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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2567, Czernowitz, 14.08.1912.

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"Czernowitzer Allgemeine Zeitung" 14. August 1912.

[Spaltenumbruch]

einem Ausgleich mit der Opposition um den Preis ihrer
Führer schwerlich hergeben dürfte. Es kann nur bedauert
werden, daß die Nervosität der Opposition wieder eher
steigt als abnimmt. Herr von Lukacs wird die Opposition
gewiß auffordern, mit der faktischen Sachlage entspre-
chenden Anträgen unter Beiseitelassung der Restitution
und der persönlichen Frage an die Regierung heranzutre-
ten, sich mit dem Geschehenen abzufinden und sich bereit zu
erklären, an der Schaffung der Wahlreform mitzuwirken
und zur Arbeitsfähigkeit des Parlaments beizutragen.
Herr von Lukacs ist in dieser Hinsicht noch immer von
Friedenshoffnungen beseelt, als vorsichtiger Politiker hält
er jedoch auch ein zweites Eisen im Feuer: den Entschluß,
Versuchen, die Obstruktion im Abgeordnetenhause wieder-
aufleben zu lassen oder gar in die Delegation zu verschlep-
pen, mit allen gesetzlichen und verfassungsmäßigen Mit-
teln entgegenzutreten.




Der polnisch-ruthenische Ausgleich.
Unterredung des Abgeordneten von Wassilko mit Finanz-
minister von Bilinski.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Abg. v. Wassilko, der für 3 Tage hier weilt, hatte ge-
stern eine zweistündige Unterredung mit dem gemeinsa-
men Finanzminister Bilinski, um ihn über den
Stand des polnisch-ruthenischen Ausgleiches auch von ru-
thenischer Seite auf das Genaueste zu informieren.




Poincarees Mission in Petersburg.
Die Parade von Krasnoje-Selo.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Kaiser Nikolaus hielt heute vormittags im Lager
Krasnoje-Selo eine Truppenrevue ab, welcher der fran-
zösische Ministerpräsident Poincaree mit seinen Be-
gleitern beiwohnte. Nach der Revue fand im Kaiserzelt
ein Dejeuner statt.

Abermalige Unterredung Poincarees mit Sasonow.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Der französische Ministerpräsident Poincaree
hatte heute nach seiner Rückkehr aus Krasnoje-Selo aber-
mals eine Unterredung mit dem Minister des Aeußern
Sasonow.

"Kein Gegensatz zu Baltisch-Port."

Der "Rjetsch" führt in einem
Leitartikel aus, daß die Verhandlungen zwischen den
russischen Staatsmännern und dem französischen Mini-
sterpräsidenten Poincaree über die Weltpolitik und das
europäische Gleichgewicht nur zu einem vorläufigen Resul-
tate führen könnten, da die endgiltige Verwirklichung die
Beurteilung des Dreibundes erfordert. Die vorlie-
genden Beratungsgegenstände würden sich zum Teil als
Programm einer europäischen Konferenz eignen, die ein
alter Gedanke der russischen Diplomatie sei. Vielleicht ent-
wickelte sich die internationale Lage in einem dieser Idee
günstigen Sinne. Unter diesem Gesichtspunkt sei der Be-
such Poincarees nichtein Gegensatz zu der Begeg-
nung in Baltisch-Port sondern eine Fortse-
tzung
derselben.




Die Vorgänge in der Türkei.
KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Ueber Vorschlag des Kriegsministers hat der Sul-
[Spaltenumbruch] tan ein Irade sanktioniert, nach welchem alle Offi-
ziere
auf eine neue Formel vereidigt wer-
den sollen, in welcher sie sich verpflichten, daß keiner
einer öffentlichen oder geheimen politischen Par-
tei
angehören werde. Die Offiziere werden ferner eine
gleichlautende Erklärung schriftlich zu unterfertigen
haben.

Der Kriegsminister richtete an die Armee ein Rund-
schreiben, in welchem er die getroffene Maßnahme einge-
hend rechtfertigt. Dieselbe wird sofort durchgeführt und
werden jene Offiziere, die sich ihr widersetzen, bestraft.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Da die Südalbaner in der Gegend von Valona noch
immer versammelt sind, forderte die Regierung Ismail
Kemal
nochmals auf, seinen Einfluß aufzubieten, da-
mit die Albaner heimkehren, ohne daß die Anwendung
von Gewaltmaßnahmen erforderlich werde.

Wie verlautet, hat die Regierung zugesagt, weitere
Enthebungen von jungtürkischen Staatsbeamten zu ver-
meiden.

Der Major Hassan Tornus wurde von Monastir
wieder nach Saloniki gebracht.

Ein Bombenattentat gegen einen Eisenbahnzug rechtzeitig
vereitelt.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Auf der Bahnstrecke Kilindir-Karasulu wurden vor dem
Passierne eines Zuges zwei mit einer elektrischen Batterie
verbundene Dynamitbomben entdeckt, die am
Geleise befestigt
waren. Auf allen Bahnstrecken
wurden die Ueberwachungsmaßnahmen verstärkt.

Haftbefehl gegen Talaat.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Gegen den ehemaligen Minister des Innern Ta-
laat Bey
ist wegen Aufwieglung der Bevölkerung von
Serres ein Haftbefehl erlassen worden.

Die Erregung in Bulgarien.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Ein aus angesehenen Mitgliedern aller Parteien zusam-
mengesetztes Organisationskomitee für Kot-
schana
veröffentlicht einen Aufruf an die Bevölkerung
Bulgariens, in welchem es zum Zusammenschluß der Re-
gierungs- und der Oppositionsparteien zwecks Veranstal-
tung eines Protestmeetingsinganz Bulga-
rien
auffordert. Die ganze Bevölkerung müsse einmütig
den Krieg gegen die Türkei verlangen.

Für die morgen aus Anlaß des 25jährigen Regie-
rungsjubiläums König Ferdinands stattfindenden Mee-
tings werden große Trauerkundgebungen, Straßenum-
züge mit Trauerfahnen und Glockengeläute geplant.

Der Grenzkonflikt mit Montenegro.

Reguläre türkische Truppen wie-
derholten vorgestern die Angriffe auf die montenegrini-
sche Grenze bei Velika. Das Gefecht dauerte
den ganzen Tag.
Die Angreifer wurden zurückge-
schlagen. Gestern richtete die montenegrinische Regierung
an die hiesigen Vertreter der Großmächte eine Zir-
kularnote,
in der erklärt wird, der königlichen Re-
gieung sei jede Möglichkeit entzogen mit Aussicht auf Er-
solg sich mit der Türkei direkt zu verständigen. Die Re-
gierung appelliert deshalb an die Großmächte, sie möchten
ein radikales Mittel finden zur Beseitigung eines Zu-
standes, der nun schon lange zum Nachteil der friedlichen
Entwicklung Montenegros andauere.




[Spaltenumbruch]

des in Acht und Bann erklärt, und diese Strafe wird erst
enden, wenn das letzte Mitglied der Familie der Rosa
Lakatos vom Erdboden vertilgt sein wird. Wo Mitglieder
der Familie der Rosa Lakatos seither mit anderen Zi-
geunerfamilien zusammentreffen, blitzen sofort die Messer
und knallen die Schüsse. Bei Kaschau trafen die Zigeuner-
familie Balog und Mitglieder der Familie Lakatos gleich-
zeitig an einem Lagerplatz ein. Balog-Männer und
-Frauen stürzten sich sofort mit Flinten, Aexten und
Messern auf die Lakatos-Leute, die sich mit Verlust von
drei Toten flüchten mußten. Solche Zigeunerschlachten:
Zigeuner gegen Zigeuner gehören durchaus nicht zu den
Seltenheiten, und die Chronik verzeichnet so manche wil-
den Kämpfe, in denen Dutzende von Zigeunern fielen. --
Im übrigen sind von allen Zigeunern jene am verrufen-
sten, die an der ungarisch-rumänischen Grenze und in Ru-
mänien herumstreifen. Diese Zigeunertrupps beschäftigen
sich vornehmlich mit dem Raub von Kindern.

Zuweilen lieben es die Zigeuner, ihre Schlupfwinkel
luxuriös einzurichten. In der Nähe von Kronstadt in
Siebenbürgen wurde von der Gendarmerie eine Zigeuner-
gesellschaft entdeckt, die riesige Geldsummen besaß. In
ihrer Herberge fand man zur größten Ueberraschung eine
geradezu herrlich eingerichtete Wohnung mit modernem
Speisezimmer, Rauchsalon, sogar Musikzimmer -- nur
ein Schlafzimmer war nicht vorhanden, was charakteri-
stisch für dieses Nomadenvolk ist.

Die reichen Zigeuner erscheinen den Behörden noch
verdächtiger als die armen. Das haben vor kurzem drei
Dutzend Familien von Zigeunern erfahren müssen, die in
Budapest mit der Eisenbahn aus Triest ankamen. Die
Polizei wollte sie als Bettelvolk abschieben, worauf ihr
Vajda oder Wojwode Albert Queck eine Viertelmillion
Kronen in Barem vorwies zum Beweise dessen, daß er
und seine Leute nicht durch Bettelei lästig zu fallen brauch-
ten. Damit kam er aber nur vom Regen in die Traufe.
Zigeuner als schwerreiche Leute -- kann es etwas mehr
[Spaltenumbruch] zu Verdacht Reizendes geben? Die ganze Gesellschaft
wurde also unter polizeiliche Beobachtung gestellt und
strenge Nachforschung nach ihrem Vorleben eingeleitet.
Diese ergab zwar, daß diese Zigeuner durchwegs ihr Ver-
mögen, soweit dies eruierbar war, auf ehrliche Weise er-
worben haben, aber die Polizei duldete doch nicht, daß
sich die reichen Zigeuner in Budapest niederließen und hieß
jene, die sich seltsamerweise zu seßhaftem Leben entschlossen
hatten, wieder weiter wandern. Indessen konnte sich die
Budapester Polizei wohl darauf berufen, daß die Ortschaft
Berethyonjfalu erst vor sehr kurzer Zeit mit einer Zigeu-
neransiedlung unliebsame Erfahrungen gemacht hat. Die
genannte Ortsgemeinde gab nämlich im Dezember 1910
einer Zigeunerkarawane Baugründe und ein Geldinstitut
verhalf den Nomaden durch Kredite zur Erbauung von
50 Häusern. Die Ruhelosen waren nun seßhafte Mitbür-
ger von Berethyonjfalu geworden. Nach einiger Zeit mach-
ten aber die Einwohner die Entdeckung, daß ihr Feder-
vieh rapid vermindert wurde. Eine Zigeunerin hatte sich
auf folgende originelle Art zu einer Federviehfängerin
von Berethyonjfalu verwandelt: Sie ging über die Gassen
und streute Kukuruzkörner aus, was den Gänsen des
Ortes so gefiel, daß sie der Freigebigen auf den Fersen
blieben. Von Zeit zu Zeit wandte sich die Spenderin um,
drückte einem Gänslein den Hals zu und ließ den entseel-
ten Vogel auf der Landstraße liegen. Hinter der Zigeu-
nerin in einiger Entfernung folgte aber immer der ge-
lehrige Gatte, er hob eine der verendeten Gänse nach der
anderen auf und brachte die Beute nach Hause. Das Paar
wurde erwischt und erhielt sechs Monate Haft zugeurteilt.
Am Tage nach dem Urteil war die ganze Zigeunerkolonie
entvölkert -- außer dem eingesperrten Paar blieb nie-
mand zurück; denn ein freier Zigeuner wird sich doch nicht
der Gefahr aussetzen, dafür, daß er einer Gans nur ein
bißchen den Hals umgedreht hat, sechs Monate hinter
Schloß und Riegel zu sitzen -- auf eine Kultur, die eine
solche Kleinigkeit bestraft, verzichtet der Zigeuner!


[Spaltenumbruch]

In einem Kommuniquee stellt
das offizielle Blatt "Glas Crnogorca" in ausführlicher
Weise die türkisch-montenegrinischen Grenzzwischenfälle
und den darauf folgenden Konflikt dar und bemerkt, es sei
schwer vorauszusehen, wesches Ende alles haben werde,
aber die Regierung, obwohl sie von friedlichen Absichten
durchdrungen sei, werde sich nicht enthalten, alles, was zum
Schutz ihrer Rechte sowie der Ehre und der
Würde Montenegros als notwendig erachtet wird,
zu unternehmen.




Marokko.
Die Abdankung Muley Hafids.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Ministerrat genehmigte das zwischen dem General-
residenten Lyautey und dem Sultan Muley Ha-
fid
abgeschlossene Uebereinkommen, nach welchem Letz-
terer vor seiner Abreise nach Frankreich abdankt. Die
Bedingungen des Thronverzichtes sind in einem frü-
heren
Abkommen bereits entsprechend geregelt. Der
neue Sultan, wahrscheinlich ein Bruder Muley Ha-
fids, wird den scherifischen Traditionen gemäß gewählt.

(Priv.-Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Die Abdankung Muley Hafid's steht unmittelbar bevor.
Wer sein Nachfolger werden wird, ist noch ungewiß.




Kurze Nachrichten.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Als Vertreter Kaiser Wilhelms aus Anlaß der Bei-
setzung des Kaisers Mutsu-Hito wird sich Prinz
Heinrich von Preußen nach Japan begeben.

KB. (Tel. der
"Cz. Allg. Ztg.")

Die Aufrührer begannen mit der Be-
schießung der Stadt. Eine Anzahl von Personen, darun-
ter Frauen und Kinder wurden verwundet. Die Auslän-
der hißten die Landesflagge.




Bunte Chronik.
Die Erdbebenkatastrophe im
Marmarameer.


Die aus dem türkischen Erdbebengebiet eintreffen-
den Nachrichten bestätigen in neuen Details die nieder-
schmetternde Wucht der Katastrophe, von welcher die Kü-
sten des Marmarameeres und die nördlich desselben ge-
legene Landschaft von Rodosto betroffen worden ist. Die
Erdbebenkatastrophe ist unbedingt eine der größten der
letzten Jahrzehnte und kam umso überraschender, als das
heimgesuchte Gebiet -- obwohl bekanntermaßen in einer
dulkanischen Zone liegend -- seit langer Zeit in Ruhe
verharrte. Genaue Zusammenstellungen über die Zahl der
Todesopfer, die jedenfalls nach Hunderten zu zählen sind,
und die Höhe der materiellen Schäden liegen noch nicht
vor. Bemerkenswert im Hinblick auf den vulkanischen, zu
Wiederholungen also umso geneigteren Charakter des er-
folgten Erdbebens erscheint die Nachricht, daß der Erd-
boden noch nicht zur Ruhe gelangt ist und sich neue Er-
schütterungen fühlbar machen. Es liegen folgende Mel-
dungen vor:

Immer mehr stellt es
sich heraus, daß das Erdbeben, das in Konstantinopel
kaum Schaden anrichtete, in seiner Nachbarschaft, sowohl
auf asiatischer wie auf europäischer Seite, als Kata-
stropheschwerster Art
auftrat. Kapitäne hier ein-
getroffener Schiffe berichten, daß man in den Dardanellen
an dreißig Erdstöße verspürt habe. Zwischen Ganos
und Chora stand auf einer weiten Strecke die ganze
Küste in Flammen.
Die Mannschaften des ameri-
kanischen Dampfers "Virginia" sahen die Städtchen
Chora, Myriophito, Heraclissa, Milia und Krassia bren-
nen. Der Dampfer konnte sich nicht nähern, da das
Wasser nahe der Küste kochte. Gallipoli soll bis auf
ein Kaffeehaus vernichtet sein. Immer neue Schiffe mit
Verwundeten kommen hier an. Die meisten sind so ver-
stört, daß sie keinen zusammenhängenden Bericht liefern
können. Am Nachmittage verbreitete sich die Nachricht, daß
Rodosto zur Hälfte zerstört sei. Die Pforte erteilte den
Torpedobooten Befehl, sich nach den Unglücksstätten zu be-
geben. Im Laufe des gestrigen Tages haben sich zwei neue
Erdstöße ereignet. Der erste erfolgte um 11 Uhr 35 Min.
vormittags und versetzte die Bevölkerung in ernste Erre-
gung. Mehrere Beschädigungen waren die Folge des Erd-
stoßes. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde eine neue, starke
Erdbewegung wahrgenommen, die auf der Insel Prin-
kipo
beträchtliche Verheerungen und einen großen
Brand anrichtete, der noch wütet. Die Läden in Stambul
wurden geschlossen. In dem benachbarten Dorfe Shola-
rion sind 200 Häuser, die Kirche und die Schulen einge-
stürzt. 100 Menschen sind getötet oder verwundet
worden.

Von den nicht an der
Küste liegenden Ortschaften fehlt infolge der unterbro-
chenen Verkehrsmittel und Telegraphenlinien jede Nach-
richt. Die Einwohner dieser Orte waren wohlhabend und
beschäftigten sich hauptsächlich mit Weinbau und Seiden-
industrie. Die Besatzung des nachmittags aus Myriophito

„Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ 14. Auguſt 1912.

[Spaltenumbruch]

einem Ausgleich mit der Oppoſition um den Preis ihrer
Führer ſchwerlich hergeben dürfte. Es kann nur bedauert
werden, daß die Nervoſität der Oppoſition wieder eher
ſteigt als abnimmt. Herr von Lukacs wird die Oppoſition
gewiß auffordern, mit der faktiſchen Sachlage entſpre-
chenden Anträgen unter Beiſeitelaſſung der Reſtitution
und der perſönlichen Frage an die Regierung heranzutre-
ten, ſich mit dem Geſchehenen abzufinden und ſich bereit zu
erklären, an der Schaffung der Wahlreform mitzuwirken
und zur Arbeitsfähigkeit des Parlaments beizutragen.
Herr von Lukacs iſt in dieſer Hinſicht noch immer von
Friedenshoffnungen beſeelt, als vorſichtiger Politiker hält
er jedoch auch ein zweites Eiſen im Feuer: den Entſchluß,
Verſuchen, die Obſtruktion im Abgeordnetenhauſe wieder-
aufleben zu laſſen oder gar in die Delegation zu verſchlep-
pen, mit allen geſetzlichen und verfaſſungsmäßigen Mit-
teln entgegenzutreten.




Der polniſch-rutheniſche Ausgleich.
Unterredung des Abgeordneten von Waſſilko mit Finanz-
miniſter von Bilinski.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Abg. v. Waſſilko, der für 3 Tage hier weilt, hatte ge-
ſtern eine zweiſtündige Unterredung mit dem gemeinſa-
men Finanzminiſter Bilinski, um ihn über den
Stand des polniſch-rutheniſchen Ausgleiches auch von ru-
theniſcher Seite auf das Genaueſte zu informieren.




Poincarees Miſſion in Petersburg.
Die Parade von Krasnoje-Selo.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Kaiſer Nikolaus hielt heute vormittags im Lager
Krasnoje-Selo eine Truppenrevue ab, welcher der fran-
zöſiſche Miniſterpräſident Poincaree mit ſeinen Be-
gleitern beiwohnte. Nach der Revue fand im Kaiſerzelt
ein Dejeuner ſtatt.

Abermalige Unterredung Poincarees mit Saſonow.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Der franzöſiſche Miniſterpräſident Poincaree
hatte heute nach ſeiner Rückkehr aus Krasnoje-Selo aber-
mals eine Unterredung mit dem Miniſter des Aeußern
Saſonow.

„Kein Gegenſatz zu Baltiſch-Port.“

Der „Rjetſch“ führt in einem
Leitartikel aus, daß die Verhandlungen zwiſchen den
ruſſiſchen Staatsmännern und dem franzöſiſchen Mini-
ſterpräſidenten Poincaree über die Weltpolitik und das
europäiſche Gleichgewicht nur zu einem vorläufigen Reſul-
tate führen könnten, da die endgiltige Verwirklichung die
Beurteilung des Dreibundes erfordert. Die vorlie-
genden Beratungsgegenſtände würden ſich zum Teil als
Programm einer europäiſchen Konferenz eignen, die ein
alter Gedanke der ruſſiſchen Diplomatie ſei. Vielleicht ent-
wickelte ſich die internationale Lage in einem dieſer Idee
günſtigen Sinne. Unter dieſem Geſichtspunkt ſei der Be-
ſuch Poincarees nichtein Gegenſatz zu der Begeg-
nung in Baltiſch-Port ſondern eine Fortſe-
tzung
derſelben.




Die Vorgänge in der Türkei.
KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Ueber Vorſchlag des Kriegsminiſters hat der Sul-
[Spaltenumbruch] tan ein Irade ſanktioniert, nach welchem alle Offi-
ziere
auf eine neue Formel vereidigt wer-
den ſollen, in welcher ſie ſich verpflichten, daß keiner
einer öffentlichen oder geheimen politiſchen Par-
tei
angehören werde. Die Offiziere werden ferner eine
gleichlautende Erklärung ſchriftlich zu unterfertigen
haben.

Der Kriegsminiſter richtete an die Armee ein Rund-
ſchreiben, in welchem er die getroffene Maßnahme einge-
hend rechtfertigt. Dieſelbe wird ſofort durchgeführt und
werden jene Offiziere, die ſich ihr widerſetzen, beſtraft.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Da die Südalbaner in der Gegend von Valona noch
immer verſammelt ſind, forderte die Regierung Ismail
Kemal
nochmals auf, ſeinen Einfluß aufzubieten, da-
mit die Albaner heimkehren, ohne daß die Anwendung
von Gewaltmaßnahmen erforderlich werde.

Wie verlautet, hat die Regierung zugeſagt, weitere
Enthebungen von jungtürkiſchen Staatsbeamten zu ver-
meiden.

Der Major Haſſan Tornus wurde von Monaſtir
wieder nach Saloniki gebracht.

Ein Bombenattentat gegen einen Eiſenbahnzug rechtzeitig
vereitelt.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Auf der Bahnſtrecke Kilindir-Karaſulu wurden vor dem
Paſſierne eines Zuges zwei mit einer elektriſchen Batterie
verbundene Dynamitbomben entdeckt, die am
Geleiſe befeſtigt
waren. Auf allen Bahnſtrecken
wurden die Ueberwachungsmaßnahmen verſtärkt.

Haftbefehl gegen Talaat.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Gegen den ehemaligen Miniſter des Innern Ta-
laat Bey
iſt wegen Aufwieglung der Bevölkerung von
Serres ein Haftbefehl erlaſſen worden.

Die Erregung in Bulgarien.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Ein aus angeſehenen Mitgliedern aller Parteien zuſam-
mengeſetztes Organiſationskomitee für Kot-
ſchana
veröffentlicht einen Aufruf an die Bevölkerung
Bulgariens, in welchem es zum Zuſammenſchluß der Re-
gierungs- und der Oppoſitionsparteien zwecks Veranſtal-
tung eines Proteſtmeetingsinganz Bulga-
rien
auffordert. Die ganze Bevölkerung müſſe einmütig
den Krieg gegen die Türkei verlangen.

Für die morgen aus Anlaß des 25jährigen Regie-
rungsjubiläums König Ferdinands ſtattfindenden Mee-
tings werden große Trauerkundgebungen, Straßenum-
züge mit Trauerfahnen und Glockengeläute geplant.

Der Grenzkonflikt mit Montenegro.

Reguläre türkiſche Truppen wie-
derholten vorgeſtern die Angriffe auf die montenegrini-
ſche Grenze bei Velika. Das Gefecht dauerte
den ganzen Tag.
Die Angreifer wurden zurückge-
ſchlagen. Geſtern richtete die montenegriniſche Regierung
an die hieſigen Vertreter der Großmächte eine Zir-
kularnote,
in der erklärt wird, der königlichen Re-
gieung ſei jede Möglichkeit entzogen mit Ausſicht auf Er-
ſolg ſich mit der Türkei direkt zu verſtändigen. Die Re-
gierung appelliert deshalb an die Großmächte, ſie möchten
ein radikales Mittel finden zur Beſeitigung eines Zu-
ſtandes, der nun ſchon lange zum Nachteil der friedlichen
Entwicklung Montenegros andauere.




[Spaltenumbruch]

des in Acht und Bann erklärt, und dieſe Strafe wird erſt
enden, wenn das letzte Mitglied der Familie der Roſa
Lakatos vom Erdboden vertilgt ſein wird. Wo Mitglieder
der Familie der Roſa Lakatos ſeither mit anderen Zi-
geunerfamilien zuſammentreffen, blitzen ſofort die Meſſer
und knallen die Schüſſe. Bei Kaſchau trafen die Zigeuner-
familie Balog und Mitglieder der Familie Lakatos gleich-
zeitig an einem Lagerplatz ein. Balog-Männer und
-Frauen ſtürzten ſich ſofort mit Flinten, Aexten und
Meſſern auf die Lakatos-Leute, die ſich mit Verluſt von
drei Toten flüchten mußten. Solche Zigeunerſchlachten:
Zigeuner gegen Zigeuner gehören durchaus nicht zu den
Seltenheiten, und die Chronik verzeichnet ſo manche wil-
den Kämpfe, in denen Dutzende von Zigeunern fielen. —
Im übrigen ſind von allen Zigeunern jene am verrufen-
ſten, die an der ungariſch-rumäniſchen Grenze und in Ru-
mänien herumſtreifen. Dieſe Zigeunertrupps beſchäftigen
ſich vornehmlich mit dem Raub von Kindern.

Zuweilen lieben es die Zigeuner, ihre Schlupfwinkel
luxuriös einzurichten. In der Nähe von Kronſtadt in
Siebenbürgen wurde von der Gendarmerie eine Zigeuner-
geſellſchaft entdeckt, die rieſige Geldſummen beſaß. In
ihrer Herberge fand man zur größten Ueberraſchung eine
geradezu herrlich eingerichtete Wohnung mit modernem
Speiſezimmer, Rauchſalon, ſogar Muſikzimmer — nur
ein Schlafzimmer war nicht vorhanden, was charakteri-
ſtiſch für dieſes Nomadenvolk iſt.

Die reichen Zigeuner erſcheinen den Behörden noch
verdächtiger als die armen. Das haben vor kurzem drei
Dutzend Familien von Zigeunern erfahren müſſen, die in
Budapeſt mit der Eiſenbahn aus Trieſt ankamen. Die
Polizei wollte ſie als Bettelvolk abſchieben, worauf ihr
Vajda oder Wojwode Albert Queck eine Viertelmillion
Kronen in Barem vorwies zum Beweiſe deſſen, daß er
und ſeine Leute nicht durch Bettelei läſtig zu fallen brauch-
ten. Damit kam er aber nur vom Regen in die Traufe.
Zigeuner als ſchwerreiche Leute — kann es etwas mehr
[Spaltenumbruch] zu Verdacht Reizendes geben? Die ganze Geſellſchaft
wurde alſo unter polizeiliche Beobachtung geſtellt und
ſtrenge Nachforſchung nach ihrem Vorleben eingeleitet.
Dieſe ergab zwar, daß dieſe Zigeuner durchwegs ihr Ver-
mögen, ſoweit dies eruierbar war, auf ehrliche Weiſe er-
worben haben, aber die Polizei duldete doch nicht, daß
ſich die reichen Zigeuner in Budapeſt niederließen und hieß
jene, die ſich ſeltſamerweiſe zu ſeßhaftem Leben entſchloſſen
hatten, wieder weiter wandern. Indeſſen konnte ſich die
Budapeſter Polizei wohl darauf berufen, daß die Ortſchaft
Berethyonjfalu erſt vor ſehr kurzer Zeit mit einer Zigeu-
neranſiedlung unliebſame Erfahrungen gemacht hat. Die
genannte Ortsgemeinde gab nämlich im Dezember 1910
einer Zigeunerkarawane Baugründe und ein Geldinſtitut
verhalf den Nomaden durch Kredite zur Erbauung von
50 Häuſern. Die Ruheloſen waren nun ſeßhafte Mitbür-
ger von Berethyonjfalu geworden. Nach einiger Zeit mach-
ten aber die Einwohner die Entdeckung, daß ihr Feder-
vieh rapid vermindert wurde. Eine Zigeunerin hatte ſich
auf folgende originelle Art zu einer Federviehfängerin
von Berethyonjfalu verwandelt: Sie ging über die Gaſſen
und ſtreute Kukuruzkörner aus, was den Gänſen des
Ortes ſo gefiel, daß ſie der Freigebigen auf den Ferſen
blieben. Von Zeit zu Zeit wandte ſich die Spenderin um,
drückte einem Gänslein den Hals zu und ließ den entſeel-
ten Vogel auf der Landſtraße liegen. Hinter der Zigeu-
nerin in einiger Entfernung folgte aber immer der ge-
lehrige Gatte, er hob eine der verendeten Gänſe nach der
anderen auf und brachte die Beute nach Hauſe. Das Paar
wurde erwiſcht und erhielt ſechs Monate Haft zugeurteilt.
Am Tage nach dem Urteil war die ganze Zigeunerkolonie
entvölkert — außer dem eingeſperrten Paar blieb nie-
mand zurück; denn ein freier Zigeuner wird ſich doch nicht
der Gefahr ausſetzen, dafür, daß er einer Gans nur ein
bißchen den Hals umgedreht hat, ſechs Monate hinter
Schloß und Riegel zu ſitzen — auf eine Kultur, die eine
ſolche Kleinigkeit beſtraft, verzichtet der Zigeuner!


[Spaltenumbruch]

In einem Kommuniquee ſtellt
das offizielle Blatt „Glas Crnogorca“ in ausführlicher
Weiſe die türkiſch-montenegriniſchen Grenzzwiſchenfälle
und den darauf folgenden Konflikt dar und bemerkt, es ſei
ſchwer vorauszuſehen, weſches Ende alles haben werde,
aber die Regierung, obwohl ſie von friedlichen Abſichten
durchdrungen ſei, werde ſich nicht enthalten, alles, was zum
Schutz ihrer Rechte ſowie der Ehre und der
Würde Montenegros als notwendig erachtet wird,
zu unternehmen.




Marokko.
Die Abdankung Muley Hafids.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Miniſterrat genehmigte das zwiſchen dem General-
reſidenten Lyautey und dem Sultan Muley Ha-
fid
abgeſchloſſene Uebereinkommen, nach welchem Letz-
terer vor ſeiner Abreiſe nach Frankreich abdankt. Die
Bedingungen des Thronverzichtes ſind in einem frü-
heren
Abkommen bereits entſprechend geregelt. Der
neue Sultan, wahrſcheinlich ein Bruder Muley Ha-
fids, wird den ſcherifiſchen Traditionen gemäß gewählt.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die Abdankung Muley Hafid’s ſteht unmittelbar bevor.
Wer ſein Nachfolger werden wird, iſt noch ungewiß.




Kurze Nachrichten.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Als Vertreter Kaiſer Wilhelms aus Anlaß der Bei-
ſetzung des Kaiſers Mutſu-Hito wird ſich Prinz
Heinrich von Preußen nach Japan begeben.

KB. (Tel. der
„Cz. Allg. Ztg.“)

Die Aufrührer begannen mit der Be-
ſchießung der Stadt. Eine Anzahl von Perſonen, darun-
ter Frauen und Kinder wurden verwundet. Die Auslän-
der hißten die Landesflagge.




Bunte Chronik.
Die Erdbebenkataſtrophe im
Marmarameer.


Die aus dem türkiſchen Erdbebengebiet eintreffen-
den Nachrichten beſtätigen in neuen Details die nieder-
ſchmetternde Wucht der Kataſtrophe, von welcher die Kü-
ſten des Marmarameeres und die nördlich desſelben ge-
legene Landſchaft von Rodoſto betroffen worden iſt. Die
Erdbebenkataſtrophe iſt unbedingt eine der größten der
letzten Jahrzehnte und kam umſo überraſchender, als das
heimgeſuchte Gebiet — obwohl bekanntermaßen in einer
dulkaniſchen Zone liegend — ſeit langer Zeit in Ruhe
verharrte. Genaue Zuſammenſtellungen über die Zahl der
Todesopfer, die jedenfalls nach Hunderten zu zählen ſind,
und die Höhe der materiellen Schäden liegen noch nicht
vor. Bemerkenswert im Hinblick auf den vulkaniſchen, zu
Wiederholungen alſo umſo geneigteren Charakter des er-
folgten Erdbebens erſcheint die Nachricht, daß der Erd-
boden noch nicht zur Ruhe gelangt iſt und ſich neue Er-
ſchütterungen fühlbar machen. Es liegen folgende Mel-
dungen vor:

Immer mehr ſtellt es
ſich heraus, daß das Erdbeben, das in Konſtantinopel
kaum Schaden anrichtete, in ſeiner Nachbarſchaft, ſowohl
auf aſiatiſcher wie auf europäiſcher Seite, als Kata-
ſtropheſchwerſter Art
auftrat. Kapitäne hier ein-
getroffener Schiffe berichten, daß man in den Dardanellen
an dreißig Erdſtöße verſpürt habe. Zwiſchen Ganos
und Chora ſtand auf einer weiten Strecke die ganze
Küſte in Flammen.
Die Mannſchaften des ameri-
kaniſchen Dampfers „Virginia“ ſahen die Städtchen
Chora, Myriophito, Heracliſſa, Milia und Kraſſia bren-
nen. Der Dampfer konnte ſich nicht nähern, da das
Waſſer nahe der Küſte kochte. Gallipoli ſoll bis auf
ein Kaffeehaus vernichtet ſein. Immer neue Schiffe mit
Verwundeten kommen hier an. Die meiſten ſind ſo ver-
ſtört, daß ſie keinen zuſammenhängenden Bericht liefern
können. Am Nachmittage verbreitete ſich die Nachricht, daß
Rodoſto zur Hälfte zerſtört ſei. Die Pforte erteilte den
Torpedobooten Befehl, ſich nach den Unglücksſtätten zu be-
geben. Im Laufe des geſtrigen Tages haben ſich zwei neue
Erdſtöße ereignet. Der erſte erfolgte um 11 Uhr 35 Min.
vormittags und verſetzte die Bevölkerung in ernſte Erre-
gung. Mehrere Beſchädigungen waren die Folge des Erd-
ſtoßes. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde eine neue, ſtarke
Erdbewegung wahrgenommen, die auf der Inſel Prin-
kipo
beträchtliche Verheerungen und einen großen
Brand anrichtete, der noch wütet. Die Läden in Stambul
wurden geſchloſſen. In dem benachbarten Dorfe Shola-
rion ſind 200 Häuſer, die Kirche und die Schulen einge-
ſtürzt. 100 Menſchen ſind getötet oder verwundet
worden.

Von den nicht an der
Küſte liegenden Ortſchaften fehlt infolge der unterbro-
chenen Verkehrsmittel und Telegraphenlinien jede Nach-
richt. Die Einwohner dieſer Orte waren wohlhabend und
beſchäftigten ſich hauptſächlich mit Weinbau und Seiden-
induſtrie. Die Beſatzung des nachmittags aus Myriophito

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[2/0002] „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ 14. Auguſt 1912. einem Ausgleich mit der Oppoſition um den Preis ihrer Führer ſchwerlich hergeben dürfte. Es kann nur bedauert werden, daß die Nervoſität der Oppoſition wieder eher ſteigt als abnimmt. Herr von Lukacs wird die Oppoſition gewiß auffordern, mit der faktiſchen Sachlage entſpre- chenden Anträgen unter Beiſeitelaſſung der Reſtitution und der perſönlichen Frage an die Regierung heranzutre- ten, ſich mit dem Geſchehenen abzufinden und ſich bereit zu erklären, an der Schaffung der Wahlreform mitzuwirken und zur Arbeitsfähigkeit des Parlaments beizutragen. Herr von Lukacs iſt in dieſer Hinſicht noch immer von Friedenshoffnungen beſeelt, als vorſichtiger Politiker hält er jedoch auch ein zweites Eiſen im Feuer: den Entſchluß, Verſuchen, die Obſtruktion im Abgeordnetenhauſe wieder- aufleben zu laſſen oder gar in die Delegation zu verſchlep- pen, mit allen geſetzlichen und verfaſſungsmäßigen Mit- teln entgegenzutreten. Der polniſch-rutheniſche Ausgleich. Unterredung des Abgeordneten von Waſſilko mit Finanz- miniſter von Bilinski. Iſchl, 13. Auguſt. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Abg. v. Waſſilko, der für 3 Tage hier weilt, hatte ge- ſtern eine zweiſtündige Unterredung mit dem gemeinſa- men Finanzminiſter Bilinski, um ihn über den Stand des polniſch-rutheniſchen Ausgleiches auch von ru- theniſcher Seite auf das Genaueſte zu informieren. Poincarees Miſſion in Petersburg. Die Parade von Krasnoje-Selo. KB. Petersburg, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Kaiſer Nikolaus hielt heute vormittags im Lager Krasnoje-Selo eine Truppenrevue ab, welcher der fran- zöſiſche Miniſterpräſident Poincaree mit ſeinen Be- gleitern beiwohnte. Nach der Revue fand im Kaiſerzelt ein Dejeuner ſtatt. Abermalige Unterredung Poincarees mit Saſonow. KB. Petersburg, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der franzöſiſche Miniſterpräſident Poincaree hatte heute nach ſeiner Rückkehr aus Krasnoje-Selo aber- mals eine Unterredung mit dem Miniſter des Aeußern Saſonow. „Kein Gegenſatz zu Baltiſch-Port.“ Petersburg, 12. Auguſt. Der „Rjetſch“ führt in einem Leitartikel aus, daß die Verhandlungen zwiſchen den ruſſiſchen Staatsmännern und dem franzöſiſchen Mini- ſterpräſidenten Poincaree über die Weltpolitik und das europäiſche Gleichgewicht nur zu einem vorläufigen Reſul- tate führen könnten, da die endgiltige Verwirklichung die Beurteilung des Dreibundes erfordert. Die vorlie- genden Beratungsgegenſtände würden ſich zum Teil als Programm einer europäiſchen Konferenz eignen, die ein alter Gedanke der ruſſiſchen Diplomatie ſei. Vielleicht ent- wickelte ſich die internationale Lage in einem dieſer Idee günſtigen Sinne. Unter dieſem Geſichtspunkt ſei der Be- ſuch Poincarees nichtein Gegenſatz zu der Begeg- nung in Baltiſch-Port ſondern eine Fortſe- tzung derſelben. Die Vorgänge in der Türkei. KB. Konſtantinopel, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Ueber Vorſchlag des Kriegsminiſters hat der Sul- tan ein Irade ſanktioniert, nach welchem alle Offi- ziere auf eine neue Formel vereidigt wer- den ſollen, in welcher ſie ſich verpflichten, daß keiner einer öffentlichen oder geheimen politiſchen Par- tei angehören werde. Die Offiziere werden ferner eine gleichlautende Erklärung ſchriftlich zu unterfertigen haben. Der Kriegsminiſter richtete an die Armee ein Rund- ſchreiben, in welchem er die getroffene Maßnahme einge- hend rechtfertigt. Dieſelbe wird ſofort durchgeführt und werden jene Offiziere, die ſich ihr widerſetzen, beſtraft. KB. Saloniki, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Da die Südalbaner in der Gegend von Valona noch immer verſammelt ſind, forderte die Regierung Ismail Kemal nochmals auf, ſeinen Einfluß aufzubieten, da- mit die Albaner heimkehren, ohne daß die Anwendung von Gewaltmaßnahmen erforderlich werde. Wie verlautet, hat die Regierung zugeſagt, weitere Enthebungen von jungtürkiſchen Staatsbeamten zu ver- meiden. Der Major Haſſan Tornus wurde von Monaſtir wieder nach Saloniki gebracht. Ein Bombenattentat gegen einen Eiſenbahnzug rechtzeitig vereitelt. KB. Saloniki, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Auf der Bahnſtrecke Kilindir-Karaſulu wurden vor dem Paſſierne eines Zuges zwei mit einer elektriſchen Batterie verbundene Dynamitbomben entdeckt, die am Geleiſe befeſtigt waren. Auf allen Bahnſtrecken wurden die Ueberwachungsmaßnahmen verſtärkt. Haftbefehl gegen Talaat. Konſtautinopel, 13. Auguſt. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Gegen den ehemaligen Miniſter des Innern Ta- laat Bey iſt wegen Aufwieglung der Bevölkerung von Serres ein Haftbefehl erlaſſen worden. Die Erregung in Bulgarien. Sofia, 12. Auguſt. (Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Ein aus angeſehenen Mitgliedern aller Parteien zuſam- mengeſetztes Organiſationskomitee für Kot- ſchana veröffentlicht einen Aufruf an die Bevölkerung Bulgariens, in welchem es zum Zuſammenſchluß der Re- gierungs- und der Oppoſitionsparteien zwecks Veranſtal- tung eines Proteſtmeetingsinganz Bulga- rien auffordert. Die ganze Bevölkerung müſſe einmütig den Krieg gegen die Türkei verlangen. Für die morgen aus Anlaß des 25jährigen Regie- rungsjubiläums König Ferdinands ſtattfindenden Mee- tings werden große Trauerkundgebungen, Straßenum- züge mit Trauerfahnen und Glockengeläute geplant. Der Grenzkonflikt mit Montenegro. Cetinje, 11. Auguſt. Reguläre türkiſche Truppen wie- derholten vorgeſtern die Angriffe auf die montenegrini- ſche Grenze bei Velika. Das Gefecht dauerte den ganzen Tag. Die Angreifer wurden zurückge- ſchlagen. Geſtern richtete die montenegriniſche Regierung an die hieſigen Vertreter der Großmächte eine Zir- kularnote, in der erklärt wird, der königlichen Re- gieung ſei jede Möglichkeit entzogen mit Ausſicht auf Er- ſolg ſich mit der Türkei direkt zu verſtändigen. Die Re- gierung appelliert deshalb an die Großmächte, ſie möchten ein radikales Mittel finden zur Beſeitigung eines Zu- ſtandes, der nun ſchon lange zum Nachteil der friedlichen Entwicklung Montenegros andauere. des in Acht und Bann erklärt, und dieſe Strafe wird erſt enden, wenn das letzte Mitglied der Familie der Roſa Lakatos vom Erdboden vertilgt ſein wird. Wo Mitglieder der Familie der Roſa Lakatos ſeither mit anderen Zi- geunerfamilien zuſammentreffen, blitzen ſofort die Meſſer und knallen die Schüſſe. Bei Kaſchau trafen die Zigeuner- familie Balog und Mitglieder der Familie Lakatos gleich- zeitig an einem Lagerplatz ein. Balog-Männer und -Frauen ſtürzten ſich ſofort mit Flinten, Aexten und Meſſern auf die Lakatos-Leute, die ſich mit Verluſt von drei Toten flüchten mußten. Solche Zigeunerſchlachten: Zigeuner gegen Zigeuner gehören durchaus nicht zu den Seltenheiten, und die Chronik verzeichnet ſo manche wil- den Kämpfe, in denen Dutzende von Zigeunern fielen. — Im übrigen ſind von allen Zigeunern jene am verrufen- ſten, die an der ungariſch-rumäniſchen Grenze und in Ru- mänien herumſtreifen. Dieſe Zigeunertrupps beſchäftigen ſich vornehmlich mit dem Raub von Kindern. Zuweilen lieben es die Zigeuner, ihre Schlupfwinkel luxuriös einzurichten. In der Nähe von Kronſtadt in Siebenbürgen wurde von der Gendarmerie eine Zigeuner- geſellſchaft entdeckt, die rieſige Geldſummen beſaß. In ihrer Herberge fand man zur größten Ueberraſchung eine geradezu herrlich eingerichtete Wohnung mit modernem Speiſezimmer, Rauchſalon, ſogar Muſikzimmer — nur ein Schlafzimmer war nicht vorhanden, was charakteri- ſtiſch für dieſes Nomadenvolk iſt. Die reichen Zigeuner erſcheinen den Behörden noch verdächtiger als die armen. Das haben vor kurzem drei Dutzend Familien von Zigeunern erfahren müſſen, die in Budapeſt mit der Eiſenbahn aus Trieſt ankamen. Die Polizei wollte ſie als Bettelvolk abſchieben, worauf ihr Vajda oder Wojwode Albert Queck eine Viertelmillion Kronen in Barem vorwies zum Beweiſe deſſen, daß er und ſeine Leute nicht durch Bettelei läſtig zu fallen brauch- ten. Damit kam er aber nur vom Regen in die Traufe. Zigeuner als ſchwerreiche Leute — kann es etwas mehr zu Verdacht Reizendes geben? Die ganze Geſellſchaft wurde alſo unter polizeiliche Beobachtung geſtellt und ſtrenge Nachforſchung nach ihrem Vorleben eingeleitet. Dieſe ergab zwar, daß dieſe Zigeuner durchwegs ihr Ver- mögen, ſoweit dies eruierbar war, auf ehrliche Weiſe er- worben haben, aber die Polizei duldete doch nicht, daß ſich die reichen Zigeuner in Budapeſt niederließen und hieß jene, die ſich ſeltſamerweiſe zu ſeßhaftem Leben entſchloſſen hatten, wieder weiter wandern. Indeſſen konnte ſich die Budapeſter Polizei wohl darauf berufen, daß die Ortſchaft Berethyonjfalu erſt vor ſehr kurzer Zeit mit einer Zigeu- neranſiedlung unliebſame Erfahrungen gemacht hat. Die genannte Ortsgemeinde gab nämlich im Dezember 1910 einer Zigeunerkarawane Baugründe und ein Geldinſtitut verhalf den Nomaden durch Kredite zur Erbauung von 50 Häuſern. Die Ruheloſen waren nun ſeßhafte Mitbür- ger von Berethyonjfalu geworden. Nach einiger Zeit mach- ten aber die Einwohner die Entdeckung, daß ihr Feder- vieh rapid vermindert wurde. Eine Zigeunerin hatte ſich auf folgende originelle Art zu einer Federviehfängerin von Berethyonjfalu verwandelt: Sie ging über die Gaſſen und ſtreute Kukuruzkörner aus, was den Gänſen des Ortes ſo gefiel, daß ſie der Freigebigen auf den Ferſen blieben. Von Zeit zu Zeit wandte ſich die Spenderin um, drückte einem Gänslein den Hals zu und ließ den entſeel- ten Vogel auf der Landſtraße liegen. Hinter der Zigeu- nerin in einiger Entfernung folgte aber immer der ge- lehrige Gatte, er hob eine der verendeten Gänſe nach der anderen auf und brachte die Beute nach Hauſe. Das Paar wurde erwiſcht und erhielt ſechs Monate Haft zugeurteilt. Am Tage nach dem Urteil war die ganze Zigeunerkolonie entvölkert — außer dem eingeſperrten Paar blieb nie- mand zurück; denn ein freier Zigeuner wird ſich doch nicht der Gefahr ausſetzen, dafür, daß er einer Gans nur ein bißchen den Hals umgedreht hat, ſechs Monate hinter Schloß und Riegel zu ſitzen — auf eine Kultur, die eine ſolche Kleinigkeit beſtraft, verzichtet der Zigeuner! Cetiuje, 12. Auguſt. In einem Kommuniquee ſtellt das offizielle Blatt „Glas Crnogorca“ in ausführlicher Weiſe die türkiſch-montenegriniſchen Grenzzwiſchenfälle und den darauf folgenden Konflikt dar und bemerkt, es ſei ſchwer vorauszuſehen, weſches Ende alles haben werde, aber die Regierung, obwohl ſie von friedlichen Abſichten durchdrungen ſei, werde ſich nicht enthalten, alles, was zum Schutz ihrer Rechte ſowie der Ehre und der Würde Montenegros als notwendig erachtet wird, zu unternehmen. Marokko. Die Abdankung Muley Hafids. KB. Paris, 12. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. 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Die Auslän- der hißten die Landesflagge. Bunte Chronik. Die Erdbebenkataſtrophe im Marmarameer. Czernowitz, 13. Auguſt. Die aus dem türkiſchen Erdbebengebiet eintreffen- den Nachrichten beſtätigen in neuen Details die nieder- ſchmetternde Wucht der Kataſtrophe, von welcher die Kü- ſten des Marmarameeres und die nördlich desſelben ge- legene Landſchaft von Rodoſto betroffen worden iſt. Die Erdbebenkataſtrophe iſt unbedingt eine der größten der letzten Jahrzehnte und kam umſo überraſchender, als das heimgeſuchte Gebiet — obwohl bekanntermaßen in einer dulkaniſchen Zone liegend — ſeit langer Zeit in Ruhe verharrte. Genaue Zuſammenſtellungen über die Zahl der Todesopfer, die jedenfalls nach Hunderten zu zählen ſind, und die Höhe der materiellen Schäden liegen noch nicht vor. Bemerkenswert im Hinblick auf den vulkaniſchen, zu Wiederholungen alſo umſo geneigteren Charakter des er- folgten Erdbebens erſcheint die Nachricht, daß der Erd- boden noch nicht zur Ruhe gelangt iſt und ſich neue Er- ſchütterungen fühlbar machen. Es liegen folgende Mel- dungen vor: Konſtantinopel, 12. Auguſt. Immer mehr ſtellt es ſich heraus, daß das Erdbeben, das in Konſtantinopel kaum Schaden anrichtete, in ſeiner Nachbarſchaft, ſowohl auf aſiatiſcher wie auf europäiſcher Seite, als Kata- ſtropheſchwerſter Art auftrat. Kapitäne hier ein- getroffener Schiffe berichten, daß man in den Dardanellen an dreißig Erdſtöße verſpürt habe. Zwiſchen Ganos und Chora ſtand auf einer weiten Strecke die ganze Küſte in Flammen. Die Mannſchaften des ameri- kaniſchen Dampfers „Virginia“ ſahen die Städtchen Chora, Myriophito, Heracliſſa, Milia und Kraſſia bren- nen. Der Dampfer konnte ſich nicht nähern, da das Waſſer nahe der Küſte kochte. Gallipoli ſoll bis auf ein Kaffeehaus vernichtet ſein. Immer neue Schiffe mit Verwundeten kommen hier an. Die meiſten ſind ſo ver- ſtört, daß ſie keinen zuſammenhängenden Bericht liefern können. Am Nachmittage verbreitete ſich die Nachricht, daß Rodoſto zur Hälfte zerſtört ſei. Die Pforte erteilte den Torpedobooten Befehl, ſich nach den Unglücksſtätten zu be- geben. Im Laufe des geſtrigen Tages haben ſich zwei neue Erdſtöße ereignet. Der erſte erfolgte um 11 Uhr 35 Min. vormittags und verſetzte die Bevölkerung in ernſte Erre- gung. Mehrere Beſchädigungen waren die Folge des Erd- ſtoßes. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde eine neue, ſtarke Erdbewegung wahrgenommen, die auf der Inſel Prin- kipo beträchtliche Verheerungen und einen großen Brand anrichtete, der noch wütet. Die Läden in Stambul wurden geſchloſſen. In dem benachbarten Dorfe Shola- rion ſind 200 Häuſer, die Kirche und die Schulen einge- ſtürzt. 100 Menſchen ſind getötet oder verwundet worden. Konſtantinopel, 12. Auguſt. Von den nicht an der Küſte liegenden Ortſchaften fehlt infolge der unterbro- chenen Verkehrsmittel und Telegraphenlinien jede Nach- richt. Die Einwohner dieſer Orte waren wohlhabend und beſchäftigten ſich hauptſächlich mit Weinbau und Seiden- induſtrie. Die Beſatzung des nachmittags aus Myriophito

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2567, Czernowitz, 14.08.1912, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2567_1912/2>, abgerufen am 19.04.2024.