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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2277, Czernowitz, 22.08.1911.

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Redaktion und Administration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




Telephon-Nummer 161.




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monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40
halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60,
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monatlich K 2, vierteljähr. K 6,
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für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig .... 10 Lei.




Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


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Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

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Ankündigungen:
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 2277. Czernowitz, Dienstag, den 22. August 1911.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Vom Tage.

Der Stillstand in den Marokkoverhandlungen hat
eine ernste Stimmung sowohl in Deutschland wie in
Frankreich zur Folge; einige Pariser Blätter lassen
Kriegsdrohungen laut werden. -- Das deutsch-russische
Abkommen wurde in Petersburg unterzeichnet. -- Der
Toskenaufstand ist beigelegt.

Bunte Chronik.

Der Eisenbahnerstreik in England wurde nach Ab-
schluß eines Uebereinkommens zwischen den Bahnen und
den Arbeiterverbänden eingestellt.

Letzte Telegramme.

Pariser Blätter wissen von Kriegsvorbereitungen der
französischen Marine zu melden.




Regierungsmaßnahmen aus Anlaß
der Fleischnot.


Im Nachhange zu dem Kommuniquee über den Ab-
bruch der mit Ungarn in der Fleischfrage gepflogenen Ver-
handlungen veröffentlicht die Regierung folgende Mit-
teilungen über die zur Linderung der Fleischnot als not-
wendig erkannten Maßnahmen:

Um dem oft beklagten Uebelstande einer Abnahme
unserer Viehbestände durch das Schlachten zahlreicher, für
die Zucht tauglicher Kälber und insbesondere solcher,
welche von den für Abmelkwirtschaften bestimmten, be-
sonders milchergiebigen Kühen stammen, in wirksamer
Weise zu steuern und dieses wertvolle Material für die
Nachzucht zu erhalten, hat das Ackerbauministerium die
Erteilung von Aufzuchtprämien für zucht-
taugliche Kälber
in Aussicht genommen und in
einem an die politischen Landesstellen hinausgegebenen
Erlasse die Erstattung konkreter Vorschläge in dieser Rich-
tung seitens der landwirtschaftlichen Korporationen ver-
langt.

Eine weitere Maßregel gegen das vorzeitige und
großenteils irrationelle Schlachten der Kälber, welche nicht
bloß vom Standpunkte der Erhaltung von Zuchtmaterial,
sondern auch von jenem der Schaffung besser verwertbaren
und mehr Fleisch liefernden Nutz- und Schlachtviehes
[Spaltenumbruch] notwendig erscheint, wurde durch die in einzelnen Län-
dern heuer sehr ergiebige Futtererntee ermöglicht. Das
Ackerbauministerium hat in jenen Ländern, in welchen
großen Futtervorräte von der heurigen Ernte und teil-
weise auch noch alte Vorräte vorhanden sind, eine Aktion
eingeleitet, welche bezweckt, aufzuchtfähige Käl-
ber
durch die landwirtschaftliche Organisationen an-
kaufen
und auf eigenen Aufzuchthöfen bis zum nutz-
ungsfähigen Alter aufziehen zu lassen, in welchem
diese Tiere dann wieder an Landwirte zu mäßi-
gen Preisen abgegeben
werden sollen. Sofern
dieselben sich dann zur Zucht eignen und die Futterver-
hältnisse die Verwendung zur Zucht gestatten, sollen sie
als Zuchttiere aufgestellt werden, sofern diese Voraus-
setzungen nicht zutreffen, soll deren Mästung und damit
die Vermehrung des zum Konsum gelangenden Fleisches
veranlaßt werden.

Die zur Durchführung dieser Maßnahmen erforder-
lichen Aufwendungen sollen aus den durch das Gesetz vom
30. Dezember 1909, R.-G.-Bl. Nr. 222, zur Förderung
der Viehzucht bestimmten Mitteln bestritten werden.

Wenn diese beiden Maßregeln die in sie gesetzten Er-
wartungen erfüllen, so werden sie im Laufe weniger
Jahre eine bedeutende Vermehrung unseres
Viehstandes
herbeiführen, für welche durch die mitt-
lerweile durchgeführte systematische Aktion zur Förderung
der Alpenwirtschaft und des Futterbaues die entsprechen-
den Futtermittel vorhanden sein werden. -- Da diese
Maßnahmen dem Konsum eine Anzahl der jetzt zur
Schlachtung gelangenden Kälber entziehen, müssen gleich-
zeitig andere Vorkehrungen getroffen werden, um den
durch den Entgang des Kalb[f]leisches entstehenden Ausfall
wieder wettzumachen.

Hiezu erscheint in erster Linie die Schweinezucht
und Schweinemast geeignet, weil diese am schnellsten die
gehofften Erträge liefert und dem Markt ein notwendi-
ges und beliebtes Nahrungsmittel liefert. Das Acker-
bauministerium hat daher eine Aktion eingeleitet, welche
die rasche Errichtung einer größeren Anzahl von
Schweinezucht- und Schweinemastanstalt en
nach den neuesten und zweckmäßigsten Mustern bezweckt.
Hiezu sind in erster Linie jene Typen von Anstalten ge-
eignet, welche in Hannover und Schleswig-Holstein mit
großem Erfolge für die Hebung der Schweineproduktion
tätig sind und bei relativ sehr geringem Kostenaufwand
und raschester Durchführung in kurzer Zeit bedeutende
Erträge liefern können. Das Ackerbauministerium hat
die Förderung der Errichtung derartiger Anstalten mit
alle Energie in die Hand genommen, und es dürfte ge-
[Spaltenumbruch] lingen, noch im laufenden Jahre einige derartiger Etab-
lissements dem Betriebe zu übergeben, welche dann jeden-
falls schon mit Rücksicht auf die Einfachheit und Billig-
keit ihrer Anlage und auf die Unabhängigkeit der Fütter-
ung von dem Ausfalle der Kartoffelernte zahlreiche Nach-
ahmung finden und damit eine ausgiebige Erhöhung der
Produktion an Fleischschweinen herbeiführen werden.

Ein fortgesetztes Augenmerk wendet das Ackerbau-
ministerium der Vorsorge für die Beschaffung von
Futtermitteln
und für die Aufstapelung derselben
für Notjahre zu. Zu diesem Zwecke wird in jenen Län-
dern, in welchen die Futterernte heuer besonders reiche
Resultate geliefert hat, auf die Aufbewahrung der Vor-
räte für zukünftige Notjahre hingewirkt. Außerdem wird
die Errichtung von Konservierungsanstalten für Futter-
mittel, also insbesondere für die Trocknung von Kartof-
feln, Kartoffelkraut, Rübenköpfen und Rübenschnitzeln
und für die Aufschließung von Stroh, wo immer dies die
Verhältnisse gestatten, angeregt und nachdrücklich ge-
fördert.




Kritisch geprüft, besagt dieses Kommuniquee eigent-
lich das Gegenteil dessen, was es zu sein scheint. Bis auf
die angekündigte Einführung von Schweinezucht- und
Schweinemastanstalten nach einem ausländischen Muster,
welche eine besondere Erhöhung der Fleischproduktion bei
geringem Kostenaufwand und innerhalb kurzer Zeit er-
möglichen sollen, schreibt der Prospekt keine einzige prak-
tische Maßnahme vor. Offenbar kann sich die Regierung
ungeachtet der zunehmenden Fleischteuerung und trotz
der Verschärfung, welche die Situation durch die ab-
lehnende Haltung Ungarns erfährt, doch nicht -- wie es
wünschenswert erschiene -- dazu entschließen, ohne län-
geres Hinauszögern aus dem Stehgreif Anordnungen zu
treffen, welche das Uebel an dem Orte seines Ursprunges
selbst packen. Die Frage, wie die unzureichende Rind-
fleischproduktion zu einer den Anforderungen des Kon-
sums wenigstens annähernd entsprechenden Höhe zu stei-
gern wäre, ist längst gelöst und die zu diesem Zwecke ein-
zuschlagenden Wege sind in dem Kommuniquee richtig an-
gedeutet, wenn sie auch nicht ganz erschöpft erscheinen;
dennoch sollen abermals erst langwierige Enqueten ein-
geleitet werden und die Oeffentlichkeit bekommt Aussichten
und Absichten vorgesetzt, wo es ihr doch darum zu tun ist,
ein billigeres Rindfleisch zu erhalten. Niemals war eine
Rundfrage entbehrlicher, als gerade in dieser Sache. Das
Thema ist schon so glatt beantwortet, daß auch die Re-
ferenten des Ackerbauministeriums nur eine einzige ein-
heitliche Meinung haben und zum Ausdrucke bringen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Glückspilz.

(Nachdruck verboten.)

"Gräßlich ... diese Hitze!"

Eva Bornemann ließ sich in den Strandkorb fallen,
legte ihren großen Panama neben sich und schob mit den
schlanken blassen Händen ihre kunstvolle Lockenfrisur zu-
recht. Dann wandte sie sich an ihre Kousine, die sich im
Sande eingebuddelt hatte.

"Du willst wohl den Sonnenstich bekommen, Milli?
Was für ein Leichtsinn, sich dieser Glut auszusetzen!"

Milli lachte, ohne sich zu rühren.

Aergerlich fuhr die junge Frau fort: "Weißt Du,
welchen Spitznamen Du hier hast? Fliegenpilz nennen sie
Dich, weil Du immer so tief im Sande lagerst, daß man
bloß Deinen großen roten Lederhut sieht."

"Ja, zur Modedame habe ich nie getaugt. Der Leder-
hut ist sicher kühler als Dein eleganter Panama, und ich
fühle mich unbändig wohl als Fliegenpilz. Die Luft und
die Sonne tun mir gut nach dem jahrelangen Stuben-
hocken. Wirklich, ich bin Dir dankbar, daß Du mich über-
redet hast, Dich hierher zu begleiten."

Sie legte die Hände unter den Kopf und schloß die
Augen ... Das war nun der erste Urlaub, den sie seit
ihrer Studienzeit genoß. Nach dem Examen hatte sie das
Glück gehabt, einen Kollegen zu finden, der sie erst als
Assistentin, dann als Leiterin seines Frauensanatoriums
engagiert: eine anstrengende aber interessante Tätigkeit
die sie stark in Aspruch nahm. Die Frau ihres Chefs war
ihre Verwandte. Und als es sich jetzt darum gehandelt
hatte, daß Eva nach der ermüdenden Saison sich ein paar
Wochen im Seebade erholen sollte, ehe sie mit ihrem Mann
die alljährliche Gebirgstour antrat, wurde Milli einge-
laden, die junge Frau zu begleiten. Ihr Chef war davon
überzeugt, daß die pflichttreue Aerztin solchen Urlaub
längst verdient hatte.


[Spaltenumbruch]

In dem weichen Sand hörte sie plötzlich Schritte
neben sich. Milli blickte auf. Sie sah vor Eva einen Herrn
im hellen Tennisanzug stehen, der sich nun auch zu ihr
wandte.

"Ah, da ist ja der Glückspilz. Also, der gehört zu
Ihnen, gnädige Frau?"

Hör nur' Milli, wie galant der Herr Professor ist!
Nennt Dich nicht wie die anderen, Fliegenpilz, traut Dir
kein Gift zu und tauft Dich "Glückspilz". Und dabei han-
tierst Du doch so viel mit Gift! ... Professor Griepenow ..
meine Kousine Milli Krüger", stellte die junge Frau vor.

"Fräulein Doktor Krüger, von der mir meine
Schwester so viel erzählt hat? Sie war im Winter in
Ihrem Sanatorium."

Milli rückte ihren Hut ein wenig zur Seite, so daß
Griepenow ihr in das kluge, ruhige Gesicht blicken konnte.
Er sah sympathische Züge, die Vertrauen erwecken muß-
ten: große graue Augen, eine gerade kurze Nase und einen
gütig lächelnden Mund.

"Was meinen, gnädige Frau ... zum Tennis
wohl zu heiß ... aber eine kleine Seegelfahrt. Wären
Sie bereit?"

"Ja, das ist noch das einzige, was man bei dieser
Glut unternehmen kann. Machst Du mit, Milli?"

"Ich halte das Wetter nicht für sicher."

Professor Griepenow hielt die Hand vor die Augen
und sah sich um. Der Südwind wehte schwach. Vom grell-
blauen Himmel brannte die Sonne. Weit drüben im
Westen hingen ein paar schwere bleigraue Wolken.

"Kann sein, daß Sie Recht haben", sagte er zu Milli.

"Aber die Wolkenwand steht da grüben schon seit
vielen Tagen; dabei gibt's jeden Abend bloß ein kurzes
Wetterleuchten ohne Abkühlung. Und wir sind doch noch
nie eingeregnet!"

"Sehr logisch!" lächelte Evas Freundin.

Ach, nun bist Du wieder der Giftpilz! Sei doch kein
Spielverderber!"

"Ich will mal mit den Schiffern an der Brücke
reden", schlug der Professor vor, "da werde ich gleich
[Spaltenumbruch] hören, was sie vom Wetter halten. Auf Wiedersehen,
meine Damen."

Eva sah ihm nach, wie er am Strande entlang ging.
"Wir haben uns nämlich heute früh getroffen, als ich vom
Baden kam. Denk Dir, er wohnt in demselben Hotel wie
wir. Du kanntest ihn wohl auch den Namen nach, Milli?"

"Ja. Ist er nicht Deine alte Flamme gewesen?"

Eva nickte. "Fünf Jahre ist's schon her, daß er sich
bei mir einen Korb geholt hat. Damals war er noch kein
bekannter Maler. Hätte ich's geahnt ... unterdessen ist
er Professor geworden und spielt eine große Rolle unter
den Künstlern."

"So! Und ich soll also mit Euch beiden als Wauwau
oder als Elephant mitsegeln?"

"Ach, Du mußt doch nicht gleich an einen Flirt den-
ken ... Uebrigens, meinem Manne brauchst Du's nicht
zu erzählen, daß ich und Griepenow ... Jedenfalls
wäre es mir lieb, wenn Du mitkämst. Siehst Du, er
winkt, er erwartet uns. Wie findest Du ihn? Der schwarze
Spitzbart steht ihm gut, nicht? Und so nett, daß er gar
nicht pikiert war wegen damals ... Ganz harmlos be-
grüßte er mich. Nein, lach' doch nicht so malitiös! Sieh
lieber, ob mein Panama richtig sitzt. Du kommst doch
mit?"

"Ich werde Dich lieber am Seesteg erwarten." Sie
stand auf, schüttelte den Sand ab, nahm ihren Gummi-
mantel über den Arm und ging mit der jungen Frau zur
Brücke.

"Die Leute sind hier zu merkwürdig", rief ihnen
Griepenow zu. "Es ist Johannistag heute, und da ist dem
Wasser nicht zu trauen: drei Menschenleben fordert es,
sagen sie. Und natürlich prophezeien sie außerdem noch
ein Gewitter. Aber der junge Bansin und sein Bruder
machen das Boot zurecht; ich hab ihnen gut zugeredet."

Er half Eva beim Einsteigen und setzte sich neben sie.

Der schwache Wind trieb das Schiff nur langsam
vorwärts. Das Wasser war grünblau und glitzerte in der
Sonne.

Griepenow hatte mit Eva geplaudert über alte Be-
kannte, über seine Reisen, sein Emporkommen, und er


[Spaltenumbruch]

Redaktion und Adminiſtration:
Ringplatz 4, 2. Stock.




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Für Czernowitz
(mit Zuſtellung ins Haus):
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halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60,
(mit täglicher Poſtverſendung):
monatlich K 2, vierteljähr. K 6,
halbjähr. K 12. ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland:
vierteljährig ... 7 Mark.

für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig .... 10 Lei.




Telegramme Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen:
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Ring-
platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien
im Zeitungsbureau Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
10 Heller für Czernowitz.






Nr. 2277. Czernowitz, Dienſtag, den 22. Auguſt 1911.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Vom Tage.

Der Stillſtand in den Marokkoverhandlungen hat
eine ernſte Stimmung ſowohl in Deutſchland wie in
Frankreich zur Folge; einige Pariſer Blätter laſſen
Kriegsdrohungen laut werden. — Das deutſch-ruſſiſche
Abkommen wurde in Petersburg unterzeichnet. — Der
Toskenaufſtand iſt beigelegt.

Bunte Chronik.

Der Eiſenbahnerſtreik in England wurde nach Ab-
ſchluß eines Uebereinkommens zwiſchen den Bahnen und
den Arbeiterverbänden eingeſtellt.

Letzte Telegramme.

Pariſer Blätter wiſſen von Kriegsvorbereitungen der
franzöſiſchen Marine zu melden.




Regierungsmaßnahmen aus Anlaß
der Fleiſchnot.


Im Nachhange zu dem Kommuniquee über den Ab-
bruch der mit Ungarn in der Fleiſchfrage gepflogenen Ver-
handlungen veröffentlicht die Regierung folgende Mit-
teilungen über die zur Linderung der Fleiſchnot als not-
wendig erkannten Maßnahmen:

Um dem oft beklagten Uebelſtande einer Abnahme
unſerer Viehbeſtände durch das Schlachten zahlreicher, für
die Zucht tauglicher Kälber und insbeſondere ſolcher,
welche von den für Abmelkwirtſchaften beſtimmten, be-
ſonders milchergiebigen Kühen ſtammen, in wirkſamer
Weiſe zu ſteuern und dieſes wertvolle Material für die
Nachzucht zu erhalten, hat das Ackerbauminiſterium die
Erteilung von Aufzuchtprämien für zucht-
taugliche Kälber
in Ausſicht genommen und in
einem an die politiſchen Landesſtellen hinausgegebenen
Erlaſſe die Erſtattung konkreter Vorſchläge in dieſer Rich-
tung ſeitens der landwirtſchaftlichen Korporationen ver-
langt.

Eine weitere Maßregel gegen das vorzeitige und
großenteils irrationelle Schlachten der Kälber, welche nicht
bloß vom Standpunkte der Erhaltung von Zuchtmaterial,
ſondern auch von jenem der Schaffung beſſer verwertbaren
und mehr Fleiſch liefernden Nutz- und Schlachtviehes
[Spaltenumbruch] notwendig erſcheint, wurde durch die in einzelnen Län-
dern heuer ſehr ergiebige Futtererntee ermöglicht. Das
Ackerbauminiſterium hat in jenen Ländern, in welchen
großen Futtervorräte von der heurigen Ernte und teil-
weiſe auch noch alte Vorräte vorhanden ſind, eine Aktion
eingeleitet, welche bezweckt, aufzuchtfähige Käl-
ber
durch die landwirtſchaftliche Organiſationen an-
kaufen
und auf eigenen Aufzuchthöfen bis zum nutz-
ungsfähigen Alter aufziehen zu laſſen, in welchem
dieſe Tiere dann wieder an Landwirte zu mäßi-
gen Preiſen abgegeben
werden ſollen. Sofern
dieſelben ſich dann zur Zucht eignen und die Futterver-
hältniſſe die Verwendung zur Zucht geſtatten, ſollen ſie
als Zuchttiere aufgeſtellt werden, ſofern dieſe Voraus-
ſetzungen nicht zutreffen, ſoll deren Mäſtung und damit
die Vermehrung des zum Konſum gelangenden Fleiſches
veranlaßt werden.

Die zur Durchführung dieſer Maßnahmen erforder-
lichen Aufwendungen ſollen aus den durch das Geſetz vom
30. Dezember 1909, R.-G.-Bl. Nr. 222, zur Förderung
der Viehzucht beſtimmten Mitteln beſtritten werden.

Wenn dieſe beiden Maßregeln die in ſie geſetzten Er-
wartungen erfüllen, ſo werden ſie im Laufe weniger
Jahre eine bedeutende Vermehrung unſeres
Viehſtandes
herbeiführen, für welche durch die mitt-
lerweile durchgeführte ſyſtematiſche Aktion zur Förderung
der Alpenwirtſchaft und des Futterbaues die entſprechen-
den Futtermittel vorhanden ſein werden. — Da dieſe
Maßnahmen dem Konſum eine Anzahl der jetzt zur
Schlachtung gelangenden Kälber entziehen, müſſen gleich-
zeitig andere Vorkehrungen getroffen werden, um den
durch den Entgang des Kalb[f]leiſches entſtehenden Ausfall
wieder wettzumachen.

Hiezu erſcheint in erſter Linie die Schweinezucht
und Schweinemaſt geeignet, weil dieſe am ſchnellſten die
gehofften Erträge liefert und dem Markt ein notwendi-
ges und beliebtes Nahrungsmittel liefert. Das Acker-
bauminiſterium hat daher eine Aktion eingeleitet, welche
die raſche Errichtung einer größeren Anzahl von
Schweinezucht- und Schweinemaſtanſtalt en
nach den neueſten und zweckmäßigſten Muſtern bezweckt.
Hiezu ſind in erſter Linie jene Typen von Anſtalten ge-
eignet, welche in Hannover und Schleswig-Holſtein mit
großem Erfolge für die Hebung der Schweineproduktion
tätig ſind und bei relativ ſehr geringem Koſtenaufwand
und raſcheſter Durchführung in kurzer Zeit bedeutende
Erträge liefern können. Das Ackerbauminiſterium hat
die Förderung der Errichtung derartiger Anſtalten mit
alle Energie in die Hand genommen, und es dürfte ge-
[Spaltenumbruch] lingen, noch im laufenden Jahre einige derartiger Etab-
liſſements dem Betriebe zu übergeben, welche dann jeden-
falls ſchon mit Rückſicht auf die Einfachheit und Billig-
keit ihrer Anlage und auf die Unabhängigkeit der Fütter-
ung von dem Ausfalle der Kartoffelernte zahlreiche Nach-
ahmung finden und damit eine ausgiebige Erhöhung der
Produktion an Fleiſchſchweinen herbeiführen werden.

Ein fortgeſetztes Augenmerk wendet das Ackerbau-
miniſterium der Vorſorge für die Beſchaffung von
Futtermitteln
und für die Aufſtapelung derſelben
für Notjahre zu. Zu dieſem Zwecke wird in jenen Län-
dern, in welchen die Futterernte heuer beſonders reiche
Reſultate geliefert hat, auf die Aufbewahrung der Vor-
räte für zukünftige Notjahre hingewirkt. Außerdem wird
die Errichtung von Konſervierungsanſtalten für Futter-
mittel, alſo insbeſondere für die Trocknung von Kartof-
feln, Kartoffelkraut, Rübenköpfen und Rübenſchnitzeln
und für die Aufſchließung von Stroh, wo immer dies die
Verhältniſſe geſtatten, angeregt und nachdrücklich ge-
fördert.




Kritiſch geprüft, beſagt dieſes Kommuniquee eigent-
lich das Gegenteil deſſen, was es zu ſein ſcheint. Bis auf
die angekündigte Einführung von Schweinezucht- und
Schweinemaſtanſtalten nach einem ausländiſchen Muſter,
welche eine beſondere Erhöhung der Fleiſchproduktion bei
geringem Koſtenaufwand und innerhalb kurzer Zeit er-
möglichen ſollen, ſchreibt der Proſpekt keine einzige prak-
tiſche Maßnahme vor. Offenbar kann ſich die Regierung
ungeachtet der zunehmenden Fleiſchteuerung und trotz
der Verſchärfung, welche die Situation durch die ab-
lehnende Haltung Ungarns erfährt, doch nicht — wie es
wünſchenswert erſchiene — dazu entſchließen, ohne län-
geres Hinauszögern aus dem Stehgreif Anordnungen zu
treffen, welche das Uebel an dem Orte ſeines Urſprunges
ſelbſt packen. Die Frage, wie die unzureichende Rind-
fleiſchproduktion zu einer den Anforderungen des Kon-
ſums wenigſtens annähernd entſprechenden Höhe zu ſtei-
gern wäre, iſt längſt gelöſt und die zu dieſem Zwecke ein-
zuſchlagenden Wege ſind in dem Kommuniquee richtig an-
gedeutet, wenn ſie auch nicht ganz erſchöpft erſcheinen;
dennoch ſollen abermals erſt langwierige Enqueten ein-
geleitet werden und die Oeffentlichkeit bekommt Ausſichten
und Abſichten vorgeſetzt, wo es ihr doch darum zu tun iſt,
ein billigeres Rindfleiſch zu erhalten. Niemals war eine
Rundfrage entbehrlicher, als gerade in dieſer Sache. Das
Thema iſt ſchon ſo glatt beantwortet, daß auch die Re-
ferenten des Ackerbauminiſteriums nur eine einzige ein-
heitliche Meinung haben und zum Ausdrucke bringen




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Glückspilz.

(Nachdruck verboten.)

„Gräßlich ... dieſe Hitze!“

Eva Bornemann ließ ſich in den Strandkorb fallen,
legte ihren großen Panama neben ſich und ſchob mit den
ſchlanken blaſſen Händen ihre kunſtvolle Lockenfriſur zu-
recht. Dann wandte ſie ſich an ihre Kouſine, die ſich im
Sande eingebuddelt hatte.

„Du willſt wohl den Sonnenſtich bekommen, Milli?
Was für ein Leichtſinn, ſich dieſer Glut auszuſetzen!“

Milli lachte, ohne ſich zu rühren.

Aergerlich fuhr die junge Frau fort: „Weißt Du,
welchen Spitznamen Du hier haſt? Fliegenpilz nennen ſie
Dich, weil Du immer ſo tief im Sande lagerſt, daß man
bloß Deinen großen roten Lederhut ſieht.“

„Ja, zur Modedame habe ich nie getaugt. Der Leder-
hut iſt ſicher kühler als Dein eleganter Panama, und ich
fühle mich unbändig wohl als Fliegenpilz. Die Luft und
die Sonne tun mir gut nach dem jahrelangen Stuben-
hocken. Wirklich, ich bin Dir dankbar, daß Du mich über-
redet haſt, Dich hierher zu begleiten.“

Sie legte die Hände unter den Kopf und ſchloß die
Augen ... Das war nun der erſte Urlaub, den ſie ſeit
ihrer Studienzeit genoß. Nach dem Examen hatte ſie das
Glück gehabt, einen Kollegen zu finden, der ſie erſt als
Aſſiſtentin, dann als Leiterin ſeines Frauenſanatoriums
engagiert: eine anſtrengende aber intereſſante Tätigkeit
die ſie ſtark in Aſpruch nahm. Die Frau ihres Chefs war
ihre Verwandte. Und als es ſich jetzt darum gehandelt
hatte, daß Eva nach der ermüdenden Saiſon ſich ein paar
Wochen im Seebade erholen ſollte, ehe ſie mit ihrem Mann
die alljährliche Gebirgstour antrat, wurde Milli einge-
laden, die junge Frau zu begleiten. Ihr Chef war davon
überzeugt, daß die pflichttreue Aerztin ſolchen Urlaub
längſt verdient hatte.


[Spaltenumbruch]

In dem weichen Sand hörte ſie plötzlich Schritte
neben ſich. Milli blickte auf. Sie ſah vor Eva einen Herrn
im hellen Tennisanzug ſtehen, der ſich nun auch zu ihr
wandte.

„Ah, da iſt ja der Glückspilz. Alſo, der gehört zu
Ihnen, gnädige Frau?“

Hör nur’ Milli, wie galant der Herr Profeſſor iſt!
Nennt Dich nicht wie die anderen, Fliegenpilz, traut Dir
kein Gift zu und tauft Dich „Glückspilz“. Und dabei han-
tierſt Du doch ſo viel mit Gift! ... Profeſſor Griepenow ..
meine Kouſine Milli Krüger“, ſtellte die junge Frau vor.

„Fräulein Doktor Krüger, von der mir meine
Schweſter ſo viel erzählt hat? Sie war im Winter in
Ihrem Sanatorium.“

Milli rückte ihren Hut ein wenig zur Seite, ſo daß
Griepenow ihr in das kluge, ruhige Geſicht blicken konnte.
Er ſah ſympathiſche Züge, die Vertrauen erwecken muß-
ten: große graue Augen, eine gerade kurze Naſe und einen
gütig lächelnden Mund.

„Was meinen, gnädige Frau ... zum Tennis
wohl zu heiß ... aber eine kleine Seegelfahrt. Wären
Sie bereit?“

„Ja, das iſt noch das einzige, was man bei dieſer
Glut unternehmen kann. Machſt Du mit, Milli?“

„Ich halte das Wetter nicht für ſicher.“

Profeſſor Griepenow hielt die Hand vor die Augen
und ſah ſich um. Der Südwind wehte ſchwach. Vom grell-
blauen Himmel brannte die Sonne. Weit drüben im
Weſten hingen ein paar ſchwere bleigraue Wolken.

„Kann ſein, daß Sie Recht haben“, ſagte er zu Milli.

„Aber die Wolkenwand ſteht da grüben ſchon ſeit
vielen Tagen; dabei gibt’s jeden Abend bloß ein kurzes
Wetterleuchten ohne Abkühlung. Und wir ſind doch noch
nie eingeregnet!“

„Sehr logiſch!“ lächelte Evas Freundin.

Ach, nun biſt Du wieder der Giftpilz! Sei doch kein
Spielverderber!“

„Ich will mal mit den Schiffern an der Brücke
reden“, ſchlug der Profeſſor vor, „da werde ich gleich
[Spaltenumbruch] hören, was ſie vom Wetter halten. Auf Wiederſehen,
meine Damen.“

Eva ſah ihm nach, wie er am Strande entlang ging.
„Wir haben uns nämlich heute früh getroffen, als ich vom
Baden kam. Denk Dir, er wohnt in demſelben Hotel wie
wir. Du kannteſt ihn wohl auch den Namen nach, Milli?“

„Ja. Iſt er nicht Deine alte Flamme geweſen?“

Eva nickte. „Fünf Jahre iſt’s ſchon her, daß er ſich
bei mir einen Korb geholt hat. Damals war er noch kein
bekannter Maler. Hätte ich’s geahnt ... unterdeſſen iſt
er Profeſſor geworden und ſpielt eine große Rolle unter
den Künſtlern.“

„So! Und ich ſoll alſo mit Euch beiden als Wauwau
oder als Elephant mitſegeln?“

„Ach, Du mußt doch nicht gleich an einen Flirt den-
ken ... Uebrigens, meinem Manne brauchſt Du’s nicht
zu erzählen, daß ich und Griepenow ... Jedenfalls
wäre es mir lieb, wenn Du mitkämſt. Siehſt Du, er
winkt, er erwartet uns. Wie findeſt Du ihn? Der ſchwarze
Spitzbart ſteht ihm gut, nicht? Und ſo nett, daß er gar
nicht pikiert war wegen damals ... Ganz harmlos be-
grüßte er mich. Nein, lach’ doch nicht ſo malitiös! Sieh
lieber, ob mein Panama richtig ſitzt. Du kommſt doch
mit?“

„Ich werde Dich lieber am Seeſteg erwarten.“ Sie
ſtand auf, ſchüttelte den Sand ab, nahm ihren Gummi-
mantel über den Arm und ging mit der jungen Frau zur
Brücke.

„Die Leute ſind hier zu merkwürdig“, rief ihnen
Griepenow zu. „Es iſt Johannistag heute, und da iſt dem
Waſſer nicht zu trauen: drei Menſchenleben fordert es,
ſagen ſie. Und natürlich prophezeien ſie außerdem noch
ein Gewitter. Aber der junge Banſin und ſein Bruder
machen das Boot zurecht; ich hab ihnen gut zugeredet.“

Er half Eva beim Einſteigen und ſetzte ſich neben ſie.

Der ſchwache Wind trieb das Schiff nur langſam
vorwärts. Das Waſſer war grünblau und glitzerte in der
Sonne.

Griepenow hatte mit Eva geplaudert über alte Be-
kannte, über ſeine Reiſen, ſein Emporkommen, und er


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[[1]/0001] Redaktion und Adminiſtration: Ringplatz 4, 2. Stock. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40 halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60, (mit täglicher Poſtverſendung): monatlich K 2, vierteljähr. K 6, halbjähr. K 12. ganzjähr. K 24. Für Deutſchland: vierteljährig ... 7 Mark. für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei. Telegramme Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring- platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz. Nr. 2277. Czernowitz, Dienſtag, den 22. Auguſt 1911. Ueberſicht. Vom Tage. Der Stillſtand in den Marokkoverhandlungen hat eine ernſte Stimmung ſowohl in Deutſchland wie in Frankreich zur Folge; einige Pariſer Blätter laſſen Kriegsdrohungen laut werden. — Das deutſch-ruſſiſche Abkommen wurde in Petersburg unterzeichnet. — Der Toskenaufſtand iſt beigelegt. Bunte Chronik. Der Eiſenbahnerſtreik in England wurde nach Ab- ſchluß eines Uebereinkommens zwiſchen den Bahnen und den Arbeiterverbänden eingeſtellt. Letzte Telegramme. Pariſer Blätter wiſſen von Kriegsvorbereitungen der franzöſiſchen Marine zu melden. Regierungsmaßnahmen aus Anlaß der Fleiſchnot. Czernowitz, 21. Auguſt. Im Nachhange zu dem Kommuniquee über den Ab- bruch der mit Ungarn in der Fleiſchfrage gepflogenen Ver- handlungen veröffentlicht die Regierung folgende Mit- teilungen über die zur Linderung der Fleiſchnot als not- wendig erkannten Maßnahmen: Um dem oft beklagten Uebelſtande einer Abnahme unſerer Viehbeſtände durch das Schlachten zahlreicher, für die Zucht tauglicher Kälber und insbeſondere ſolcher, welche von den für Abmelkwirtſchaften beſtimmten, be- ſonders milchergiebigen Kühen ſtammen, in wirkſamer Weiſe zu ſteuern und dieſes wertvolle Material für die Nachzucht zu erhalten, hat das Ackerbauminiſterium die Erteilung von Aufzuchtprämien für zucht- taugliche Kälber in Ausſicht genommen und in einem an die politiſchen Landesſtellen hinausgegebenen Erlaſſe die Erſtattung konkreter Vorſchläge in dieſer Rich- tung ſeitens der landwirtſchaftlichen Korporationen ver- langt. Eine weitere Maßregel gegen das vorzeitige und großenteils irrationelle Schlachten der Kälber, welche nicht bloß vom Standpunkte der Erhaltung von Zuchtmaterial, ſondern auch von jenem der Schaffung beſſer verwertbaren und mehr Fleiſch liefernden Nutz- und Schlachtviehes notwendig erſcheint, wurde durch die in einzelnen Län- dern heuer ſehr ergiebige Futtererntee ermöglicht. Das Ackerbauminiſterium hat in jenen Ländern, in welchen großen Futtervorräte von der heurigen Ernte und teil- weiſe auch noch alte Vorräte vorhanden ſind, eine Aktion eingeleitet, welche bezweckt, aufzuchtfähige Käl- ber durch die landwirtſchaftliche Organiſationen an- kaufen und auf eigenen Aufzuchthöfen bis zum nutz- ungsfähigen Alter aufziehen zu laſſen, in welchem dieſe Tiere dann wieder an Landwirte zu mäßi- gen Preiſen abgegeben werden ſollen. Sofern dieſelben ſich dann zur Zucht eignen und die Futterver- hältniſſe die Verwendung zur Zucht geſtatten, ſollen ſie als Zuchttiere aufgeſtellt werden, ſofern dieſe Voraus- ſetzungen nicht zutreffen, ſoll deren Mäſtung und damit die Vermehrung des zum Konſum gelangenden Fleiſches veranlaßt werden. Die zur Durchführung dieſer Maßnahmen erforder- lichen Aufwendungen ſollen aus den durch das Geſetz vom 30. Dezember 1909, R.-G.-Bl. Nr. 222, zur Förderung der Viehzucht beſtimmten Mitteln beſtritten werden. Wenn dieſe beiden Maßregeln die in ſie geſetzten Er- wartungen erfüllen, ſo werden ſie im Laufe weniger Jahre eine bedeutende Vermehrung unſeres Viehſtandes herbeiführen, für welche durch die mitt- lerweile durchgeführte ſyſtematiſche Aktion zur Förderung der Alpenwirtſchaft und des Futterbaues die entſprechen- den Futtermittel vorhanden ſein werden. — Da dieſe Maßnahmen dem Konſum eine Anzahl der jetzt zur Schlachtung gelangenden Kälber entziehen, müſſen gleich- zeitig andere Vorkehrungen getroffen werden, um den durch den Entgang des Kalbfleiſches entſtehenden Ausfall wieder wettzumachen. Hiezu erſcheint in erſter Linie die Schweinezucht und Schweinemaſt geeignet, weil dieſe am ſchnellſten die gehofften Erträge liefert und dem Markt ein notwendi- ges und beliebtes Nahrungsmittel liefert. Das Acker- bauminiſterium hat daher eine Aktion eingeleitet, welche die raſche Errichtung einer größeren Anzahl von Schweinezucht- und Schweinemaſtanſtalt en nach den neueſten und zweckmäßigſten Muſtern bezweckt. Hiezu ſind in erſter Linie jene Typen von Anſtalten ge- eignet, welche in Hannover und Schleswig-Holſtein mit großem Erfolge für die Hebung der Schweineproduktion tätig ſind und bei relativ ſehr geringem Koſtenaufwand und raſcheſter Durchführung in kurzer Zeit bedeutende Erträge liefern können. Das Ackerbauminiſterium hat die Förderung der Errichtung derartiger Anſtalten mit alle Energie in die Hand genommen, und es dürfte ge- lingen, noch im laufenden Jahre einige derartiger Etab- liſſements dem Betriebe zu übergeben, welche dann jeden- falls ſchon mit Rückſicht auf die Einfachheit und Billig- keit ihrer Anlage und auf die Unabhängigkeit der Fütter- ung von dem Ausfalle der Kartoffelernte zahlreiche Nach- ahmung finden und damit eine ausgiebige Erhöhung der Produktion an Fleiſchſchweinen herbeiführen werden. Ein fortgeſetztes Augenmerk wendet das Ackerbau- miniſterium der Vorſorge für die Beſchaffung von Futtermitteln und für die Aufſtapelung derſelben für Notjahre zu. Zu dieſem Zwecke wird in jenen Län- dern, in welchen die Futterernte heuer beſonders reiche Reſultate geliefert hat, auf die Aufbewahrung der Vor- räte für zukünftige Notjahre hingewirkt. Außerdem wird die Errichtung von Konſervierungsanſtalten für Futter- mittel, alſo insbeſondere für die Trocknung von Kartof- feln, Kartoffelkraut, Rübenköpfen und Rübenſchnitzeln und für die Aufſchließung von Stroh, wo immer dies die Verhältniſſe geſtatten, angeregt und nachdrücklich ge- fördert. Kritiſch geprüft, beſagt dieſes Kommuniquee eigent- lich das Gegenteil deſſen, was es zu ſein ſcheint. Bis auf die angekündigte Einführung von Schweinezucht- und Schweinemaſtanſtalten nach einem ausländiſchen Muſter, welche eine beſondere Erhöhung der Fleiſchproduktion bei geringem Koſtenaufwand und innerhalb kurzer Zeit er- möglichen ſollen, ſchreibt der Proſpekt keine einzige prak- tiſche Maßnahme vor. Offenbar kann ſich die Regierung ungeachtet der zunehmenden Fleiſchteuerung und trotz der Verſchärfung, welche die Situation durch die ab- lehnende Haltung Ungarns erfährt, doch nicht — wie es wünſchenswert erſchiene — dazu entſchließen, ohne län- geres Hinauszögern aus dem Stehgreif Anordnungen zu treffen, welche das Uebel an dem Orte ſeines Urſprunges ſelbſt packen. Die Frage, wie die unzureichende Rind- fleiſchproduktion zu einer den Anforderungen des Kon- ſums wenigſtens annähernd entſprechenden Höhe zu ſtei- gern wäre, iſt längſt gelöſt und die zu dieſem Zwecke ein- zuſchlagenden Wege ſind in dem Kommuniquee richtig an- gedeutet, wenn ſie auch nicht ganz erſchöpft erſcheinen; dennoch ſollen abermals erſt langwierige Enqueten ein- geleitet werden und die Oeffentlichkeit bekommt Ausſichten und Abſichten vorgeſetzt, wo es ihr doch darum zu tun iſt, ein billigeres Rindfleiſch zu erhalten. Niemals war eine Rundfrage entbehrlicher, als gerade in dieſer Sache. Das Thema iſt ſchon ſo glatt beantwortet, daß auch die Re- ferenten des Ackerbauminiſteriums nur eine einzige ein- heitliche Meinung haben und zum Ausdrucke bringen Feuilleton. Glückspilz. Eine Geſchichte aus dem Seebade von R. Kruſoe. (Nachdruck verboten.) „Gräßlich ... dieſe Hitze!“ Eva Bornemann ließ ſich in den Strandkorb fallen, legte ihren großen Panama neben ſich und ſchob mit den ſchlanken blaſſen Händen ihre kunſtvolle Lockenfriſur zu- recht. Dann wandte ſie ſich an ihre Kouſine, die ſich im Sande eingebuddelt hatte. „Du willſt wohl den Sonnenſtich bekommen, Milli? Was für ein Leichtſinn, ſich dieſer Glut auszuſetzen!“ Milli lachte, ohne ſich zu rühren. Aergerlich fuhr die junge Frau fort: „Weißt Du, welchen Spitznamen Du hier haſt? Fliegenpilz nennen ſie Dich, weil Du immer ſo tief im Sande lagerſt, daß man bloß Deinen großen roten Lederhut ſieht.“ „Ja, zur Modedame habe ich nie getaugt. Der Leder- hut iſt ſicher kühler als Dein eleganter Panama, und ich fühle mich unbändig wohl als Fliegenpilz. Die Luft und die Sonne tun mir gut nach dem jahrelangen Stuben- hocken. Wirklich, ich bin Dir dankbar, daß Du mich über- redet haſt, Dich hierher zu begleiten.“ Sie legte die Hände unter den Kopf und ſchloß die Augen ... Das war nun der erſte Urlaub, den ſie ſeit ihrer Studienzeit genoß. Nach dem Examen hatte ſie das Glück gehabt, einen Kollegen zu finden, der ſie erſt als Aſſiſtentin, dann als Leiterin ſeines Frauenſanatoriums engagiert: eine anſtrengende aber intereſſante Tätigkeit die ſie ſtark in Aſpruch nahm. Die Frau ihres Chefs war ihre Verwandte. Und als es ſich jetzt darum gehandelt hatte, daß Eva nach der ermüdenden Saiſon ſich ein paar Wochen im Seebade erholen ſollte, ehe ſie mit ihrem Mann die alljährliche Gebirgstour antrat, wurde Milli einge- laden, die junge Frau zu begleiten. Ihr Chef war davon überzeugt, daß die pflichttreue Aerztin ſolchen Urlaub längſt verdient hatte. In dem weichen Sand hörte ſie plötzlich Schritte neben ſich. Milli blickte auf. Sie ſah vor Eva einen Herrn im hellen Tennisanzug ſtehen, der ſich nun auch zu ihr wandte. „Ah, da iſt ja der Glückspilz. Alſo, der gehört zu Ihnen, gnädige Frau?“ Hör nur’ Milli, wie galant der Herr Profeſſor iſt! Nennt Dich nicht wie die anderen, Fliegenpilz, traut Dir kein Gift zu und tauft Dich „Glückspilz“. Und dabei han- tierſt Du doch ſo viel mit Gift! ... Profeſſor Griepenow .. meine Kouſine Milli Krüger“, ſtellte die junge Frau vor. „Fräulein Doktor Krüger, von der mir meine Schweſter ſo viel erzählt hat? Sie war im Winter in Ihrem Sanatorium.“ Milli rückte ihren Hut ein wenig zur Seite, ſo daß Griepenow ihr in das kluge, ruhige Geſicht blicken konnte. Er ſah ſympathiſche Züge, die Vertrauen erwecken muß- ten: große graue Augen, eine gerade kurze Naſe und einen gütig lächelnden Mund. „Was meinen, gnädige Frau ... zum Tennis wohl zu heiß ... aber eine kleine Seegelfahrt. Wären Sie bereit?“ „Ja, das iſt noch das einzige, was man bei dieſer Glut unternehmen kann. Machſt Du mit, Milli?“ „Ich halte das Wetter nicht für ſicher.“ Profeſſor Griepenow hielt die Hand vor die Augen und ſah ſich um. Der Südwind wehte ſchwach. Vom grell- blauen Himmel brannte die Sonne. Weit drüben im Weſten hingen ein paar ſchwere bleigraue Wolken. „Kann ſein, daß Sie Recht haben“, ſagte er zu Milli. „Aber die Wolkenwand ſteht da grüben ſchon ſeit vielen Tagen; dabei gibt’s jeden Abend bloß ein kurzes Wetterleuchten ohne Abkühlung. Und wir ſind doch noch nie eingeregnet!“ „Sehr logiſch!“ lächelte Evas Freundin. Ach, nun biſt Du wieder der Giftpilz! Sei doch kein Spielverderber!“ „Ich will mal mit den Schiffern an der Brücke reden“, ſchlug der Profeſſor vor, „da werde ich gleich hören, was ſie vom Wetter halten. Auf Wiederſehen, meine Damen.“ Eva ſah ihm nach, wie er am Strande entlang ging. „Wir haben uns nämlich heute früh getroffen, als ich vom Baden kam. Denk Dir, er wohnt in demſelben Hotel wie wir. Du kannteſt ihn wohl auch den Namen nach, Milli?“ „Ja. Iſt er nicht Deine alte Flamme geweſen?“ Eva nickte. „Fünf Jahre iſt’s ſchon her, daß er ſich bei mir einen Korb geholt hat. Damals war er noch kein bekannter Maler. Hätte ich’s geahnt ... unterdeſſen iſt er Profeſſor geworden und ſpielt eine große Rolle unter den Künſtlern.“ „So! Und ich ſoll alſo mit Euch beiden als Wauwau oder als Elephant mitſegeln?“ „Ach, Du mußt doch nicht gleich an einen Flirt den- ken ... Uebrigens, meinem Manne brauchſt Du’s nicht zu erzählen, daß ich und Griepenow ... Jedenfalls wäre es mir lieb, wenn Du mitkämſt. Siehſt Du, er winkt, er erwartet uns. Wie findeſt Du ihn? Der ſchwarze Spitzbart ſteht ihm gut, nicht? Und ſo nett, daß er gar nicht pikiert war wegen damals ... Ganz harmlos be- grüßte er mich. Nein, lach’ doch nicht ſo malitiös! Sieh lieber, ob mein Panama richtig ſitzt. Du kommſt doch mit?“ „Ich werde Dich lieber am Seeſteg erwarten.“ Sie ſtand auf, ſchüttelte den Sand ab, nahm ihren Gummi- mantel über den Arm und ging mit der jungen Frau zur Brücke. „Die Leute ſind hier zu merkwürdig“, rief ihnen Griepenow zu. „Es iſt Johannistag heute, und da iſt dem Waſſer nicht zu trauen: drei Menſchenleben fordert es, ſagen ſie. Und natürlich prophezeien ſie außerdem noch ein Gewitter. Aber der junge Banſin und ſein Bruder machen das Boot zurecht; ich hab ihnen gut zugeredet.“ Er half Eva beim Einſteigen und ſetzte ſich neben ſie. Der ſchwache Wind trieb das Schiff nur langſam vorwärts. Das Waſſer war grünblau und glitzerte in der Sonne. Griepenow hatte mit Eva geplaudert über alte Be- kannte, über ſeine Reiſen, ſein Emporkommen, und er

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2277, Czernowitz, 22.08.1911, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2277_1911/1>, abgerufen am 29.03.2024.