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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 207, Czernowitz, 06.09.1904.

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Redaktion Administration
Rathansstraße 16, 1. Stock.




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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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8 Heller für Czernowitz.




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Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trasiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Buchdruckerei Riemer
(Tempelgasse) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt.
Wollzeile 11.




Nr. 207. Czernowitz Dienstag, den 6. September 1904.



[Spaltenumbruch]
Uebesicht.

Vom Tage.

Der deutsche Landtagsklub hat sich konstituiert

Bunte Chronik.

Der deutsche Kronprinz hat sich verlobt. -- Der Streik von
Marseille droht sich auf sämtliche Mittelmeerhäfen zu erstrecken.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Das II. Staatsgymnasium wurde feierlich eröffnet.

Letzte Telegramme.

Bei dem Brande eines Wirtshauses sind 14 Menschen ver-
brannt. -- Der Fleischerstreik in New-York ist beigelegt. -- In
einer ostsibirischen Stadt wurde eine Goldmine entdeckt. -- Russische
Kriegsschiffe haben den Hafen von Port Arthur verlassen. -- In
Petersburg hält man den Feldzug für verloren.




Der Ministerpräsident
in Czernowitz.


Der Ministerpräsident hat gestern morgens Czernowitz
und die Bukowina verlassen, wobei ihn die gleichen
Ehrungen, deren Gegenstand er bei seiner Ankunft war, bis
zur Fahrt an die Landesgrenze begleiteten. Der Stimmung,
in die ihn der so ungewöhnlich warme Empfang versetzt hatte,
fand ihren Niederschlag in den Worten, die Se. Exzellenz
am Samstag abends in der erzbischöflichen Residenz sprach
und die in das goldene Buch der Bukowina, der "emsig
vorwärts eilenden, verheißungsvollen",
einge-
tragen werden müssen: "Der Staat vergißt die
Bukowina nicht und wird ihre geistigen
und materiellen Hilfsmittel zu stärken
wissen ... Ich benütze aber die willkom-
mene Veranlassung, um meiner Befriedigung
darüber Ausdruck zu verleihen, was ich
-- ich
möchte sagen -- staunenden Auges wuhrgenom-
men habe. Ich habe immer eine gute Meinung
von der Entwicklung der Bukowina gehabt,
die mirdarüber zugekommenen Berichte gaben
mir reichlich Anhaltspunkte. Aber ich war
doch außerordentlich überrascht, als ich das
rege geistige und wirtschaftliche Leben wahr-
[Spaltenumbruch] nahm, als ich sah, wie sehr die Bewohner be-
müht sind, sich die reiche Kultur des Westens
zu eigen zu machen. Da gibt es kein Zagen,
keine Unterbrechung oder Unterbindung, da
muß weiter geschritten werden. Dann noch
einige kräftige Taten
und das Land wird zu
einem Ausfallstore der Zivilisation, zu einer
Stätte europäischer Gedanken
werden. Alles
regt sich, alles strebt empor, jeder bemüht
sich, die Spuren der kärglichen Vergangenheit
zu verwischen. Nur weiter, meine Herren, nur
weiter! Man hat mich aber auch hier von allen
Seiten mit so viel Herzlichkeit empfangen,
daß ich meinen Dank an Alle nur in dem auf-
richtigen Wunsche zusammenfassen kann: Das
Land und seine tüchtige Bevölkerung mögen
sich der Früchte ihres Schaffensvoll erfreuen."




Wir lassen die weiteren Berichte über Anwesenheit und
Abreise des Ministerpräsidenten folgen:

In der erzbischöflichen Residenz.

Für Samstag abends hatte Se. erzbischöfliche Gnaden
zu einem "Nachtmahl" geladen. Die simple Bezeichnung kon-
trastierte seltsam mit Raum, Gesellschaft und Tafel, welche
die Besucher erwarteten. Alles, was durch Name, Rang oder
Stand hervorragt, war erschienen. Der Frack überwog bei
weitem, zwischendurch bewegten sich hohe Militärs und Ver-
treter der Geistlichkeit. Die Beamtenschaft hatte die Uniform,
die bei den offiziellen Empfängen getragen wurde, zumeist mit
der bürgerlichen Gesellschaftstoilette vertauscht. Allgemeine Auf-
merksamkeit erregten die neugewählten Landtagsabgeordneten
Buburuzan und Lewicki, die in der farbenprächtigen
Nationaltracht erschienen waren. In dem hohen, pflanzenge-
schmückten Empfangssalon machte der Erzbischof mit vollendet
weltmännischem Charme die Honneurs. Vor dem Souper ver-
sammelte sich die Gesellschaft im großen Synodensaal, wo sich
bald eine rege Konversation entwickelte. Knapp nach 9 Uhr
kam Dr. v. Koerber in Begleitung des Landespräsidenten.
Dr. v. Repta ging ihnen bis zur Türe entgegen und richtete
an den Ministerpräsidenten einige Worte der Begrüßung, die
[Spaltenumbruch] einen ungemein herzlichen Charakter trug. Dr. v. Koerber
beugte sich tief über die Hand des geistlichen Würdenträgers
und ließ sich hierauf im Synodensaale einige Persönlichkeiten
vorstellen, mit denen er kurze Zeit angeregt konversierte. Unter
den Klängen einer Polonaise -- die Tafelmusik besorgte die
Kapelle des 41. Inf.-Reg. unter persönlicher Leitung des
Kapellmeisters Kosteletzky -- begab sich die Gesellschaft
in den imposanten Speisesaal, wo eine große und 5 kleine
geschmackvoll dekorierte Tafeln angerichtet waren. An der Tete
der Haupttafel nahm der hochwürdige Gastgeber Platz, rechts
von ihm saß der Ministerpräsident, links Prinz Hohenlohe.
Die nächsten Plätze hatten Landeshauptmann Lupul, Ober-
landesgerichtspräsident Tchorznicki, der kais. russische Konsul
Staatsrat Alexander Dolivo-Dobrowolski und der
königl. rumänische Konsul Konstantin Cogalniceanu inne.

Beim Champagner erhob sich der Erzbischof und brachte
den Kaisertoast aus. Er sagte:

Hochverehrte Festgäste!

So oft wir in diesen Hallen im fröhlichen Beisam-
mensein uns befanden, hatten wir stets vor Allem unseres
allergnädigsten Kaisers in Ehrfurcht und mit Freude ge-
dacht. Heute ist die Erinnerung an Se. Majestät umso
lebhafter, und freudige Gefühle erfüllen unsere Herzen
umso mächtiger, als wir die seltene Ehre haben, den
ersten Ratgeber Sr. Majestät in unserer Mitte zu sehen
und aus dem Munde Hochdesselben zu erfahren, daß Se.
Majestät, Gott sei es gedankt, zum Wohle des Reiches
und zum Glücke seiner Völker gesund sind und sich des
besten Wohlbefindens erfreuen. Indem wir nur bei dieser
frohen Botschaft dem Drange unserer Gefühle Folge
geben, rufen wir aus vollem Herzen: Se. Majestät unser
allergnädigster Kaiser und Herr lebe hoch!, hoch!, hoch!

Unter den Klängen der Volkshymne durchbrausten ent-
husiastische Hoch-, Sa traeasca- und Mnohaja lita-Rufe
die mächtigen Kuppeln des Saales.

Als sich der Jubel gelegt hatte, fuhr der hochwürdigste
Herr Metropolit fort:

Hochverehrte Festgäste!

Zu unserem Bedauern ist der Aufenthalt Sr. Exzellenz
des Herrn Ministerpräsidenten in der Bukowina sehr kurz,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Louise von Koburg.
(Nachdruck verboten.)

Es ist eine Kette selten romantischer Ereignisse, die das
Schicksal der Prinzessin Lonise von Koburg ausmachen. Man
mag es schon als ein romantisches, vielleicht als ein verhäng-
nisvolles Moment ansehen, ein Kind des Königs Leopold
von Belgien zu sein, und Luise ist eine Tochter dieses Monarchen,
dessen persönliche und private Lebenswege die Welt schon
oft beschäftigt haben. Sie wurde im Jahre 1858 am 18. Fe-
bruar als Prinzessin von Belgien geboren, steht also jetzt im
46. Lebensjahr. Für gewöhnlich ist dieses Alter nicht mehr
das einer maßlos leidenschaftlichen Liebe, und wenn man sich
die Taten der unglücklichen Prinzessin erklärlich machen will,
so kann es nur durch die Annahme geschehen, entweder, daß
die Zurechnungsfähigkeit dieser Frau nicht die normale sei
oder daß sie durch die Unbill ihrer Schicksale in die Bahn
des Exzentrischen und Außergewöhnlichen gelenkt wurde, wo
sie gewöhnliche sterbliche Menschenkinder nicht immer ganz zu
verstehen vermögen. Im Jahre 1875 hat sie sich oder hat
man sie mit dem Prinzen Philipp von Koburg in Brüssel
verheiratet. Wie wenig harmonisch das eheliche Verhältnis
zwischen ihm und der ehemaligen Prinzessin von Belgien
gewesen ist, solange die beiden zusammenlebten, ist allgemein
bekannt. Prinz Philipp von Koburg ist ein Bruder des
Fürsten Ferdinand von Bulgarien und auch dieser Mann ist
nicht ganz wie sonstige Menschenkinder geartet. Damit man
aber gewahr werde, wie viel von außergewöhnlichen Menschen
das Schicksal hier zusammengewürfelt hat, sei daran erinnert,
daß eine Schwester der Prinzessin Luise von Koburg die
frühere Kronprinzessin Stephanie von Oesterreich, die jetzige
Gräfin Lonyay ist, deren ganzes Leben ebenfalls ein einziger
Roman war, in dem die Kapitel durchaus nicht immer
schönen und heiteren Inhaltes zu nennen sind. Kann es
schließlich verwundern, daß bei einer solchen Welt lauter aus
dem Gleichmaß und der Norm geworfener Menschen auch die
Prinzessin Louise von Koburg ein Wesen von seltsamem
[Spaltenumbruch] Gepräge geworden ist! Im Elternhause keine Sonne und keine
Liebe, bei der Schwester kein volles Verständnis, bei dem nie
geliebten und in der Tat auch nicht zur Liebe einladenden
Gatten keine Heimat, so ist die unglückliche Prinzessin 37 Jahre
alt geworden. Da trat in Wien eines Tages der flotte Reiter-
lieutenant Geza von Mattasich Keglevich in ihren Weg. Sie
macht eine Ausfahrt in den Prater und bemerkt einen Offizier
in einem schönen aber gefährlichen Kampf mit einem heiß-
blütigen, widerspenstigen Rappen, der den Reiter auf seinem
Rücken nicht dulden wollte. Aber wie sich das Tier auch
bäumt und schäumt und feindlich geberdet, sein Reiter ist ihm
überlegen an Kraft und Geschicklichkeit, es muß sich fügen
und gehorsam und widerstandslos schreitet es dahin, wohin
Schenkel und Zügel das fordern. Aber die Fügsamkeit des
Rappen lohnt nicht allein die Bravour des schneidigen Leutnants;
mit ihr zugleich hat er im Augenblick das Herz der vorüber-
fahrenden fremden Prinzessin erobert.

Hingerissen von dem Eindruck der Kampfßene läßt sie
ihren Wagen halten, es kommt zu einer respektvollen Be-
grüßung aus der Ferne, es kommt zu einer wohl mehr absicht-
lichen als zufälligen weiteren Begegnung an demselben Morgen
im Prater, es kommt zu häusigeren und regelmäßigen Be-
gegnungen dortselbst, und wie ein Jahr darauf, es war im
Februar 1896, die Prinzessin mit ihrer Tochter Dora nach
Abbazia reist, um die verwitwete Kronprinzessin Stephanie,
ihre Schwester zu besuchen, da weiß es Mattasich zu ermög-
lichen, daß er bei einem öffentlichen Ball der Frau Prinzessin
vorgestellt wird. Nun ist die Möglichkeit geschaffen, öffentlich
und ohne Scheu vor der Welt mit ihr zu verkehren. Dieser
Verkehr ist denn auch ein ziemlich reger. Mattasich besorgt
den Stall der Prinzessin und reitet ihre Pferde. Aber das
Verhältnis fällt auf, erregt Anstoß und der Oberlieutenant
empfängt eines schönen Tages durch einen Hofgendarmen ein
Schreiben, das ihn für den nächsten Tag in die Kanzlei eines
Generaladjutanten des Kaisers beordert. Dort erfährt er, daß man
an allerhöchster Stelle wünscht, daß der Herr Oberleutnant in Wien
unsichtbar werde; die Gründe würden ihm schon selbst bekannt
sein. Mattasich muß sich ehrenwörtlich verpflichten, die Kaiser-
stadt innerhalb 14 Tagen zu verlassen. Nun reist die Prin-
zessin nach Nizza und Mattasich natürlich ihr nach. Ein ganzes
[Spaltenumbruch] Jahr verbringt er ungestört in ihrer Gesellschaft, niemand
scheint das Glück der beiden Liebenden trüben zu wollen. Auf
einmal erscheinen im Auftrage des Gemahles der Prinzessin
zwei längst erwartete Zeugen, der jetzige ungarische Honved-
minister Baron Fejervari und der Feldmarschalleutnant Graf
Wurmbrandt und fordern von dem Geliebten der Prinzessin
Genugtuung. Wohl nicht ganz mit Unrecht wird gemunkelt,
daß diese Herausforderung erst auf ein Drängen von aller-
höchster Wiener Stelle erfolgte. Der Zweikampf fand alsbald,
am 18. Februar 1898 im Militärreit-Lehrinstitut in Wien
statt. Die Gegner wechselten zweimal erfolglos die Kugeln
und griffen nachher zur Klinge. Hierbei verletzte der Ober-
leutnant seinen prinzlichen Gegner an der rechten Hand. Der
Friede war mit diesem Waffengang aber keineswegs wieder
hergestellt. Eigentlich erst jetzt sollten für Mattasich und seine
fürstliche Freundin traurige Tage beginnen. Liebende haben
selten oder nie Geld, von dieser Regel sollte auch dieses nicht
ganz ebenbürtige Paar keine Ausnahme machen. Aber Luise
von Koburg als direktes Gegenteil ihres beinahe geizigen
Vaters hat sich um den Geldmangel nie Sorgen gemacht und
aus Rücksicht auf ihre Kasse ihren Wünschen niemals Gewalt
angetan. In Händen von Geldverleihern befanden sich Wechsel
im ungefähren Betrag von 350.000 Gulden mit der Unter-
schrift der ehemaligen Kronprinzessin Stefanie. Diese Unter-
schrift wurde plötzlich, drei Wochen nach dem Duell, von den
Inhabern der Wechsel hinsichtlich ihrer Echtheit angezweifelt.
Mattasich betrachtet diesen auffälligen Umstand heute noch als
einen Racheakt des beleidigten Prinzen und Ehegatten. Es
hat sich nie mit voller Deutlichkeit erwiesen, ob die Unter-
schriften echt, ob sie nachgeahmt, von wem sie nachgeahmt, zu
wessen Gunsten sie nachgeahmt waren, wohin das Geld ge-
kommen ist oder kommen sollte. Dem Oberleutnant aber wurde, als
dem der Tat Verdächtigen der Prozeß gemacht, er wurde vrrhaftet
und am 22. Dezember 1898 verurteilt. Das Urteil war nicht gelind,
es lautete auf sechs Jahre schweren Kerkers mit besonderer
Strafverschärfung am 15. und 25. jeden Monats und mit
Einzelhaft während jedes ersten und siebenten Monats im
Jahre. Die Prinzessin war inzwischen als geistig unzurechnungs-
fähig in ein Sanatorium nach Döbling bei Wien gebracht
worden, später vertauschte sie diesen Aufenthalt mit einem


[Spaltenumbruch]

Redaktion Adminiſtration
Rathansſtraße 16, 1. Stock.




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halbjähr. K 10.80, ganzjähr. K21.60

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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Einzelexemplare:
8 Heller für Czernowitz.




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Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Buchdruckerei Riemer
(Tempelgaſſe) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt.
Wollzeile 11.




Nr. 207. Czernowitz Dienſtag, den 6. September 1904.



[Spaltenumbruch]
Uebesicht.

Vom Tage.

Der deutſche Landtagsklub hat ſich konſtituiert

Bunte Chronik.

Der deutſche Kronprinz hat ſich verlobt. — Der Streik von
Marſeille droht ſich auf ſämtliche Mittelmeerhäfen zu erſtrecken.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Das II. Staatsgymnaſium wurde feierlich eröffnet.

Letzte Telegramme.

Bei dem Brande eines Wirtshauſes ſind 14 Menſchen ver-
brannt. — Der Fleiſcherſtreik in New-York iſt beigelegt. — In
einer oſtſibiriſchen Stadt wurde eine Goldmine entdeckt. — Ruſſiſche
Kriegsſchiffe haben den Hafen von Port Arthur verlaſſen. — In
Petersburg hält man den Feldzug für verloren.




Der Miniſterpräſident
in Czernowitz.


Der Miniſterpräſident hat geſtern morgens Czernowitz
und die Bukowina verlaſſen, wobei ihn die gleichen
Ehrungen, deren Gegenſtand er bei ſeiner Ankunft war, bis
zur Fahrt an die Landesgrenze begleiteten. Der Stimmung,
in die ihn der ſo ungewöhnlich warme Empfang verſetzt hatte,
fand ihren Niederſchlag in den Worten, die Se. Exzellenz
am Samſtag abends in der erzbiſchöflichen Reſidenz ſprach
und die in das goldene Buch der Bukowina, der „emſig
vorwärts eilenden, verheißungsvollen“,
einge-
tragen werden müſſen: „Der Staat vergißt die
Bukowina nicht und wird ihre geiſtigen
und materiellen Hilfsmittel zu ſtärken
wiſſen ... Ich benütze aber die willkom-
mene Veranlaſſung, um meiner Befriedigung
darüber Ausdruck zu verleihen, was ich
— ich
möchte ſagen — ſtaunenden Auges wuhrgenom-
men habe. Ich habe immer eine gute Meinung
von der Entwicklung der Bukowina gehabt,
die mirdarüber zugekommenen Berichte gaben
mir reichlich Anhaltspunkte. Aber ich war
doch außerordentlich überraſcht, als ich das
rege geiſtige und wirtſchaftliche Leben wahr-
[Spaltenumbruch] nahm, als ich ſah, wie ſehr die Bewohner be-
müht ſind, ſich die reiche Kultur des Weſtens
zu eigen zu machen. Da gibt es kein Zagen,
keine Unterbrechung oder Unterbindung, da
muß weiter geſchritten werden. Dann noch
einige kräftige Taten
und das Land wird zu
einem Ausfallstore der Ziviliſation, zu einer
Stätte europäiſcher Gedanken
werden. Alles
regt ſich, alles ſtrebt empor, jeder bemüht
ſich, die Spuren der kärglichen Vergangenheit
zu verwiſchen. Nur weiter, meine Herren, nur
weiter! Man hat mich aber auch hier von allen
Seiten mit ſo viel Herzlichkeit empfangen,
daß ich meinen Dank an Alle nur in dem auf-
richtigen Wunſche zuſammenfaſſen kann: Das
Land und ſeine tüchtige Bevölkerung mögen
ſich der Früchte ihres Schaffensvoll erfreuen.“




Wir laſſen die weiteren Berichte über Anweſenheit und
Abreiſe des Miniſterpräſidenten folgen:

In der erzbiſchöflichen Reſidenz.

Für Samſtag abends hatte Se. erzbiſchöfliche Gnaden
zu einem „Nachtmahl“ geladen. Die ſimple Bezeichnung kon-
traſtierte ſeltſam mit Raum, Geſellſchaft und Tafel, welche
die Beſucher erwarteten. Alles, was durch Name, Rang oder
Stand hervorragt, war erſchienen. Der Frack überwog bei
weitem, zwiſchendurch bewegten ſich hohe Militärs und Ver-
treter der Geiſtlichkeit. Die Beamtenſchaft hatte die Uniform,
die bei den offiziellen Empfängen getragen wurde, zumeiſt mit
der bürgerlichen Geſellſchaftstoilette vertauſcht. Allgemeine Auf-
merkſamkeit erregten die neugewählten Landtagsabgeordneten
Buburuzan und Lewicki, die in der farbenprächtigen
Nationaltracht erſchienen waren. In dem hohen, pflanzenge-
ſchmückten Empfangsſalon machte der Erzbiſchof mit vollendet
weltmänniſchem Charme die Honneurs. Vor dem Souper ver-
ſammelte ſich die Geſellſchaft im großen Synodenſaal, wo ſich
bald eine rege Konverſation entwickelte. Knapp nach 9 Uhr
kam Dr. v. Koerber in Begleitung des Landespräſidenten.
Dr. v. Repta ging ihnen bis zur Türe entgegen und richtete
an den Miniſterpräſidenten einige Worte der Begrüßung, die
[Spaltenumbruch] einen ungemein herzlichen Charakter trug. Dr. v. Koerber
beugte ſich tief über die Hand des geiſtlichen Würdenträgers
und ließ ſich hierauf im Synodenſaale einige Perſönlichkeiten
vorſtellen, mit denen er kurze Zeit angeregt konverſierte. Unter
den Klängen einer Polonaiſe — die Tafelmuſik beſorgte die
Kapelle des 41. Inf.-Reg. unter perſönlicher Leitung des
Kapellmeiſters Koſteletzky — begab ſich die Geſellſchaft
in den impoſanten Speiſeſaal, wo eine große und 5 kleine
geſchmackvoll dekorierte Tafeln angerichtet waren. An der Tête
der Haupttafel nahm der hochwürdige Gaſtgeber Platz, rechts
von ihm ſaß der Miniſterpräſident, links Prinz Hohenlohe.
Die nächſten Plätze hatten Landeshauptmann Lupul, Ober-
landesgerichtspräſident Tchorznicki, der kaiſ. ruſſiſche Konſul
Staatsrat Alexander Dolivo-Dobrowolski und der
königl. rumäniſche Konſul Konſtantin Cogalniceanu inne.

Beim Champagner erhob ſich der Erzbiſchof und brachte
den Kaiſertoaſt aus. Er ſagte:

Hochverehrte Feſtgäſte!

So oft wir in dieſen Hallen im fröhlichen Beiſam-
menſein uns befanden, hatten wir ſtets vor Allem unſeres
allergnädigſten Kaiſers in Ehrfurcht und mit Freude ge-
dacht. Heute iſt die Erinnerung an Se. Majeſtät umſo
lebhafter, und freudige Gefühle erfüllen unſere Herzen
umſo mächtiger, als wir die ſeltene Ehre haben, den
erſten Ratgeber Sr. Majeſtät in unſerer Mitte zu ſehen
und aus dem Munde Hochdesſelben zu erfahren, daß Se.
Majeſtät, Gott ſei es gedankt, zum Wohle des Reiches
und zum Glücke ſeiner Völker geſund ſind und ſich des
beſten Wohlbefindens erfreuen. Indem wir nur bei dieſer
frohen Botſchaft dem Drange unſerer Gefühle Folge
geben, rufen wir aus vollem Herzen: Se. Majeſtät unſer
allergnädigſter Kaiſer und Herr lebe hoch!, hoch!, hoch!

Unter den Klängen der Volkshymne durchbrauſten ent-
huſiaſtiſche Hoch-, Sǎ trǎeascǎ- und Mnohaja lita-Rufe
die mächtigen Kuppeln des Saales.

Als ſich der Jubel gelegt hatte, fuhr der hochwürdigſte
Herr Metropolit fort:

Hochverehrte Feſtgäſte!

Zu unſerem Bedauern iſt der Aufenthalt Sr. Exzellenz
des Herrn Miniſterpräſidenten in der Bukowina ſehr kurz,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Louiſe von Koburg.
(Nachdruck verboten.)

Es iſt eine Kette ſelten romantiſcher Ereigniſſe, die das
Schickſal der Prinzeſſin Loniſe von Koburg ausmachen. Man
mag es ſchon als ein romantiſches, vielleicht als ein verhäng-
nisvolles Moment anſehen, ein Kind des Königs Leopold
von Belgien zu ſein, und Luiſe iſt eine Tochter dieſes Monarchen,
deſſen perſönliche und private Lebenswege die Welt ſchon
oft beſchäftigt haben. Sie wurde im Jahre 1858 am 18. Fe-
bruar als Prinzeſſin von Belgien geboren, ſteht alſo jetzt im
46. Lebensjahr. Für gewöhnlich iſt dieſes Alter nicht mehr
das einer maßlos leidenſchaftlichen Liebe, und wenn man ſich
die Taten der unglücklichen Prinzeſſin erklärlich machen will,
ſo kann es nur durch die Annahme geſchehen, entweder, daß
die Zurechnungsfähigkeit dieſer Frau nicht die normale ſei
oder daß ſie durch die Unbill ihrer Schickſale in die Bahn
des Exzentriſchen und Außergewöhnlichen gelenkt wurde, wo
ſie gewöhnliche ſterbliche Menſchenkinder nicht immer ganz zu
verſtehen vermögen. Im Jahre 1875 hat ſie ſich oder hat
man ſie mit dem Prinzen Philipp von Koburg in Brüſſel
verheiratet. Wie wenig harmoniſch das eheliche Verhältnis
zwiſchen ihm und der ehemaligen Prinzeſſin von Belgien
geweſen iſt, ſolange die beiden zuſammenlebten, iſt allgemein
bekannt. Prinz Philipp von Koburg iſt ein Bruder des
Fürſten Ferdinand von Bulgarien und auch dieſer Mann iſt
nicht ganz wie ſonſtige Menſchenkinder geartet. Damit man
aber gewahr werde, wie viel von außergewöhnlichen Menſchen
das Schickſal hier zuſammengewürfelt hat, ſei daran erinnert,
daß eine Schweſter der Prinzeſſin Luiſe von Koburg die
frühere Kronprinzeſſin Stephanie von Oeſterreich, die jetzige
Gräfin Lonyay iſt, deren ganzes Leben ebenfalls ein einziger
Roman war, in dem die Kapitel durchaus nicht immer
ſchönen und heiteren Inhaltes zu nennen ſind. Kann es
ſchließlich verwundern, daß bei einer ſolchen Welt lauter aus
dem Gleichmaß und der Norm geworfener Menſchen auch die
Prinzeſſin Louiſe von Koburg ein Weſen von ſeltſamem
[Spaltenumbruch] Gepräge geworden iſt! Im Elternhauſe keine Sonne und keine
Liebe, bei der Schweſter kein volles Verſtändnis, bei dem nie
geliebten und in der Tat auch nicht zur Liebe einladenden
Gatten keine Heimat, ſo iſt die unglückliche Prinzeſſin 37 Jahre
alt geworden. Da trat in Wien eines Tages der flotte Reiter-
lieutenant Geza von Mattaſich Keglevich in ihren Weg. Sie
macht eine Ausfahrt in den Prater und bemerkt einen Offizier
in einem ſchönen aber gefährlichen Kampf mit einem heiß-
blütigen, widerſpenſtigen Rappen, der den Reiter auf ſeinem
Rücken nicht dulden wollte. Aber wie ſich das Tier auch
bäumt und ſchäumt und feindlich geberdet, ſein Reiter iſt ihm
überlegen an Kraft und Geſchicklichkeit, es muß ſich fügen
und gehorſam und widerſtandslos ſchreitet es dahin, wohin
Schenkel und Zügel das fordern. Aber die Fügſamkeit des
Rappen lohnt nicht allein die Bravour des ſchneidigen Leutnants;
mit ihr zugleich hat er im Augenblick das Herz der vorüber-
fahrenden fremden Prinzeſſin erobert.

Hingeriſſen von dem Eindruck der Kampfſzene läßt ſie
ihren Wagen halten, es kommt zu einer reſpektvollen Be-
grüßung aus der Ferne, es kommt zu einer wohl mehr abſicht-
lichen als zufälligen weiteren Begegnung an demſelben Morgen
im Prater, es kommt zu häuſigeren und regelmäßigen Be-
gegnungen dortſelbſt, und wie ein Jahr darauf, es war im
Februar 1896, die Prinzeſſin mit ihrer Tochter Dora nach
Abbazia reiſt, um die verwitwete Kronprinzeſſin Stephanie,
ihre Schweſter zu beſuchen, da weiß es Mattaſich zu ermög-
lichen, daß er bei einem öffentlichen Ball der Frau Prinzeſſin
vorgeſtellt wird. Nun iſt die Möglichkeit geſchaffen, öffentlich
und ohne Scheu vor der Welt mit ihr zu verkehren. Dieſer
Verkehr iſt denn auch ein ziemlich reger. Mattaſich beſorgt
den Stall der Prinzeſſin und reitet ihre Pferde. Aber das
Verhältnis fällt auf, erregt Anſtoß und der Oberlieutenant
empfängt eines ſchönen Tages durch einen Hofgendarmen ein
Schreiben, das ihn für den nächſten Tag in die Kanzlei eines
Generaladjutanten des Kaiſers beordert. Dort erfährt er, daß man
an allerhöchſter Stelle wünſcht, daß der Herr Oberleutnant in Wien
unſichtbar werde; die Gründe würden ihm ſchon ſelbſt bekannt
ſein. Mattaſich muß ſich ehrenwörtlich verpflichten, die Kaiſer-
ſtadt innerhalb 14 Tagen zu verlaſſen. Nun reiſt die Prin-
zeſſin nach Nizza und Mattaſich natürlich ihr nach. Ein ganzes
[Spaltenumbruch] Jahr verbringt er ungeſtört in ihrer Geſellſchaft, niemand
ſcheint das Glück der beiden Liebenden trüben zu wollen. Auf
einmal erſcheinen im Auftrage des Gemahles der Prinzeſſin
zwei längſt erwartete Zeugen, der jetzige ungariſche Honved-
miniſter Baron Fejervari und der Feldmarſchalleutnant Graf
Wurmbrandt und fordern von dem Geliebten der Prinzeſſin
Genugtuung. Wohl nicht ganz mit Unrecht wird gemunkelt,
daß dieſe Herausforderung erſt auf ein Drängen von aller-
höchſter Wiener Stelle erfolgte. Der Zweikampf fand alsbald,
am 18. Februar 1898 im Militärreit-Lehrinſtitut in Wien
ſtatt. Die Gegner wechſelten zweimal erfolglos die Kugeln
und griffen nachher zur Klinge. Hierbei verletzte der Ober-
leutnant ſeinen prinzlichen Gegner an der rechten Hand. Der
Friede war mit dieſem Waffengang aber keineswegs wieder
hergeſtellt. Eigentlich erſt jetzt ſollten für Mattaſich und ſeine
fürſtliche Freundin traurige Tage beginnen. Liebende haben
ſelten oder nie Geld, von dieſer Regel ſollte auch dieſes nicht
ganz ebenbürtige Paar keine Ausnahme machen. Aber Luiſe
von Koburg als direktes Gegenteil ihres beinahe geizigen
Vaters hat ſich um den Geldmangel nie Sorgen gemacht und
aus Rückſicht auf ihre Kaſſe ihren Wünſchen niemals Gewalt
angetan. In Händen von Geldverleihern befanden ſich Wechſel
im ungefähren Betrag von 350.000 Gulden mit der Unter-
ſchrift der ehemaligen Kronprinzeſſin Stefanie. Dieſe Unter-
ſchrift wurde plötzlich, drei Wochen nach dem Duell, von den
Inhabern der Wechſel hinſichtlich ihrer Echtheit angezweifelt.
Mattaſich betrachtet dieſen auffälligen Umſtand heute noch als
einen Racheakt des beleidigten Prinzen und Ehegatten. Es
hat ſich nie mit voller Deutlichkeit erwieſen, ob die Unter-
ſchriften echt, ob ſie nachgeahmt, von wem ſie nachgeahmt, zu
weſſen Gunſten ſie nachgeahmt waren, wohin das Geld ge-
kommen iſt oder kommen ſollte. Dem Oberleutnant aber wurde, als
dem der Tat Verdächtigen der Prozeß gemacht, er wurde vrrhaftet
und am 22. Dezember 1898 verurteilt. Das Urteil war nicht gelind,
es lautete auf ſechs Jahre ſchweren Kerkers mit beſonderer
Strafverſchärfung am 15. und 25. jeden Monats und mit
Einzelhaft während jedes erſten und ſiebenten Monats im
Jahre. Die Prinzeſſin war inzwiſchen als geiſtig unzurechnungs-
fähig in ein Sanatorium nach Döbling bei Wien gebracht
worden, ſpäter vertauſchte ſie dieſen Aufenthalt mit einem


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[[1]/0001] Redaktion Adminiſtration Rathansſtraße 16, 1. Stock. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1.60, vierteljähr. K 4.80, halbjähr. K 9.60, ganzjähr. K 19.20. Für das Inland (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40, halbjähr. K 10.80, ganzjähr. K21.60 Für Deutſchland: vierteljährig .... 7 Mark. Für Rumänien und den Balkan; vierteljährig .... 9 Franks. Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Einzelexemplare: 8 Heller für Czernowitz. Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Buchdruckerei Riemer (Tempelgaſſe) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt. Wollzeile 11. Nr. 207. Czernowitz Dienſtag, den 6. September 1904. Uebesicht. Vom Tage. Der deutſche Landtagsklub hat ſich konſtituiert Bunte Chronik. Der deutſche Kronprinz hat ſich verlobt. — Der Streik von Marſeille droht ſich auf ſämtliche Mittelmeerhäfen zu erſtrecken. Czernowitzer Angelegenheiten. Das II. Staatsgymnaſium wurde feierlich eröffnet. Letzte Telegramme. Bei dem Brande eines Wirtshauſes ſind 14 Menſchen ver- brannt. — Der Fleiſcherſtreik in New-York iſt beigelegt. — In einer oſtſibiriſchen Stadt wurde eine Goldmine entdeckt. — Ruſſiſche Kriegsſchiffe haben den Hafen von Port Arthur verlaſſen. — In Petersburg hält man den Feldzug für verloren. Der Miniſterpräſident in Czernowitz. Czernowitz, 5. September 1904. Der Miniſterpräſident hat geſtern morgens Czernowitz und die Bukowina verlaſſen, wobei ihn die gleichen Ehrungen, deren Gegenſtand er bei ſeiner Ankunft war, bis zur Fahrt an die Landesgrenze begleiteten. Der Stimmung, in die ihn der ſo ungewöhnlich warme Empfang verſetzt hatte, fand ihren Niederſchlag in den Worten, die Se. Exzellenz am Samſtag abends in der erzbiſchöflichen Reſidenz ſprach und die in das goldene Buch der Bukowina, der „emſig vorwärts eilenden, verheißungsvollen“, einge- tragen werden müſſen: „Der Staat vergißt die Bukowina nicht und wird ihre geiſtigen und materiellen Hilfsmittel zu ſtärken wiſſen ... Ich benütze aber die willkom- mene Veranlaſſung, um meiner Befriedigung darüber Ausdruck zu verleihen, was ich — ich möchte ſagen — ſtaunenden Auges wuhrgenom- men habe. Ich habe immer eine gute Meinung von der Entwicklung der Bukowina gehabt, die mirdarüber zugekommenen Berichte gaben mir reichlich Anhaltspunkte. Aber ich war doch außerordentlich überraſcht, als ich das rege geiſtige und wirtſchaftliche Leben wahr- nahm, als ich ſah, wie ſehr die Bewohner be- müht ſind, ſich die reiche Kultur des Weſtens zu eigen zu machen. Da gibt es kein Zagen, keine Unterbrechung oder Unterbindung, da muß weiter geſchritten werden. Dann noch einige kräftige Taten und das Land wird zu einem Ausfallstore der Ziviliſation, zu einer Stätte europäiſcher Gedanken werden. Alles regt ſich, alles ſtrebt empor, jeder bemüht ſich, die Spuren der kärglichen Vergangenheit zu verwiſchen. Nur weiter, meine Herren, nur weiter! Man hat mich aber auch hier von allen Seiten mit ſo viel Herzlichkeit empfangen, daß ich meinen Dank an Alle nur in dem auf- richtigen Wunſche zuſammenfaſſen kann: Das Land und ſeine tüchtige Bevölkerung mögen ſich der Früchte ihres Schaffensvoll erfreuen.“ Wir laſſen die weiteren Berichte über Anweſenheit und Abreiſe des Miniſterpräſidenten folgen: In der erzbiſchöflichen Reſidenz. Für Samſtag abends hatte Se. erzbiſchöfliche Gnaden zu einem „Nachtmahl“ geladen. Die ſimple Bezeichnung kon- traſtierte ſeltſam mit Raum, Geſellſchaft und Tafel, welche die Beſucher erwarteten. Alles, was durch Name, Rang oder Stand hervorragt, war erſchienen. Der Frack überwog bei weitem, zwiſchendurch bewegten ſich hohe Militärs und Ver- treter der Geiſtlichkeit. Die Beamtenſchaft hatte die Uniform, die bei den offiziellen Empfängen getragen wurde, zumeiſt mit der bürgerlichen Geſellſchaftstoilette vertauſcht. Allgemeine Auf- merkſamkeit erregten die neugewählten Landtagsabgeordneten Buburuzan und Lewicki, die in der farbenprächtigen Nationaltracht erſchienen waren. In dem hohen, pflanzenge- ſchmückten Empfangsſalon machte der Erzbiſchof mit vollendet weltmänniſchem Charme die Honneurs. Vor dem Souper ver- ſammelte ſich die Geſellſchaft im großen Synodenſaal, wo ſich bald eine rege Konverſation entwickelte. Knapp nach 9 Uhr kam Dr. v. Koerber in Begleitung des Landespräſidenten. Dr. v. Repta ging ihnen bis zur Türe entgegen und richtete an den Miniſterpräſidenten einige Worte der Begrüßung, die einen ungemein herzlichen Charakter trug. Dr. v. Koerber beugte ſich tief über die Hand des geiſtlichen Würdenträgers und ließ ſich hierauf im Synodenſaale einige Perſönlichkeiten vorſtellen, mit denen er kurze Zeit angeregt konverſierte. Unter den Klängen einer Polonaiſe — die Tafelmuſik beſorgte die Kapelle des 41. Inf.-Reg. unter perſönlicher Leitung des Kapellmeiſters Koſteletzky — begab ſich die Geſellſchaft in den impoſanten Speiſeſaal, wo eine große und 5 kleine geſchmackvoll dekorierte Tafeln angerichtet waren. An der Tête der Haupttafel nahm der hochwürdige Gaſtgeber Platz, rechts von ihm ſaß der Miniſterpräſident, links Prinz Hohenlohe. Die nächſten Plätze hatten Landeshauptmann Lupul, Ober- landesgerichtspräſident Tchorznicki, der kaiſ. ruſſiſche Konſul Staatsrat Alexander Dolivo-Dobrowolski und der königl. rumäniſche Konſul Konſtantin Cogalniceanu inne. Beim Champagner erhob ſich der Erzbiſchof und brachte den Kaiſertoaſt aus. Er ſagte: Hochverehrte Feſtgäſte! So oft wir in dieſen Hallen im fröhlichen Beiſam- menſein uns befanden, hatten wir ſtets vor Allem unſeres allergnädigſten Kaiſers in Ehrfurcht und mit Freude ge- dacht. Heute iſt die Erinnerung an Se. Majeſtät umſo lebhafter, und freudige Gefühle erfüllen unſere Herzen umſo mächtiger, als wir die ſeltene Ehre haben, den erſten Ratgeber Sr. Majeſtät in unſerer Mitte zu ſehen und aus dem Munde Hochdesſelben zu erfahren, daß Se. Majeſtät, Gott ſei es gedankt, zum Wohle des Reiches und zum Glücke ſeiner Völker geſund ſind und ſich des beſten Wohlbefindens erfreuen. Indem wir nur bei dieſer frohen Botſchaft dem Drange unſerer Gefühle Folge geben, rufen wir aus vollem Herzen: Se. Majeſtät unſer allergnädigſter Kaiſer und Herr lebe hoch!, hoch!, hoch! Unter den Klängen der Volkshymne durchbrauſten ent- huſiaſtiſche Hoch-, Sǎ trǎeascǎ- und Mnohaja lita-Rufe die mächtigen Kuppeln des Saales. Als ſich der Jubel gelegt hatte, fuhr der hochwürdigſte Herr Metropolit fort: Hochverehrte Feſtgäſte! Zu unſerem Bedauern iſt der Aufenthalt Sr. Exzellenz des Herrn Miniſterpräſidenten in der Bukowina ſehr kurz, Feuilleton. Louiſe von Koburg. (Nachdruck verboten.) Es iſt eine Kette ſelten romantiſcher Ereigniſſe, die das Schickſal der Prinzeſſin Loniſe von Koburg ausmachen. Man mag es ſchon als ein romantiſches, vielleicht als ein verhäng- nisvolles Moment anſehen, ein Kind des Königs Leopold von Belgien zu ſein, und Luiſe iſt eine Tochter dieſes Monarchen, deſſen perſönliche und private Lebenswege die Welt ſchon oft beſchäftigt haben. Sie wurde im Jahre 1858 am 18. Fe- bruar als Prinzeſſin von Belgien geboren, ſteht alſo jetzt im 46. Lebensjahr. Für gewöhnlich iſt dieſes Alter nicht mehr das einer maßlos leidenſchaftlichen Liebe, und wenn man ſich die Taten der unglücklichen Prinzeſſin erklärlich machen will, ſo kann es nur durch die Annahme geſchehen, entweder, daß die Zurechnungsfähigkeit dieſer Frau nicht die normale ſei oder daß ſie durch die Unbill ihrer Schickſale in die Bahn des Exzentriſchen und Außergewöhnlichen gelenkt wurde, wo ſie gewöhnliche ſterbliche Menſchenkinder nicht immer ganz zu verſtehen vermögen. Im Jahre 1875 hat ſie ſich oder hat man ſie mit dem Prinzen Philipp von Koburg in Brüſſel verheiratet. Wie wenig harmoniſch das eheliche Verhältnis zwiſchen ihm und der ehemaligen Prinzeſſin von Belgien geweſen iſt, ſolange die beiden zuſammenlebten, iſt allgemein bekannt. Prinz Philipp von Koburg iſt ein Bruder des Fürſten Ferdinand von Bulgarien und auch dieſer Mann iſt nicht ganz wie ſonſtige Menſchenkinder geartet. Damit man aber gewahr werde, wie viel von außergewöhnlichen Menſchen das Schickſal hier zuſammengewürfelt hat, ſei daran erinnert, daß eine Schweſter der Prinzeſſin Luiſe von Koburg die frühere Kronprinzeſſin Stephanie von Oeſterreich, die jetzige Gräfin Lonyay iſt, deren ganzes Leben ebenfalls ein einziger Roman war, in dem die Kapitel durchaus nicht immer ſchönen und heiteren Inhaltes zu nennen ſind. Kann es ſchließlich verwundern, daß bei einer ſolchen Welt lauter aus dem Gleichmaß und der Norm geworfener Menſchen auch die Prinzeſſin Louiſe von Koburg ein Weſen von ſeltſamem Gepräge geworden iſt! Im Elternhauſe keine Sonne und keine Liebe, bei der Schweſter kein volles Verſtändnis, bei dem nie geliebten und in der Tat auch nicht zur Liebe einladenden Gatten keine Heimat, ſo iſt die unglückliche Prinzeſſin 37 Jahre alt geworden. Da trat in Wien eines Tages der flotte Reiter- lieutenant Geza von Mattaſich Keglevich in ihren Weg. Sie macht eine Ausfahrt in den Prater und bemerkt einen Offizier in einem ſchönen aber gefährlichen Kampf mit einem heiß- blütigen, widerſpenſtigen Rappen, der den Reiter auf ſeinem Rücken nicht dulden wollte. Aber wie ſich das Tier auch bäumt und ſchäumt und feindlich geberdet, ſein Reiter iſt ihm überlegen an Kraft und Geſchicklichkeit, es muß ſich fügen und gehorſam und widerſtandslos ſchreitet es dahin, wohin Schenkel und Zügel das fordern. Aber die Fügſamkeit des Rappen lohnt nicht allein die Bravour des ſchneidigen Leutnants; mit ihr zugleich hat er im Augenblick das Herz der vorüber- fahrenden fremden Prinzeſſin erobert. Hingeriſſen von dem Eindruck der Kampfſzene läßt ſie ihren Wagen halten, es kommt zu einer reſpektvollen Be- grüßung aus der Ferne, es kommt zu einer wohl mehr abſicht- lichen als zufälligen weiteren Begegnung an demſelben Morgen im Prater, es kommt zu häuſigeren und regelmäßigen Be- gegnungen dortſelbſt, und wie ein Jahr darauf, es war im Februar 1896, die Prinzeſſin mit ihrer Tochter Dora nach Abbazia reiſt, um die verwitwete Kronprinzeſſin Stephanie, ihre Schweſter zu beſuchen, da weiß es Mattaſich zu ermög- lichen, daß er bei einem öffentlichen Ball der Frau Prinzeſſin vorgeſtellt wird. Nun iſt die Möglichkeit geſchaffen, öffentlich und ohne Scheu vor der Welt mit ihr zu verkehren. Dieſer Verkehr iſt denn auch ein ziemlich reger. Mattaſich beſorgt den Stall der Prinzeſſin und reitet ihre Pferde. Aber das Verhältnis fällt auf, erregt Anſtoß und der Oberlieutenant empfängt eines ſchönen Tages durch einen Hofgendarmen ein Schreiben, das ihn für den nächſten Tag in die Kanzlei eines Generaladjutanten des Kaiſers beordert. Dort erfährt er, daß man an allerhöchſter Stelle wünſcht, daß der Herr Oberleutnant in Wien unſichtbar werde; die Gründe würden ihm ſchon ſelbſt bekannt ſein. Mattaſich muß ſich ehrenwörtlich verpflichten, die Kaiſer- ſtadt innerhalb 14 Tagen zu verlaſſen. Nun reiſt die Prin- zeſſin nach Nizza und Mattaſich natürlich ihr nach. Ein ganzes Jahr verbringt er ungeſtört in ihrer Geſellſchaft, niemand ſcheint das Glück der beiden Liebenden trüben zu wollen. Auf einmal erſcheinen im Auftrage des Gemahles der Prinzeſſin zwei längſt erwartete Zeugen, der jetzige ungariſche Honved- miniſter Baron Fejervari und der Feldmarſchalleutnant Graf Wurmbrandt und fordern von dem Geliebten der Prinzeſſin Genugtuung. Wohl nicht ganz mit Unrecht wird gemunkelt, daß dieſe Herausforderung erſt auf ein Drängen von aller- höchſter Wiener Stelle erfolgte. Der Zweikampf fand alsbald, am 18. Februar 1898 im Militärreit-Lehrinſtitut in Wien ſtatt. Die Gegner wechſelten zweimal erfolglos die Kugeln und griffen nachher zur Klinge. Hierbei verletzte der Ober- leutnant ſeinen prinzlichen Gegner an der rechten Hand. Der Friede war mit dieſem Waffengang aber keineswegs wieder hergeſtellt. Eigentlich erſt jetzt ſollten für Mattaſich und ſeine fürſtliche Freundin traurige Tage beginnen. Liebende haben ſelten oder nie Geld, von dieſer Regel ſollte auch dieſes nicht ganz ebenbürtige Paar keine Ausnahme machen. Aber Luiſe von Koburg als direktes Gegenteil ihres beinahe geizigen Vaters hat ſich um den Geldmangel nie Sorgen gemacht und aus Rückſicht auf ihre Kaſſe ihren Wünſchen niemals Gewalt angetan. In Händen von Geldverleihern befanden ſich Wechſel im ungefähren Betrag von 350.000 Gulden mit der Unter- ſchrift der ehemaligen Kronprinzeſſin Stefanie. Dieſe Unter- ſchrift wurde plötzlich, drei Wochen nach dem Duell, von den Inhabern der Wechſel hinſichtlich ihrer Echtheit angezweifelt. Mattaſich betrachtet dieſen auffälligen Umſtand heute noch als einen Racheakt des beleidigten Prinzen und Ehegatten. Es hat ſich nie mit voller Deutlichkeit erwieſen, ob die Unter- ſchriften echt, ob ſie nachgeahmt, von wem ſie nachgeahmt, zu weſſen Gunſten ſie nachgeahmt waren, wohin das Geld ge- kommen iſt oder kommen ſollte. Dem Oberleutnant aber wurde, als dem der Tat Verdächtigen der Prozeß gemacht, er wurde vrrhaftet und am 22. Dezember 1898 verurteilt. Das Urteil war nicht gelind, es lautete auf ſechs Jahre ſchweren Kerkers mit beſonderer Strafverſchärfung am 15. und 25. jeden Monats und mit Einzelhaft während jedes erſten und ſiebenten Monats im Jahre. Die Prinzeſſin war inzwiſchen als geiſtig unzurechnungs- fähig in ein Sanatorium nach Döbling bei Wien gebracht worden, ſpäter vertauſchte ſie dieſen Aufenthalt mit einem

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 207, Czernowitz, 06.09.1904, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer207_1904/1>, abgerufen am 28.03.2024.