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Die Bayerische Presse. Nr. 270. Würzburg, 11. November 1850.

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Die Bayerische Presse.

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Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 270.
Würzburg, Montag den 11. November. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Amtliche Nachrichten.

München, 10. Nov. Se. Maj. der König
haben sich untern 7. Nov. l. J. allergnädigst be-
wogen gefunden, auf die in Schweinsurt offene
Advokatenstelle den Advokaten Bernhard Koch v.
Rothenfels, auf allerunterthänigstes Ansuchen, zu
versetzen.



Das preuß. Attentat in Kurhessen.

So ist denn der erste thatsächliche Bundes-
bruch durch Preußen vollführt, seine Heeresmacht
hat unaufgefordert, ja gegen Willen des Kurfür-
sten von Hessen, einen Theil seines Landes besetzt,
und scheint bestimmt zu sein, der aus Auftrag der
Bundesversammlung und auf Anrufen des Kur-
fürsten zur Wiederherstellung seiner landesherrli-
chen Autorität in dessen Staatsgebiet eingerückten
Bundesmacht offen Widerstand entgegenzusetzen.
Dieser beklagenswerthe Schritt Preußens ist zu-
gleich ein Angriff auf die Bundesgesammtheit, auf
den konkreten Bundesstaat, gegen den er gerichtet
ist, und -- von dem Bundesverhältnisse ganz ab-
gesehen -- ein unverantwortliches Attentat gegen
einen, von der europäischen Staatenfamilie als
unabhängig anerkannten Staat; er begreift nicht
nur eine Verletzung des deutschen Bundesrechts,
sondern auch des allgemeinen internationalen Rech-
tes; er müßte, soferne er nicht ohne Verzug zu-
rückgenommen würde, nicht nur die Einschreitung
der Bundesmacht provoziren, sondern es wäre
selbst Gefahr da, daß er auch die Einmischung
der gesammten europäischen Staatenfamilie hervor-
rufen könnte; -- er ist eine Kriegserklärung nicht
nur gegen den deutschen Bund, sondern gewisser-
massen gegen Europa! Welches ist der Rechts-
titel, auf welchen sich Preußen bei der militäri-
schen Besetzung des Gebietes eines deutschen Bun-
desstaates, eines unabhängigen, selbstständigen
Staates, wie Kurhessen, berufen könnte? Liegt ein
besonderer Vertrag in Mitte zwischen Preußen
und Kurhessen, der ersteres zu solchem Einschreiten
ermächtigte? Jn keiner Weise, Preußen hat ge-
genüber Kurhessen nur das Recht der Benutzung
der Etappenstraßen in letzterem Lande, und dieses
darf es nur nach Maßgabe der betreffenden Kon-
vention ausüben: es kann und darf aber nicht
einzelne Punkte des Kurstaates willkürlich militä-
risch besetzen -- gegen den bestimmt ausgespro-
chenen Willen des Landesherrn. -- Oder kann
Preußen bei seinem Vorgehen gegen Kurhessen
sich auf eine Bestimmung des Bundesrechtes be-
rufen? Ebenso wenig; das Bundesrecht gestattet
die Besetzung eines Bundesstaates durch die Hee-
resmacht anderer Bundesstaaten nur in dem Falle,
wenn diese durch die Bundesversammlung hiezu
berufen ist, wenn sie auf deren Beschluß und Be-
fehl agirt: dieß ist im vorliegenden Falle bezüglich
der preußischen Heeresmacht in keiner Weise ge-
geben; im Gegentheile Preußen intervenirt in
Kurhessen gegen den Willen der Bundesversamm-
lung und scheint sich der von dieser aufgebote-
nen Bundesmacht offen widersetzen zu wollen.
Wenn sich demnach Preußen bei der Besetzung
kurhessischen Gebietes weder auf einen besonderen
Rechtstitel noch auf das spezielle Bundesrecht be-
[Spaltenumbruch] rufen kann, so ist es nur der allgemein völker-
rechtliche Rechtstitel -- der Sorge für die Si-
cherheit und Selbsterhaltung des preuß. Staats,
welcher einem solchen extremen Schritte zur Stütze
dienen könnte; allein, wie, wo, durch wen ist denn
in der kurhessischen Angelegenheit die Sicherheit
und der Bestand des preußischen Staates gefähr-
det? Denkt irgend eine der bundesgetreuen Re-
gierungen nur entfernt daran, dort die Rechte
oder die Jnteressen Preußens zu verletzen oder zu
beeinträchtigen? Nicht eine Spur hievon! Preu-
ßen selbst hat bis jetzt nicht eine einzige That-
sache zu erwähnen vermocht, welche hierauf hin-
deuten könnte, es fällt also auch dieser letzte denk-
bar Rechtstitel für sein unerhörtes Vorgehen in
Kurhessen weg -- es stellt sich dasselbe rein
nur als ein Akt der schnödesten Willkür
und Eigenmächtigkeit dar! Allein welche Motive
konnten Preußen hiezu bestimmen? Kann es sein
Wille sein, in Kurhessen die Sache der Revolu-
tion gegen den Landesfürsten zu vertheidigen?
Dieß ist undenkbar und im Widerspruche mit den
bestimmtesten Erklärungen Preußens; kann es hin-
wieder die gefährdete landesherrliche Autorität da-
selbst wieder herstellen wollen? dieß ist aber ebenso
unnöthig als unstatthaft; unnöthig, weil der Bun-
destag ja ohnehin schon die umfassendsten Mittel
zur Abhilfe ergriffen und in's Werk gesetzt hat;
unstatthaft, weil Preußen ohne eine Aufforderung
des Kurfürsten sich in dessen Angelegenheiten nicht
einmischen darf, und es die höchste Anmaßung ist,
einem unabhängigen Staate eine Hilfe aufdringen
zu wollen, die er nicht verlangt. -- Wenn nun
auf allen diesen Wegen das Räthsel der preußi-
schen Einmischung in Kurhessen sich nicht lösen
läßt, so bleibt nun mehr ein Motiv über, das
jene Einschreitung als erklärlich und begreiflich er-
scheinen läßt -- es ist dieß das bittere Gefühl
gekränkten Stolzes und getäuschter Selbstsucht.
Preußen glaubte und erklärte, ohne seinen Willen
und ohne seine Zustimmung könne in Deutschland
nichts geschehen, es glaubte sich einfach auf Ne-
gation beschränken zu können, um der Durchfüh-
rung eines Willens in Deutschland versichert zu
sein; es glaubte das Bundesrecht, die Bundes-
verfassung und die Bundesversammlung als für
alle Zukunft begraben erklären zu können, um frei
nach seiner Willkür und seinem Belieben in Deutsch-
land hausen zu können! -- Alle diese Hoffnungen
und Erwartungen sieht es nun vernichtet; und
damit denn doch nichts in Deutschland ohne seine
Mitwirkung geschehe: so kooperirt es unaufgefor-
dert, ja gegen den Willen der Betheiligten in
Kurhessen, nicht um das Gegentheil von dem zu
thun, was der von ihm verworfene Bundestag
will, sondern zu dem gleichen Zwecke! Die nächste
Zukunft wird lehren, ob der Bund, ob die euro-
päischen Mächte eine so unbegrenzte Anmaßung
und Willkürlichkeit eines einzelnen Staates unge-
ahndet zu belassen gedenken.

   
Deutschland.

München, 9. Nov. Zufolge eingetroffenen
Nachrichten aus Athen hat König Otto die Ab-
reise dahin wiederholt, und wie man sagt auf
unbestimmte Zeit verschoben. -- Man spricht von
[Spaltenumbruch] einer aus Wien eingetroffene telegraphischen De-
pesche, wonach sämmtliche bundesfreundlichen Re-
gierungen den diplomatischen Verkehr mit Preu-
ßen abbrechen sollen. -- Obrist v. Heß ist heute
über Wien von Warschau eingetroffen und wurde
Nachmittags von Sr. Maj. dem König in einer
Audienz empfangen. -- Generallieutenant und
Staatsrath im ordentlichen Dienste v. Lesuire,
auch bekanntlich Kommandant der zweiten Armee-
division der Main=Armee, hat aus Gesundheits-
rücksichten um Pensionirung eingegeben.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Schlüchtern, 8. Nov. 7 Uhr Abends. Heute hat
der kommandirende General der Bundestruppen,
Fürst von Thurn und Taxis, eine Diversion ge-
gegen Fulda gemacht. Die erste Division ist auf
der Straße von Neuhof, die zweite Division gleich-
zeitig auf der Straße von Brückenau vorgerückt.
Das Resultat dieser Bewegung ist uns noch nicht
bekannt; doch muß etwas vorgefallen sein, weil
der sonst Morgens hier eintreffende Eilwagen von
Fulda noch nicht da ist. Wir sehen mit großer
Spannung diese Nacht oder morgen Nachrichten
von dort entgegen. Jndessen ist heute der Gene-
ral Haller v. Hallerstein mit einem Korps Trup-
pen aller Waffen ( 3 Schwadronen vom 1. Che-
veauxlegersregiment aus Zweibrücken, 1 Bataillon
und 8 Geschützen ) von Gelnhausen her hier an-
gelangt, so daß nun unser seit einigen Tagen
ganz geräumtes Städtchen wieder besetzt ist. Die
Vortruppen der Oesterreicher vom Vorarlbergschen
Korps des Feldmarschall Baron von Legeditsch
sind von Bamberg schon in unserer Nähe, bei
Brückenau eingetroffen, wodurch der Bundesarmee
eine wesentliche Unterstützung der trefflichsten Trup-
pen zugeht.

   

Fulda, 8. Nov. Heute Morgen um8 1 / 2
Uhr war Allarm. Die Baiern hatten nach 6
Uhr in der Gegend von Bronzell einem, die Vor-
postenkette inspicirendeu k. preussischeu Adjutanten
das Pferd verwundet, einem andern Offiziere durch
den Aermel seines Mantels geschossen. Auf die-
sen Vorgang haben auch die preußischen Truppen
Feuer gegeben und dasselbe bis gegen 8 Uhr un-
terhalten. Sonach wären die Feindseligkeiten und
der unglückseligste Krieg, der Deutschland in zwei
Heereslager zerklüften kann, eröffnet. Wer kann
absehen, wann die Schwerter sich wieder in Frie-
den senken werden? -- Es wäre eine ganz be-
sondere welthistorische Merkwürdigkeit, wenn wie-
der in Hessen, wie vormals durch den Schmalkal-
derbund, das Kriegsei für Deutschland ausgebrü-
tet würde, das, wie jenes, unendlich viel Jammer
und Elend über die vaterländischen Gauen ver-
hängen würde.

   

Hanau, 9. Nov. Hente frühe ist hier die
sichere Nachricht eingetroffen, daß gestern jenseits
Neuhof ein blutiger Conflikt zwischen der beider-
seitigen Vorposten stattgefunden hat. Eine starke
Patrouille k. k. öster. Jäger war in der Nähe
der preußischen Vorposten angekommen, und letz-
tere gaben Feuer, durch welches fünf öster. Jäger
gefährlich verwundet wurden. -- Daß Preußen
beim Einmarsch seiner Truppen in Kurhessen nicht
als Vorkämpfer für angeblich verletzte Rechte des

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Amtliche Nachrichten.

München, 10. Nov. Se. Maj. der König
haben sich untern 7. Nov. l. J. allergnädigst be-
wogen gefunden, auf die in Schweinsurt offene
Advokatenstelle den Advokaten Bernhard Koch v.
Rothenfels, auf allerunterthänigstes Ansuchen, zu
versetzen.



Das preuß. Attentat in Kurhessen.

So ist denn der erste thatsächliche Bundes-
bruch durch Preußen vollführt, seine Heeresmacht
hat unaufgefordert, ja gegen Willen des Kurfür-
sten von Hessen, einen Theil seines Landes besetzt,
und scheint bestimmt zu sein, der aus Auftrag der
Bundesversammlung und auf Anrufen des Kur-
fürsten zur Wiederherstellung seiner landesherrli-
chen Autorität in dessen Staatsgebiet eingerückten
Bundesmacht offen Widerstand entgegenzusetzen.
Dieser beklagenswerthe Schritt Preußens ist zu-
gleich ein Angriff auf die Bundesgesammtheit, auf
den konkreten Bundesstaat, gegen den er gerichtet
ist, und -- von dem Bundesverhältnisse ganz ab-
gesehen -- ein unverantwortliches Attentat gegen
einen, von der europäischen Staatenfamilie als
unabhängig anerkannten Staat; er begreift nicht
nur eine Verletzung des deutschen Bundesrechts,
sondern auch des allgemeinen internationalen Rech-
tes; er müßte, soferne er nicht ohne Verzug zu-
rückgenommen würde, nicht nur die Einschreitung
der Bundesmacht provoziren, sondern es wäre
selbst Gefahr da, daß er auch die Einmischung
der gesammten europäischen Staatenfamilie hervor-
rufen könnte; -- er ist eine Kriegserklärung nicht
nur gegen den deutschen Bund, sondern gewisser-
massen gegen Europa! Welches ist der Rechts-
titel, auf welchen sich Preußen bei der militäri-
schen Besetzung des Gebietes eines deutschen Bun-
desstaates, eines unabhängigen, selbstständigen
Staates, wie Kurhessen, berufen könnte? Liegt ein
besonderer Vertrag in Mitte zwischen Preußen
und Kurhessen, der ersteres zu solchem Einschreiten
ermächtigte? Jn keiner Weise, Preußen hat ge-
genüber Kurhessen nur das Recht der Benutzung
der Etappenstraßen in letzterem Lande, und dieses
darf es nur nach Maßgabe der betreffenden Kon-
vention ausüben: es kann und darf aber nicht
einzelne Punkte des Kurstaates willkürlich militä-
risch besetzen -- gegen den bestimmt ausgespro-
chenen Willen des Landesherrn. -- Oder kann
Preußen bei seinem Vorgehen gegen Kurhessen
sich auf eine Bestimmung des Bundesrechtes be-
rufen? Ebenso wenig; das Bundesrecht gestattet
die Besetzung eines Bundesstaates durch die Hee-
resmacht anderer Bundesstaaten nur in dem Falle,
wenn diese durch die Bundesversammlung hiezu
berufen ist, wenn sie auf deren Beschluß und Be-
fehl agirt: dieß ist im vorliegenden Falle bezüglich
der preußischen Heeresmacht in keiner Weise ge-
geben; im Gegentheile Preußen intervenirt in
Kurhessen gegen den Willen der Bundesversamm-
lung und scheint sich der von dieser aufgebote-
nen Bundesmacht offen widersetzen zu wollen.
Wenn sich demnach Preußen bei der Besetzung
kurhessischen Gebietes weder auf einen besonderen
Rechtstitel noch auf das spezielle Bundesrecht be-
[Spaltenumbruch] rufen kann, so ist es nur der allgemein völker-
rechtliche Rechtstitel -- der Sorge für die Si-
cherheit und Selbsterhaltung des preuß. Staats,
welcher einem solchen extremen Schritte zur Stütze
dienen könnte; allein, wie, wo, durch wen ist denn
in der kurhessischen Angelegenheit die Sicherheit
und der Bestand des preußischen Staates gefähr-
det? Denkt irgend eine der bundesgetreuen Re-
gierungen nur entfernt daran, dort die Rechte
oder die Jnteressen Preußens zu verletzen oder zu
beeinträchtigen? Nicht eine Spur hievon! Preu-
ßen selbst hat bis jetzt nicht eine einzige That-
sache zu erwähnen vermocht, welche hierauf hin-
deuten könnte, es fällt also auch dieser letzte denk-
bar Rechtstitel für sein unerhörtes Vorgehen in
Kurhessen weg -- es stellt sich dasselbe rein
nur als ein Akt der schnödesten Willkür
und Eigenmächtigkeit dar! Allein welche Motive
konnten Preußen hiezu bestimmen? Kann es sein
Wille sein, in Kurhessen die Sache der Revolu-
tion gegen den Landesfürsten zu vertheidigen?
Dieß ist undenkbar und im Widerspruche mit den
bestimmtesten Erklärungen Preußens; kann es hin-
wieder die gefährdete landesherrliche Autorität da-
selbst wieder herstellen wollen? dieß ist aber ebenso
unnöthig als unstatthaft; unnöthig, weil der Bun-
destag ja ohnehin schon die umfassendsten Mittel
zur Abhilfe ergriffen und in's Werk gesetzt hat;
unstatthaft, weil Preußen ohne eine Aufforderung
des Kurfürsten sich in dessen Angelegenheiten nicht
einmischen darf, und es die höchste Anmaßung ist,
einem unabhängigen Staate eine Hilfe aufdringen
zu wollen, die er nicht verlangt. -- Wenn nun
auf allen diesen Wegen das Räthsel der preußi-
schen Einmischung in Kurhessen sich nicht lösen
läßt, so bleibt nun mehr ein Motiv über, das
jene Einschreitung als erklärlich und begreiflich er-
scheinen läßt -- es ist dieß das bittere Gefühl
gekränkten Stolzes und getäuschter Selbstsucht.
Preußen glaubte und erklärte, ohne seinen Willen
und ohne seine Zustimmung könne in Deutschland
nichts geschehen, es glaubte sich einfach auf Ne-
gation beschränken zu können, um der Durchfüh-
rung eines Willens in Deutschland versichert zu
sein; es glaubte das Bundesrecht, die Bundes-
verfassung und die Bundesversammlung als für
alle Zukunft begraben erklären zu können, um frei
nach seiner Willkür und seinem Belieben in Deutsch-
land hausen zu können! -- Alle diese Hoffnungen
und Erwartungen sieht es nun vernichtet; und
damit denn doch nichts in Deutschland ohne seine
Mitwirkung geschehe: so kooperirt es unaufgefor-
dert, ja gegen den Willen der Betheiligten in
Kurhessen, nicht um das Gegentheil von dem zu
thun, was der von ihm verworfene Bundestag
will, sondern zu dem gleichen Zwecke! Die nächste
Zukunft wird lehren, ob der Bund, ob die euro-
päischen Mächte eine so unbegrenzte Anmaßung
und Willkürlichkeit eines einzelnen Staates unge-
ahndet zu belassen gedenken.

   
Deutschland.

München, 9. Nov. Zufolge eingetroffenen
Nachrichten aus Athen hat König Otto die Ab-
reise dahin wiederholt, und wie man sagt auf
unbestimmte Zeit verschoben. -- Man spricht von
[Spaltenumbruch] einer aus Wien eingetroffene telegraphischen De-
pesche, wonach sämmtliche bundesfreundlichen Re-
gierungen den diplomatischen Verkehr mit Preu-
ßen abbrechen sollen. -- Obrist v. Heß ist heute
über Wien von Warschau eingetroffen und wurde
Nachmittags von Sr. Maj. dem König in einer
Audienz empfangen. -- Generallieutenant und
Staatsrath im ordentlichen Dienste v. Lesuire,
auch bekanntlich Kommandant der zweiten Armee-
division der Main=Armee, hat aus Gesundheits-
rücksichten um Pensionirung eingegeben.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Schlüchtern, 8. Nov. 7 Uhr Abends. Heute hat
der kommandirende General der Bundestruppen,
Fürst von Thurn und Taxis, eine Diversion ge-
gegen Fulda gemacht. Die erste Division ist auf
der Straße von Neuhof, die zweite Division gleich-
zeitig auf der Straße von Brückenau vorgerückt.
Das Resultat dieser Bewegung ist uns noch nicht
bekannt; doch muß etwas vorgefallen sein, weil
der sonst Morgens hier eintreffende Eilwagen von
Fulda noch nicht da ist. Wir sehen mit großer
Spannung diese Nacht oder morgen Nachrichten
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ral Haller v. Hallerstein mit einem Korps Trup-
pen aller Waffen ( 3 Schwadronen vom 1. Che-
veauxlegersregiment aus Zweibrücken, 1 Bataillon
und 8 Geschützen ) von Gelnhausen her hier an-
gelangt, so daß nun unser seit einigen Tagen
ganz geräumtes Städtchen wieder besetzt ist. Die
Vortruppen der Oesterreicher vom Vorarlbergschen
Korps des Feldmarschall Baron von Legeditsch
sind von Bamberg schon in unserer Nähe, bei
Brückenau eingetroffen, wodurch der Bundesarmee
eine wesentliche Unterstützung der trefflichsten Trup-
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Fulda, 8. Nov. Heute Morgen um8 1 / 2
Uhr war Allarm. Die Baiern hatten nach 6
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postenkette inspicirendeu k. preussischeu Adjutanten
das Pferd verwundet, einem andern Offiziere durch
den Aermel seines Mantels geschossen. Auf die-
sen Vorgang haben auch die preußischen Truppen
Feuer gegeben und dasselbe bis gegen 8 Uhr un-
terhalten. Sonach wären die Feindseligkeiten und
der unglückseligste Krieg, der Deutschland in zwei
Heereslager zerklüften kann, eröffnet. Wer kann
absehen, wann die Schwerter sich wieder in Frie-
den senken werden? -- Es wäre eine ganz be-
sondere welthistorische Merkwürdigkeit, wenn wie-
der in Hessen, wie vormals durch den Schmalkal-
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tet würde, das, wie jenes, unendlich viel Jammer
und Elend über die vaterländischen Gauen ver-
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Hanau, 9. Nov. Hente frühe ist hier die
sichere Nachricht eingetroffen, daß gestern jenseits
Neuhof ein blutiger Conflikt zwischen der beider-
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Patrouille k. k. öster. Jäger war in der Nähe
der preußischen Vorposten angekommen, und letz-
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beim Einmarsch seiner Truppen in Kurhessen nicht
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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 270. Würzburg, Montag den 11. November. 1850. Amtliche Nachrichten. München, 10. Nov. Se. Maj. der König haben sich untern 7. Nov. l. J. allergnädigst be- wogen gefunden, auf die in Schweinsurt offene Advokatenstelle den Advokaten Bernhard Koch v. Rothenfels, auf allerunterthänigstes Ansuchen, zu versetzen. Das preuß. Attentat in Kurhessen. So ist denn der erste thatsächliche Bundes- bruch durch Preußen vollführt, seine Heeresmacht hat unaufgefordert, ja gegen Willen des Kurfür- sten von Hessen, einen Theil seines Landes besetzt, und scheint bestimmt zu sein, der aus Auftrag der Bundesversammlung und auf Anrufen des Kur- fürsten zur Wiederherstellung seiner landesherrli- chen Autorität in dessen Staatsgebiet eingerückten Bundesmacht offen Widerstand entgegenzusetzen. Dieser beklagenswerthe Schritt Preußens ist zu- gleich ein Angriff auf die Bundesgesammtheit, auf den konkreten Bundesstaat, gegen den er gerichtet ist, und -- von dem Bundesverhältnisse ganz ab- gesehen -- ein unverantwortliches Attentat gegen einen, von der europäischen Staatenfamilie als unabhängig anerkannten Staat; er begreift nicht nur eine Verletzung des deutschen Bundesrechts, sondern auch des allgemeinen internationalen Rech- tes; er müßte, soferne er nicht ohne Verzug zu- rückgenommen würde, nicht nur die Einschreitung der Bundesmacht provoziren, sondern es wäre selbst Gefahr da, daß er auch die Einmischung der gesammten europäischen Staatenfamilie hervor- rufen könnte; -- er ist eine Kriegserklärung nicht nur gegen den deutschen Bund, sondern gewisser- massen gegen Europa! Welches ist der Rechts- titel, auf welchen sich Preußen bei der militäri- schen Besetzung des Gebietes eines deutschen Bun- desstaates, eines unabhängigen, selbstständigen Staates, wie Kurhessen, berufen könnte? Liegt ein besonderer Vertrag in Mitte zwischen Preußen und Kurhessen, der ersteres zu solchem Einschreiten ermächtigte? Jn keiner Weise, Preußen hat ge- genüber Kurhessen nur das Recht der Benutzung der Etappenstraßen in letzterem Lande, und dieses darf es nur nach Maßgabe der betreffenden Kon- vention ausüben: es kann und darf aber nicht einzelne Punkte des Kurstaates willkürlich militä- risch besetzen -- gegen den bestimmt ausgespro- chenen Willen des Landesherrn. -- Oder kann Preußen bei seinem Vorgehen gegen Kurhessen sich auf eine Bestimmung des Bundesrechtes be- rufen? Ebenso wenig; das Bundesrecht gestattet die Besetzung eines Bundesstaates durch die Hee- resmacht anderer Bundesstaaten nur in dem Falle, wenn diese durch die Bundesversammlung hiezu berufen ist, wenn sie auf deren Beschluß und Be- fehl agirt: dieß ist im vorliegenden Falle bezüglich der preußischen Heeresmacht in keiner Weise ge- geben; im Gegentheile Preußen intervenirt in Kurhessen gegen den Willen der Bundesversamm- lung und scheint sich der von dieser aufgebote- nen Bundesmacht offen widersetzen zu wollen. Wenn sich demnach Preußen bei der Besetzung kurhessischen Gebietes weder auf einen besonderen Rechtstitel noch auf das spezielle Bundesrecht be- rufen kann, so ist es nur der allgemein völker- rechtliche Rechtstitel -- der Sorge für die Si- cherheit und Selbsterhaltung des preuß. Staats, welcher einem solchen extremen Schritte zur Stütze dienen könnte; allein, wie, wo, durch wen ist denn in der kurhessischen Angelegenheit die Sicherheit und der Bestand des preußischen Staates gefähr- det? Denkt irgend eine der bundesgetreuen Re- gierungen nur entfernt daran, dort die Rechte oder die Jnteressen Preußens zu verletzen oder zu beeinträchtigen? Nicht eine Spur hievon! Preu- ßen selbst hat bis jetzt nicht eine einzige That- sache zu erwähnen vermocht, welche hierauf hin- deuten könnte, es fällt also auch dieser letzte denk- bar Rechtstitel für sein unerhörtes Vorgehen in Kurhessen weg -- es stellt sich dasselbe rein nur als ein Akt der schnödesten Willkür und Eigenmächtigkeit dar! Allein welche Motive konnten Preußen hiezu bestimmen? Kann es sein Wille sein, in Kurhessen die Sache der Revolu- tion gegen den Landesfürsten zu vertheidigen? Dieß ist undenkbar und im Widerspruche mit den bestimmtesten Erklärungen Preußens; kann es hin- wieder die gefährdete landesherrliche Autorität da- selbst wieder herstellen wollen? dieß ist aber ebenso unnöthig als unstatthaft; unnöthig, weil der Bun- destag ja ohnehin schon die umfassendsten Mittel zur Abhilfe ergriffen und in's Werk gesetzt hat; unstatthaft, weil Preußen ohne eine Aufforderung des Kurfürsten sich in dessen Angelegenheiten nicht einmischen darf, und es die höchste Anmaßung ist, einem unabhängigen Staate eine Hilfe aufdringen zu wollen, die er nicht verlangt. -- Wenn nun auf allen diesen Wegen das Räthsel der preußi- schen Einmischung in Kurhessen sich nicht lösen läßt, so bleibt nun mehr ein Motiv über, das jene Einschreitung als erklärlich und begreiflich er- scheinen läßt -- es ist dieß das bittere Gefühl gekränkten Stolzes und getäuschter Selbstsucht. Preußen glaubte und erklärte, ohne seinen Willen und ohne seine Zustimmung könne in Deutschland nichts geschehen, es glaubte sich einfach auf Ne- gation beschränken zu können, um der Durchfüh- rung eines Willens in Deutschland versichert zu sein; es glaubte das Bundesrecht, die Bundes- verfassung und die Bundesversammlung als für alle Zukunft begraben erklären zu können, um frei nach seiner Willkür und seinem Belieben in Deutsch- land hausen zu können! -- Alle diese Hoffnungen und Erwartungen sieht es nun vernichtet; und damit denn doch nichts in Deutschland ohne seine Mitwirkung geschehe: so kooperirt es unaufgefor- dert, ja gegen den Willen der Betheiligten in Kurhessen, nicht um das Gegentheil von dem zu thun, was der von ihm verworfene Bundestag will, sondern zu dem gleichen Zwecke! Die nächste Zukunft wird lehren, ob der Bund, ob die euro- päischen Mächte eine so unbegrenzte Anmaßung und Willkürlichkeit eines einzelnen Staates unge- ahndet zu belassen gedenken. ( N. M. Z. ) Deutschland. München, 9. Nov. Zufolge eingetroffenen Nachrichten aus Athen hat König Otto die Ab- reise dahin wiederholt, und wie man sagt auf unbestimmte Zeit verschoben. -- Man spricht von einer aus Wien eingetroffene telegraphischen De- pesche, wonach sämmtliche bundesfreundlichen Re- gierungen den diplomatischen Verkehr mit Preu- ßen abbrechen sollen. -- Obrist v. Heß ist heute über Wien von Warschau eingetroffen und wurde Nachmittags von Sr. Maj. dem König in einer Audienz empfangen. -- Generallieutenant und Staatsrath im ordentlichen Dienste v. Lesuire, auch bekanntlich Kommandant der zweiten Armee- division der Main=Armee, hat aus Gesundheits- rücksichten um Pensionirung eingegeben. Die Ereignisse in Kurhessen. Schlüchtern, 8. Nov. 7 Uhr Abends. Heute hat der kommandirende General der Bundestruppen, Fürst von Thurn und Taxis, eine Diversion ge- gegen Fulda gemacht. Die erste Division ist auf der Straße von Neuhof, die zweite Division gleich- zeitig auf der Straße von Brückenau vorgerückt. Das Resultat dieser Bewegung ist uns noch nicht bekannt; doch muß etwas vorgefallen sein, weil der sonst Morgens hier eintreffende Eilwagen von Fulda noch nicht da ist. Wir sehen mit großer Spannung diese Nacht oder morgen Nachrichten von dort entgegen. Jndessen ist heute der Gene- ral Haller v. Hallerstein mit einem Korps Trup- pen aller Waffen ( 3 Schwadronen vom 1. Che- veauxlegersregiment aus Zweibrücken, 1 Bataillon und 8 Geschützen ) von Gelnhausen her hier an- gelangt, so daß nun unser seit einigen Tagen ganz geräumtes Städtchen wieder besetzt ist. Die Vortruppen der Oesterreicher vom Vorarlbergschen Korps des Feldmarschall Baron von Legeditsch sind von Bamberg schon in unserer Nähe, bei Brückenau eingetroffen, wodurch der Bundesarmee eine wesentliche Unterstützung der trefflichsten Trup- pen zugeht. ( F.=O.=Z. Fulda, 8. Nov. Heute Morgen um8 1 / 2 Uhr war Allarm. Die Baiern hatten nach 6 Uhr in der Gegend von Bronzell einem, die Vor- postenkette inspicirendeu k. preussischeu Adjutanten das Pferd verwundet, einem andern Offiziere durch den Aermel seines Mantels geschossen. Auf die- sen Vorgang haben auch die preußischen Truppen Feuer gegeben und dasselbe bis gegen 8 Uhr un- terhalten. Sonach wären die Feindseligkeiten und der unglückseligste Krieg, der Deutschland in zwei Heereslager zerklüften kann, eröffnet. Wer kann absehen, wann die Schwerter sich wieder in Frie- den senken werden? -- Es wäre eine ganz be- sondere welthistorische Merkwürdigkeit, wenn wie- der in Hessen, wie vormals durch den Schmalkal- derbund, das Kriegsei für Deutschland ausgebrü- tet würde, das, wie jenes, unendlich viel Jammer und Elend über die vaterländischen Gauen ver- hängen würde. ( F. O.=Z. ) Hanau, 9. Nov. Hente frühe ist hier die sichere Nachricht eingetroffen, daß gestern jenseits Neuhof ein blutiger Conflikt zwischen der beider- seitigen Vorposten stattgefunden hat. Eine starke Patrouille k. k. öster. Jäger war in der Nähe der preußischen Vorposten angekommen, und letz- tere gaben Feuer, durch welches fünf öster. Jäger gefährlich verwundet wurden. -- Daß Preußen beim Einmarsch seiner Truppen in Kurhessen nicht als Vorkämpfer für angeblich verletzte Rechte des

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 270. Würzburg, 11. November 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische270_1850/1>, abgerufen am 28.03.2024.