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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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widerstrebende Stadt Mailand mit Gewalt zum Gehorsam zwang; st. 1465. Sein Sohn Galeazzo Maria fiel durch Verschworene, dessen Sohn Giovanni Galeazzo wurde von seinem Oheim u. Vormund Lodovico Moro aus dem Wege geräumt, dieser wurde 1500 von den Schweizern an die Franzosen verrathen und st. 1510 in einem franz. Gefängnisse. Dessen Sohn Maximilian mußte sein Herzogthum 1515 an den franz. König Franz I. abtreten; der letzte S., Francesco, 1529 von Kaiser Karl V. eingesetzt, st. 1535 kinderlos, worauf Karl V. seinen Sohn, Philipp II. von Spanien, mit Mailand belehnte. - Eine Nebenlinie, die S.-Cesarini, hat sich in Rom erhalten.


Sforzando, ital., verstärkt.


Sfumato, ital., verraucht d. h. in unbestimmten Umrissen gemalt.


Sgraffito, ital., gekratzte Malerei auf nassem Kalk oder Gyps.


Sguardio, ital., das höchste Tribunal des Maltheserordens.


Shaftesbury (Schäftsböri), Anthony Ashley Cooper, Graf von, geb. 1621 in der Grafschaft Dorset, ein ebenso scharfsichtiger als gewissenloser Staatsmann. 1640 kam er in das Unterhaus und wirkte zum Sturze Karls I. mit, fügte sich darauf Cromwell, unterstützte Monk bei der Restauration der Stuarts, wurde Pair, Mitglied des Cabalministeriums, ging plötzlich zu der Opposition über, vereinigte alle Feinde der Stuarts zu der Partei der Whigs, erregte 1676 einen Volkssturm gegen den Hof, indem er die große Lüge einer Katholikenverschwörung erfand, verbreitete u. furchtbar ausbeutete, wurde wieder Minister und setzte die Habeas corpus-Akte durch. Sein Plan, den Herzog von York (Jakob II.) von der Thronfolge auszuschließen, mißlang jedoch an der Loyalität des engl. Volks, S. kam für einige Zeit in den Tower, flüchtete nach Entdeckung des Ryehouse-Complots 1682 nach Holland, minirte von da aus gegen Jakob II., st. aber 1683. ("Memoirs", herausg. von Martyn, London 1837.)


Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of, philosophischer Schriftsteller, geb. 1671 zu London, der Enkel des gleichnamigen engl. Staatsmannes, saß von 1693 an einigemal im Unterhause, wurde 1698 in Holland mit P. Bayle und dessen Gesinnungsgenossen vertraut, kam 1700 in das Oberhaus und gewann das Vertrauen des Königs Wilhelm so sehr, daß er hätte Staatssekretär werden können. Er schlug dies aus, lebte 1702-1704 wiederum in Holland u. st. 1713 zu Neapel. Sein Hauptwerk sind die "Characteristics of men, manners, opinions and times" (London 1711, 3 Bde., vielfach aufgelegt u. übersetzt). S. gehörte zu den Deisten der zahmeren Gattung, welche weder mit dem bestehenden Kirchenthum offen brechen wollten noch die letzten Folgerungen zogen, die sich aus ihren Ansichten ergeben. Dem Christenthum warf er vor, sein Grundton sei keineswegs die Liebe, sondern die Selbstsucht, die vom Jenseits alles hofft und alles fürchtet; er blieb aber selbst weit entfernt davon, eine Moral zu empfehlen, die den Menschen unglücklich macht, sondern führte den Satz: die Tugend sei vortheilhaft und beseligend, das Laster dagegen schädlich und unheilvoll für jedes Geschöpf, glänzend durch und suchte eine von der positiven Religion unabhängige Moral zu begründen. Er fand das Princip derselben in der Harmonie unserer Neigungen; die selbstischen u. unnatürlichen Neigungen sollen unterdrückt, die natürlichen, auf unser persönliches Wohlsein sich beziehenden, aber mit den sogen. sympathischen d. h. mit den auf das Gemeinwohl gerichteten, dagegen so in Einklang gebracht werden, daß unser eigenes Wohl nicht unter dem Gemeinwohl leidet. - Abgesehen davon, daß S. keine Mittel angibt, welche den Menschen befähigen, die Harmonie seiner Neigungen ins Leben zu setzen, ist der Kern seiner Moral offenbar nicht die Selbstliebe des Christen, der in und durch Gott sich selber liebt, sondern verfeinerte Selbstsucht, die im Grunde gar keines Gottes zu bedürfen glaubt, wie S. denn auch selbst aussprach, der Atheismus sei der wahren Sittlichkeit weder nützlich noch schädlich. Erst nach seinem Tode kamen Briefe heraus (1716), in welchen S. den

widerstrebende Stadt Mailand mit Gewalt zum Gehorsam zwang; st. 1465. Sein Sohn Galeazzo Maria fiel durch Verschworene, dessen Sohn Giovanni Galeazzo wurde von seinem Oheim u. Vormund Lodovico Moro aus dem Wege geräumt, dieser wurde 1500 von den Schweizern an die Franzosen verrathen und st. 1510 in einem franz. Gefängnisse. Dessen Sohn Maximilian mußte sein Herzogthum 1515 an den franz. König Franz I. abtreten; der letzte S., Francesco, 1529 von Kaiser Karl V. eingesetzt, st. 1535 kinderlos, worauf Karl V. seinen Sohn, Philipp II. von Spanien, mit Mailand belehnte. – Eine Nebenlinie, die S.-Cesarini, hat sich in Rom erhalten.


Sforzando, ital., verstärkt.


Sfumato, ital., verraucht d. h. in unbestimmten Umrissen gemalt.


Sgraffito, ital., gekratzte Malerei auf nassem Kalk oder Gyps.


Sguardio, ital., das höchste Tribunal des Maltheserordens.


Shaftesbury (Schäftsböri), Anthony Ashley Cooper, Graf von, geb. 1621 in der Grafschaft Dorset, ein ebenso scharfsichtiger als gewissenloser Staatsmann. 1640 kam er in das Unterhaus und wirkte zum Sturze Karls I. mit, fügte sich darauf Cromwell, unterstützte Monk bei der Restauration der Stuarts, wurde Pair, Mitglied des Cabalministeriums, ging plötzlich zu der Opposition über, vereinigte alle Feinde der Stuarts zu der Partei der Whigs, erregte 1676 einen Volkssturm gegen den Hof, indem er die große Lüge einer Katholikenverschwörung erfand, verbreitete u. furchtbar ausbeutete, wurde wieder Minister und setzte die Habeas corpus-Akte durch. Sein Plan, den Herzog von York (Jakob II.) von der Thronfolge auszuschließen, mißlang jedoch an der Loyalität des engl. Volks, S. kam für einige Zeit in den Tower, flüchtete nach Entdeckung des Ryehouse-Complots 1682 nach Holland, minirte von da aus gegen Jakob II., st. aber 1683. („Memoirs“, herausg. von Martyn, London 1837.)


Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of, philosophischer Schriftsteller, geb. 1671 zu London, der Enkel des gleichnamigen engl. Staatsmannes, saß von 1693 an einigemal im Unterhause, wurde 1698 in Holland mit P. Bayle und dessen Gesinnungsgenossen vertraut, kam 1700 in das Oberhaus und gewann das Vertrauen des Königs Wilhelm so sehr, daß er hätte Staatssekretär werden können. Er schlug dies aus, lebte 1702–1704 wiederum in Holland u. st. 1713 zu Neapel. Sein Hauptwerk sind die „Characteristics of men, manners, opinions and times“ (London 1711, 3 Bde., vielfach aufgelegt u. übersetzt). S. gehörte zu den Deisten der zahmeren Gattung, welche weder mit dem bestehenden Kirchenthum offen brechen wollten noch die letzten Folgerungen zogen, die sich aus ihren Ansichten ergeben. Dem Christenthum warf er vor, sein Grundton sei keineswegs die Liebe, sondern die Selbstsucht, die vom Jenseits alles hofft und alles fürchtet; er blieb aber selbst weit entfernt davon, eine Moral zu empfehlen, die den Menschen unglücklich macht, sondern führte den Satz: die Tugend sei vortheilhaft und beseligend, das Laster dagegen schädlich und unheilvoll für jedes Geschöpf, glänzend durch und suchte eine von der positiven Religion unabhängige Moral zu begründen. Er fand das Princip derselben in der Harmonie unserer Neigungen; die selbstischen u. unnatürlichen Neigungen sollen unterdrückt, die natürlichen, auf unser persönliches Wohlsein sich beziehenden, aber mit den sogen. sympathischen d. h. mit den auf das Gemeinwohl gerichteten, dagegen so in Einklang gebracht werden, daß unser eigenes Wohl nicht unter dem Gemeinwohl leidet. – Abgesehen davon, daß S. keine Mittel angibt, welche den Menschen befähigen, die Harmonie seiner Neigungen ins Leben zu setzen, ist der Kern seiner Moral offenbar nicht die Selbstliebe des Christen, der in und durch Gott sich selber liebt, sondern verfeinerte Selbstsucht, die im Grunde gar keines Gottes zu bedürfen glaubt, wie S. denn auch selbst aussprach, der Atheismus sei der wahren Sittlichkeit weder nützlich noch schädlich. Erst nach seinem Tode kamen Briefe heraus (1716), in welchen S. den

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[198/0199] widerstrebende Stadt Mailand mit Gewalt zum Gehorsam zwang; st. 1465. Sein Sohn Galeazzo Maria fiel durch Verschworene, dessen Sohn Giovanni Galeazzo wurde von seinem Oheim u. Vormund Lodovico Moro aus dem Wege geräumt, dieser wurde 1500 von den Schweizern an die Franzosen verrathen und st. 1510 in einem franz. Gefängnisse. Dessen Sohn Maximilian mußte sein Herzogthum 1515 an den franz. König Franz I. abtreten; der letzte S., Francesco, 1529 von Kaiser Karl V. eingesetzt, st. 1535 kinderlos, worauf Karl V. seinen Sohn, Philipp II. von Spanien, mit Mailand belehnte. – Eine Nebenlinie, die S.-Cesarini, hat sich in Rom erhalten. Sforzando, ital., verstärkt. Sfumato, ital., verraucht d. h. in unbestimmten Umrissen gemalt. Sgraffito, ital., gekratzte Malerei auf nassem Kalk oder Gyps. Sguardio, ital., das höchste Tribunal des Maltheserordens. Shaftesbury (Schäftsböri), Anthony Ashley Cooper, Graf von, geb. 1621 in der Grafschaft Dorset, ein ebenso scharfsichtiger als gewissenloser Staatsmann. 1640 kam er in das Unterhaus und wirkte zum Sturze Karls I. mit, fügte sich darauf Cromwell, unterstützte Monk bei der Restauration der Stuarts, wurde Pair, Mitglied des Cabalministeriums, ging plötzlich zu der Opposition über, vereinigte alle Feinde der Stuarts zu der Partei der Whigs, erregte 1676 einen Volkssturm gegen den Hof, indem er die große Lüge einer Katholikenverschwörung erfand, verbreitete u. furchtbar ausbeutete, wurde wieder Minister und setzte die Habeas corpus-Akte durch. Sein Plan, den Herzog von York (Jakob II.) von der Thronfolge auszuschließen, mißlang jedoch an der Loyalität des engl. Volks, S. kam für einige Zeit in den Tower, flüchtete nach Entdeckung des Ryehouse-Complots 1682 nach Holland, minirte von da aus gegen Jakob II., st. aber 1683. („Memoirs“, herausg. von Martyn, London 1837.) Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of, philosophischer Schriftsteller, geb. 1671 zu London, der Enkel des gleichnamigen engl. Staatsmannes, saß von 1693 an einigemal im Unterhause, wurde 1698 in Holland mit P. Bayle und dessen Gesinnungsgenossen vertraut, kam 1700 in das Oberhaus und gewann das Vertrauen des Königs Wilhelm so sehr, daß er hätte Staatssekretär werden können. Er schlug dies aus, lebte 1702–1704 wiederum in Holland u. st. 1713 zu Neapel. Sein Hauptwerk sind die „Characteristics of men, manners, opinions and times“ (London 1711, 3 Bde., vielfach aufgelegt u. übersetzt). S. gehörte zu den Deisten der zahmeren Gattung, welche weder mit dem bestehenden Kirchenthum offen brechen wollten noch die letzten Folgerungen zogen, die sich aus ihren Ansichten ergeben. Dem Christenthum warf er vor, sein Grundton sei keineswegs die Liebe, sondern die Selbstsucht, die vom Jenseits alles hofft und alles fürchtet; er blieb aber selbst weit entfernt davon, eine Moral zu empfehlen, die den Menschen unglücklich macht, sondern führte den Satz: die Tugend sei vortheilhaft und beseligend, das Laster dagegen schädlich und unheilvoll für jedes Geschöpf, glänzend durch und suchte eine von der positiven Religion unabhängige Moral zu begründen. Er fand das Princip derselben in der Harmonie unserer Neigungen; die selbstischen u. unnatürlichen Neigungen sollen unterdrückt, die natürlichen, auf unser persönliches Wohlsein sich beziehenden, aber mit den sogen. sympathischen d. h. mit den auf das Gemeinwohl gerichteten, dagegen so in Einklang gebracht werden, daß unser eigenes Wohl nicht unter dem Gemeinwohl leidet. – Abgesehen davon, daß S. keine Mittel angibt, welche den Menschen befähigen, die Harmonie seiner Neigungen ins Leben zu setzen, ist der Kern seiner Moral offenbar nicht die Selbstliebe des Christen, der in und durch Gott sich selber liebt, sondern verfeinerte Selbstsucht, die im Grunde gar keines Gottes zu bedürfen glaubt, wie S. denn auch selbst aussprach, der Atheismus sei der wahren Sittlichkeit weder nützlich noch schädlich. Erst nach seinem Tode kamen Briefe heraus (1716), in welchen S. den

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/199>, abgerufen am 19.04.2024.