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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1588, Czernowitz, 30.04.1909.

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Redaktion u. Administration:
Rathausstraße 16.




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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile, Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Rat-
hausstr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 1588. Czernowitz, Freitag, den 30. April 1909.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Die Orientkrisis.

Die Krönung Mohameds V. wird erst in 40 Tagen
erfolgen. Kiamil Pascha soll verhaftet worden sein. Die
Massenverhaftungen und Massenhinrichtungen dauern fort.
Der Exsultan Abdul Hamid ist in Saloniki eingetroffen, wo
er wahrscheinlich vor ein Kriegsgericht gestellt werden wird.
Daß über ihn das Todesurteil gefällt werden wird, ist nicht
[u]nwahrscheinlich.

Letzte Telegramme.

In Serbien bereiten sich neuerlich ernste Ereignisse vor-
Im Offizierskorps macht sich eine antidynastische Strömung
bemerkbar. -- Die Unabhängigkeitspartei strebt ein Ministerium
Wekerle--Kossuth unter Ausschaltung der 67er Partei an.




Ein Phantasiestück.


c. So nannte das "Fremdenblatt" das in einem
französischen Blatte aufgetauchte Gerücht, daß die Dreibund-
mächte eine Aktion zur Teilung der Türkei planen. In der
Tat unter obwaltenden Verhältnissen, solange die Türkei noch
im Stadium des Bauens und Organisierens ist, solange noch
um die Erneuerung der Türkei gekämpft wird, ist jedes
derartige Vorhaben nicht nur ein phantastisches, sondern ein
unpolitisches. Die Türken haben nämlich bewiesen, daß sie
kämpfen können, daß sie auch einig sein können, wenn sie
dazu durch die äußerste Not getrieben werden.

Aber -- die Phantasie von heute ist so oft die Tatsache
von morgen. Phantasie heißt ja nur vorausgegriffene Wirk-
lichkeit, eine vorauseilende Einsicht. Und deshalb rollt auch
das französische Gerücht ein Problem auf, das in der --
vielleicht nahen -- Zukunft in allem Ernste die europäische
Diplomatie wird beschäftigen müssen. Denn mit der Ent-
thronung des alten und der Einsetzung des neuen Sultaus ist
die türkische Krise bei weitem noch nicht gelöst. Schon jetzt hört
man von einem neuen Kronprätendenten, dem Prinzen Jussuf, der
in seiner Art ein Märtyrer des Freiheitsgedankens ist,
eine machtvolle Persönlichkeit, ein Liberaler, mit alttürkischem
Einschlag und dabei ein Anhänger des Autonomismus. Und
[Spaltenumbruch] im Wege steht noch der Prinz Sabah-Eddin, eine Haupt-
stütze der "Liberalen Union". Wie es in solchen Fällen zu-
geht, wissen wir ja aus der Geschichte Spaniens, das ewig
mit der karlistischen Bewegung, d. h. der Bewegung zugunsten
eines Kronprätendenten, zu schaffen hat. Jeder Prätendent
sichert goldene Berge zu und wird das Zentrum für alle
Unzufriedenen. Der Unzufriedenen aber sind in der neuen
Türkei gar zu viele, und sie werden immer zahlreicher werden.
Die Jungtürken haben nämlich ein Programm, dem sie nicht
entsagen können, ohne ihre Macht zu verlieren. Das Pro-
gramm ist das zentralistische- und betont das Vorherrschen
des Ottomanentums.

Aber die Hilfsmittel, deren die Jungtürken sich bedienten,
sind am wenigsten geeignet, diese ihre Idee zu verwirklichen.
Das Zentrum der neuen Türkei ist Saloniki. Und wie Stam-
bul der Vorposten Asiens ist, wie man vom goldenen Horn
nach der kleinasiatischen Küste hinüberschauen kann, nach dem
Lande der Trägheit, der Träumerei und der Willenlosigkeit,
so ist Saloniki die Schwelle zum westlichen Europa, die
Ueberwindung des Orients. Und an dieser Ueberwindung wird
die Türkei sich verbluten. Ueber Saloniki kann Stambul nicht
herrschen, die Herrschaft Salonikis aber heißt die Auflösung
der Türkei. Denn in Saloniki ist der Knotenpunkt der Natio-
nalitäten, die im ottomanischen Reich nebeneinander wohnen und
sich in den Haaren liegen. Es ist die Türkei im Kleinen. Jetzt werden
erst alle Machtgelüste der bisher unterdrückten oder im Schach
gehaltenen Volksindividualitäten zur Geltung kommen. Und wird
die neue Regierung, d. h. die Jungtür[k]en, nicht willig sein,
so werden dieselben Elemente, die sie im Kampfte gegen die
Reaktion unterstützt haben, sich gegen sie wenden und Gewalt
brauchen. Und da werden die Jungtürken unterliegen müssen
und mit ihnen die Türkei als historisch gewordener Staat

Es handelt sich bloß darum, ob die europäischen Mächte
bis dahin bereit sein werden. Denn an den Geschicken
der Türkei ist das ganze maßgebende Europa mehr
interessiert, als man es sehen lassen will. Nicht bloß
der Dreibund, nicht bloß Rußland, Frankreich und England,
sondern auch die Balkanstaaten, also Serbien, Bulgarien,
Griechenland. Jedes dieser Länder hat einen Fuß in der
Türkei, jedes von ihnen hat dort Zukunftspläne. Die Türkei
[Spaltenumbruch] hat sich bisher nur dank der Rivalität der Mächte gehalten.
Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Rivalität eines
schönen Tages in ein Einvernehmen, in eine planmäßige
Aktion sich verwandeln wird. Und dann ist das Phantasie-
stück von heute -- Prosa, trockene Wirklichkeit. Jedenfalls
stehen die Jungtürken vor einer schweren, schier unlösbaren
Aufgabe. Europa hat aber kein Interesse, ihnen die Lösung
zu erleichtern.




Die Jungtürkische Herrschaft in
Konstantinopel.
KB. (Tel. der "Cz.
Allg. Ztg.")

Bei den diplomatischen Missionen
wurden die Wachen bis auf je einen Militärschüler,
Gendarmen und Polizisten zurückgewiesen. Der Be-
lagerungszustand
dürfte bis zur Beendigung der
kriegsgerichtlichen Aburteilungen aufrecht
bleiben,

Verhaftung Kiamil Paschas?
KB. (Tel. der "Cz.
Allg. Ztg.")

Der frühere Großvesier Kiamil Pascha soll,
wie gerüchtweise verlautet, verhaftet worden sein.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Kiamil Pascha soll englischen Schutz verlangt
haben.

Die Neubildung des Kabinetts.

KB. (Tel. der "Cz.
Allg. Ztg.")

Der gegenwärtige Großvefier Tewfik Pascha
wurde mit der Neubildung des Kabinettes
betraut.




Der Exsultan Abdul Hamid.
KB. (Tel. der "Cz.
Allg. Ztg.")

Die Berichte über die näheren Umstände der
Wegführung Abdul Hamids sind außerordentlich
widersprechend. Sicher scheint aber, daß Abdul Hami[d]




[Spaltenumbruch]
Seine Kreolin.

19] (Nachdruck verboten.)

Wissen Sie etwas Näheres? fragte er rasch. In diesem
Augenblicke wurden Schritte auf dem Gange draußen hörbar.
Wir können hier nicht darüber reden, fügte er hinzu. Sind
Sie heute abends zu Hause?

Jawohl.

Dann komme ich bei Ihnen vorbei, fuhr er fort und
wandte sich zum Gehen.

Warten Sie eine Minute, rief ich ihm nach. Ich wohne
nicht mehr bei Frau Frisch.

Nicht?

Nein -- ich wohne im "Marathon".

Im "Marathon"?

Jawohl, Nr. 14; Higgins wird Sie hinaufführen.

Er starrte mich einen Augenblick überrascht an; dann
ging die Tür auf, und Herr Royce trat ein, gefolgt von zwei
Angestellten.

Ich erwarte Sie also heute abends, fügte ich hinzu und
weidete mich an seinem Staunen.

Er nickte mechanisch und ging fort, als ob er im Traume
wandelte.




Das ist so ziemlich der letzte Ort auf Erden, wo ich
erwartet hätte, Sie zu treffen, begann Godfrey, als er sich
in seinem Stuhle zurücklehnte und rund im Zimmer herum-
blickte.

Und doch ist nichts so Wunderbares daran, betonte ich.
Ich mußte meine Wohnung verlassen und fand, daß diese
passend für mich sei.

Es ist Ihre Passion, erwiderte er lächelnd. Seit der
Affäre mit Fräulein Holladay wenigstens. Das Geheimnis
[Spaltenumbruch] werden Sie nie herausbringen. Aber ich bin froh, daß Sie
hier wohnen. Ich habe eine Ahnung, daß wir gerade am
Beginn der Entwirrung eines sehr auffallenden Geheimnisses
stehen, und Sie können viel dabei helfen.

Dann war also der Mord nicht das Ende davon?

Nein, ich glaube, er war erst der Anfang. Erzählen Sie
mir jetzt, wie es kam, daß Sie gestern abends mit Frau
Tremaine zusammen waren.

Tremaine hatte eine wichtige geschäftliche Zusammenkunft,
erklärte ich ihm, die er unmöglich verfehlen konnte. Er hatte
ihr versprochen, sie ins Theater zu führen, und sich schon
Billette gesichert. Nun wollte er ihr die Enttäuschung ersparen
und bat mich, an seiner Stelle zu gehen.

Und sie hatte nichts dagegen?

Nicht im geringsten, wie mir scheint.

Sie schien sich prächtig dabei zu unterhalten?

Jawohl. Sie ist das ungezwungenste Geschöpf, das ich
je gesehen. Sie würde Sie interessieren, Godfrey.

Ich zweifle nicht im entferntesten daran. Aber Tremaine
interessiert mich auch. Sie wissen nicht zufällig, welcher Art
diese geschäftliche Zusammenkunft war? fragte er und sah
mich eigentümlich lächelnd an.

Nein; ich nehme an, daß sie seine Eisenbahnlinie betraf.

Seine Eisenbahnlinte?

Ich berichtete ihm kurz über das Projekt Tremaines.

Ja, vielleicht betraf es das, bemerkte Godfrey, aber nur
indirekt -- sehr indirekt. Er verbrachte den Abend in Dickie
Delroys Loge in der Oper.

Jetzt war es an mir, überrascht zu sein.

Wissen Sie das bestimmt?

Ganz sicher; ich sah ihn selber dort. Tremaine ist, wie
ich hörte, vor einiger Zeit bei Delroy eingeführt worden und
hat in der Gesellschaft Furore gemacht -- der Grund hierzu
ist leicht genug zu verstehen. Es ist nicht das erstemal, daß
er in Delroys Loge war.


[Spaltenumbruch]

Aber sagen Sie mir, wandte ich immer erstaunter ein,
wie hat er denn das fertig gebracht?

Ich weiß nicht. Ein so gewandter Mensch wie er weiß
sich oft alle Türen zu öffnen. Sogar mehr als das: er hat
Delroy für sein Eisenbahnprojekt zu interessieren gewußt, und
Delroy ist offenbar von ihm ebenso bezaubert wie Sie.

Jawohl, gab ich offen zu, ich bin es.

Ich sah auf den ersten Blick, daß er ein Schlaukopf ist.
Ich glaube, dieses Eisenbahnprojekt ist nur eine Falle -- er
sieht nicht aus wie ein Mensch, der seine Zeit damit ver-
schwendet, Luftschlösser zu bauen.

O, wenn Sie ihn hören würden, protestierte ich.

Ich wollte, ich könnte es.

Ich kann Sie ja vorstellen -- als einen Reporter, der
Stoff zu einem Bericht sucht zum Beispiel.

Nein, das wäre ungeschickt. Ich werde es auf irgend
eine andere Weise versuchen.

Ich glaube nicht, daß es eine Falle ist, fuhr ich fort.
Er ist zu sehr damit beschäftigt. Ueberdies sehe ich gar nicht
ein, warum wir irgend welchen Grund hätten, ihn zu ver-
dächtigen. Wenn es eine Falle wäre, was beabsichtigt er dann
damitt?

Das ist es gerade, was wir ausfindig machen müssen.

Godfrey, begann ich nach einiger Ueberlegung plötzlich,
ich möchte Ihnen zwei Punkte unterbreiten, nach meiner An-
sicht wichtige Punkte. Aber erst bitte ich Sie, erzählen Sie
mir genau, wie das Verbrechen erfolgt ist. Ich habe den
Verdacht, daß einige Einzelheiten nicht im "Rekord" standen.
Stecken Sie sich erst eine Zigarre an!

Er nahm eine Zigarre und zündete sich ein Streichholz an.

Es sind eine Reihe von Einzelheiten vorhanden, gab er
lächelnd zu, welche das Publikum nicht erfahren hat. Die
meisten würden Fräulein Croydon unnötigerweise belasten.

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

Redaktion u. Adminiſtration:
Rathausſtraße 16.




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halbjähr. K 12. ganzjähr. K 24.

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Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
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klame 40 h die Petitzeile, Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Rat-
hausſtr. 16) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 1588. Czernowitz, Freitag, den 30. April 1909.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Die Orientkriſis.

Die Krönung Mohameds V. wird erſt in 40 Tagen
erfolgen. Kiamil Paſcha ſoll verhaftet worden ſein. Die
Maſſenverhaftungen und Maſſenhinrichtungen dauern fort.
Der Exſultan Abdul Hamid iſt in Saloniki eingetroffen, wo
er wahrſcheinlich vor ein Kriegsgericht geſtellt werden wird.
Daß über ihn das Todesurteil gefällt werden wird, iſt nicht
[u]nwahrſcheinlich.

Letzte Telegramme.

In Serbien bereiten ſich neuerlich ernſte Ereigniſſe vor-
Im Offizierskorps macht ſich eine antidynaſtiſche Strömung
bemerkbar. — Die Unabhängigkeitspartei ſtrebt ein Miniſterium
Wekerle—Koſſuth unter Ausſchaltung der 67er Partei an.




Ein Phantaſiestück.


c. So nannte das „Fremdenblatt“ das in einem
franzöſiſchen Blatte aufgetauchte Gerücht, daß die Dreibund-
mächte eine Aktion zur Teilung der Türkei planen. In der
Tat unter obwaltenden Verhältniſſen, ſolange die Türkei noch
im Stadium des Bauens und Organiſierens iſt, ſolange noch
um die Erneuerung der Türkei gekämpft wird, iſt jedes
derartige Vorhaben nicht nur ein phantaſtiſches, ſondern ein
unpolitiſches. Die Türken haben nämlich bewieſen, daß ſie
kämpfen können, daß ſie auch einig ſein können, wenn ſie
dazu durch die äußerſte Not getrieben werden.

Aber — die Phantaſie von heute iſt ſo oft die Tatſache
von morgen. Phantaſie heißt ja nur vorausgegriffene Wirk-
lichkeit, eine vorauseilende Einſicht. Und deshalb rollt auch
das franzöſiſche Gerücht ein Problem auf, das in der —
vielleicht nahen — Zukunft in allem Ernſte die europäiſche
Diplomatie wird beſchäftigen müſſen. Denn mit der Ent-
thronung des alten und der Einſetzung des neuen Sultaus iſt
die türkiſche Kriſe bei weitem noch nicht gelöſt. Schon jetzt hört
man von einem neuen Kronprätendenten, dem Prinzen Juſſuf, der
in ſeiner Art ein Märtyrer des Freiheitsgedankens iſt,
eine machtvolle Perſönlichkeit, ein Liberaler, mit alttürkiſchem
Einſchlag und dabei ein Anhänger des Autonomismus. Und
[Spaltenumbruch] im Wege ſteht noch der Prinz Sabah-Eddin, eine Haupt-
ſtütze der „Liberalen Union“. Wie es in ſolchen Fällen zu-
geht, wiſſen wir ja aus der Geſchichte Spaniens, das ewig
mit der karliſtiſchen Bewegung, d. h. der Bewegung zugunſten
eines Kronprätendenten, zu ſchaffen hat. Jeder Prätendent
ſichert goldene Berge zu und wird das Zentrum für alle
Unzufriedenen. Der Unzufriedenen aber ſind in der neuen
Türkei gar zu viele, und ſie werden immer zahlreicher werden.
Die Jungtürken haben nämlich ein Programm, dem ſie nicht
entſagen können, ohne ihre Macht zu verlieren. Das Pro-
gramm iſt das zentraliſtiſche- und betont das Vorherrſchen
des Ottomanentums.

Aber die Hilfsmittel, deren die Jungtürken ſich bedienten,
ſind am wenigſten geeignet, dieſe ihre Idee zu verwirklichen.
Das Zentrum der neuen Türkei iſt Saloniki. Und wie Stam-
bul der Vorpoſten Aſiens iſt, wie man vom goldenen Horn
nach der kleinaſiatiſchen Küſte hinüberſchauen kann, nach dem
Lande der Trägheit, der Träumerei und der Willenloſigkeit,
ſo iſt Saloniki die Schwelle zum weſtlichen Europa, die
Ueberwindung des Orients. Und an dieſer Ueberwindung wird
die Türkei ſich verbluten. Ueber Saloniki kann Stambul nicht
herrſchen, die Herrſchaft Salonikis aber heißt die Auflöſung
der Türkei. Denn in Saloniki iſt der Knotenpunkt der Natio-
nalitäten, die im ottomaniſchen Reich nebeneinander wohnen und
ſich in den Haaren liegen. Es iſt die Türkei im Kleinen. Jetzt werden
erſt alle Machtgelüſte der bisher unterdrückten oder im Schach
gehaltenen Volksindividualitäten zur Geltung kommen. Und wird
die neue Regierung, d. h. die Jungtür[k]en, nicht willig ſein,
ſo werden dieſelben Elemente, die ſie im Kampfte gegen die
Reaktion unterſtützt haben, ſich gegen ſie wenden und Gewalt
brauchen. Und da werden die Jungtürken unterliegen müſſen
und mit ihnen die Türkei als hiſtoriſch gewordener Staat

Es handelt ſich bloß darum, ob die europäiſchen Mächte
bis dahin bereit ſein werden. Denn an den Geſchicken
der Türkei iſt das ganze maßgebende Europa mehr
intereſſiert, als man es ſehen laſſen will. Nicht bloß
der Dreibund, nicht bloß Rußland, Frankreich und England,
ſondern auch die Balkanſtaaten, alſo Serbien, Bulgarien,
Griechenland. Jedes dieſer Länder hat einen Fuß in der
Türkei, jedes von ihnen hat dort Zukunftspläne. Die Türkei
[Spaltenumbruch] hat ſich bisher nur dank der Rivalität der Mächte gehalten.
Es iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß die Rivalität eines
ſchönen Tages in ein Einvernehmen, in eine planmäßige
Aktion ſich verwandeln wird. Und dann iſt das Phantaſie-
ſtück von heute — Proſa, trockene Wirklichkeit. Jedenfalls
ſtehen die Jungtürken vor einer ſchweren, ſchier unlösbaren
Aufgabe. Europa hat aber kein Intereſſe, ihnen die Löſung
zu erleichtern.




Die Jungtürkiſche Herrſchaft in
Konſtantinopel.
KB. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Bei den diplomatiſchen Miſſionen
wurden die Wachen bis auf je einen Militärſchüler,
Gendarmen und Poliziſten zurückgewieſen. Der Be-
lagerungszuſtand
dürfte bis zur Beendigung der
kriegsgerichtlichen Aburteilungen aufrecht
bleiben,

Verhaftung Kiamil Paſchas?
KB. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Der frühere Großveſier Kiamil Paſcha ſoll,
wie gerüchtweiſe verlautet, verhaftet worden ſein.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Kiamil Paſcha ſoll engliſchen Schutz verlangt
haben.

Die Neubildung des Kabinetts.

KB. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Der gegenwärtige Großvefier Tewfik Paſcha
wurde mit der Neubildung des Kabinettes
betraut.




Der Exſultan Abdul Hamid.
KB. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Die Berichte über die näheren Umſtände der
Wegführung Abdul Hamids ſind außerordentlich
widerſprechend. Sicher ſcheint aber, daß Abdul Hami[d]




[Spaltenumbruch]
Seine Kreolin.

19] (Nachdruck verboten.)

Wiſſen Sie etwas Näheres? fragte er raſch. In dieſem
Augenblicke wurden Schritte auf dem Gange draußen hörbar.
Wir können hier nicht darüber reden, fügte er hinzu. Sind
Sie heute abends zu Hauſe?

Jawohl.

Dann komme ich bei Ihnen vorbei, fuhr er fort und
wandte ſich zum Gehen.

Warten Sie eine Minute, rief ich ihm nach. Ich wohne
nicht mehr bei Frau Friſch.

Nicht?

Nein — ich wohne im „Marathon“.

Im „Marathon“?

Jawohl, Nr. 14; Higgins wird Sie hinaufführen.

Er ſtarrte mich einen Augenblick überraſcht an; dann
ging die Tür auf, und Herr Royce trat ein, gefolgt von zwei
Angeſtellten.

Ich erwarte Sie alſo heute abends, fügte ich hinzu und
weidete mich an ſeinem Staunen.

Er nickte mechaniſch und ging fort, als ob er im Traume
wandelte.




Das iſt ſo ziemlich der letzte Ort auf Erden, wo ich
erwartet hätte, Sie zu treffen, begann Godfrey, als er ſich
in ſeinem Stuhle zurücklehnte und rund im Zimmer herum-
blickte.

Und doch iſt nichts ſo Wunderbares daran, betonte ich.
Ich mußte meine Wohnung verlaſſen und fand, daß dieſe
paſſend für mich ſei.

Es iſt Ihre Paſſion, erwiderte er lächelnd. Seit der
Affäre mit Fräulein Holladay wenigſtens. Das Geheimnis
[Spaltenumbruch] werden Sie nie herausbringen. Aber ich bin froh, daß Sie
hier wohnen. Ich habe eine Ahnung, daß wir gerade am
Beginn der Entwirrung eines ſehr auffallenden Geheimniſſes
ſtehen, und Sie können viel dabei helfen.

Dann war alſo der Mord nicht das Ende davon?

Nein, ich glaube, er war erſt der Anfang. Erzählen Sie
mir jetzt, wie es kam, daß Sie geſtern abends mit Frau
Tremaine zuſammen waren.

Tremaine hatte eine wichtige geſchäftliche Zuſammenkunft,
erklärte ich ihm, die er unmöglich verfehlen konnte. Er hatte
ihr verſprochen, ſie ins Theater zu führen, und ſich ſchon
Billette geſichert. Nun wollte er ihr die Enttäuſchung erſparen
und bat mich, an ſeiner Stelle zu gehen.

Und ſie hatte nichts dagegen?

Nicht im geringſten, wie mir ſcheint.

Sie ſchien ſich prächtig dabei zu unterhalten?

Jawohl. Sie iſt das ungezwungenſte Geſchöpf, das ich
je geſehen. Sie würde Sie intereſſieren, Godfrey.

Ich zweifle nicht im entfernteſten daran. Aber Tremaine
intereſſiert mich auch. Sie wiſſen nicht zufällig, welcher Art
dieſe geſchäftliche Zuſammenkunft war? fragte er und ſah
mich eigentümlich lächelnd an.

Nein; ich nehme an, daß ſie ſeine Eiſenbahnlinie betraf.

Seine Eiſenbahnlinte?

Ich berichtete ihm kurz über das Projekt Tremaines.

Ja, vielleicht betraf es das, bemerkte Godfrey, aber nur
indirekt — ſehr indirekt. Er verbrachte den Abend in Dickie
Delroys Loge in der Oper.

Jetzt war es an mir, überraſcht zu ſein.

Wiſſen Sie das beſtimmt?

Ganz ſicher; ich ſah ihn ſelber dort. Tremaine iſt, wie
ich hörte, vor einiger Zeit bei Delroy eingeführt worden und
hat in der Geſellſchaft Furore gemacht — der Grund hierzu
iſt leicht genug zu verſtehen. Es iſt nicht das erſtemal, daß
er in Delroys Loge war.


[Spaltenumbruch]

Aber ſagen Sie mir, wandte ich immer erſtaunter ein,
wie hat er denn das fertig gebracht?

Ich weiß nicht. Ein ſo gewandter Menſch wie er weiß
ſich oft alle Türen zu öffnen. Sogar mehr als das: er hat
Delroy für ſein Eiſenbahnprojekt zu intereſſieren gewußt, und
Delroy iſt offenbar von ihm ebenſo bezaubert wie Sie.

Jawohl, gab ich offen zu, ich bin es.

Ich ſah auf den erſten Blick, daß er ein Schlaukopf iſt.
Ich glaube, dieſes Eiſenbahnprojekt iſt nur eine Falle — er
ſieht nicht aus wie ein Menſch, der ſeine Zeit damit ver-
ſchwendet, Luftſchlöſſer zu bauen.

O, wenn Sie ihn hören würden, proteſtierte ich.

Ich wollte, ich könnte es.

Ich kann Sie ja vorſtellen — als einen Reporter, der
Stoff zu einem Bericht ſucht zum Beiſpiel.

Nein, das wäre ungeſchickt. Ich werde es auf irgend
eine andere Weiſe verſuchen.

Ich glaube nicht, daß es eine Falle iſt, fuhr ich fort.
Er iſt zu ſehr damit beſchäftigt. Ueberdies ſehe ich gar nicht
ein, warum wir irgend welchen Grund hätten, ihn zu ver-
dächtigen. Wenn es eine Falle wäre, was beabſichtigt er dann
damitt?

Das iſt es gerade, was wir ausfindig machen müſſen.

Godfrey, begann ich nach einiger Ueberlegung plötzlich,
ich möchte Ihnen zwei Punkte unterbreiten, nach meiner An-
ſicht wichtige Punkte. Aber erſt bitte ich Sie, erzählen Sie
mir genau, wie das Verbrechen erfolgt iſt. Ich habe den
Verdacht, daß einige Einzelheiten nicht im „Rekord“ ſtanden.
Stecken Sie ſich erſt eine Zigarre an!

Er nahm eine Zigarre und zündete ſich ein Streichholz an.

Es ſind eine Reihe von Einzelheiten vorhanden, gab er
lächelnd zu, welche das Publikum nicht erfahren hat. Die
meiſten würden Fräulein Croydon unnötigerweiſe belaſten.

(Fortſetzung folgt.)


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Der Ex&#x017F;ultan Abdul Hamid i&#x017F;t in Saloniki eingetroffen, wo<lb/>
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Das Zentrum der neuen Türkei i&#x017F;t Saloniki. Und wie Stam-<lb/>
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&#x017F;o i&#x017F;t Saloniki die Schwelle zum we&#x017F;tlichen Europa, die<lb/>
Ueberwindung des Orients. Und an die&#x017F;er Ueberwindung wird<lb/>
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[[1]/0001] Redaktion u. Adminiſtration: Rathausſtraße 16. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40. halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60, (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 2, vierteljähr. K 6, halbjähr. K 12. ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig .... 7 Mark für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei. Telegramme Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigung: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile, Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Rat- hausſtr. 16) erhältlich. In Wien im Zeitungsburean Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 1588. Czernowitz, Freitag, den 30. April 1909. Ueberſicht. Die Orientkriſis. Die Krönung Mohameds V. wird erſt in 40 Tagen erfolgen. Kiamil Paſcha ſoll verhaftet worden ſein. Die Maſſenverhaftungen und Maſſenhinrichtungen dauern fort. Der Exſultan Abdul Hamid iſt in Saloniki eingetroffen, wo er wahrſcheinlich vor ein Kriegsgericht geſtellt werden wird. Daß über ihn das Todesurteil gefällt werden wird, iſt nicht unwahrſcheinlich. Letzte Telegramme. In Serbien bereiten ſich neuerlich ernſte Ereigniſſe vor- Im Offizierskorps macht ſich eine antidynaſtiſche Strömung bemerkbar. — Die Unabhängigkeitspartei ſtrebt ein Miniſterium Wekerle—Koſſuth unter Ausſchaltung der 67er Partei an. Ein Phantaſiestück. Czernowitz, 29. April. c. So nannte das „Fremdenblatt“ das in einem franzöſiſchen Blatte aufgetauchte Gerücht, daß die Dreibund- mächte eine Aktion zur Teilung der Türkei planen. In der Tat unter obwaltenden Verhältniſſen, ſolange die Türkei noch im Stadium des Bauens und Organiſierens iſt, ſolange noch um die Erneuerung der Türkei gekämpft wird, iſt jedes derartige Vorhaben nicht nur ein phantaſtiſches, ſondern ein unpolitiſches. Die Türken haben nämlich bewieſen, daß ſie kämpfen können, daß ſie auch einig ſein können, wenn ſie dazu durch die äußerſte Not getrieben werden. Aber — die Phantaſie von heute iſt ſo oft die Tatſache von morgen. Phantaſie heißt ja nur vorausgegriffene Wirk- lichkeit, eine vorauseilende Einſicht. Und deshalb rollt auch das franzöſiſche Gerücht ein Problem auf, das in der — vielleicht nahen — Zukunft in allem Ernſte die europäiſche Diplomatie wird beſchäftigen müſſen. Denn mit der Ent- thronung des alten und der Einſetzung des neuen Sultaus iſt die türkiſche Kriſe bei weitem noch nicht gelöſt. Schon jetzt hört man von einem neuen Kronprätendenten, dem Prinzen Juſſuf, der in ſeiner Art ein Märtyrer des Freiheitsgedankens iſt, eine machtvolle Perſönlichkeit, ein Liberaler, mit alttürkiſchem Einſchlag und dabei ein Anhänger des Autonomismus. Und im Wege ſteht noch der Prinz Sabah-Eddin, eine Haupt- ſtütze der „Liberalen Union“. Wie es in ſolchen Fällen zu- geht, wiſſen wir ja aus der Geſchichte Spaniens, das ewig mit der karliſtiſchen Bewegung, d. h. der Bewegung zugunſten eines Kronprätendenten, zu ſchaffen hat. Jeder Prätendent ſichert goldene Berge zu und wird das Zentrum für alle Unzufriedenen. Der Unzufriedenen aber ſind in der neuen Türkei gar zu viele, und ſie werden immer zahlreicher werden. Die Jungtürken haben nämlich ein Programm, dem ſie nicht entſagen können, ohne ihre Macht zu verlieren. Das Pro- gramm iſt das zentraliſtiſche- und betont das Vorherrſchen des Ottomanentums. Aber die Hilfsmittel, deren die Jungtürken ſich bedienten, ſind am wenigſten geeignet, dieſe ihre Idee zu verwirklichen. Das Zentrum der neuen Türkei iſt Saloniki. Und wie Stam- bul der Vorpoſten Aſiens iſt, wie man vom goldenen Horn nach der kleinaſiatiſchen Küſte hinüberſchauen kann, nach dem Lande der Trägheit, der Träumerei und der Willenloſigkeit, ſo iſt Saloniki die Schwelle zum weſtlichen Europa, die Ueberwindung des Orients. Und an dieſer Ueberwindung wird die Türkei ſich verbluten. Ueber Saloniki kann Stambul nicht herrſchen, die Herrſchaft Salonikis aber heißt die Auflöſung der Türkei. Denn in Saloniki iſt der Knotenpunkt der Natio- nalitäten, die im ottomaniſchen Reich nebeneinander wohnen und ſich in den Haaren liegen. Es iſt die Türkei im Kleinen. Jetzt werden erſt alle Machtgelüſte der bisher unterdrückten oder im Schach gehaltenen Volksindividualitäten zur Geltung kommen. Und wird die neue Regierung, d. h. die Jungtürken, nicht willig ſein, ſo werden dieſelben Elemente, die ſie im Kampfte gegen die Reaktion unterſtützt haben, ſich gegen ſie wenden und Gewalt brauchen. Und da werden die Jungtürken unterliegen müſſen und mit ihnen die Türkei als hiſtoriſch gewordener Staat Es handelt ſich bloß darum, ob die europäiſchen Mächte bis dahin bereit ſein werden. Denn an den Geſchicken der Türkei iſt das ganze maßgebende Europa mehr intereſſiert, als man es ſehen laſſen will. Nicht bloß der Dreibund, nicht bloß Rußland, Frankreich und England, ſondern auch die Balkanſtaaten, alſo Serbien, Bulgarien, Griechenland. Jedes dieſer Länder hat einen Fuß in der Türkei, jedes von ihnen hat dort Zukunftspläne. Die Türkei hat ſich bisher nur dank der Rivalität der Mächte gehalten. Es iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß die Rivalität eines ſchönen Tages in ein Einvernehmen, in eine planmäßige Aktion ſich verwandeln wird. Und dann iſt das Phantaſie- ſtück von heute — Proſa, trockene Wirklichkeit. Jedenfalls ſtehen die Jungtürken vor einer ſchweren, ſchier unlösbaren Aufgabe. Europa hat aber kein Intereſſe, ihnen die Löſung zu erleichtern. Die Jungtürkiſche Herrſchaft in Konſtantinopel. KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Bei den diplomatiſchen Miſſionen wurden die Wachen bis auf je einen Militärſchüler, Gendarmen und Poliziſten zurückgewieſen. Der Be- lagerungszuſtand dürfte bis zur Beendigung der kriegsgerichtlichen Aburteilungen aufrecht bleiben, Verhaftung Kiamil Paſchas? KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der frühere Großveſier Kiamil Paſcha ſoll, wie gerüchtweiſe verlautet, verhaftet worden ſein. KB. Stambul, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Kiamil Paſcha ſoll engliſchen Schutz verlangt haben. Die Neubildung des Kabinetts. KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der gegenwärtige Großvefier Tewfik Paſcha wurde mit der Neubildung des Kabinettes betraut. Der Exſultan Abdul Hamid. KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Berichte über die näheren Umſtände der Wegführung Abdul Hamids ſind außerordentlich widerſprechend. Sicher ſcheint aber, daß Abdul Hamid Seine Kreolin. Kriminal-Roman von Burton E. Stevenſon. 19] (Nachdruck verboten.) Wiſſen Sie etwas Näheres? fragte er raſch. In dieſem Augenblicke wurden Schritte auf dem Gange draußen hörbar. Wir können hier nicht darüber reden, fügte er hinzu. Sind Sie heute abends zu Hauſe? Jawohl. Dann komme ich bei Ihnen vorbei, fuhr er fort und wandte ſich zum Gehen. Warten Sie eine Minute, rief ich ihm nach. Ich wohne nicht mehr bei Frau Friſch. Nicht? Nein — ich wohne im „Marathon“. Im „Marathon“? Jawohl, Nr. 14; Higgins wird Sie hinaufführen. Er ſtarrte mich einen Augenblick überraſcht an; dann ging die Tür auf, und Herr Royce trat ein, gefolgt von zwei Angeſtellten. Ich erwarte Sie alſo heute abends, fügte ich hinzu und weidete mich an ſeinem Staunen. Er nickte mechaniſch und ging fort, als ob er im Traume wandelte. Das iſt ſo ziemlich der letzte Ort auf Erden, wo ich erwartet hätte, Sie zu treffen, begann Godfrey, als er ſich in ſeinem Stuhle zurücklehnte und rund im Zimmer herum- blickte. Und doch iſt nichts ſo Wunderbares daran, betonte ich. Ich mußte meine Wohnung verlaſſen und fand, daß dieſe paſſend für mich ſei. Es iſt Ihre Paſſion, erwiderte er lächelnd. Seit der Affäre mit Fräulein Holladay wenigſtens. Das Geheimnis werden Sie nie herausbringen. Aber ich bin froh, daß Sie hier wohnen. Ich habe eine Ahnung, daß wir gerade am Beginn der Entwirrung eines ſehr auffallenden Geheimniſſes ſtehen, und Sie können viel dabei helfen. Dann war alſo der Mord nicht das Ende davon? Nein, ich glaube, er war erſt der Anfang. Erzählen Sie mir jetzt, wie es kam, daß Sie geſtern abends mit Frau Tremaine zuſammen waren. Tremaine hatte eine wichtige geſchäftliche Zuſammenkunft, erklärte ich ihm, die er unmöglich verfehlen konnte. Er hatte ihr verſprochen, ſie ins Theater zu führen, und ſich ſchon Billette geſichert. Nun wollte er ihr die Enttäuſchung erſparen und bat mich, an ſeiner Stelle zu gehen. Und ſie hatte nichts dagegen? Nicht im geringſten, wie mir ſcheint. Sie ſchien ſich prächtig dabei zu unterhalten? Jawohl. Sie iſt das ungezwungenſte Geſchöpf, das ich je geſehen. Sie würde Sie intereſſieren, Godfrey. Ich zweifle nicht im entfernteſten daran. Aber Tremaine intereſſiert mich auch. Sie wiſſen nicht zufällig, welcher Art dieſe geſchäftliche Zuſammenkunft war? fragte er und ſah mich eigentümlich lächelnd an. Nein; ich nehme an, daß ſie ſeine Eiſenbahnlinie betraf. Seine Eiſenbahnlinte? Ich berichtete ihm kurz über das Projekt Tremaines. Ja, vielleicht betraf es das, bemerkte Godfrey, aber nur indirekt — ſehr indirekt. Er verbrachte den Abend in Dickie Delroys Loge in der Oper. Jetzt war es an mir, überraſcht zu ſein. Wiſſen Sie das beſtimmt? Ganz ſicher; ich ſah ihn ſelber dort. Tremaine iſt, wie ich hörte, vor einiger Zeit bei Delroy eingeführt worden und hat in der Geſellſchaft Furore gemacht — der Grund hierzu iſt leicht genug zu verſtehen. Es iſt nicht das erſtemal, daß er in Delroys Loge war. Aber ſagen Sie mir, wandte ich immer erſtaunter ein, wie hat er denn das fertig gebracht? Ich weiß nicht. Ein ſo gewandter Menſch wie er weiß ſich oft alle Türen zu öffnen. Sogar mehr als das: er hat Delroy für ſein Eiſenbahnprojekt zu intereſſieren gewußt, und Delroy iſt offenbar von ihm ebenſo bezaubert wie Sie. Jawohl, gab ich offen zu, ich bin es. Ich ſah auf den erſten Blick, daß er ein Schlaukopf iſt. Ich glaube, dieſes Eiſenbahnprojekt iſt nur eine Falle — er ſieht nicht aus wie ein Menſch, der ſeine Zeit damit ver- ſchwendet, Luftſchlöſſer zu bauen. O, wenn Sie ihn hören würden, proteſtierte ich. Ich wollte, ich könnte es. Ich kann Sie ja vorſtellen — als einen Reporter, der Stoff zu einem Bericht ſucht zum Beiſpiel. Nein, das wäre ungeſchickt. Ich werde es auf irgend eine andere Weiſe verſuchen. Ich glaube nicht, daß es eine Falle iſt, fuhr ich fort. Er iſt zu ſehr damit beſchäftigt. Ueberdies ſehe ich gar nicht ein, warum wir irgend welchen Grund hätten, ihn zu ver- dächtigen. Wenn es eine Falle wäre, was beabſichtigt er dann damitt? Das iſt es gerade, was wir ausfindig machen müſſen. Godfrey, begann ich nach einiger Ueberlegung plötzlich, ich möchte Ihnen zwei Punkte unterbreiten, nach meiner An- ſicht wichtige Punkte. Aber erſt bitte ich Sie, erzählen Sie mir genau, wie das Verbrechen erfolgt iſt. Ich habe den Verdacht, daß einige Einzelheiten nicht im „Rekord“ ſtanden. Stecken Sie ſich erſt eine Zigarre an! Er nahm eine Zigarre und zündete ſich ein Streichholz an. Es ſind eine Reihe von Einzelheiten vorhanden, gab er lächelnd zu, welche das Publikum nicht erfahren hat. Die meiſten würden Fräulein Croydon unnötigerweiſe belaſten. (Fortſetzung folgt.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1588, Czernowitz, 30.04.1909, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1588_1909/1>, abgerufen am 28.03.2024.