, ohne den Namen Mediatisirung zu ge- brauchen, ihre Truppen durch Militärconventionen an sich ziehen, ihre Politik durch seine Gesandten vertreten, das heißt, beherrschen, und den Rest von Macht, der ihnen dann übrig geblieben, durch ein Unions=Parlament neutralisiren, in welchem seine Unterthanen die große Mehrheit der Stim- men gehabt hätten. Oesterreich hatte solche Pläne nicht. -- Es würde nicht sehr schwer sein, Preu- ßen davon zu überzeugen, daß die Franzosen ihr Augenmerk auf das linke Rheinufer jenes Staates gerichtet haben, und es gern bei einer günstigen Gelegenheit an sich zu reißen suchen werden. Keine Beredsamkeit in der Welt wird aber irgend einen Preußen zu dem Glauben bewegen können, daß man in London beabsichtige, Köln oder Koblenz zu englischen Städten zu machen. Die Anwen- dung dieser Sätze auf deutsche Verhältnisse ist nicht schwer zu finden. Welcher König auch in Preu- ßen herrsche, welches Ministerium auch dort re- giere, welche Politik dort auch befolgt werde, im- merhin werden andere deutsche Staaten sich der Besorgniß nicht erwehren können, daß Preußen ihre Selbstständigkeit bedrohen werde, ja müsse. Bedarf Frankreich des deutschen linken Rheinufers, um wie unendlich näher liegt nicht Preußen das Gelüste, ja das Bedürfniß, Braunschweig, Ham- burg, Hannover, Hessen, Sachsen, Oldenburg, Holstein und noch eine große Anzahl anderer deut- scher Staaten an sich zu bringen. Diese und an- dere deutsche Länder werden aber nicht einen ähn- lichen Vergrößerungstrieb von Seiten Oesterreichs voraussetzen, weil sie wissen, daß das Vergröße- rungsbedürfniß nicht da ist. -- Diese thatsächliche Lage der Dinge hat dem preußischen Vierkönigs- bündniß drei Könige abwendig gemacht, und vier Könige Oesterreich als Alliirte zugeführt. Die Union scheiterte einfach an der Unmöglichkeit, den deutschen Mittelstaaten ein Zutrauen zu Preußen und seinen Absichten einzuflößen. Der Bundestag in Frankfurt konnte darum zu Stande kommen, weil von der Eider bis zur Donau das Vertrauen zu der österreichischen Erhaltungspolitik im Gegen- satze zu Preußens Vergrößerungspolitik fest be- gründet war. Diese moralische Ursache hat Oe- sterreich stark in Deutschland gemacht. -- Die preußischen Politiker haben dieses Faktum wohl erkannt, und wir können es ihnen von ihrem Standpunkte aus kaum verargen, wenn sie sich bemühen, Oesterreich aus der starken Position, welche es jetzt einnimmt, hinauszudrängen. Sie wollen nichts Anderes, als daß Oesterreich selbst das natürliche Vertrauen, welches es den deutschen Regierungen einflößt, entwurzele. Die ministeri- elle Presse Preußens schreibt die Schuld an dem Zerwürfnisse in Deutschland hauptsächlich auf den „Ehrgeiz“ der Mittelstaaten, welche sie ja so weit treibt, ihre eigene Unabhängigkeit sicher zu stellen. Besonders ist Bayern derselben ein Dorn im Auge. Wenn die Mittelstaaten nicht wären, heißt es in Berlin, so würde eine Aussöhnung zwischen den beiden Großstaaten nicht mehr schwer herzu- stellen sein. Man gibt Oesterreich nicht undeut- lich zu verstehen, daß man die Herrschaft über Deutschland, da man sie nicht allein hat erringen können, jetzt gerne mit demselben theilen wolle, unter den Bedingungen jedoch, daß kein Dritter an derselben Theil habe. -- Oesterreich ist zu ehrlich, um seine Hand zu der Erreichung eines solchen Dualismus in Deutschland zu bieten. Aber es ist auch zu weise, um es zu thun. Dieser Dualismus würde Preußen freie Hand im Nor- den geben, wo gerade die kleineren Staaten sich befinden, welche, wenn Oesterreich sie verläßt, hilflos in die Gewalt ihres mächtigen Nachbars fallen müssen. Er würde dann das Mißtrauen der größeren süddeutschen Staaten weit heftiger gegen Oesterreich, als gegen Preußen entstehen lassen. Oesterreichs jetzige treue Verbündete wür- den sich dann voll gerechten Zornes über das Spiel, welches dasselbe mit ihnen getrieben, gegen dieses rüsten und sich nöthigenfalls an das neu arrondirte und mit einer stärkeren „Taille“ ver- sehene Preußen anschließen, um zu verhindern, daß Oesterreich im Süden das thue, was Preußen be- reits im Norden gethan hätte. Oesterreich, wenn es Lust hat, das Gagern'sche Programm zu einer Wahrheit zu machen, braucht blos einen Treu- bruch gegen die Mittelstaaten zu begehen. -- Der in Berlin projektirte Dualismus ist nur ein kur- zer Umweg zu der auch in Berlin projektirten unitarischen Beherrschung Deutschlands. Oester- reich wird diesen Vorschlag zur Güte von der Hand weißen müssen. Oesterreich will seine Macht in Deutschland nur auf der Basis der Verträge, des Rechts und der Redlichkeit ruhen lassen. Es will seinen Einfluß in jenem Lande nicht durch unbefugte Uebergriffe verkürzen, noch durch recht- lose Vortheile vermehren lassen. Die Ereignisse in Kurhessen. Kassel, 2. Nov. Heute um 10 Uhr Vor- mittags rückte königl. preußisches Militär zum holländischen Thore, auf der Straße von Marburg her, hier ein. Die Truppen haben in der letzten Nacht um 12 Uhr Marschbefehl erhalten und die ganze Nacht hindurch marschirt. Voran befand sich General v. Tiezen mit seinem Stabe; ihm folgte das 12. Husarenregiment, das 18. Linien- infanterieregiment ( jede Compagnie 180 Mann stark ) und ein dazu gehöriges Füsilierbataillon ferner eine Batterie Artillerie. General v. Tiezen reichte beim Einmarsch am Thore mehreren Bür- gern die Hand u. sprach mit den freundlichsten Worten die Versicherung aus, daß er und sein Corps als Freunde kämen, und deßhalb um eine freundliche Aufnahme bäten. Hierauf ist ihm erwidert wor- den, daß er mit solchen Ansichten den Bewohnern willkommen sei. Die preußischen Truppen beziehen die leer stehenden Kasernen nicht, sondern werden bei den Bürgern einquartiert. Ebenso besetzen dieselben außer den Thoren keine Wachen inner- halb der Stadt. -- Gegen Mittag werden wei- tere Zuzüge preußischer Truppen in der Richtung von Eisenach her erwartet, ebenso ist bereits ein Kürassierregiment angemeldet, welches um 1 Uhr von Ossendorf und dessen Umgegend her hier ein- treffen soll. Die Begegnung zwischen Militär und den hiesigen Bewohnern ist freundlich. Meh- rere höhere preußische Offiziere haben dem noch hier verweilenden hessischen Commandanten, Oberst von Stark, die Versicherung der freundschaftlichsten Gesinnungen ausgedrückt. Die Bürgergarde be- zieht die Wachen in der Stadt und wird für Aufrechthaltung der inneren Ruhe und Ordnung Sorge tragen. ( F. O.=Z. ) Fulda, 2. Nov. Jn diesem Augenblicke ist die preußische Avantgarde dahier eingezogen, be- stehend aus ungefähr 1600 Mann Husaren, Jn- fanterie, Jäger und Artillerie. Die Generäle v. d. Gröben, Radzivill und Katte befindet sich hier. Morgen werden diese Truppen hier bleiben, aber auch neue Massen eintreffen. Unsere Bezirksdirek- tion hat heute von Wilhelmsbad Ordre erhalten, für die Unterkunft einrückender Bayern und Oe- sterreicher Sorge zu tragen und über die Ankunft der letzteren zu berichten; dagegen hat nun die Bezirksbehörde den Einmarsch der Preußen per Estafette berichtet. Die Bayern sind auch von der Röhn in einige kurhessische Dörfer eingerückt. Auf einer Anhöhe vor der Stadt sind preußische Husaren aufgestellt. Die Thore der Stadt sind besetzt. ( F. J. ) Gelnhausen, 2. Nov. Gestern wurden wir hier plötzlich von dem Einmarsch der Bayern über- rascht. Die Truppen betrugen sich sehr gut. Jhre Mannszucht ist eben so tüchtig, als ihr Aussehen und ihre Haltung vortrefflich. Jn der ganzen Gegend herrscht übrigens tiefe Ruhe, da die Ein- wohner überhaupt nur wenig Theil an der Be- wegung nehmen. Man hätte die Steuern gern bezahlt, erbot sich auch hierzu, wenn sie die Be- amten nur angenommen hätten. Diejenigen, welche solches über uns gebracht, tragen große Verant- wortlichkeit. Mögen wir nur wenigstens mit ei- nem Kriege verschont bleiben; dann wollen wir gern noch Alles ertragen. -- Heute traf nun das Hauptquartier Sr. Durchl. des Fürsten v. Thurn und Taxis bei uns ein, mit dem Civilkommissär des Bundes, Graf Rechberg und dem kurh. Ci- vilkommissär Staatsrath Scheffer. Wie man hört, ziehen die Truppen morgen weiter nach Schlüch- tern und gegen Fulda. Sie sind voller Kriegs- muth, wir aber wünschen, daß ein blutiger Con- flikt, dessen Folgen gar nicht abzusehen wären, vermie- den werden möge! Preußen wird ein solch Unglück nicht über das deutsche Vaterland bringen, Gott wolle es verhüten. Es würde eine enorme Verant- wortung auf sich laden, wenn es sich den deut- schen Bundestruppen widersetzen wollte, welche sich

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 265. Würzburg, 5. November 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische265_1850/1>, abgerufen am 28.03.2024.